KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Im Osten viel Neues




Washingtons Feldzug gegen "das Böse" setzt auch südostasiatische Regierungen unter Druck. In der neuen US-Militärstrategie gilt indes Ostasien als künftiger Konfliktherd.Von Rainer Werning. Publiziert in Volksstimme, Nr. 42/2001 vom 18. Oktober 2001

Der US-amerikanisch-britische Krieg gegen Afghanistan wird innen- und regionalpolitisch auf Dauer mehr Probleme schüren, als er durch seinen erklärtermaßen antiterroristischen Feldzug zu lösen vorgibt. Nicht nur ist in Afghanistan jener böse Geist der Flasche entwichen, die Washington zur Zeit des Kalten Krieges selbst geformt hatte. Auch weiter östlich – in Südost- und Ostasien – wächst die Ablehnung gegen den Weltsheriff USA, der durch die ausgegebene Parole "dead or alive" nach eigenem Gutdünken Rache und Vergeltung übt, sich indes der Installierung eines Internationalen Strafgerichtshofes seit 1998 widersetzt. Diese imperiale Selbstherrlichkeit stößt unter der Bevölkerung in der Region zunehmend auf Kritik – und die herrschenden Eliten in Legitimitätskrisen. "Wem der Antikommunismus am Herzen lag", schrieb Ignacio Ramonet, Direktor von "Le Monde diplomatique" in der Oktoberausgabe der Zeitschrift, "der wird auch am Antiislamismus seine Freude haben". Wenn sich das nur nicht alsbald rächt.

Indonesien: Zerreißproben

In Indonesien, mit etwa 240 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Südostasiens und gleichzeitig die Nation mit dem weltweit größten muslimischen Bevölkerungsanteil, wird der erst seit Sommer amtierenden Regierung unter Megawati Sukarnoputri ein politischer Spagat abverlangt. Einerseits ist Indonesien seit dem blutigen Militärputsch des langjährigen Despoten Suharto (1965/66) ein treuer Vasall Washingtons und Nutznießer massiver westlicher Wirtschafts- und Militärhilfe gewesen. Zum anderen haben die verschiedenen muslimischen Organisationen, darunter auch radikale mit Verankerung im Militär, seit dem Abtritt Suhartos im Sommer 1998 Aufwind bekommen. Nicht zuletzt deshalb, weil Megawatis Amtsvorgänger, Abdurrahman Wahid, einst selber Vorsitzender der mit über 30 Millionen Mitgliedern landesweit größten, gemäßigten muslimischen Organisation Nahdlatul Ulama war.
Unruhig bleibt es nicht nur in Aceh und Westpapua (Irian Jaya), wo sich Regierungssoldaten und Kämpfer der Unabhängigkeitsbewegungen GAM beziehungsweise OPM wieder verstärkt blutige Gefechte liefern. In den letzten Tagen kam es auch in Makassar, der Hauptstadt Südsulawesis, sowie in allen größeren Städten auf der Hauptinsel Java, vor allem aber in der Metropole Jakarta, wiederholt zu gewalttätigen Anti-US Demonstrationen und Protestkundgebungen vor der Britischen Botschaft. US-Botschafter Robert S. Gelbard, der demnächst durch Ralph Boyce (bislang im State Department verantwortlich für Asiatisch-Pazifische Angelegenheiten) abgelöst wird, hat bereits mit anderen Botschaftsangehörigen Jakarta verlassen. Die indonesischen Streitkräfte, so Gelbard, böten keine Sicherheitsgarantie mehr. Firmen wie Nike und Adidas, die auf dem Archipel seit Jahren zu Tageslöhnen von umgerechnet knapp zwei Mark produzieren lassen, haben ebenfalls einen Teil ihres ausländischen Mitarbeiterstabes abgezogen. Auch sie fühlen sich unzureichend geschützt und befürchten, dass die Situation aus dem Ruder läuft, sollten die US-amerikanisch-britischen Bombardements in Afghanistan anhalten.
Wenngleich Präsidentin Megawati kurz nach den Anschlägen in New York und Washington zur Staatsvisite in den USA weilte, dort ihre Verbundenheit mit Amerika zum Ausdruck brachte und ihr Amtskollege Bush ihr Militärhilfe von gut eine halbe Milliarde US-Dollar zusagte, muss sie um die innenpolitische Stabilität bangen. Radikale Organisationen – wie die Islamische Jugendbewegung, Laskar Jihad (Jihad Paramilitärische Kraft), Laskar Pembela Islam (Paramilitärische Kraft zur Verteidigung des Islam) und die Laskar Mujahidin Indonesia (Paramilitärische Kraft der Indonesischen Heiligen Krieger) – drohen mit der Eskalation von Gewalt, wenn der Westen weiterhin in Afghanistan militärisch interveniert und keine eindeutigen Beweise der Verstrickung Osama bin Ladens in die Terroranschläge vom 11. September liefert. Von der eigenen Regierung verlangen sie, den USA keinerlei Unterstützung zu gewähren. Eine Forderung, der mittlerweile auch der politisch gemäßigte "Rat der Ulema" erhebt.
Vor allem Laskar Jihad, erst Anfang 2000 in Erscheinung getreten, geriert sich als besonders martialisch. Ihr knapp 40-jähriger Führer Ustadz Ja"far Umar Thalib, Enkel eines jemenitischen Händlers und ausgebildet in Lahore (Pakistan) mit kurzer Kampferfahrung in Afghanistan, brüstet sich, über eine Gefolgschaft von mittlerweile 10.000 Mann zu verfügen. Seine Truppe war innerhalb der vergangenen eineinhalb Jahre maßgeblich an der Tötung von über 5.000 Menschen auf Maluku (den Molukken) beteiligt. Dort schwebt ihnen eine "christenfreie Provinz" vor, was nach erfolgreicher Umsetzung auch in anderen Landesteilen realisiert werden soll. Was diese trübe Truppe besonders gefährlich macht, sind ihre Verbindungen zu aktiven und pensionierten Militärs, die sich ihrerseits als Suharto-Loyalisten verstehen. "Wird ein Afghane verletzt oder getötet", hatte Handrian Syah, einer der Laskar Jihad-Kommandeure, wenige Tage vor Kriegsbeginn gegen Afghanistan (7. Oktober) erklärt, "werden wir amerikanische Waren boykottieren. Werden zwei Afghanen getötet, werden wir Amerikaner aufspüren, die in Indonesien leben. Werden drei umgebracht, werden wir uns den amerikanischen Botschafter vorknöpfen. Sind es mehr, dann wird die US-Botschaft zerstört."
Auch in Japan, wo Megawati nach ihrem Washingtonbesuch auf dem Rückflug Zwischenstation machte, zeigen sich hochrangige Politiker äußerst besorgt über die mögliche Eskalation von Gewalt in Indonesien. Vor allem das japanische Big Business, schrieb die "Japan Times" am 3. Oktober, fürchte als größter ausländischer Investor in Indonesien eine instabile Lage, was auch die Sicherheit der Straße von Malakka, einem Seeweg von vitaler Bedeutung, gefährden könnte. In Makassar wurden bereits Anschläge auf japanische Einrichtungen verübt. Nutznießer solcher Unruhen und des allerorten propagierten unerbittlichen Kampfes gegen den Terror sind die Militärs, auf deren Rückendeckung die Regierung freilich angewiesen ist. Damit schwinden nicht zuletzt die Hoffnungen, dass die Verantwortlichen der Massaker in Osttimor im Sommer 1999 jemals zur Rechenschaft gezogen und strafrechtlich belangt werden. Ursprünglich sollte ihnen vor einem UN-Tribunal der Prozess gemacht werden, was letztlich zugunsten einer Strafverfolgung im Lande selbst nach indonesischem Recht fallengelassen wurde. Doch was, betonen indonesische Menschen- und Bürgerrechtler, ist von einer Justiz zu halten, die zunächst erhobene Korruptionsvorwürfe gegen den ältesten Suharto-Sohn nach annähernd einem Jahr fallen und ihn ebenso lange – vergeblich – suchen ließ"
1965/66 wurden in Indonesien eine Million Menschen – bezichtigt als "Subversive oder "Sympathisanten der Kommunistischen Partei (PKI) – getötet. Komplizen waren die Regierungen der USA und Britanniens. US-Agenten, so ist mittlerweile deklassifizierten Dokumenten des State Department aus jener Zeit zu entnehmen, hatten General Suharto Todeslisten geliefert und dann akribisch jeweils die Namen durchgestrichen. "Teil des Abkommens war, britische Firmen und die Weltbank wieder ins Spiel zu bringen", sagt Roland Challis, einst Südostasien-Korrespondent der britischen Radio- und TV-Anstalt BBC. Trotz aufwühlender Bilder über dieses nach dem Koreakrieg (1950-53) zweitgrößte Abschlachten von Zivilisten nach 1945 waren im Westen Trauer oder gar Anteilnahme für die Opfer Fehlanzeige. Auch dieses Trauma ist in den vergangenen Tagen schlagartig ins Bewusstseins eines Teils der Demonstranten gerückt, .

Philippinen: Vasallentreue

Genau an dem Tag, als Bush Junior sein Amt antrat (20. Januar 2001), legte auch die neue philippinische Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo in Manila ihren Amtseid ab. Als oberste Repräsentantin eines Staates, der vor seiner Unabhängigkeit 1946 nahezu ein halbes Jahrhundert lang eine US-Kolonie war, mangelt es der neuen Präsidentin innen- wie außenpolitisch an Souveränität. Im Kampf gegen den kommunistischen und muslimischen Widerstand im Lande – d.h. gegen die Guerilla der von der Kommunistischen Partei befehligten Neuen Volksarmee (NPA) und der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) – signalisiert sie einerseits Friedfertigkeit und Verhandlungsbereitschaft. Andererseits schwadronieren die Präsidentin und ihre Generäle von einem raschen militärischen Sieg, der der internen Rebellion ein für allemal einen Riegel vorschiebt.
Kopfzerbrechen bereitet Manila indes die Gruppe der Abu Sayyaf (ASG – "Vater des Scharfrichters") im Süden des Archipels. Und das nicht erst seit Mitte September, als Präsident Bush die Abu Sayyaf auf die Liste von 27 weltweit operierenden Terrororganisationen setzen ließ, die es nunmehr durch die Allianz gegen den Terror auszumerzen gelte. Pikanterweise haben nicht nur das philippinische Militär und dessen Geheimdienst zeitweilig die obersten Ränge der Gruppe infiltriert, sondern laut Zeugenaussagen von Zivilisten auf der Insel Basilan (wo die ASG seit Ende Mai noch immer 18 Geiseln, darunter das US-amerikanische Missionarsehepaar Burnham, gefangen hält) auch mehrfach ihre Trupps gegen Zahlung von Schmiergeldern durch Sicherheitskordons schlüpfen lassen. Bis Juli, hatte sich Frau Arroyo selbst als Frist gesetzt, werde die ASG ausgemerzt sein. Doch ihre Politik des "Auge um Auge, Zahn um Zahn, Kugel für Kugel" führte dazu, dass seit Mitte Juli in zahlreichen Orten auf Basilan faktisch der Ausnahmezustand herrscht und zuvorderst die Zivilbevölkerung drangsaliert wird. Trotz eines militärischen Großaufgebots von über 5.000 Soldaten gelang es den staatlichen Sicherheitskräften bislang nicht, die auf Kidnapping und Lösegelderpressungen spezialisierte ASG auszuschalten. Noch am vergangenen Wochenende (13./14.10.) enthauptete die Truppe zwei ihrer Geiseln. Derart peinlich ist diese Affäre für das Militär, dass noch einen Tag vor der Verwüstung des World Trade Center der Verteidigungsminister und Generalstabschef nicht mehr ihren Rücktritt ausschlossen, sollte eine zwischenzeitlich vom Kongress eingesetzte Untersuchungskommission zu dem Ergebnis gelangen, dass Offiziere tatsächlich Gelder fürs Wegschauen kassiert hatten.
Seit dem 11. September aber ist alles anders. Das Militär ist exkulpiert, und seine Dienste werden – wie auch im Nachbarland Indonesien – jetzt mehr denn je als innenpolitische Ordnungsinstanz in Anspruch genommen. Mehr noch: Die Präsidentin und der philippinische Generalstab üben sich seitdem vis-à-vis Washington in Vasallentreue. Manila gestattet den GIs nunmehr erneut die Nutzung der früheren US-Militärbasen Clark Air Field und Subic Naval Base sowie uneingeschränkte Überflugrechte über philippinisches Territorium. Die Präsidentin bot den USA gar an, sich mit einem eigenen Kontingent am Kampf "gegen den weltweiten Terrorismus" zu beteiligen. Vereinbart wurde auch die Entsendung von US-amerikanischen Antiterrorspezialisten zur Bekämpfung der ASG, wenngleich Manila – noch zumindest – darauf beharrt, kein direktes militärisches Eingreifen von US-Truppen zu dulden. All diese Maßnahmen erfolgen im Rahmen des sogenannten Visiting Forces Agreement (VFA), das nach hitzigen innenpolitischen Debatten Ende Mai 1999 zwischen Manila und Washington quasi als Fortsetzung des früheren Militärbasen-Abkommens vereinbart worden war.
Das VFA gestattet den US-amerikanischen Streitkräften u.a. die Anlandung von 22 Häfen im Lande sowie die Nutzung von Flughäfen auf unbestimmte Zeit. Das führt jetzt wieder zur Kritik inner- wie außerhalb des Parlaments. Massive Protestaktionen vor der US-amerikanischen Botschaft in Manila richten sich denn auch nicht nur gegen die Kriegführung in Afghanistan, sondern auch gegen die US-hörige Politik der eigenen Regierung und die Bestimmungen des VFA. Befürchtet wird, dass damit eine militärische Intervention im Süden des Landes möglich werden könnte. Denn "der langwierige Kampf gegen den weltweiten Terrorismus" mit der von Präsident Bush vorgegebenen Zielrichtung, auch die Länder ins Visier zu nehmen, die terroristischen Banden (wie der Abu Sayyaf, von denen einige in Afghanistan militärisch ausgebildet wurden) Unterschlupf gewähren beziehungsweise dort operieren, könnte rasch eskalieren. Schließlich bedeutet das bedingungslose Einschwenken der Regierung auf den Kurs der USA und das Festhalten an einer militärischen Option, dass der seit 1970 schwelende Konflikt auf Mindanao und in der Sulu-See anhält, die Autonomiebestrebungen der dortigen muslimischen Bevölkerung (Moros) unerfüllt bleiben und eine politische Konfliktregelung mit der bedeutsamen Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) in weite Ferne rückt.

Malaysia: Pirouetten auf dünnem Eis

"Die Attacken (am 11. September, – R.W.) sind als sinnlose Gewalt aufs Schärfste zu verurteilen", ließ der inhaftierte frühere stellvertretende Premierminister Anwar Ibrahim durch seinen Anwalt Sankara Nair erklären. "Ich hoffe allerdings", so fügte der von Premier Mahathir Mohamad 1998 politisch abservierte prominente Häftling hinzu, "dass die USA Gerechtigkeit walten lassen und nicht Vergeltung üben." Damit gab es eine überraschende Übereinstimmung zwischen beiden, die sich seit dem Beginn der Bombardierungen afghanischer Städte verstärkt hat. Malaysia, lange Zeit dem Westen zugeneigt und gleichzeitig aufgrund seines überwiegend muslimischen Bevölkerungsanteils Mitglied der mittlerweile 56 Staaten umfassenden Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), geriet seit der sogenannten Asienkrise (1997) außen- und wirtschaftspolitisch sowie wegen der Kaltstellung von Dissidenten (darunter eben Anwar Ibrahim) auf der Basis des berüchtigten Internen Sicherheitsgesetzes (ISA) ein wenig ins Abseits. Mahathir hatte ausländische Spekulanten und Finanzinstitutionen offen als "neokoloniale Instrumente" und deren Gebaren als "imperialistisch" gebrandmarkt.
Politische Widersacher wurden von dem seit 1981 amtierenden Premier wiederholt als "subversiv" oder "terroristisch" abgestempelt. Seitdem nunmehr auch in den US-amerikanischen Medien häufiger von einer malaysisch-indonesisch-philippinischen Connection zu Osama bin Ladens al-Quaida die Rede ist, konterte Mahathir mit dem Argument, freilich gebe es in Malaysia terroristische Elemente. Diese aber, so der Premier, hätten niemals US-Einrichtungen ins Visier genommen, sondern seien ein internes Problem, mit dem seine Regierung sehr wohl allein fertig werde. Tatsächlich wurden Wochen vor den Anschlägen in New York und Washington mehrere militante Moslems aufgrund des ISA verhaftet und ihnen vorgeworfen, die Regierung stürzen zu wollen. Unter den Festgenommen, die mittlerweile zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurden, befand sich mit Nik Adli auch der älteste Sohn des Führers der Islamischen Partei Malaysias (PAS), Nik Abdul Aziz Nik Mat. Die Staatsanwaltschaft warf Nik Adli und seinen Gefolgsleuten vor, in Afghanistan militärisch ausgebildet worden zu sein, sich Waffen aus Thailand (dessen südliche Provinz Pattani überwiegend muslimisch ist) beschafft und bei Moslem-Rebellen in den Philippinen das Fertigen von Bomben gelernt zu haben.
Mahathirs Regierungsbündnis der Nationalen Front, die von des Premiers geführter Vereinten Malaiischen Nationalen Organisation (UMNO) dominiert wird, hat über all die Jahre ohne nennenswerte Opposition Politik machen können. Und jetzt fürchtet die ohnehin zahnlose und zersplitterte Opposition wegen der Terrorismus-Hysterie noch mehr in die Zange genommen zu werden. Erst am 27. September fuhr die Nationale Front bei den Wahlen zur Legislativversammlung im ostmalaysischen und gleichzeitig größten Bundesstaat Sarawak ein Traumergebnis ein: Sie errang 60 der insgesamt 62 Sitze. Die beiden größten Oppositionsparteien, die PAS und die von Anwar Ibrahims Frau, Azizah Ismail, geführte Keadilan, gingen leer aus. So profitiert Mahathir zum einen von den Auswirkungen des Antiterrorismus-Feldzuges zur Zähmung politischer Gegner. Andererseits wächst mit jedem Tag der Bombardierung Afghanistans die Kritik an den kriegführenden westlichen Staaten; mit England ist ja immerhin auch die einstige Kolonialmacht wesentlich involviert.

Latenter Konfliktherd Ostasien

Währenddessen geht das Pentagon davon aus, dass den Vereinigten Staaten und dem Weltfrieden allerdings langfristig aus dem Osten Asiens Gefahren drohen. In Präsident Bushs erstem Defence Review Report (der alle vier Jahre erscheint), wesentlich im Sommer entstanden und am 30. September veröffentlicht, werden der Fokus und die Streitkräfte der US-Militärmacht von Europa und dem Atlantik weg gen Asien und dem Pazifik gelenkt. In einem Gespräch mit Richard Halloran von der renommierten Hongkonger Wochenzeitschrift "Far Eastern Economic Review" (18.10.01) erklärte Admiral Dennis C. Blair, Oberbefehlshaber des Pacific Command, in dessen Hauptquartier in Pearl Harbour: "In der Vergangenheit waren die "Big Three"-Regionen stets Europa, Südwestasien und Ostasien, und zwar in dieser Rangfolge. Jetzt aber rückt Ostasien an die erste Stelle, gefolgt von Südwestasien und letztlich Europa", wobei er mit Südwestasien den Golf, Afghanistan und Zentralasien meint. Laut Blair wird es künftig notwendig sein, zwischen Ost- und Nordostasien zu unterscheiden. Letztgenannte Region beinhaltet noch ungelöste Probleme auf der koreanischen Halbinsel, während "der Rest Ostasiens potentielle Konflikte und potentielle Konfliktentschärfungen birgt, die von der Straße von Taiwan über Südostasien bis hin nach Südasien reichen". Damit, so Admiral Blair, sei erstmalig und explizit mit Asien mehr als nur eine Abschreckung in Korea gemeint.
Fortan soll die US-Pazifikinsel Guam Dreh- und Angelpunkt militärischer Operationen werden. Dort existiert bereits mit der Anderson Air Force Base ein großer Luftwaffenstützpunkt, und die Marineeinrichtung soll ausgebaut und dort binnen eines Jahres drei nuklear betriebene Unterseeboote stationiert werden. Gleichzeitig soll den auf Okinawa (Japan) stationierten US-Verbänden Marineeinheiten eine größere regionale Ordnungsfunktion zugewiesen werden. Anstelle neuer Militärbasen gelte es verstärkt auf die Einrichtungen befreundeter Staaten – das betrifft vor allem Australien und die Philippinen – zurückzugreifen und mit deren Militärs häufiger gemeinsame Manöver abzuhalten. Die Richtlinien des Defence Review sehen im Rahmen des Raketenabwehrsystems (MDS) überdies eine Umrüstung von Unterseebooten vor: Da gemäß den Waffenkontrollabkommen atomare ballistische Raketen verschrottet werden sollen, ist deren Ersetzung durch Cruise-Missiles vorgesehen. Schließlich: Sollte sich die Lage auf der koreanischen Halbinsel und das Verhältnis zwischen Seoul und Pjöngjang entspannen, bestünde die Mission der in Südkorea stationierten US-Truppen weniger in der Verteidigung des Landes als vielmehr in der Übernahme regionaler Verpflichtungen. (Vor allem in Nordkorea ist nicht vergessen, dass während des Koreakrieges (1950-53) die USA auch bakteriologischer Kriegführung u.a. Anthrax (Milzbranderreger) eingesetzt und US-Bomberpiloten geklagt hatten, dass dort partout keine Angriffsziele mehr auszumachen waren. Allein die Hauptstadt Pjöngjang war buchstäblich in Schutt und Asche gelegt.)
Bleibt abzuwarten, wie Washington künftig sein Verhältnis zur Volksrepublik China gestaltet und ob es auf dem Jahrestreffen der Asia Pacific Economic Cooperation (APEC) am kommenden Wochenende in Schanghai zu einer unverkrampften Zusammenkunft zwischen Bush und seinem Amtskollegen und Gastgeber Jiang Zemin kommt. Zumindest in der ersten Jahreshälfte war das bilaterale Verhältnis auf einen Tiefpunkt angelangt, was nicht nur durch die erzwungene Landung eines US-amerikanischen Spionageflugzeuges auf der Insel Hainan und noch im gleichen Monat (April) durch aufgestockte Waffenverkäufe an Taiwan demonstriert wurde. In den ersten Wochen seiner Amtszeit wurde die VR China in Washington gar als "strategischer Feind" bezeichnet. Staats- und Parteichef Jiang Zemin fuhr dann am 24. Mai eine für den US-Präsidenten wenig schmeichelhafte Retourkutsche. Bush, so Jiang anlässlich einer Sondersitzung von Politbüromitgliedern und außenpolitischen Experten der KP Chinas über nationale Sicherheitsbelange, sei "konfus und prinzipienlos" – wörtlich: "logically unsound; confused and unprincipled; unwise to the extreme".

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