KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Ernst Kaltenegger,
KPÖ-Stadtrat in Graz
Mail kpoe.klub@stadt.graz.at

Auf schmalem Grat:

Eine Linkspartei zwischen Regierung und Opposition

Diskussionsbeitrag auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin (13.1.07)

Nach der Gemeinderatswahl Anfang 1998 stand die KPÖ Graz plötzlich vor einer neuen Herausforderung: In Folge des Wahlergebnisses hatte unsere Partei nicht nur vier Sitze im Gemeinderat (Stadtparlament), sondern auch einen Sitz im Stadtsenat (Stadtregierung). Möglich wurde dies durch eine Regelung in unserer Verfassung, welche auf kommunaler Ebene allen Wahlparteien mit einem entsprechenden Ergebnis Regierungssitze einräumt. Etwas, was in der KPÖ Graz nicht nur ungetrübte Freude auslöste.

Es gab eine Reihe von Stolpersteinen, die wir ganz klar sahen, denen auszuweichen aber trotzdem sehr schwer werden würde.

> Die KPÖ verfügte über keinerlei Regierungserfahrung. Sieht man von einem kurzen Zeitraum unmittelbar nach Kriegsende ab, war die KPÖ weder im Bund, noch in einem Bundesland und auch in keiner nennenswerten größeren Stadt mehr in einer Regierung vertreten. Wir hatten Jahrzehnte ausschließlich als kleine Oppositionspartei agiert.
> Uns war bewusst, dass viele unserer Vorschläge und Forderungen nur bei einem völligen Politikwechsel, der auch teilweise die Grenzen unseres Gesellschaftssystems sprengen müsste, realisierbar sind. Ein solche Politikwechsel lässt sich aber nicht mit vier von 56 Abgeordneten in einem lokalen Parlament herbeiführen.
> Mit der Übernahme einer Regierungsfunktion ist auch die unmittelbare Verantwortung für einen Teilbereich der Kommunalpolitik verbunden. In unserem konkreten Fall war es das städtische Wohnungswesen, welches uns – sicher nicht ohne Hintergedanken – von den anderen Parteien übertragen wurde. Es war klar, dass sich viele Menschen von uns deutliche Verbesserungen erwarten würden. Schließlich war ja die Wohnungspolitik jahrelang ein Schwerpunkt unserer Kommunalarbeit. Immer wieder wurden von uns Missstände im Bereich der kommunalen Wohnungen aufgezeigt. Ohne entsprechende Mehrheiten im Gemeinderat und Stadtsenat sind Verbesserungen wohl schwer durchsetzbar. Außerdem gab es unter den Bediensteten im Wohnungsamt niemanden, welcher der KPÖ politisch nahe stand.
> Nicht zuletzt sahen wir auch die Gefahr eines politischen Verschleißes. Würden wir nicht automatisch mit allen Regierenden in einen Topf geworfen, sollte es uns nicht gelingen, unterscheidbar zu bleiben? Schon allein die Bezüge eines Stadtsenatsmitgliedes sind einer notwendigen Bodenhaftung nicht gerade förderlich und wurden deshalb von uns auch immer kritisiert. Ein Umstieg von Straßenbahn, Bus oder Fahrrad auf Wagen mit Chauffeur sind ebenfalls nicht gerade Turbolader in Sachen Glaubwürdigkeit.

Unsere damalige Situation war relativ schwierig. Wir sahen die Gefahren auf uns zukommen, konnten uns ihnen aber nicht entziehen. Bei einer Ablehnung der Übernahme einer Regierungsfunktion hätte jede andere Partei einen beliebigen Vorschlag zur Besetzung dieser Position einbringen können. Dies wäre wohl auf wenig Verständnis bei unseren Wählerinnen und Wählern gestoßen.

Um unser Problem aus der Welt zu schaffen, griffen wir einen alten KPÖ-Vorschlag auf: Die Zahl der Stadtsenatssitze solle von 9 auf 7 reduziert werden. Damit könnte es zu immer verlangten Einsparungen an der Spitze kommen und als Nebeneffekt müssten wir auch kein Regierungsamt mehr übernehmen. Da die Umsetzung dieses Vorschlages auch einer anderen Stadtsenatspartei einen Sitz gekostet hätte, wurde er umgehend abgelehnt. Letztendlich wurde von uns die Funktion eines Stadtsenatsmitgliedes, zuständig für das Wohnungswesen, übernommen.

Von Anbeginn wurde besonderes Augenmerk auf die Bewahrung eines eigenständigen Profils gelegt. Wichtig erschienen uns dabei folgende Bereiche:

1.) Frage des öffentlichen Eigentums. Da sich die finanzielle Lage der Stadt Graz nicht wesentlich von den anderen größeren Kommunen in Österreich unterscheidet, gab und gibt es einen besonders starken Privatisierungsdruck. Dieser äußert sich in Ausgliederungen stadteigener Unternehmen beziehungsweise deren Verkauf oder Teilverkauf. Dabei hätte man immer gerne die KPÖ im Boot gehabt. Uns war aber immer bewusst, dass eine Zustimmung zu Privatisierungen nur bei Strafe des eigenen politischen Niedergangs möglich sei.
Nicht zu unterschätzen ist dabei der Druck, der seitens der anderen Regierungsparteien auf uns ausgeübt wurde. Schließlich müssen ja auch die Vorhaben im eigenen Ressortbereich finanziert werden. Die erste Bewährungsprobe erfolgte beim Verkauf des Energiesektors der Grazer Stadtwerke. Die KPÖ lehnte diesen strikt ab und bildete gemeinsam mit unabhängigen Persönlichkeiten eine Initiative, die unter der Losung „Hände weg von den Stadtwerken – sie gehören allen Grazerinnen und Grazern!“ mehr als 17.000 Unterschriften gegen einen Verkauf sammelte. Da die SPÖ – wie schon oft – wieder einmal sogar im Liegen umgefallen ist, ist es zwar zum Teilverkauf des Energiesektor gekommen, die KPÖ hat jedoch an Ansehen gewonnen, was unter anderem darin zum Ausdruck gekommen ist, dass ein sehr angesehener und aktiver Abteilungsleiter der Stadtwerke nach 40jähriger SPÖ-Mitgliedschaft seine Partei verließ und auf der Liste der KPÖ bei der nächsten Gemeinderatswahl kandidierte.

2.) Eigenständige linke Wohnungspolitik. Die KPÖ hatte unter anderem durch ihre Aktivitäten im Bereich des Wohnens Ansehen gewonnen. Da die Wohnungsfrage in fast alle größeren Städten eine Rolle spielt, konzentrierten wir uns schon vor zirka 20 Jahren auf dieses Thema. Hier kann einerseits das Versagen des kapitalistischen Systems sehr deutlich vor Augen geführt werden, andererseits kann Betroffenen oft wirksam geholfen werden. 1992 wurde der KPÖ-Mieternotruf – verbunden mit einem Rechtshilfefonds für Spekulantenopfer – eingeführt. Regelmäßige Mieterberatungen sowie Informationsveranstaltungen für Haussprecher gehörten ebenso zum Angebot wie die öffentliche Aufdeckung von Missständen beim Wohnen. 1997 setzte die KPÖ mit Hilfe einer Volksrechteinitiative eine Belastungsobergrenze beim Wohnungsaufwand in der Höhe von maximal 33 Prozent vom Haushaltseinkommen durch. Unmittelbar darauf schaffte die KPÖ bei der Gemeinderatswahl 1998 erstmals den Einzug in den Stadtsenat. Uns war klar, dass es schwer werden würde, diese Position zu halten, wo wir nun direkt für das städtische Wohnungswesen zuständig waren. Doch es war nach einjährigem Kampf möglich, 1999 eine generelle Mietzinssenkung bei stadteigenen Wohnungen durchzusetzen. Als bekannt wurde, dass Graz im Jahr 2003 europäische Kulturhauptstadt sein würde, wussten wir, dass dies eine nächste Chance auf Verbesserungen sein könnte. Wir hatten damals noch mehr als 1000 Gemeindewohnungen, welche über kein Bad oder keine Dusche verfügten beziehungsweise, wo sich das WC noch am Gang befand. Unter dem Motto „Auch das ist Kultur: Ein Bad für jede Gemeindewohnung!“ starteten wir eine Initiative zur Sanierung des städtischen Wohnbestandes. Unsere Forderung wurde dann sogar in das Programm für das Kulturhauptstadtjahr aufgenommen. Mittlerweile sind wir unserem Ziel schon sehr nahe gekommen. Ich wage zu behaupten, dass dies das nachhaltigste Projekt des Kulturhauptstadtjahres 2003 war.

3.) Niemals Wasser predigen und Wein trinken! Die KPÖ hatte immer die viel zu hohen Politikerbezüge in Österreich kritisiert. Nun darf man auch nicht selber soviel Geld einstreifen, wenn es plötzlich auf das eigene Konto überwiesen wird. Daher haben wir uns selbst eine Gehaltsbeschränkung auferlegt. Alles, was über einen Nettobezug von 1950 Euro überschreitet, wird zur Unterstützung von Menschen in Notlagen verwendet. Um dieses System transparent zu gestalten, wird alljährlich um den Jahreswechsel ein „Tag der offenen Konten“ duchgeführt.

4.) Offene Türen für Hilfesuchende. Es ist nicht wichtig, dass kommunistische Mandatare sich bei allen Events und sonstigen gesellschaftlichen Ereignissen anwesend sind. Sehr oft sind dies nur Veranstaltungen für eine geschlossene Gesellschaft, die nur Zeit kosten und nichts bringen.. Stattdessen müssen wir Zeit haben, wenn sich Menschen mit ihren Problemen an uns wenden. Was oft als „Handwerkelei“ abgetan wird, halte ich für unverzichtbar. Natürlich müssen wir uns ständig politisch für eine allgemeine Verbesserung der Lebensverhältnisse einsetzen. Einer Familie, der der Strom oder das Gas abgeschaltet wurde, weil sie die Rechnung nicht bezahlen konnte, hilft es nicht wirklich, wenn wir ihr sagen, dass wir ohnehin für ein besseres Sozialsystem einsetzen, welches vielleicht in einigen Jahren kommt. Hier ist sofortige Hilfe notwendig!


Diese vier Schwerpunkte haben letztendlich dazu geführt, dass die KPÖ nicht schon nach einer Regierungsperiode politisch verschlissen war. Bei der Gemeinderatswahl 2003 konnten wir mit 20,9 Prozent und 12 Gemeinderats- sowie 2 Stadtsenatssitzen erneut stark zulegen. Die Arbeit in Graz wirkte sich auch außerhalb unserer Stadtgrenzen aus. Bei der Landtagswahl im Oktober 2005 konnte die KPÖ erstmals seit 35 Jahren wieder in ein österreichisches Landesparlament einziehen. Mit 6,3 Prozent und vier Mandaten wurden wir vor den Grünen drittstärkste Partei im steiermärkischen Landtag. Die rechte FPÖ und die Haider-Partei BZÖ flogen überhaupt aus dem Landtag.

Natürlich ist unsere Arbeitsweise auf die Dauer keine Erfolgsgarantie. Es kann auch Rückschläge geben, dies muss uns immer bewusst sein. Vor allem dürfen wir uns nie auf Erfolgen ausruhen! Aber ich wage zu behaupten, dass angesichts unserer schwierigen politischen Lage, des jahrelangen Schrumpfens und der Überalterung unserer Partei, diese unsere Vorgangsweise die einzige Chance war, eine jahrzehntelange Isolierung zu durchbrechen und in unserem Bundesland wieder zu einem politischen Faktor zu werden.

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