KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Ernst Kaltenegger im Interview mit der deutschen Zeitung "junge Welt" 07.03.2003


Grazer KPÖ verzichtet auf Machtbeteiligung: Politische Prinzipien wichtiger als Pöstchen? jW sprach mit Ernst Kaltenegger, Stadtrat der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) für Wohnungsfragen in Graz
Interview: Werner Pirker


F: In Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, hat die KPÖ bei der Gemeinderatswahl am 26. Januar 21 Prozent der Stimmen erzielt und ist damit zu einem begehrten Verhandlungspartner bei der Bildung der neuen Stadtregierung geworden. Plötzlich existiert das antikommunistische Tabu nicht mehr. Dennoch haben sich die Kommunisten für die Opposition entschieden. Warum?

Mit der ÖVP waren wir uns sehr bald einig, daß wir uns nicht einigen können. Vor allem in der Frage der Privatisierung trennen uns Welten. Daher gab es keine weiteren Verhandlungen mit der ÖVP. Mit der SPÖ und den Grünen hatten wir mehrere Verhandlungsrunden. Scherpunktthema war die prekäre Finanzsituation der Stadt.


F: Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen dieser Situation und der Frage der Privatisierung? Gab es hier bei den Gesprächen mit SPÖ und Grünen mehr Übereinstimmung als mit der ÖVP?


Die Finanzmisere wurde zum Teil durch sündhaft teure Prestigebauten in den letzten Jahren verursacht. Die KPÖ hatte immer eindringlich vor den finanziellen Folgen gewarnt. SPÖ, ÖVP und FPÖ haben uns überstimmt. Nun kommen gewaltige Belastungen auf die Bevölkerung zu. Neben saftigen Tariferhöhungen soll es Ausgliederungen von Gemeindebetrieben geben. Dadurch würden beispielsweise so wichtige Fragen wie die Gebührenfestlegung nicht mehr im gewählten Gemeinderat entschieden. Das erhöht auch die Gefahr weiterer Privatisierungen. Wir wollen das nicht. Die KPÖ hätte sich von vielen ihrer Grundsätze verabschieden müssen und wäre wohl kaum noch erkennbar gewesen. Ich möchte dazu folgenden Vergleich anstellen: Da wird jahrelang ein feuchtfröhliches Fest gefeiert. Jetzt, wo es um das Aufräumen und an das Zahlen der Zeche geht, werden ausgerechnet diejenigen zur Übernahme der Verantwortung aufgefordert, die stets vor den Folgen gewarnt haben.


F: Von grüner Seite kam der Vorwurf, es sei skandalös, wenn eine 21-Prozent-Partei nicht gestalten wolle. Was ist dazu zu sagen?


Die Grünen möchten so gerne regieren, egal mit wem und wie! Die KPÖ hat infolge des Wahlergebnisses zwei Sitze in der Stadtregierung, da es bei uns das System der »Konzentrationsregierung« gibt, bei dem alle wichtigen Parteien automatisch in der Regierung vertreten sind. In unseren Ressorts werden wir selbstverständlich gestalten. Das haben wir auch in den letzten fünf Jahren bewiesen, in denen wir bereits für das Wohnungswesen verantwortlich waren. Das bedeutet für uns aber nicht, daß wir alles mitmachen müssen. Wir sind nicht der Schwanz, der zu wedeln hat, wenn es die anderen Parteien wünschen.


F: Besteht die Gefahr, daß die »Verweigerungshaltung« der KPÖ von den Wählern negativ aufgenommen wird?


Langfristig glaube ich das nicht. Dagegen würde sich eine Aufgabe unserer Prinzipien wirklich schlimm auswirken. Unsere Wählerinnen und Wähler kämen sich verraten und verkauft vor. Unter politischer Verantwortung verstehe ich auch, daß man zu seinen Anliegen steht. Politiker, die nach den Wahlen anders handeln als sie vorher geredet haben, gibt es schon genug.


F: Graz ist Kulturhauptstadt 2003. Wie geht es damit weiter?


Kulturhauptstadt hätte man auch mit weniger Geld sein können. Jetzt sind die Kassen leer. Spüren wird das die Bevölkerung noch viele Jahre. Aber auch die Grazer Kulturschaffenden, die meiner Meinung nach viel zu wenig ins Programm für 2003 einbezogen wurden, werden in Zukunft an den Folgen der Großmannssucht zu leiden haben.

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