KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

“Aufbruch einer neuen Generation”



"Wir stehen vor einem entscheidenden Test für die Kräfte der Linken in Europa." Fausto Bertinotti im Gespräch mit der Volksstimme.

Fausto Bertinotti, Sekretär der “Rifondazione Comunista”, die einen bedeutenden Anteil an den Massenaktionen anlässlich des G8-Gipfels vom 20./21. Juli in Genua hatte, stellt in einem Interview erste Überlegungen zu einer politischen Bewertung der Ereignisse von Genua an.


Was bleibt von den Tagen in Genua?

In Genua konnte man zwei einander völlig entgegengesetzte Realitäten erkennen. Ich sehe in diesen Tagen von Genua zwei Durchbrüche, der eine vielversprechend, der andere abscheulich. Da ist zuallererst diese großartige Bewegung – eigentlich müsste man von einer Bewegung der Bewegungen sprechen, denn sie hat Hunderte verschiedene Organisationen zusammengeführt. Das ist ein Ereignis ohnegleichen seit ziemlich langer Zeit. Wir sind im Begriff, einen qualitativen Sprung zu vollziehen, der ein neues kulturelles, politisches und gesellschaftliches Phänomen darstellt. Aktive junge Leute, eine neue Generation, erscheinen auf der Bühne der Gesellschaft und der Politik, um die Infragestellung der kapitalistischen Globalisierung sichtbar zu machen. Nach Genua wird meiner Meinung nach in Italien, aber nicht nur in Italien, nichts mehr so sein wie vorher.

Hat diese tiefgreifende Veränderung eine Chance auf Dauer?

Man müsste länger über diesen Aufbruch einer neuen Generation diskutieren. Weil ich davon überzeugt bin, dass wir vor einem entscheidenden Test für die Kräfte der Linken in Europa stehen. Wenn diese Kräfte sich als reformfähig erweisen, wird gelingen, was ich wünsche, nämlich ein Verhältnis gegenseitiger Bereicherung mit dieser neuen Generation aufzubauen.
Der andere Durchbruch ist die Gewalt. Der Ursprung dieser unerträglichen Gewalt, die wir am Werk sahen, liegt in der Art, wie die regierungsamtliche Wahrung der öffentlichen Ordnung in eine systematische Aggression gegen die Bewegung umgewandelt wurde. Auch dieses Phänomen ist noch näher zu erforschen. Weil es nicht so einfach zu begreifen ist, warum sich das alles so abgespielt hat, wer die treibenden Kräfte dieser Repression waren, was es an Italienischem in dieser Repression gab und welchen Anteil daran die einschlägigen internationalen Dienste hatten. Aber ohne alle Unterstellungen, ohne die These eines Komplotts aufzustellen: Was aus den Verhaltensweisen der Polizei vor Ort zu erkennen ist, stellt eine systematische Aggression gegen die Bewegung dar. Es scheint mir sehr klar zu sein, dass die Behörden das Ziel verfolgt haben, diese Bewegung auseinander zu brechen.

Was heißt das?

In Genua ist etwas unserer Bewegung Fremdes, ich würde sogar sagen, etwas gegen diese Bewegung Gerichtetes in Erscheinung getreten. Es ist sichtbar geworden in der beunruhigenden und gewalttätigen Präsenz eines kleinen Teils der DemonstrantInnen. Trotz der Bedrohung und der Gefahren, die davon ausgingen, haben die Ordnungskräfte diese Leute frei in der Stadt herumziehen lassen.
Außerdem haben sich die Polizeikräfte Gewalttaten schuldig gemacht, die den schlimmsten Polizeiregimes würdig sind. Vor allem haben sie von ihren Schusswaffen Gebrauch gemacht. Und dies hat – zum ersten Mal seit 24 Jahren in Italien – zur Ermordung eines Demonstranten in einer Massendemonstration geführt. Sodann haben die Polizeikräfte kaltblütig den Sitz des Genoa Social Forum angegriffen und demoliert, als alle Demonstrationen schon zu Ende waren. Dieser überlegte und konzentrierte Angriff ist der Beweis dafür, dass während der Tage von Genua alle Merkmale eines Rechtsstaates außer Kraft gesetzt waren. Wir haben die Entfesselung einer wirklich unerhörten Gewalt erlebt. Die Reaktion auf Genua, die gewaltigen Kundgebungen in allen Städten Italiens, war außerordentlich. Es ist ein enormer Erfolg unserer Bewegung, nicht in die Spirale von “Repression-Gewalt-Repression” verfallen zu sein, die wir leider in anderen Epochen der italienischen Geschichte erlebt haben. Diese Bewegung trägt eine friedliche und gewaltfreie Zielsetzung in sich.

Welche politischen Folgen müssten die Gewalttaten von Genua haben?

Wir haben den Rücktritt des Innenministers sowie der Polizeichefs gefordert. Das ist eine dringende Forderung. Die Tatsache, dass die Rechten heute die Mehrheit in diesem Land haben, delegitimiert dieses Ziel nicht. Wir fordern Untersuchungen über die Ereignisse von Genua, aber was auch immer die Regierung nun zu tun beschließen wird, die Bewegung hat bereits ihre eigene Untersuchung gestartet.
Wir fordern die Rücktritte, aber wir entwickeln zugleich selbst unsere eigene Untersuchung über die systematische Repression und über die Außerkraftsetzung der elementarsten Bürgerrechte. Und dies kann das allgemeine Bewusstsein des Landes in Fragen der Demokratie noch mehr anwachsen lassen. Unsere Ziele sind nicht zu messen an den Möglichkeiten im gegenwärtigen politischen Rahmen, sondern im Gegenteil in Bezug auf die Möglichkeit, mit der Bewegung einen Prozess der Umgestaltung auszulösen.

Danke für das Gespräch.
Interview: Pierre Poulin

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