KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die Neue Weltordnung in Frage stellen


Von der Polizeigewalt auf den Straßen überschattet wurde auch das Public
Forum in Genua. Hunderte TeilnehmerInnen diskutierten dennoch Alternativen zur kapitalistischen
Globalisierung.

Von Gerhard Klas, Genua

Nicht in muffigen Konferenzräumen, sondern in offenen Zelten mit weitem Blick auf das Mittelmeer fand der Gegengipfel zum offiziellen Treffen der G8-Staaten in Genua statt. Ein Zusammenschluss aus mehr als tausend italienischen und internationalen Organisationen zum “Genoa Social Forum” (GSF), darunter GewerkschaftsvertreterInnen und kirchliche Gruppen, trägt ebenso die Konferenz wie auch die Demonstrationen. Das schon im Vorfeld der Demonstrationen auf Provokation angelegte Agieren der Sicherheitskräfte beeinträchtigte nicht nur die Protestaktionen auf der Straße, sondern auch die Konferenz, und reichte weit über Genua hinaus. Mehreren ReferentInnen, darunter viele, die sich in den vergangenen Jahren einen Namen als KritikerInnen der kapitalistischen Globalisierung gemacht hatten, sollte die Einreise verwehrt werden. Darunter Jose Bové, der Repräsentant der europäischen Bauernvereinigung Confederation Paysanne. Erst nachdem das GSF mit Hilfe einiger Abgeordneten des Europäischen Parlaments intervenierte, erhielt Bové eine “Sondergenehmigung”, um nach Italien einzureisen.
Ebenso traf es den nigerianischen Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivisten Oronto Douglas, der auf Betreiben der italienischen Regierung schon bei seiner Ankunft in Europa zurückgewiesen wurde. Die niederländischen Behörden teilten Douglas bei seiner Zwischenstation in Amsterdam mit, er sei nicht im Besitz einer ausreichenden Geldsumme, um nach Italien zu reisen. Dabei hatte er ein Begleitschreiben einer bekannten Organisation bei sich, das die Übernahme der Aufenthalts- und Reisekosten garantierte. Douglas, dessen Einreise zudem von einem italienischen Senator unterstützt wurde, war schon vor zwei Jahren in Italien gewesen, um die menschenrechtswidrige Politik des italienischen Ölmultis AGIP in Nigeria anzuprangern. Doch nach zahlreichen Interventionen gelang es auch in diesem Fall, die Teilnahme von Douglas am Gegengipfel durchzusetzen.

Offener und kritischer Charakter

Dennoch behielt das “Public Forum”, so die Bezeichnung der Konferenz, ihren offenen und kritischen Charakter. Vor allem die Alternativen zur weltweiten Finanz- und Handelspolitik stehen im Mittelpunkt und sollen nicht “ungehört bleiben”, so das GSF. Mehrere hundert ZuhörerInnen zählten die einzelnen Foren, die sich vor allem mit Bewegungen aus dem Süden und deren Widerstandserfahrungen beschäftigten. Dass die bestehende Weltwirtschaftsordung für Armut, Krieg und Hunger verantwortlich ist, stellte auf der Konferenz niemand in Frage.
Ein neuer Ansatz, zu dem auch der nigerianische Anwalt Douglas auf einem Podium sprechen sollte, ist die Forderung nach einem Ausgleich für die ökologischen Schulden. Dabei geht es nicht nur um die gegenwärtige Zerstörung des “indonesischen Urwalds, der eines der größten Waldressourcen darstellt”, so Titi Soentoro, Vertreterin einer indonesischen Umweltorganisation. Der Ansatz hat auch eine historische Dimension und umfasst ökologische Probleme wie die monokulturelle Landwirtschaft. Diese auf den Export orientierte Produktionsweise ist eine Auswirkung der Strukturanpassungsprogramme seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts, die ebenso wie die Ausplünderung der Ressourcen seit der Kolonialisierung durch den Norden “ausreichend Gründe liefert, die Schulden des Südens sofort abzuschreiben”, erklärte ein Vertreter des internationalen Jubilee South Netzwerkes, das sich neben Reparationen für entstandene Schäden seit Jahren für die Entschuldung der Dritten Welt einsetzt.
Die Verschuldung der Dritten Welt nahm in den Diskussionen des Public Forums den größten Raum ein. Ein Sprecher der ecuadorianischen CONAI, der nationalen Organisation der Indigenas, kündigte an, dass sie, wie in anderen lateinamerikanischen Ländern auch, ein internationales Tribunal durchführen wollen, dass sowohl die korrupten nationalen wie auch die internationalen Pro?teure der Verschuldung anprangern wird. Einhellig stellten alle TeilnehmerInnen der verschiedenen Podien zum Thema Verschuldung fest, dass die bilateralen, multilateralen und privaten Kredite nicht für die Bedürfnisse der Bevölkerung in ihren Ländern verwendet werden.
Jürgen Kaiser von der deutschen Erlassjahrkampagne betonte, dass man “schon seit dem Berliner Treffen des Internationalen Währungsfonds dieselben Diskussionen” führe. Währenddessen veranstalte der Pariser Club, ein Zusammenschluss der staatlichen Glaübiger, monatliche Treffen mit Vertretern der verschuldeten Regierungen aus dem Süden, bei denen der Club gleichzeitig die Rolle der Anklägers und Richters übernehme. “Verschuldete Konzerne werden nicht so behandelt”, erklärte Kaiser und sprach sich für ein seit langem von der Erlassjahrkampagne vorgeschlagenes Verfahren aus, dass den verschuldeten Ländern nach dem Vorbild privatwirtschaftlicher Regulierungen ein Insolvenzverfahren ermöglichen solle. Um dies durchzusetzen, sei die Kooperation der Kampagnen aus dem Norden und Süden unumgänglich, denn letztendlich könnten “nur soziale Bewegungen und Kampagnen in den verschuldeten Ländern den nötigen Druck ausüben, damit ihre Regierungen die Zusammenarbeit mit dem Pariser Club aufkündigen”.

Grundsätzliche Veränderung

Im Blickpunkt des Public Forum stand auch das kommende Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) im November. Walden Bello, Direktor der internationalen Nichtregierungsorganisation (NGO) “Focus on the Global South” mit Sitz in Thailand, bezog sich positiv auf die Verweigerungshaltung vieler Regierungen in den südlichen Ländern im Hinblick auf eine neue Verhandlungsrunde der WTO, die eine weitere Liberalisierung des Weltmarktes anstrebt. Dafür sei allerdings “die massive Unterstützung der Zivilgesellschaft im Norden und im Süden nötig”, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler. Vor allem einige NGOs aus dem Norden würden jedoch dem Druck ihrer Regierungen nach- und diese Position aufgeben. “Einige behaupten, die WTO sei die einzige Institution, die zwischen Ordnung und Chaos stehe, dass der Süden Konzessionen eingehen müsse (…) und dass Handel gut für die Armen sei”, kritisiert Bello. Er fordert grundsätzliche Veränderungen, weil die ungleichen Kräfteverhältnisse in der WTO zu tief “verwurzelt” seien. Die Forderung nach “kleinen Reformen” rechtfertige ausschließlich die Regeln der ohnehin einflussreichen Länder und verfestige die Ausbeutung der Armen im Welthandelssystem.

Von Gewalt überschattet

Die Abschlussveranstaltung des GSF am Sonntag mit mehr als 500 TeilnehmerInnen war von der Gewalt der Polizei überschattet. Der unmittelbar tödliche Kopfschuss auf einen militanten Demonstranten am Freitag hatte die Beamten am Samstag nicht davon abgehalten, nach einigen Auseinandersetzungen mit dem “schwarzen Block” sämtliche TeilnehmerInnen der Großdemonstration anzugreifen und in der Nacht das Pressezentrum des GSF und eine gegenüberliegende Schule, die einigen als Schlafstätte diente, brutal zu stürmen. Insgesamt gab es neben dem Toten 500 Verletzte zu beklagen, darunter mehrere Schwerverletzte. Ein britischer Mitarbeiter des gemeinsam mit Indymedia betriebenen Pressezentrums liegt im Koma, in der gegenüberliegenden Schule sei man “auf dem Blut ausgerutscht”, berichteten Zeugen des Angriffs. Rechtsanwälten und Parlamentsabgeordneten, die in der Nacht zum Sonntag eigens herbeigeeilt waren, verwehrte die Polizei den Zutritt.
GSF-Sprecher Vittorio Agnoletto wertete die Beteiligung an den Demonstrationen dennoch als Erfolg. Damit sei einer Institution, “die über kein Mandat verfüge und nur Macht und Arroganz” zur Schau stelle, einer “Regierung, die Profite privatisiert und Verluste sozialisiert”, eine klare Absage erteilt worden. Während in der Abschlusserklärung des offiziellen G8-Gipfels von einer “Verteidigung des Rechtes von friedlichen Demonstrationen” die Rede ist, stellte Agnoletto die Frage nach dem Wesen einer Demokratie, die mit solcher Brutalität gegen ihre KritikerInnen vorgehe und deren Forderungen ignoriere. Er kündigte an, gemeinsam mit zahlreich anwesenden ParlamentarierInnen eine Untersuchung der Vorfälle der vergangenen Tage in die Wege zu leiten und forderte den Rücktritt des Polizeipräsidenten. Auch Attac, das internationale Netzwerk für die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte, macht für die “Eskalation des Geschehens eindeutig die italienischen Behörden” verantwortlich.
Der Soziologe Riccardo Petrella ist der Ansicht, dass die Herrschenden “uns gar nicht als Verhandlungspartner behandeln können”. Denn das, so Petrella weiter, würde bedeuten, “die neue Weltordnung und vor allem die US-amerikanische Hegemonie in Frage zu stellen. Ein Dialog ist deshalb nicht möglich. Sie können sich eine Legitimität nur noch mit Gewalt verschaffen, indem sie uns kriminalisieren”. Er machte darüberhinaus darauf aufmerksam, dass es zahlreiche Hinweise gebe, dass Gruppen des “schwarzen Blocks” von der Polizei in?ltriert waren. Das bestätigte auch das unabhängige Mediennetzwerk Indymedia, und der italienische Filmemacher Dario de Ferrario, der den Film eines Kollegen zeigte, der Zivilbeamte mit “No-G8”-Shirts zeigte. Der Senatsabgeordnete Gigi Malabarba hat bei einem Besuch der Verhafteten im Polizeiquartier gesehen, wie sich schwarz Vermummte in voller Montur und mit ihren Waffen dort mit Polizisten unterhielten, unter anderem auf französisch und deutsch.
Natürlich bestand nicht der ganze “schwarze Block” aus Polizeibeamten, erklärt Petrella, der das Vorgehen der Polizei mit dem der paramilitärischen Todesschwadronen in Lateinamerika verglich. “Wir teilen die Kritik und Analyse an den kapitalistischen Institutionen, aber nicht die Mittel, gegen sie vorzugehen”, sagte der Soziologe. Doch angesichts der Ignoranz von Institutionen wie der G8 sähen die Anhänger des “schwarzen Blocks” offensichtlich “keine Möglichkeit, außer mit Gewalt vorzugehen”. Letztendlich sei der “schwarze Block” ein “nützliches Instrument der Polizeistrategien”. Und auch die Medien leisteten ihren Beitrag zur Kriminalisierung der Bewegung, welche die Auseinandersetzungen einer Minderheit mit der Polizei gegenüber den Protesten der Mehrheit der Bewegung überbetonten. “Was sind 3.000 im Vergleich zu fast 300.000” fragt Petrella.
Mit dem Scheitern des multilateralen Investitionsabkommens MAI und der geplatzten Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation habe die Bewegung ihre Stärke gezeigt. “Uns ist es gelungen, ihre Freihandelsideologie in Frage zu stellen und nun wollen sie uns kriminalisieren und als Gewalttäter abstempeln”, so Petrella. “Wir sollten nicht den Fehler machen, uns für das Agieren einer Minderheit zu entschuldigen, das wir nicht unter Kontrolle haben.”

Druck gegen kapitalistische Globalisierung erhöhen

Die offiziellen Ergebnisse des G8-Gipfels bezeichneten zahlreiche Organisationen, darunter auch die deutsche Nichtregierungsorganisation WEED, als “Ohrfeige für die Dritte Welt”. Der HIV-Fonds der G8 sei “ein Tropfen auf den heissen Stein”, so World Development Movement (WDM), eine der größten britischen Kampagnen zur Bekämpfung der Armut in der Welt. Das GSF kritisierte den Fonds, der aus Steuergeldern finanziert sei und von dem vor allem die Pharmaindustrie profitiere. Dasselbe gelte für den Fonds zur Digitalisierung der Dritten Welt, der 300 Millionen Dollar umfassen soll und in erster Linie die Pro?tinteressen der Computerindustrie bediene. Auch an den Strukturanpassungsprogrammen, die an den Schuldenerlass für die Dritte Welt gekoppelt sind, habe sich nichts geändert. Dementsprechend wird auch der von den G8 initiierte “Afrika-Plan”, der auf dem kommenden G8-Treffen in Kanada umgesetzt werden soll, bewertet. Entgegen den Versprechungen des Planes gebe es kaum Möglichkeiten für die afrikanischen Regierungen, ihre Interessen zur Geltung zu bringen, erklärte Jessica Woodroffe, Sprecherin von WDM, in Genua. “Stattdessen sind weitere Handelsliberalisierungen der zentrale Punkt des geplanten Abkommens.”
Petrella forderte, “den Druck gegen die kapitalistische Globalisierung weiter zu erhöhen”. Die Termine stehen schon fest: Im September das Treffen des internationalen Währungsfonds in Washington, im November das der Welthandelsorganisation in Katar, im Dezember der Europäische Regierungsgipfel in Brüssel und im Januar schließlich das zweite World Social Forum im brasilianischen Porto Alegre.

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