KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Militante Polizeistrategien



Offenbar sollte die “globalisierungskritische” Bewegung in Genua in ihrer gesamten Breite attackiert und eingeschüchtert werden. Eine Strategie, deren gewalttätige Spur von Göteborg bis an die ligurische Küste zu verfolgen ist.


Günter Hopfgartner in der linken Wochenzeitung Volksstimme, 26. Juli 2001


Die Schlacht von Genua ist also geschlagen. Man verzeihe die martialische Ausdrucksweise, aber angesichts eines erschossenen Demonstranten und 500 weiterer Verletzter, von denen zumindest ein Demonstrant immer noch in Lebensgefahr schwebt, drängt sich militärisches Vokabular geradezu auf. Und tatsächlich kann man wohl nicht nur auf Grund der ungeheuren “Materialschlacht” (20.000 Polizisten, Hubschrauber, Totalabriegelung eines ganzen Stadtteils etc.), sondern vor allem im Zusammenhang mit der Strategie der italienischen Exekutive in Genua von einer Militarisierung der Gipfeltreffen der “Weltenlenker” aus Politik und Wirtschaft ausgehen. Eine Tendenz, die sich künftig bei ähnlichen Anlässen fortsetzen dürfte.

Zwei Fragen wären diesbezüglich zu stellen: Wie konnte es dazu kommen? Und warum reagieren ansonsten allzugerne ihre herrschaftliche Souveränitat zur Schau stellende PolitikerInnen und Wirtschaftskapitäne zunehmend aggressiv auf die Herausforderung einer Bewegung, die noch vor zwei Jahren, vor Seattle, kaum jemand wahrgenommen hatte?
Analysiert man die Ereignisse vor und während des Treffens von Genua, so fällt zumindest die Antwort auf die erste Frage nicht allzu schwer. Schon anlässlich des EU-Gipfels in Göteborg konnte man eine paradoxe “Teile-und-Herrsche”-Strategie beobachten, die sich einerseits aus einer an “friedliche DemonstrantInnen” adressierten “Dialog”-Offensive der offiziellen Politik und andererseits der Eskalationsstrategie der Exekutive zusammensetzte: Entgegen wiederholter Falschmeldungen in großen Teilen der europäischen Presse waren nämlich die Schüsse auf DemonstrantInnen in Göteborg keineswegs das Ergebnis einer fehlgeschlagenen Deeskalationsstrategie der schwedischen Polizei, die angeblich auf Ausschreitungen nicht vorbereitet war. Die Polizei tat in Göteborg vielmehr bei mehreren Gelegenheiten durchaus ihr Möglichstes, die Situation zu eskalieren. Von Anfang an wurden deklariert friedliche Gruppierungen attackiert, während man im Gegenzug harte Kerne sogenannter “gewaltbereiter DemonstrantInnen” weitgehend gewähren ließ.

Eine Strategie, die sich wie eine Blaupause zu den Vorfällen in Genua liest: Während im Vorfeld des G8-Gipfels der ehemalige WTO-Generalsekretär und derzeitige italienische Außenminister, Renato Ruggiero, seinen Charme in Richtung “GlobalisierungsgegnerInnen” versprühte, machten Carabinieri und Sondereinsatzkommandos auf dem Gipfel Ernst. Ab Freitag Nachmittag war schließlich alles, was sich auf Genuas Straßen “nicht uniformiert” bewegte, potenzielles Ziel von brutalen Angriffen der Exekutive. Und zwar egal, ob es sich dabei um die militanten – im Vorfeld aber dezidiert zum Verzicht auf Steine oder Molotowcocktails aufrufende – Tute-Bianche-Gruppen handelte oder um die stets freundlich-gelehrten AktivistInnen von ATTAC. Selbst Blöcke von Pax Christi und kirchlichen Basisgemeinden wurden von italienischen Ordnungshütern unter Tränengas- und Schlagstockeinsatz aufgemischt. Währenddessen konnten sich nach Augenzeugenberichten Gruppen des sogenannten “schwarzen Blocks”, angeblich die Auslöser allen Übels, weitgehend unbehelligt von der Polizei in der Stadt bewegen, solange jedenfalls, bis sie sich jeweils zu anderen Demonstrationsblöcken gesellten. Dann griff die Exekutive ausnahmslos wieder alle DemonstrantInnen an. Dass anschließend sowohl Sprecher von Tute Bianche als auch des – die Proteste insgesamt organisierenden – Dachverbands “Genoa Social Forum” angaben, Beweise dafür zu haben, dass Teile des schwarzen Blocks aus infiltrierten Polizeiprovokateuren bestanden, unterstreicht eigentlich nur, was ohnedies als Polizeistrategie deutlich wurde. (Das staatliche Fernsehen RAI 3 konnte im Übrigen schon am Sonntag Bildmaterial von teilweise vermummten “Chaoten” im intimen Gespräch mit Polizisten senden.)
Und als ob es diesbezüglich noch eines Beleges bedurfte, überfielen Polizeieinheiten in der Nacht von Samstag auf Sonntag schließlich auch noch in einer blutigen Aktion das Zentrum des bis dahin in sämtlichen Pressemeldungen stets als Organisation der “friedlichen DemonstrantInnen” präsentierten “Genoa Social Forums”. 50 Verletzte mussten alleine nach dieser Aktion in Krankenhäusern versorgt werden, ein Brite liegt im Koma, gleichzeitig wurden Arbeitsmittel der alternativen Presseplattform Indymedia zerstört.

Vor allem letztere Aktion belegt, dass die italienische Exekutive kaum noch Vorwände suchte, um auch friedliche “GlobalisierungskritikerInnen” mit staatlichen Gewaltmaßnahmen zu überziehen. Die globalisierungskritische Bewegung als Ganzes sollte offenbar in Genua attackiert und eingeschüchtert werden. Eine Strategie, die etwa durch die Maßnahmen der EU-Innenminister im Gefolge von Göteborg (Datenaustausch, Diskussion über politische Gewalttäterdateien, Schleierfahndung im Vorfeld von Genua etc. statt Maßnahmen gegen den Schusswaffengebrauch bei Demonstrationen) de facto den politischen Segen erhalten hatte und schließlich ihren tragischen Höhepunkt in den Todesschüssen auf Carlo Guliani fand. Den Rest dürften dann, so wohl das Kalkül von Politik und Polizei, interne Streitereien der Bewegung um die Gewaltfrage erledigen.

Offensichtlich ist es nämlich die Breite der Bewegung, sowohl in geografischer und politisch-inhaltlicher Hinsicht wie auch bezüglich der differenten Protestkulturen, die die Stärke der sogenannten “Seattle-Strukturen” ausmacht. Eine breite Bewegung, die sich keineswegs beliebig oder unbedarft artikuliert, sondern ihre Aktionen in einer flexiblen Netzwerkstruktur koordiniert und zudem den Erfahrungsaustausch und die inhaltliche Debatte in zahlreichen Treffen und über diverse eigene Medienplattformen effektiv organisiert.
Eine breites Netzwerk also, das unter Einbeziehung von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, politischen Parteien und NGOs zunehmend den globalen Kapitalismus und seine Institutionen mit den Schattenseiten der Neuen Weltordnung konfrontiert und Alternativen einfordert. Forderungen, die ihre Wirkung mittlerweile nicht mehr ganz verfehlen: Die Agenda des G8-Gipfels in Genua (u.a. globale AIDS-Bekämpfung, Schuldenstreichung ...) hätte wohl anders ausgesehen ohne den Protest der “Seattle-Bewegung”. Insofern waren die “GlobalisierungskritikerInnen” vor und in Genua durchaus auch erfolgreich. Ein angesichts der unzureichenden “Lösungsansätze”, die die G8 aushandelten, freilich nur symbolischer Erfolg.

Genügend Gründe also, weiter global an Netzwerken zu knüpfen, inhaltliche Klärungen vorzunehmen und die Proteste auszuweiten: Vom 28. 9. bis zum 1. 10. treffen sich zum Beispiel die Spitzen von IWF und Weltbank in Washington. Und Anfang Dezember steht ein EU-Gipfel in einem Vorort von Brüssel an …



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