KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS



“Alles war voll Blut”



Interview mit Enrico Fletzer (entnommen der Volksstimme, Nr. 31), verantwortlicher Direktor von Radio K Centrale (Bologna)

Enrico, du warst in der Nacht von Samstag auf Sonntag Augenzeuge wie Opfer des Polizeiangriffs auf die Schule Diaz und das Pressezentrum in Genua.

Ich war in dieser Nacht vom 21. auf den 22. Juli im Pressezentrum vis a vis der Diaz-Schule. In dem Gebäude befanden sich neben dem Studio von Radio Gap auch die Büros einiger Zeitungen wie Il Manifesto, und la Carta, ebenso das Indymedia-Büro und im ersten Stock waren die Rechtsanwälte der Rechtshilfe untergebracht.
Mir fällt es nicht ganz leicht, die Ereignisse dieser Nacht zu rekapitulieren, da ich noch immer ein wenig unter Schock stehe. Es begann damit, dass die Polizei gegen halb eins in der früh in das Gebäude gegenüber dem Pressezentrum eingedrungen ist.

Wer befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Diaz-Schule?

Die Diaz-Schule wurde von der Gemeinde als Schlafplatz für circa hundert Personen zur Verfügung gestellt. Zum Zeitpunkt des Angriffs haben dort eine nicht genau bekannte Anzahl von Leuten geschlafen. Die Leute waren nach drei Tagen Demo völlig fertig und haben so wie wir alle damit gerechnet, dass die ganze Sache nun vorüber ist. Wir konnten also vom Pressezentrum aus beobachten wie Polizei und Carabineri (Militärpolizei, untersteht dem Verteidigungsminister) mit äußerster Brutalität in die Diaz-Schule eingedrungen sind. Das ganze unter Ausschluss von Anwälten, Ärzten, nicht einmal anwesende Parlamentsabgeordnete wurden vorgelassen. Während wir also vom Gebäude vis a vis pausenlose Schreie der Massakrierten hören konnten, waren wir in ständigem telefonischen Kontakt mit der Anwaltskammer, mit der Journalistenvereingung mit Parlamentariern um Druck zu machen, damit die Polizei aufhört.

Ist die Polizei auch ins Pressezentrum eingedrungen?

Das war so: Ich bin als verantwortlicher Journalist bekleidet mit dem gelben Trikot der offiziell Akreditierten und mit meinem Pesseausweis deutlich sichtbar den Polizisten entgegengegangen, um sie zu fragen, was sie von uns wollen. Die haben mich dann als Antwort gleich ins Gesicht geschlagen, sind in unser Gebäude gestürmt und mich haben sie in einen Raum gestoßen und dort weiter verprügelt. Dann haben sie so eine Art von grausamen Theater getrieben, nachdem sie den Raum verlassen haben, sind sie kurze Zeit später wiedergekommen, haben mich wieder geprügelt, schlimmer noch sie haben mich dann zu Boden geschlagen und eine Schulbank auf mich drauf geworfen. Ich habe versucht abzuwehren, so gut es ging und sie sind noch zweimal wiedergekommen, um mich zu schlagen. Beim letzten Mal haben sie nochmal eine Bank auf mich geworfen und damit ist meine Geschichte zu Ende. Ich habe sehr viele Schläge abbekommen, was später im Spital auch dokumentiert wurde. Wie ich erfahren habe, waren die einzigen, die nicht verprügelt wurden im Pressezentrum, die Leute, die sich ins Aufnahmestudio im letzten Stock geflüchtet haben. Und das auch nur deshalb, weil die Leute dort die Polizei darauf aufmerksam gemacht haben, dass alles was sie tun, live gesendet wird. Das hat die ein wenig eigeschüchtert, mehr als meine Journalistenweste. Da sind sie dann wieder weg. Außerdem haben sie alles Material, das sie finden konnten, Disketten, Videobänder und auch die gesammelten Zeugenaussagen aus den Büros der Anwälte gestohlen. Solche Szenen kannte ich bisher nur aus Dokumentationen über die Zeit der Militärdiktatur in Chile.
Eines möchte ich noch abschließend sagen: Als die Polizei drüben fertig war, mit dem Massakrieren und alle Leute festgenommen und weggeschafft hat und die Journalisten die Diaz-Schule betreten konnten, haben sich einige von ihnen angekotzt, als sie das, was nach dem Angriff über war, gesehen haben. Der Boden, die Heizkörper, die Treppen und die Wände, alles war voll Blut.

Interview: Michael Kothbauer



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