KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Luxemburg/Liebknecht Demo ohne Polizeiübergriffe

Österreichische Delegation zum 6. Mal vor Ort in Berlin dabei


Annähernd 15 000 Menschen, so das Neue Deutschland in der Ausgabe vom 14.01.2002, "zogen gestern durch die Frankfurter Allee zu den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. In der Gedenkstätte der Sozialisten traf man sich mit Kind und Kegel. Insgesamt ehrten 100000 Berliner und Angereiste aus ganz Deutschland die am 15. Januar 1919 ermordeten Arbeiterführer."


Bericht des "Neuen Deutschland", 14.01.02

Ein Meer roter Nelken schmückte gestern die letzte Ruhestätte von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Rund 100000 Menschen ehrten nach PDS-Angaben auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde die beiden Arbeiterführer, die am 15. Januar 1919 von Freikorpsoffizieren ermordet worden waren. Die Polizei sprach von mehreren zehntausend Teilnehmern. Die PDS-Spitze, darunter die Parteivorsitzende Gabi Zimmer, der Chef der Bundestagsfraktion, Roland Claus, und Berlins PDS-Vorsitzender Stefan Liebich, legte an den Gräbern der Revolutionäre Kränze nieder. Zudem schlossen sich annähernd 15000 Menschen einem Demonstrationszug an, der zu der Gedenkstätte führte. Die Veranstaltung verlief friedlich. Die Berliner SPD wird am Samstag Blumen an den Gedenktafeln am Landwehrkanal niederlegen.

Bei Beginn der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am Frankfurter Tor verteilte der Verein Rote Hilfe kleine Heftchen mit Tipps, wie man sich im Falle einer Festnahme oder sonstiger unangenehmer Polizeiaktionen verhalten sollte. Großes Aufatmen bei allen Beteiligten, dass dieses Mal auf die Lektüre verzichtet werden konnte. Alles verlief absolut friedlich, was für viele Teilnehmer in Erinnerung an heftige Polizeiattacken früherer Jahre eine neue Erfahrung war. Dass der Demonstrationszug nicht pünktlich um 10 Uhr, sondern erst mit einigen Minuten Verspätung starten konnte, lag somit nicht an etwaigen Schikanen seiner uniformierten Begleiter, sondern an dem Stalinbild in der ersten Reihe, den die türkische MLKP neben Marx, Engels und Lenin in die Kameras hielt. »Ich habe keine Lust, mit Stalin an der Spitze Karl und Rosa zu ehren«, ärgerte sich Ellen Brombacher, Mitorganisatorin der Demo. Schließlich wurden die jungen Türken von PDS, DKP und anderen Parteien und Gruppen des linken Bündnisses, das die Demo gemeinsam angemeldet hatte, »überholt.«

Der Anlauf zum stillen Gedenken an der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde setzt schon vor neun Uhr an. Erkennungszeichen: Die rote Nelke in der Hand. Noch sind sie vereinzelt, die vor allen Dingen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, aber auch der anderen sozialistischen und kommunistischen Politiker gedenken wollen. Um diese Zeit trifft auch die Parteiführung der PDS ein. Unter anderen Gabi Zimmer, Roland Claus, Hans Modrow, Gregor Gysi und Harald Wolf legen an den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht einen Kranz nieder. Der Nebel lichtet sich langsam, die Kälte bleibt. In einiger Entfernung stehen Neugierige, beobachteten das Geschehen. Die vielen Kamerateams und Fotografen stürzen sich auf die neuen Berliner Regierungsvertreter. Eine Schalmeienkapelle spielt die Internationale.

Die Ablösung kommt prompt. Während sich die Parteiführung schon wieder auf den Heimweg macht, kommen immer mehr Besucher zum Friedhof. Um 11 Uhr wird das Gedränge so stark, dass man an die Gedenkstätte fast nicht mehr herankommt. Auch Walter Ulbricht bekommt Nelken. Die Stimmung ist ruhig, nachdenklich – wie jedes Jahr. Als schließlich gegen 12 Uhr die Demo auf den Platz kommt, gibt es keinen freien Quadratmeter mehr.

»Immer mehr junge Leute kommen hierher«, sagt Stefan Ulrich, der sich jedes Jahr den zweiten Sonntag im Januar frei hält. Sascha und Daniel (beide 15) halten sich mit zitternden Händen an ihren Glühweinbechern fest. Daniel arbeitet bei der PDS-nahen Jugendorganisation [’solid], Sascha ist Sympathisant und zum ersten Mal hier. Daniel ist schon seit sechs Jahren dabei. Beide wollen der Sozialistenführer gedenken. Immerhin habe Liebknecht als einziger gegen die Kriegskredite gestimmt. »Und sie haben die Kommunistische Partei gegründet und die Bolschewiki kritisiert«, sagt Daniel. Die Teilnahme an dem Gedenksonntag mit so vielen Leuten gebe ihm Kraft und Motivation, sich weiter zu engagieren. Und warum nimmt er nicht an der Demo teil? In den letzten Jahren habe die Polizei enorm provoziert und wahllos geprügelt, sagt Daniel. »Das möchte ich dieses Mal nicht erleben.« Hand in Hand, schweigend, verlassen Nora und Patrice (beide 21) die Gedenkstätte. »Wir bewundern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht für ihren Mut«, sagt Nora, die in der PDS aktiv ist. »Den müssen wir als junge Menschen heute auch aufbringen.« Früher war sie mit ihren Eltern hier, heute mit ihrem Freund. Beide wollen Zeichen setzen gegen Faschismus und Militarismus. Die Positionen von Luxemburg und Liebknecht haben in ihren Augen an Aktualität nicht verloren.

Auf dem Weg zur Gedenkstätte geht man durch ein Spalier aus Ständen. Der kleine Buchladen, das Rote Antiquariat, Papiertiger und Cuba Si sind ebenso vertreten wie Anarchisten, kommunistische Klein- und Kleinstgruppen, Bierstände, Erbsensuppenkanone, Blumenstände. Frierend, gut gelaunt, sich angeregt unterhaltend, Freunde begrüßend stehen Jüngere und Ältere an den Ständen. Währenddessen baut sich eine Gruppe von FDJ-Jugendlichen mit Blauhemden und Gitarre in der Hand etwas unsicher auf einem Kleinlaster auf und singt die Internationale. Davor ein chinesisches, dreiköpfiges Journalisten-Team. Fotos werden geschossen. »In der Schule haben wir viel von Luxemburg und Liebknecht gelesen«, sagt Hangen Zheng (28) in fließendem Deutsch. Auch deshalb ist er heute hier. Aus Zorn und Wut und Hoffnung auf Vernunft ist Regine Henning aus Spantekow nahe Anklam mit ihrem Mann zum ersten Mal seit 1990 wieder hierher gekommen. Wut über die Regierungspolitik, über mangelnde soziale Gerechtigkeit und über die Kriegseinsätze. Und Hoffnung darauf, dass die Menschen vernünftiger werden. Früher, zu DDR-Zeiten, war ihr die Luxemburg-Liebknecht-Ehrung zu instrumentalisiert. Während die einen hingehen, auch oder gerade weil sie nicht mehr müssen, kommen die anderen aus Tradition.

Zu den wenigen, die gestern engeren Kontakt mit der Polizei hatten, gehört Herrmann Sonnemann aus Teltow. »Als ich Schmierereien von den Info-Tafeln zur denkmalgeschützten Karl-Marx-Allee entfernen wollte, wollte man mir das doch glatt als Sachbeschädigung auslegen«, empört er sich. Und sein Wanderstab sei auf seine Einsetzbarkeit als Waffe untersucht worden. Dieser Stab begleitet das Mitglied des Potsdamer Wanderbundes auf all seinen Wegen. Bis New York sei er damit schon gekommen und fast bis Afghanistan. »Was in New York passiert ist, ist schrecklich, aber das gibt den USA nicht das Recht zu bomben, wo es ihnen passt«. »Die Welt ist wieder von Krieg überzogen, und Deutschland ist wieder dabei. Diesem Krieg keinen Mann und keinen Groschen«, schallt es vom Lautsprecherwagen. Das ist der einigende Gedanke all der Teilnehmer des Gedenkens. »Wofür Karl und Rosa damals stritten, ist immer noch aktuell«, findet Peter Schrott, Funktionär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die beiden Revolutionäre zu ehren sei auch ein Bekenntnis gegen Krieg und den Abbau von sozialen Rechten. Seine Gewerkschaft habe deshalb dazu aufgerufen, heute Karl und Rosa an den Gedenkstätten am Landwehrkanal zu ehren.

Die Mitglieder vom MC »Kuhle Wampe« haben sich dann wahrscheinlich schon wieder über ganz Deutschland verstreut. Im Demozug gehören die in schwarzes Leder gehüllten kräftigen Burschen des Motorradclubs gestern zu den herausragenden Erscheinungen. »Wir wollen zeigen, dass Motorradfans mehr können als nur Gas geben«, meint Blase aus Braunschweig, der sogar schon zum dritten Mal bei der LL-Demo dabei ist. Weil im Film »Kuhle Wampe« auch Motorrad gefahren und vor allem solidarisches Miteinander gelebt wurde, habe sich der Club 1976 diesen Namen gegeben. Man trete gegen Rassismus und Faschismus ein und fühle sich den Idealen von Karl und Rosa verbunden, »auch wenn die nicht Motorrad fahren konnten«.

Das kann auch Martin Klein nicht, dafür will der Betriebsratsvorsitzende aus dem Westerwald auf andere Weise von sich reden machen – als Herausforderer von Rudolf Scharping. Der PDS-Kreisvorsitzende kandidiert im gleichen Wahlkreis für den Einzug in den Bundestag wie der SPD-Verteidigungsminister. »Ein bisschen werde ich ihn schon ärgern«, schätzt Klein und hofft auf 12000 Stimmen, was etwa zwei Prozent wären. Beim letzten Mal kam er auf 8000 und 1,4 Prozent. Aber seitdem habe die Partei an Akzeptanz gewonnen, auch oder gerade wegen ihrer Antikriegshaltung. »Wir sind kein Schreckgespenst mehr.« Die Akzeptanz von Scharping dagegen schwinde. »Dass die Bundeswehr in den Krieg zieht, sehen viele mit gemischten Gefühlen.« Kurz vor zwölf Uhr erreicht der Zug die Gedenkstätte in Friedrichsfelde. Ellen Brombacher ist erleichtert. Es gab keine Zwischenfälle. Das spreche für die Teilnehmer wie für die Polizei. Selbst beim Schätzen der Teilnehmerzahl sind sich Polizei und Veranstalter näher gekommen. Die Polizei ging von bis zu 10000 aus, die Veranstalter von annähernd 15000. Auch die Polizei ist zufrieden. Erstmals habe es keine Festnahmen gegeben, lediglich fünf »Freiheitsbeschränkungen« bei Vorkontrollen wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot. »So wünschen wir das immer«, meint Pressesprecher Frank Thiele. Rund 550 Beamte habe man im Einsatz gehabt, »ein Großteil zur Verkehrsregelung«. An der Demo-Strecke zeigte die Polizei deutlich weniger Präsenz und achtete auch auf ihr friedliches Erscheinungsbild. Die provozierende martialische Ausrüstung blieb im Spint, stattdessen war normale Dienstkleidung angesagt. »Ein neues Konzept, das sich bewährt hat«, findet Thiele. Zum Schluss gibt’s den ausdrücklichen Dank der Organisatoren um Ellen Brombacher.

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