KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Ehemaliger KPÖ-Vorsitzender Franz Muhri ist verstorben

Der langjährige Vorsitzende der KPÖ, Genosse Franz Muhri, starb gestern abend, am 7.9. 2001 nach langer schwerer Krankheit im 77. Lebensjahr. Franz Muhri stand von 1965 bis 1990 an der Spitze der Kommunistischen Partei Österreichs.

In diesen zweieinhalb Jahrzehnten verstand es Muhri, Dank seiner Persönlichkeit, seiner Integrität und Bescheidenheit, trotz des Rückganges des Einflußes der Partei, im politischen Leben unseres Landes eine bedeutende und geachtete Stellung einzunehmen. Insbesondere bei den einfachen Menschen, den ArbeiterInnen und Angestellten verbanden und verbinden sich mit dem Namen Franz Muhri jene Aspekte der kommunistischen Bewegung, die sie von den herrschenden Gruppierungen in Österreich immer unterschied: Offenheit und Ehrlichkeit in der Darlegung der politischen Ansichten und weltanschaulichen Überzeugungen, die Abscheu vor jeglicher materieller Privilegierung politischer Positionen, die Arbeitervertreter erreichen. Muhri ließ sich auch vom sturen Antikommunismus der SPÖ-Führer und der bürgerlichen Parteien nie davon abhalten, in den sozialdemokratischen und christlichen Werktätigen den Klassengenossen zu sehen und anzusprechen.

Franz Muhris Wirken galt stets auch der internationalen kommunistischen Bewegung. Trotz der Kleinheit der Partei war er ein geachteter Gesprächspartner von Staats- und Parteiführern in den ehemaligen sozialistischen Ländern.

Hohe Auszeichnungen würdigten vor allem auch seine Verdienste um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Österreich, vor allem der Verstaatlichten Industrie, und den sozialistischen Ländern Osteuropas.

"Franz Muhri war ein Politiker seltener Art. Für ihn war die Vertretung der Interessen der Arbeitenden Sache des Herzens und des Verstandes. Wir verlieren einen Genossen und Freund, der eine bedeutende Persönlichkeit der österreichischen und internationalen ArbeiterInnenbewegung war. Wir verlieren einen Kampfgefährten, der bis in seine letzten Lebenstage aktiv an der Erneuerung des Kommunismus mitwirkte", so KPÖ-Vorsitzender Walter Baier.

Franz Muhri wurde am 21.Oktober 1924 in einfachsten Verhältnissen in einer Bergarbeiterfamilie im steirischen Steyeregg zur Welt. Sein Ziehvater, selbst Bauarbeiter, brachte den 15 jährigen zunächst in seinem Bautrupp der Graz-Köflacher Eisenbahngesellschaft unter. Später konnte Muhri einen Abendkurs an der Grazer Handelsschule besuchen und als Lohnverrechner arbeiten. In dieser Zeit schloß sich Muhri der antifaschistischen Widerstandgruppe um den jungen kommunistischen Lehrer und Dichter Richard Zach an, der 1941 von den Nazis verhaftet und 1943 hingerichtet wurde und als dessen Schüler sich Muhri in gewissem Sinn Zeit seines Lebens verstand.

1942 wurde Muhri von der deutschen Wehrmacht eingezogen, flüchtete aber 1943 auf die Koralpe, wo er sich der dort operierenden Widerstandsgruppe anschloß.

Nach der Befreiung begann Muhri sofort in der KPÖ politisch zu arbeiten und wurde zunächst in seinem Heimatbezirk Deutschlandsberg zum Bezirkssekretär gewählt. Später war er in anderen Bezirken der Steiermark und Niederösterreichs tätig. 1954 wurde Muhri erstmals als Kandidat in das Zentralkomittee der KPÖ gewählt und gleichzeitig zu einem dreijährigen Studium an die Hochschule für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der KPdSU nach Moskau delegiert.

Nach seiner Rückkehr arbeitete Muhri erneut in der Steiermark, ab 1959 als Landessekretär. Seit 1961 war Muhri Mitglied des Politischen Büros und damit der engeren Parteiführung. 1965 löste er am 19.Parteitag den langjährigen Vorsitzenden Johann Koplenig ab.

Eine erste schwere Belastungsprobe bedeutete für Muhri der Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten in die CSSR, den die KPÖ zunächst wie die meisten anderen Kommunistischen Parteien in Westeuropa verurteilte. Damit brachen aber die bereits lange vorher schwelenden politischen Differenzen in der KPÖ auf. Muhri versuchte am Höhepunkt der Krise, am 20. Parteitag im Jänner 1969, eine Spaltung zu verhindern. Er setzte sich unter Androhung seines Rücktritts für die Wiederwahl der Exponenten der Kritik am Einmarsch, die inzwischen isoliert worden waren, in das ZK ein. Den kurze Zeit darauf erfolgten Bruch konnte er dennoch nicht mehr verhindern.

"Es war ein Fehler, daß wir von der ursprünglichen kritischen Haltung abgegangen sind", schrieb Muhri später in seinen Erinnerungen. "Damit war ein Rückschlag in der notwendigen Erneuerung in unserer eigenen Partei verbunden." Unter dem Vorsitz Muhris beschloß die KPÖ 1982 ein neues Parteiprogramm - "Sozialismus in Österreichs Farben" - , das unter Berücksichtigung der damaligen Bedingungen in vieler Hinsicht eine Abkehr von dogmatischen Sozialismusvorstellungen vertrat. Die Fortentwicklung im Sozialismus könne nicht durch die Proklamierung formaler "Einheit", sondern nur durch das Entstehen und Lösen von Widersprüchen gesichert werden.

Der Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa überraschte Muhri, wie alle anderen Mitglieder der Führung der Partei. Aber seine Ablöse als Parteivorsitzender und die Verjüngung der Parteileitung hatte er schon lange vorher vorbereitet. Später schrieb Muhri in seinen Erinnerungen nicht nur über diese Zeit: "Manche haben mich, schon bevor ich Parteivorsitzender wurde, wiederholt kritisiert, daß ich zum 'Versöhnlertum' neige, im Menschen zu sehr nur das Positive zu sehen geneigt bin. Als Parteivorsitzender sah ich erst recht als meine Aufgabe, einigend und ausgleichend zu wirken, soweit das möglich war. Auch heute noch bin ich der Meinung, es ist besser, negative Seiten einer Genossin oder eines Genossen etwas spät zu erkennen, als ihm Unrecht zu tun."

Nach 25 Jahren an der Spitze der Partei zog er sich 1990 in die zweite Reihe zurück und half mit, nach den schweren Erschütterungen, die die neue weltpolitische Lage in den Reihen der KommunistInnen hervorgerufen hatte, die KPÖ auf erneuerter politisch-ideologischer Grundlage zu konsolidieren. Das Scheitern des "realen" Sozialismus in Europa führte Muhri auf das Abgehen von den sozialistischen und kommunistischen Idealen und Zielen in diesen Ländern zurück.

Muhri hielt als Referent der KPÖ für internatione Beziehungen vor allem auch Kontakt zu den neuen linken und kommunistischen Parteien in Osteuropa, wobei ihm sein Ansehen, seine früheren Kontakte und seine russischen Sprachkenntnisse halfen den Dialog zwischen den west- und osteuropäischen Parteien zu fördern.

1995 veröffentlichte Franz Muhri seine Erinnerungen unter dem Titel "Kein Ende der Geschichte". Darin reflektierte er nicht nur kritisch und selbstkritisch die jüngere Geschichte der kommunistischen Bewegung und der KPÖ, sondern entwarf auch das Bild einer erneuerten kommunistischen Partei und Vorstellungen für eine grundlegend neue sozialistische Alternative zum Kapitalismus, einen demokratischen Sozialismus, von dessen Möglichkeit und Notwendigkeit Muhri überzeugt blieb.

1993 beauftragte ihn der Bundesvorstand mit der Gründung der Alfred Klahr-Gesellschaft, der die KPÖ ihr umfangreiches Archiv zur Verwahrung, Öffnung und kritischen Aufarbeitung übertrug. Aktiv beteiligte er sich an der Entwicklung eines neuen Dialogs mit christlichen Gruppen und hielt noch im Juni dieses Jahres einen Vortrag auf der Jahreskonferenz der Fokolarebewegung in Castelgandolfo. "Man kann die Fehler und Versäumnisse einer politischen Partei und Bewegung nicht rückgängig machen. Sie sind bereits Geschichte, die nicht noch einmal begonnen werden kann. Man kann nur daraus lernen, versuchen, die Partei und Bewegung umzugestalten und einen aktiven Beitrag zu leisten, daß die Lehren in der Zukunft verwirklicht werden", schrieb Muhri in seinen Erinnerungen.

Ein besonderes Anliegen, dem er sich in den letzten zehn Jahren und bis zuletzt, schon von seiner schweren Krankheit gezeichnet, widmete, war die Rehabilitierung der österreichischen Opfer des stalinistischen Terrors, überwiegend Mitglieder der KPÖ. Gemeinsam mit dem KPÖ-Vorsitzenden Walter Baier publizierte er im Juni dieses Jahres ein Buch, in dem er die Resultate dieser langjährigen Bemühungen und Forschungen in Form einer Liste von 245 offiziell Rehabilitierten und weiteren 55 Namen von Opfern des Terrors vorlegte, sowie seine politische Schlußfolgerungen und persönlichen Erinnerungen an die Zeit, die er in Moskau verbrachte.

Franz Muhri starb am 7.9.2001 in seiner Wohnung in Wien-Strebersdorf nachdem er die Krebserkrankung in seinen letzten Lebensjahren mit der ihm eigenen Geduld und inneren Gefaßtheit ertrug. Mit ihm starb ein hervorragender kommunistischer Politiker der österreichischen Arbeiterklasse, ein Internationalist, der auch in Zeiten der Niederlage der sozialistischen Kräfte in der Welt nicht die Orientierung auf deren notwendige Veränderung verlor.

Die Anteilnahme und und das tief empfundene Mitgefühl aller KampfgefährtInnen, GenossInnen und FreundInnen Franz Muhris gilt seiner Frau Maria, seiner Tochter Erika, den zwei Enkeln und der ganzen Familie.

In Trauer der Bundesvorstand der KPÖ

Ein Beitrag von Franz Muhri zum Thema Stalinismus findet sich hier.


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