KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht



Videoprojekt über die Widerstandskämpferin Agnes Primocic und ihren Einsatz für Menschlichkeit, Toleranz und Gerechtigkeit

Eine Lebensgeschichte, die 1905 in einem Halleiner Arbeiterhaushalt beginnt, wo Agnes als eines von sechs Kindern aufwächst. Bei Ausbruch des 1.Weltkrieges sieht das Kind zunächst den spontanen Jubel der einrückenden Soldaten und bald die ersten Züge, die mit Verwundeten zurückkehren. Die Lebensmittel werden knapp, der Kampf ums Überleben hat längst begonnen. Im 3. Kriegsjahr erlebt das junge Mädchen zum ersten Mal die Kraft organisierter Aktionen, als sich die Halleiner Tabakarbeiterinnen gemeinsam wehren, um die ihnen zustehenden Lebensmittelrationen zu erhalten. Eine Begebenheit, die einen starken und bleibenden Eindruck hinterlässt. ?Ich war seit meiner Jugend im Sinne der Solidarität erzogen worden,? sagt sie später. Agnes Primocic arbeitet als Halleiner ?Tschikweib? – zum Broterwerb. Unabhängig von der katastrophalen wirtschaftlichen Situation, führt sie daneben als Betriebsrätin und Gewerkschafterin den Kampf um Menschlichkeit und Gerechtigkeit. 1934 tritt sie der Kommunistischen Partei bei, deren Mitglied sie bis heute ist.

Auf Grund ihrer politischen Aktivitäten wird sie entlassen, was die wirt- schaftliche Situation erschwert, aber nichts an der politischen Tätigkeit ändert. Sie unterstützt Widerstandsgruppen, sammelt Geld für die Familien politisch Verfolgter und wird mehrfach verhaftet. Mehrwöchige Haftstrafen ohne Anklage folgen, wobei das ungewisse Schicksal der zurückbleibenden Kleinkinder die Gestapo unbeeindruckt lässt. In einer letzten Aktion, unmittelbar vor Kriegsende, befreit Agnes Primocic gemeinsam mit ihrer Freundin Mali Ziegenleder in einer waghalsigen Aktion 17 Gefangene aus einem Außenlager des KZ Dachau am Fuße eines Halleiner Steinbruchs.In den Zeiten des Faschismus war die Kommunistin Antifaschistin. Mut war keine angstfreie Zone. Mutig sein bedeutete: Angst haben und trotzdem weiter machen. Damals. Warum wurde jetzt noch ein Filmportrait über Agnes Primocic gedreht? Oder gerade jetzt?
?Ich bin doch nur eine einfache Frau? schätzt sie sich selbst ein. Und als solche hat sie den Dialog gesucht, hatte erkannt, dass Faschismus nicht mit Ausbruch eines Weltkrieges begann, sondern lange vorher. Als Dialogfähigkeit nicht mehr gefragt war, als gar nicht mehr gefragt wurde, sondern angeschafft und ausgeführt. Agnes Primocic hat die Fragen gestellt, nach Recht und Unrecht. Hat sie für sich beantwortet und entsprechend gehandelt, ohne Rücksicht auf eigene Sicherheiten. Nach dem Krieg war sie aktiv und politisch am Wiederaufbau beteiligt, redete mit französischen und amerikanischen Besatzern, war verantwortlich für die Errichtung von Kindergärten und deren Versorgung. Auf Grund ihrer Überzeugung ist sie in der Regel den schwierigsten Weg gegangen. Erst viel später gab es auch Ehrungen, wurde ihr u.a. das Silberne Verdienstzeichen der Republik verliehen. ?Ich kann nicht stillhalten, wenn ich sehe, dass Unrecht geschieht.? Sie war nicht still und besuchte Schulen, um Fragen zu beantworten, die heute noch verdrängt werden. Sie wollte Bewusstsein wecken, entwickeln, wach halten. Sie wollte auch mit diesem Film die Aufforderung zu Dialog und Auseinandersetzung an die Jugend weitergeben.

Agens Primocic ist im Januar 97 Jahre alt geworden, aber leise klingt es nicht, wenn sie sagt: ?So bin ich der Meinung, dass es gerade die Jetztzeit ist, die einen Rückblick auf die nichtdemokratischen Zeiten von 1934 bis 45 braucht!?

Kerstin Dresing

wann + wo?
23 / Feb / 02

Stadtkino Hallein
Beginn: 19.30 Uhr

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Ganz einfach Widerstand


Nachfolgender Artikel ist den "Salzburger Nachrichten" (23.02.2002) entnommen.

Verneigung vor einem couragierten Leben: In Hallein wird ein Film über die 96-jährige Widerstandskämpferin Agnes Primocic vorgestellt.

BERNHARD FLIEHER

"Da ich sonst nichts tun konnte, um gegen das Regime zu kämpfen, versuchte ich wenigstens Menschen zu retten, die die SS vernichten wollte." Agnes Primocic sitzt da und erzählt, als wäre, was sie getan hat, die normalste Sache der Welt. Der Mann in Russland, ein Sohn bei der Marine, ein Bruder in Dachau und kleine Kinder daheim, war sie, wie sie das nennt, "an kleinen Aktionen gegen des Hitlerregime beteiligt".

Wenn man - wie der Autor dieser Zeilen Mitte der 90er Jahre anlässlich des 85. Geburtstags - Primocic zuhören durfte, wie sie sich ihres Lebens erinnerte, ist Respekt ein schwacher Ausdruck für das Gefühl, das einen überkommt. Und Ehre und Rückgrat sind schwache Attribute für die Erzählende.

Vom Nachbarn wurde die schon als Jugendliche kommunistisch aktive Primocic während der Nazizeit bespitzelt und landete für Wochen im Gefängnis. Sie half durch Botendienst und Besorgungen "dem Grünberger Loisl" aus einem KZ-Außenlager zu fliehen, dann "dem Sepp Plieseis". Zahlreichen Häftlingen im KZ-Außenlager in einem Halleiner Steinbruch half sie in den letzten Kriegsmonaten ebenso bei der Flucht, wie sie politische Gefangene im Pinzgau unterstützte. Von der Gestapo verhaftet, entkam sie nur knapp dem Transport nach Ravensbrück, "weil ich in Hallein eine bekannte Person war und Mann und Sohn an der Front waren". Anfeindungen, ja Anschuldigungen gab und gibt es immer noch.
Weniger die Aufzählung von Heldentaten, die Primocic niemals als solche bezeichnen würde, als durch den unbezwingbaren Glauben, dass man sich immer wehren kann, und nicht, wie ein Geistlicher wenige Monate vor Kriegsende meinte, "nur beten könne", machen Primocic zu einer großen Frau.

Ernst Gold, bis Beginn der 90er Jahre KPÖ-Gemeindevertreter in der 20.000-Einwohner-Stadt, hält die Erinnerung an Primocic, die 1999 Ehrenbürgerin der Salinen-Stadt wurde, wach. Ein von Gold angeregtes und von Uwe Bolius, Robert Angst und Kerstin Dresing gestaltetes Filmporträt hat heute, Samstag, in Hallein Premiere.
Die heute 96-Jährige war nach Kriegsende in der Halleiner Stadtverwaltung maßgeblich an der Normalisierung des Alltags beteiligt. Sie hielt immer wieder in Schulen Vorträge. Sie erzählt ruhig, erinnert sich präzise an Details. Ihre Erlebnisse fokussieren die Taten und Untaten einer nahen Umgebung und öffnen den Blick auf Grausamkeiten des Alltages.
Hannah Arendt sprach im Hinblick auf den Eichmann-Prozess in Jerusalem von der "Banalität des Bösen". Was Agnes Primocic erlebte, dient als unmittelbar in der Nachbarschaft angesiedeltes und deshalb so greifbares, reales Zeugnis dieser Beschreibung. Sie klagt, wenn überhaupt, nur leise, nur in Nebensätzen an. Stattdessen bleibt ein wie selbstverständlich wirkendes Bild einer Frau, deren Leben ein Manifest der Zivilcourage in Zeiten blindwütiger Heldenverehrung ist, die gegen schweren Widerstand Menschlichkeit kultivierte zu Zeiten abstoßender Unkultur.
Wie sehr diese Zivilcourage bis in die Gegenwart strapaziert wird, zeigte sich vergangenes Jahr. Nachdem Primocic in der ORF-Serie "Im Brennpunkt" über ihr Leben als Widerstandskämpferin berichtet hatte, bezichtigte der Halleiner FPÖ-Gemeindevertreter Gerhard Cirlea sie der Lüge. Nie habe es in Hallein "ein KZ" gegeben, also könnten auch keine Menschen vernichtet worden sein, beschwerte er sich. Freilich steht historisch außer Zweifel, dass eine "Außenstelle von Dachau" - wie besagtes Lager bei Hallein - nach den gleichen grausamen Prinzipien geführt wurde wie die Zentralen der systematischen Entmenschlichung. Selbst heftige Kritik veranlasste Cirlea nur zu einer semantischen Einschränkung über die Bezeichnung des Lagers - die er statt mit "Entschuldigung" mit dem Titel ?abschließende Stellungnahme" betitelte. Geradezu prototypisch für ein Verdrängen der Wahrheit, für eine unerträgliche Verharmlosung gerade der vor der Haustür passierten Verbrechen in der Nazi-Zeit ist dieses Vorgehen. Dem gegenüber stehen nun auch auf Film für die Zukunft festgehalten wahrhaftige, ohne Stolz und Selbstüberschätzung, ja geradezu unverständlich bescheidene Erinnerungen einer aufrechten Frau. Man kann nichts mehr sagen. Man muss nur zuhören.

"Agnes Primocic - Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht" wird heute um 19.30 Uhr im Stadtkino Hallein präsentiert.

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