KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS
Hintergrund

Situation in den türkischen Gefängnisse




Seit Jahren versucht der türkische Staat politische Gefangene zu isolieren und damit ihren Widerstand zu brechen. Seit Jahren gibt es aber auch Widerstand gegen die Repression.

Ein Bericht von Prison Watch International.

1.) Die Entwicklung seit dem Militärputsch 1980: Der Militärputsch am 12. September 1980, der von drei türkischen Generälen unter Kooperation mit der CIA durchgeführt wurde, brachte eine massive Repressionswelle gegen alle fortschrittlichen Kräfte in der Türkei mit sich. Oppositionelle Parteien, Vereine, Gewerkschaften und Einzelpersonen wurden entweder ermordet oder als Terroristen und Staatsfeinde eingesperrt. Dadurch stieg die Zahl der politischen Gefangenen immens an. Eingesperrt wurden diese in Militärgefängnissen, wo sie eine "Sonderbehandlung" erfuhren. Schon damals waren Isolation, Demütigung und Entwürdigung die Grundlage der Gefängnispolitik gegen Andersdenkende. Die Gefangenen hatten kaum Kontakt zu einander und wurden systematisch gefoltert. Mehrmalige Appelle, willkürliche Zellendurchsuchungen und sadistische Behandlungen durch die Soldaten waren an der Tagesordnung.Aus dieser Situation heraus beschlossen 1984 mehrere hunderte politische Gefangene einen gemeinsamen Hungerstreik durchzuführen, um sich gegen diese Zustände zur Wehr zu setzen. Ihre Forderungen waren die Zusammenlegung mit anderen politischen Gefangenen, die sofortige Einstellung der Folterungen und die Abschaffung der Anti-Terrorgesetze. Erst nachdem vier Menschen gestorben waren, ging der türkische Staat auf die Forderungen ein. Als Ergebnis dieses Widerstandes wurden die politischen Gefangenen zusammengelegt und konnten dadurch im Gefängnis ein würdevolles Leben führen. In dieser Zeit entstand das Bild der "freien Gefangenschaft". Das bedeutet, dass die Gefangenen selbst hinter Gittern ihren Kampf um ein selbstbestimmtes Leben nicht aufgeben, sich gemeinsam Freiräume schaffen und gegen Übergriffe der staatlichen Sicherheitskräfte schützen können. Als dem türkischen Staat klar wurde, dass er damit das politische Bewusstsein der Menschen nicht brechen konnte, griff er auf westliche Methoden der "Terroristenbekämpfung" zurück. In Eskeshehir wurde nach dem Vorbild Stuttgart/Stammheim das erste Isolationsgefängis gebaut. Finanziert wurde dieses Projekt durch Mittel des IWF (Internationaler Währungsfonds).
Dieses Gefängnis, das von den Gefangenen als "der Sarg" bezeichnet wurde, ist vorerst nur mit verurteilten Mafiamitgliedern belegt. Ziel war dieses Gefängnis der Öffentlichkeit als Vorzeigeobjekt bezüglich Sauberkeit und Sicherheit zu präsentieren. Da, wie der Fall Susurluk 1996 bewies, Regierung und Mafia in der Türkei eine Einheit bilden, dienen Mafiamitglieder auch im Gefängnis als verlängerter Arm des Staates.
1995 fing der türkische Staat an, die Verlegungen der politischen Gefangenen nach Eskeshehir vorzubereiten. Auch diesmal bediente er sich einer Methode, die bereits im Westen erfolgreich erprobt wurde; die "Strategie der Spannung". Sicherheitskräfte und Spezialeinheiten führten in mehreren Gefängnissen Massaker an den politischen Gefangenen durch, wobei mehrere Menschen getötet und über hundert schwer verletzt wurden. In den Medien wurden diese Massaker als Rivalitäten der Gefangenen untereinander dargestellt, und die Isolationsgefängnisse als einzige mögliche Abhilfe präsentiert. Um Widerstand gegen diese neue Strategie des türkischen Staates zu leisten, entschlossen sich 1996 mehrere hunderte Gefangene erneut ein Todesfasten durchzuführen. Ihre Forderungen richteten sich vor allem gegen das Isolationsgefängis Eskeshehir, dessen sofortige Schließung verlangt wurde.
Nach fast 70 Tagen Hungerstreik hat der türkische Staat den Forderungen nachgegeben und Eskeshehir wurde geschlossen. Bevor es zu einer Einigung kam, mussten jedoch erst zwölf Menschen sterben.

2.) Die aktuelle Situation: Im Jahr 2000 setzte der türkische Staat seine Bemühungen, die politischen Gefangenen in Isolationshaft zu internieren, fort. Unterstützt wurde er dabei durch Milliardenkredite des IWF. Es wurden fünf Isolationsgefängnisse ("F-Typ") neu, und über 20 bestehende umgebaut. Unter dem Motto "Einführung des europäischen Standards" sollte der Widerstand der politischen Gefangenen endgültig gebrochen werden. Die diesbezügliche Aussage des deutschen Bundesgeneralstaatsanwaltes Nehm bei einer Pressekonferenz: "Wir machen es nicht wie ihr. Wir sperren diese Menschen lebenslänglich ein. Wenn sie dann doch raus kommen, denken sie nicht einmal mehr daran, Widerstand zu leisten." Auch dieses Mal setzte der türkische Staat schon im Vorfeld seine Massakertradition fort. Im September 1999 stürmten Spezialeinheiten mit Schusswaffen, Eisenstangen und chemischen Kampfstoffen das Gefängnis Ulucanlar in Ankara. Dabei wurden zehn Gefangene getötet und unzählige zum Teil lebensgefährlich verletzt. In den Medien wurde dies wieder als Rivalität unter den Gefangenen verkauft. Es ging sogar soweit, dass Mitgefangene für den Tod der Ermordeten verantwortlich gemacht wurden und die Staatsanwaltschaft dafür über 1.000 Jahre Gefängnis forderte.
Um sich gegen die bevorstehenden Verlegungen in die F-Typ-Gefängnisse zu wehren, hat ein Teil der politischen Gefangenen am 20. Oktober 2000 mit einem unbefristeten Hungerstreik begonnen, den sie einen Monat später in ein Todesfasten umwandelten. Die zentrale Forderung des Widerstandes war die Schließung der F-Typ-Isolationsgefängnisse.
Am 60. Tag des Todesfastens, dem 19. Dezember 2000, begann der türkische Staat eine Offensive gegen die politischen Gefangenen. Tags zuvor wurden noch Scheinverhandlungen mit den VertreterInnen der Gefangenen geführt, in denen der Umbau der F-Typ-Gefängnisse besprochen wurde. In der Zwischenzeit hatten Militär und Spezialeinheiten schon die Erstürmung der Gefängisse an Pappkarton-Modellen geprobt, wie der türkische Abgeordnete Bekerioglu berichtete. Bei dieser vier Tage andauernden Operation wurden neben scharfer Munition auch Giftgas und Flammenwerfer eingesetzt. 28 Menschen wurden bei diesem Angriff, der von der Regierung als "Rückkehr zum Leben" bezeichnet wurde, massakriert. Die Überlebenden wurden entweder in Militärspitäler zur Zwangsernährung, oder in die neuen F-Typ-Gefängnisse gebracht. Die verletzten Gefangenen wurden nicht behandelt. Auch den Gefangenen, die die Zwangsernährung verweigerten wurde jegliche medizinische Hilfe vorenthalten. Während der Transporte zu den F-Typ-Gefängnissen und bei der Ankunft, wurden die Gefangenen demütigenden und grausamen Behandlungen unterzogen. Sie wurden verprügelt, mit Knüppeln vergewaltigt und ihnen wurde ins Gesicht uriniert.
Als Aufsichtspersonal in den neuen F-Typ Gefängnissen wird ausschließlich JITEM-Angehörige eingesetzt. Diese paramilitärische Gendarmerieeinheit, die vor allem im Kampf gegen die Guerilla eingesetzt wird, wurde durch die Praxis, den von ihnen getöteten Menschen die Köpfe abzuschneiden berüchtigt.
Die Wachmannschaften der JITEM führen in den Gefängnissen mehrmals täglich Appelle durch, bei denen die Gefangenen Soldatenlieder singen und unterwürfige Handlungen, wie das Küssen der Stiefel durchführen müssen. Wer sich weigert wird verprügelt oder mit dem Knüppel vergewaltigt. Möglichkeiten andere Gefangene außerhalb der eigenen Zelle zu sehen gibt es nicht. Die Zellen sind so konzipiert, dass maximal drei Gefangene hineinpassen. Menschen, die vom türkischen Staat als Wortführer eingestuft werden, sitzen in Einzelhaft. Die Angehörigen müssen bei jedem Besuch zwei Kilometer vor dem Gefängnis ihr Fahrzeug verlassen und den Rest zu Fuß weitergehen. Dabei passieren sie mehrere Kontrollposten, bevor sie sich im Gefängnis einer Leibesvisitation unterziehen müssen. Manchmal werden die Besuchenden auch kurzfristig festgenommen, beschimpft und geschlagen.

Mehr Infos zu Prison Watch International finden sie unter: www.pwi.action.at

Entnommen der linken Wochenzeitung "Volksstimme", Nr. 37/2001. Ein Abo kostet ÖS 400,--. Bestellungen an volksstimme@magnet.at oder telefonisch unter (01) 503 68 28.

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