KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Von Göteborg nach Genua

Die neue Strategie der "Herrscher der Welt": Polizei und Militär statt
Dialog.

Die Bilder von Straßenkämpfen aus Göteborg sind nur ein Akt des Stückes,
dessen Inszenierung nach dem EU-Regierungsgipfel noch lange nicht zu Ende
ist. Die Regisseure können sich die Hände reiben, denn kurzfristig ist
ihre Rechnung aufgegangen. Die europäischen Regierungschefs konnten von
der fundamentalen Kritik an ihrer Politik, die mit dem Irland-Referendum
gegen die EU-Grundrechtecharta weitere Kreise zieht, hervorragend
ablenken. Und haben dank der berechneten Reaktion einiger DemonstrantInnen
auf polizeiliche Provokationen nun scheinbar einen weiteren Grund, mit
"aller Härte vorzugehen", wie es etwa der deutsche Bundeskanzler Gerhard
Schröder in Göteborg verlangte. Die Schüsse auf DemonstrantInnen
anlässlich des jüngsten EU-Gipfels könnten demnach ein Vorgeschmack auf
die "neue Härte" sein. Und die martialische Aufrüstung Genuas zur
G8-Festung sowie die Versuche der Salzburger Behörden Proteste gegen das
WEF-Europaforum zu verunmöglichen sind wohl ebenfalls in diesem Sinne zu
verstehen.

Es ist nicht an den Haaren herbeigezogen, diesbezüglich von "Inszenierung"
zu sprechen. Bislang hatten die "Herrscher der Welt" auf die gegen sie
gerichteten Proteste entweder gar nicht (so in Amsterdam, Köln, Nizza)
oder mit dem Eingeständnis eines Legitimationsdefizits reagiert - so in
Seattle und Prag. Die Weltbank wie auch die EU-Kommission überschlugen
sich in Beteuerungen, man suche den Dialog mit "der Zivilgesellschaft".
Die entsprechenden Veranstaltungen nutzten diese Institutionen als eine
wohlfeile Möglichkeit, Demokratie zu simulieren, ohne irgendeine Forderung
wirklich in Rechnung stellen zu müssen. Der Öffentlichkeit Sand in die
Augen streuen und weitermachen wie gehabt - das war bisher die Strategie.
Das irische Nein zum Vertrag von Nizza hat dem einen Strich durch die
Rechnung gemacht. Noch in Göteborg stellte der irische Premier sich hin
und bekannte, er wisse nicht, warum die so EU-freundlichen Iren der Union
in dieser Frage die Gefolgschaft verweigert hätten. Eine derartige Frage
tatsächlich zu stellen, traut sich in diesen Etagen üblicherweise niemand
ernsthaft. Stattdessen bekommen die Iren auch Nachhilfeunterricht in
Sachen "europäische Demokratie" und sollen das Referendum noch einmal
durchführen. Irgendwann wird dann das Ergebnis schon stimmen, wie in den
90er Jahren in Dänemark, als dort die Volksabstimmung über den Beitritt
zur Wirtschafts- und Währungsunion wiederholt werden musste.
Die vom schwedischen Ministerpräsident Göran Persson im Umfeld des
EU-Gipfels ostentativ demonstrierte "Dialogbereitschaft" - als erster
seiner europäischen KollegInnen setzte er sich gleich mit drei Ministern
in die voll besetzte Aula der Göteborger Universität, um medienwirksam zu
zeigen, wie er sich den EU-KritikerInnen stellt - stand in scharfem
Widerspruch zum Vorgehen der Polizeitruppen, die am Tag darauf unter
fadenscheinigen Gründen die Quartiere von GipfelgegnerInnen
"generalstabsmäßig" räumten und damit die ersten Auseinandersetzungen
provozierten.


Die nun geforderten Ausreiseverbote für EU-GegnerInnen sind eine
konsequente Fortsetzung dieser Entwicklung. Während etwa der deutschen PDS
als Nachfolgeorganisation der DDR-Staatspartei SED derzeit eine
Entschuldigung für die fehlende Reisefreiheit ostdeutscher
StaatsbürgerInnen durch den Mauerbau abgerungen wird, soll diese
Einschränkung demnächst für missliebige EU-BürgerInnen umstandslos wieder
gültig werden. Dass es sich dabei keineswegs um nachgewiesenermaßen
"Gewalttäter" handeln muss, haben die jüngsten EU-Gipfel bereits gezeigt.
An der italienisch-französischen Grenze wurden im vergangenen Dezember
anlässlich des EU-Gipfels in Nizza Grenzkontrollen wiedereingeführt und
ganze Züge mit mehr als tausend Reisenden aufgehalten. Als Begründung
reichte ein Paragraph im Schengener Abkommen, der innereuropäische
Grenzkontrollen bei "Gefährdung der öffentlichen Ordnung" vorsieht.
Der Notstand scheint zum Regelfall zu werden, wenn sich die Mächtigen
dieser Welt treffen. Zum alljährlichen Europatreffen des einflußreichen
World Economic Forums, das seit 1971 stattfindet, wird Salzburg zu einer
Festung. Die Konzernchefs und befreundete Politiker, die sich in diesem
de jure Privatverein zusammengeschlossen haben, lassen Ende Juni die knapp
150.000 EinwohnerInnen zählende Stadt mit 6.000 Polizisten besetzen und
versuchen seit Wochen Demonstrationsverbote durchzusetzen. Die Aufhebung
des Schengener Abkommens, bzw. der innereuropäischen Reisefreiheit scheint
diesbezüglich bereits zur Routine zu werden.
Und beim kommenden G8-Gipfel in Genua sind sogar Armeeeinheiten damit
beauftragt, Demonstrationen zu blockieren. Damit wird - einzige Ausnahme
das "Bürgerkriegsland" Nordirland - seit dem Ende der portugiesischen,
griechischen und spanischen Diktatur in den 70er Jahren in Westeuropa
erstmals wieder Militär direkt gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt.

Gerhard Klas

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