KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die Arbeiterbewegung wird, im Namen des Friedens und des Sozialismus, den Sieg davontragen und ihre Mission vollenden


Auszug aus "10 Tage, die die Welt erschütterten", dem Klassiker von John Reed, dem großen US-amerikanischen Journalisten und Mitgegründer der ersten Kommunistischen Partei der USA. Reed´s letzte Ruhestätte befindet sich übrigens an der Kreml-Mauer in Moskau.

"Der Kongreß sollte um vier Uhr wieder zusammentreten, und der große Saal hatte sich lange vordem gefüllt. Aber noch gegen sieben Uhr war niemand von der Kongreßleitung zu sehen. Die Bolschewiki und Sozialrevolutionäre tagten in ihren Fraktionszimmern. Den ganzen Nachmittag hatten Lenin und Trotzki gegen die Kompromißler zu kämpfen gehabt. Ein großer Teil der Bolschewiki war zu einer Einigung mit allen sozialistischen Parteien auf der Grundlage der Bildung einer rein sozialistischen Regierung bereit. "Wir können es nicht schaffen; zu viele sind gegen uns. Es fehlen uns die Männer. Wir werden isoliert sein, und alles wird verloren sein." So Kamenew, Rjasanow und andere. Aber Lenin und ihm zur Seite Trotzki standen wie ein Fels. (...)

Es war genau 8 Uhr 40, als ein Ausbruch jubelnder Begeisterung den Eintritt des Präsidiums, mit Lenin - dem großen Lenin - in seiner Mitte ankündigte. Eine untersetzte Gestalt, mit großem, auf stämmigem Hals sitzenden Kopf, ziemlich kahl. Kleine bewegliche Augen, großer sympathischer Mund und kräftiges Kinn; jetzt rasiert, der bekannte Bart jedoch, den er fortan wieder tragen würde, schon wieder sprossend. In abgetragenem Anzug, mit Hosen, viel zu lang für ihn. Zu unauffällig, um das Idol eines Mobs zu sein, aber doch geliebt und verehrt wie selten ein Führer in der Geschichte. Ein Volksführer eigner Art - Führer nur dank der Überlegenheit seines Intellekts; nüchtern, kompromißlos und über den Dingen stehend, ohne Effekthascherei - aber mit der Fähigkeit, tiefe Gedanken in einfachste Worte zu kleiden und konkrete Situationen zu analysieren. Sein Scharfsinn ist verbunden mit der größten Kühnheit des Denkens.

Kamenew gab den Bericht über die Aktionen des Revolutionären Militärkomitees: Abschaffung der Todesstrafe in der Armee, Wiederherstellung der Propagandafreiheit, Freilassung der wegen politischer Vergehen verhaftet gewesenen Offiziere und Soldaten, Erlaß eines Haftbefehls gegen Kerenski, Beschlagnahme der Lebensmittelvorräte in den privaten Warenhäusern...... Ungeheurer Beifall.

Noch einmal ein Vertreter vom "Bund": "Die unnachgiebige Haltung der Bolschewiki wird den Zusammenbruch der Revolution zur Folge haben. Die Delegierten des Bundes sehen sich daher gezwungen, aus dem Kongreß auszuscheiden" Zurufe aus der Versammlung: "Wir meinten, ihr seiet schon gestern gegangen. Wie oft gedenkt ihr uns noch zu verlassen?" Darauf der Vertreter der Menschewiki-Internationalisten, von erstaunten zurufen empfangen: "Auch ihr noch hier?" Der Redner erklärte, daß nur ein Teil der Menschewiki-Internationalisten den Kongreß verlassen habe, der Rest würde bleiben. "Wir erachten die Übernahme der Macht durch die Sowjets für gefährlich, ja sogar für tödlich für die Revolution." (Lebhafte Zurufe.) "Aber wir bleiben im Kongreß, um hier gegen diese Übernahme zu stimmen."

Andere Redner folgten, offenbar ohne bestimmte Anweisungen, welche Stellung sie einnehmen sollten. Ein Delegierter der Kohlenbergwerke des Donezbeckens forderte von dem Kongreß Maßnahmen gegen Kaledin, der möglicherweise versuchen würde, die Hauptstadt von der Kohle- und Lebensmittelversorgung abzuschneiden. Einige von der Front angekommene Soldaten überbrachten begeisterte Grüße ihrer Regimenter.

Und nun stand Lenin vorn, die Hände fest an den Rand des Rednerpultes gekrampft, seine kleinen blinzelnden Augen über die Menge schweifen lassend, wartend, bis der minutenlange, ihm offensichtlich gleichgültige Beifallssturm sich gelegt haben würde. Als er endlich beginnen konnte, sagte er einfach: "Wir werden jetzt mit dem Aufbau der sozialistischen Ordnung beginnen." Und wieder raste wilder Begeisterungssturm durch den Saal.

"Das erste ist die Durchführung praktischer Maßregeln zur Verwirklichung des Friedens. Wir werden den Völkern aller kriegführenden Länder den Frieden auf der Grundlage der Sowjetbedingungen anbieten: Keine Annexionen, keine Kriegsentschädigungen, Selbstbestimmungsrecht der Völker. Gleichzeitig werden wir unserm Versprechen gemäß die Geheimverträge veröffentlichen und für ungültig erklären. Die Frage ,Krieg und Frieden' ist so einfach, daß ich glaube, die beabsichtigte Formulierung eines Aufrufes an die Völker aller kriegführenden Staaten hier ohne Vorrede vorlesen zu können:

Aufruf an die Völker und Regierungen aller kriegführenden Länder!

Die Arbeiter- und Bauernregierung, die durch die Revolution vom 6. Und 7. November (24. Und 25. Oktober) geschaffen wurde und sich auf die Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten stützt, schlägt allen kriegführenden Völkern und ihren Regierungen vor, sofort Verhandlungen über einen gerechten demokratischen Frieden zu beginnen.
Ein gerechter oder demokratischer Friede, den die überwältigende Mehrheit der durch den Krieg erschöpften, gepeinigten und gemarterten Klassen der Arbeiter und der Werktätigen aller kriegführenden Länder ersehnt und den die russischen Arbeiter und Bauern nach dem Sturz der Zarenmonarchie auf das entschiedenste und beharrlichste forderten - ein solcher Friede ist nach der Auffassung der Regierung ein sofortiger Friede ohne Annexionen (Das heißt ohne Aneignung fremder Territorien, ohne gewaltsame Angliederung fremder Völkerschaften) und ohne Kontributionen.
Die Regierung Rußlands schlägt allen kriegführenden Völkern vor, unverzüglich einen solchen Frieden zu schließen, wobei sie sich bereit erklärt, sofort, ohne die geringste Verzögerung, alle entscheidenden Schritte zu unternehmen - bis zur endgültigen Bestätigung aller Bedingungen eines solchen Friedens durch die bevollmächtigten Versammlungen der Volksvertreter aller Länder und aller Nationen.
Unter Annexion und Aneignung fremder Territorien versteht die Regierung, im Einklang mit dem Rechtsbewußtsein der Demokratie im allgemeinen und der werktätigen Klassen im besonderen, jede Angliederung einer kleinen und schwachen Völkerschaft an einen großen und mächtigen Staat, ohne daß diese Völkerschaft ihr Einverständnis und ihren Wunsch genau, klar und freiwillig zum Ausdruck gebracht hat, unabhängig davon, wann diese gewaltsame Angliederung erfolgt ist, sowie unabhängig davon, wie entwickelt oder rückständig eine solche mit Gewalt angegliederte oder mit Gewalt innerhalb der Grenzen eines gegebenen Staates festgehaltene Nation ist, und schließlich unabhängig davon, ob diese Nation in Europa oder in fernen, überseeischen Ländern lebt. Wenn irgendeine Nation mit Gewalt in den Grenzen eines gegebenen Staates festgehalten wird, wenn dieser Nation entgegen ihrem zum Ausdruck gebrachten Wunsche - gleichviel, ob dieser Wunsch in der Presse oder in Volksversammlungen, in Beschlüssen der Parteien oder in Empörungen und Aufständen gegen die nationale Unterdrückung geäußert wurde - das Recht vorenthalten wird, nach vollständiger Zurückziehung der Truppen der die Angliederung vornehmenden oder überhaupt der stärkeren Nation, in freier Abstimmung über die Formen ihrer staatliche Existenz, ohne den mindesten Zwang selbst zu entscheiden, so ist eine solche Angliederung eine Annexion, das heißt eine Eroberung und Vergewaltigung. Diesen Krieg fortzusetzen, um die Frage zu entscheiden, wie die starken und reichen Nationen die von ihnen annektierten schwachen Völkerschaften unter sich aufteilen sollen, hält die Regierung für das größte Verbrechen an der Menschheit, und sie verkündet feierlich ihre Entschlossenheit, unverzüglich die Bedingungen eines Friedens zu unterzeichnen, der diesem Krieg unter den obengenannten, für ausnahmslos alle Völkerschaften gleich gerechten Bedingungen ein Ende macht....

Die Regierung schafft die Geheimdiplomatie ab, sie erklärt, daß sie ihrerseits fest entschlossen ist, alle Verhandlungen völlig offen vor dem ganzen Volke zu führen, und geht unverzüglich dazu über, alle Geheimverträge zu veröffentlichen, die von der Regierung der Gutsbesitzer und Kapitalisten in der Zeit vom Februar bis zum 7. November (25.Oktober) 1917 bestätigt oder abgeschlossen wurden.
Der ganze Inhalt dieser Geheimverträge, soweit er, wie es zumeist der Fall war, den Zweck hatte, den russischen Gutsbesitzern und Kapitalisten Vorteile und Privilegien zu verschaffen, die Annexionen der Großrussen aufrechtzuerhalten oder zu erweitern, wird von der Regierung bedingungslos und sofort für ungültig erklärt. Indem sich die Regierung an die Regierungen und Völker aller Länder mit dem Vorschlag wendet, sofort offene Verhandlungen über den Friedensschluß aufzunehmen, gibt sie ihrerseits ihrer Bereitschaft Ausdruck, diese Verhandlungen sowohl schriftlich, telegrafisch als auch durch mündliche Unterhandlungen mit Vertretern der verschiedenen Länder oder auf Konferenzen dieser Vertreter zu führen. Um solche Unterhandlungen zu erleichtern, entsendet die Regierung ihren bevollmächtigten Vertretern in die neutralen Länder.
Die Regierung schlägt allen Regierungen und Völkern aller kriegführenden Länder vor, sofort eine Waffenstillstand abzuschließen, wobei sie es ihrerseits für wünschenswert hält, daß dieser Waffenstillstand auf mindestens drei Monate abgeschlossen werde, das heißt auf eine Frist, die völlig ausreicht sowohl für den Abschluß von Friedensverhandlungen , an denen Vertreter ausnahmslos aller Völkerschaften oder Nationen teilnehmen sollen, die in den Krieg hineingezogen oder hineingezwungen wurden, als auch für die Einberufung bevollmächtigter Versammlungen der Volksvertreter aller Länder zur endgültigen Bestätigung der Friedensbedingungen.
Die Provisorische Arbeiter- und Bauernregierung Rußlands, die dieses Friedensangebot an die Regierungen und an die Völker aller kriegführenden Länder richtet, wendet sich gleichzeitig insbesondere an die klassenbewußten Arbeiter der drei fortgeschrittensten Nationen der Menschheit und der größten am gegenwärtigen Kriege beteiligten Staaten: Englands, Frankreichs und Deutschlands. Die Arbeiter dieser Länder haben der Sache des Fortschritts und des Sozialismus die größten Dienste erwiesen - in den großen Vorbildern der Chartistenbewegung in England, in der Reihe der Revolutionen von weltgeschichtlicher Bedeutung, die das französische Proletariat vollbracht hat, und schließlich im heroischen Kampf gegen das Sozialistengesetz sowie in der für die Arbeiter der ganzen Welt mustergültigen, langwierigen und beharrlichen disziplinierten Arbeit an der Schaffung von proletarischen Massenorganisationen in Deutschland. Alle diese Vorbilder proletarischen Heldentums und geschichtlicher Schöpferkraft sind für uns eine Bürgschaft, daß die Arbeiter der genannten Länder die ihnen jetzt gestellte Aufgabe der Befreiung der Menschheit von den Schrecken des Krieges und seinen Folgen begreifen werden, daß diese Arbeiter uns durch ihre allseitige, entschiedene , rückhaltlos energische Tätigkeit helfen werden, die Sache des Friedens und zugleich damit die Sache der Befreiung der werktätigen und ausgebeuteten Volksmassen von jeder Sklaverei und jeder Ausbeutung erfolgreich zu Ende zu führen'"

Nachdem der Beifallssturm verrauscht war, fuhr Lenin fort: "Wir schlagen dem Kongreß die Ratifikation unserer Erklärung vor. Wir wenden uns sowohl an die Regierungen als auch an die Völker der kriegführenden Staaten, weil eine nur an die Völker gerichtete Erklärung den Abschluß des Friedens hinauszuzögern geeignet sein könnte. Die im Verlauf des Waffenstillstandes ausgearbeiteten Friedensbedingungen werden durch die Konstituierende Versammlung ratifiziert werden. Mit der Festsetzung eines dreimonatigen Waffenstillstandes wünschen wir den Völkern nach dieser blutigen Menschenvernichtung eine so lange wie möglich währende Ruhepause zu geben und genügend Zeit, ihre Vertreter zu wählen. Der Friedensvorschlag wird auf den Widerstand der imperialistischen Regierungen stoßen. Wir machen uns darüber keine Illusionen; Aber wir hoffen auf den baldigen Ausbruch der Revolution in allen kriegführenden Ländern. Das ist der Grund, weswegen wir uns an die Arbeiter Frankreichs, Englands und Deutschlands im besonderen wenden....

Die Revolution vom 6. und 7. November hat die Ära der sozialistischen Revolution eröffnet.... Die Arbeiterbewegung wird, im Namen des Friedens und des Sozialismus, den Sieg davontragen und ihre Mission vollenden..." Damit endete er.

In seiner Art zu sprechen lag etwas Ruhiges und Machtvolles, das die Seelen der Männer aufwühlte. Man begriff, warum die Menschen felsenfest glaubten, wenn Lenin sprach.

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