KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Durchleuchtung kranker Kassen


Noch zum Jahreswechsel machte uns die Regierung weis, das österreichische Gesundheitssystem liege völlig darnieder. So drohe etwa ein Krankenkassen-Defizit von 3,7 Milliarden Schilling (270 Mio. Euro), Schuld daran trage die "alte Hauptverbandsspitze", die keine "strukturellen Reformen" zugelassen habe. Dies sei schließlich der Grund für die Ablöse von Hans Sallmutter als Präsident des Hauptverbandes gewesen.

Dass diese Regierung – zugegebenermaßen in der Tradition vorangegangener Regierungen – für die Durchsetzung ihres politischen Interesses schon mal die objektive Realität unterpflügt, ist mittlerweile ein gewohntes Faktum, an das man sich aber gerade deswegen nicht gewöhnen sollte. Denn nur zwei Wochen nach dem Jahreswechsel präsentiert sich die Lage der Kassen schon viel weniger prekär: "Die derzeit prognostizierten 3,1 Milliarden Schilling Abgang stellen keine Existenzgefährdung für die Krankenversicherungen dar. Ein 140 Milliarden Schilling Unternehmen kann über einen gewissen Zeitraum einen Abgang von 2,2 Prozent verkraften, ohne konkursreif zu sein." (R. Waneck in "Solidarität", 01/2002)

Sieh an! So tönt es also heute aus dem Mund des freiheitlichen Gesundheitsstaatssekretärs, der noch vor wenigen Monaten, als es um die Demontage Sallmutters ging, vom drohenden Konkurs der Krankenkassen gefaselt hatte.

Doch selbst das Defizit ist nicht annähernd so hoch, wie es von der Regierung und einigen Kassenchefs in der jüngsten Vergangenheit öffentlichkeitswirksam inszeniert wurde. Eine Durchleuchtung der Krankenkassen zur Erhellung der Finanzen habe ergeben, dass das Defizit "nicht 3,7 Milliarden Schilling, nicht 3,1 Milliarden Schilling, sondern lediglich eine Milliarde Schilling" betrage. Die Auflösung des gordischen Pleiteknotens liege in der teilweisen Auflösung der hohen Rücklagen, die die Kassen gebildet hätten, rechnet Waneck vor. Deshalb erteilte er auch dem Wunsch der Krankenkassen nach höheren Beiträgen und Selbstbehalten vor wenigen Tagen eine vorläufige Absage. Dafür erhielt er nicht nur den Beifall der Wirtschaft, sondern prompt auch die Heiligsprechung durch SP-Chef Alfred Gusenbauer.

Fazit: Das österreichische Gesundheitssystem ist bei weitem nicht so sehr am Ende wie die österreichischen PatientInnen. Denn diese werden systematisch geschröpft, wobei die massiven Belastungen, die die Gebarung in den Kassen aber in keiner Weise beeinflussen, überwiegend zur Abdeckung des Defizits ins Bundesbudget wandern. Dem Finanzminister brachte etwa die Erhöhung der Rezeptgebühr bisher 600 Millionen Schilling (44 Mio. Euro), die lenkungspolitische Funktion der Ambulanzgebühr erwies sich erwartungsgemäß als Chimäre. Grasser spült dennoch eine halbe Milliarde Schilling in sein Nulldefizit-Budget, und die Streichung der Mitversicherung schlägt sich mit einer satten Milliarde Schilling zu Buche.

Doch der Aderlass bei den PatientInnen ist damit noch nicht abgeschlossen. Denn während Waneck bei seiner Ablehnung höherer Selbstbehalte mit einem Auge auf den nächsten Wahltermin schielt, schielt er mit dem anderen Auge auf den "Sozialexperten" Bernd Marin, der Selbstbehalte von mehr als 20 Prozent fordert, oder auf den neuen Hauptverbandschef Kandlhofer, der "intelligente Selbstbehalte" bis zu 2.000 Schilling (ca. 145 Euro) einführen will. Das heißt, eine Erhöhung der Selbstbehalte ist trotz des Dementis von Waneck noch lange nicht vom Behandlungstisch. Kandlhofer möchte überdies die Rezeptgebührenbefreiung "durchforsten" und den PensionistInnen die Beiträge von 3,75 Prozent auf 4,25 Prozent erhöhen. Während der neue Hauptverbands-Chef also Pläne wälzt, wie er die PatientInnen weiter schröpfen kann, haben sich gleichzeitig die Kosten für den Bluttransfer im Hauptverband verdoppelt: von zwei Millionen Schilling in der Ära Sallmutter auf vier Millionen Schilling unter Kandlhofers Führung. Alleine beim Vorstand explodierten die Kosten von einer Million Schilling auf 3,2 Millionen Schilling (Stand Dezember 2001).

Doch eine nachhaltige Reform der Gesundheitspolitik liegt ganz und gar nicht im Interesse des Kapitals und seines politischen Personals. Dabei ließe sich die gesundheitspolitische Schieflage mit nur wenigen, für die herrschenden Kräfte aber umso schmerzvolleren Eingriffen austarieren.

Im Zentrum einer solchen Reform stünde die Umstellung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozial- und Krankenversicherung von der Lohn- auf die Wertschöpfungsbasis. Flankierend dazu müsste die Höchstbeitragsgrundlage zur Krankenversicherung aufgehoben werden. Die Höchstverdienenden zahlen nämlich im Verhältnis deutlich geringere Beiträge ein als die DurchschnittsverdienerInnen. Die Zweckwidmung von Abgaben auf gesundheitsrelevante Güter wie Tabak oder Alkohol würde zusätzliche Mittel für Vorsorge und andere Ausgaben im Gesundheitssystem bringen. Und schließlich würde eine Eindämmung der Medikamentenpreise deutliche Kostenminderungen für PatientInnen und Kassen erzeugen. Dazu wäre allerdings eine Amputation der hohen Profite der Pharmaindustrie erforderlich, die sie jährlich lukriert. Denn auch die werden von den PatientInnen finanziert.

Manfred Bauer

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