KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

ÖGB-Urabstimmung (1)

Versicherungspflicht light


Mit einer “Versicherungspflicht light" möchte die Regierung das solidarische Modell der Pflichtversicherung aushebeln. Eine Volksstimme-Serie zu den sechs Fragen der ÖGB-Urabstimmung

Wir fordern die Beibehaltung der Pflichtversicherung, damit auch in Zukunft alle – unabhängig von ihrem Einkommen – auf die Gesundheits- und Pensionsvorsorge vertrauen können.” Dies ist der Wortlaut der zweiten Forderung, die der ÖGB bei der Urabstimmung vom 24. September bis 15. Oktober zur Abstimmung bringen wird. Er tritt damit der von der neoliberalen Regierung geplanten Abschaffung der Pflichtversicherung entgegen, die durch eine von der FPÖ und der Wirtschaftskammer forcierte Versicherungspflicht ersetzt werden soll. In der Informationsbroschüre des ÖGB heißt es dazu: “Das ist der Weg zur Zwei-Klassen-Medizin: Nur wer es sich in Zukunft leisten wird können, gesund und jung ist, wird eine Versicherung mit günstigen Prämien abschließen können – Alte, Kranke und Frauen werden hohe Prämien zahlen müssen. Am Prinzip der Solidarität bei der Finanzierung unseres Gesundheitswesens, das für alle gleich zugänglich sein muss, darf nicht gerüttelt werden!”
Dem wäre im Prinzip nichts hinzuzufügen, stünde da nicht die aktuelle Drohung von Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck, FPÖ, im Raum, “Marktelemente” im Rahmen des bestehenden Systems einführen zu wollen.


Den Hintergrund seiner Forderung bildete die Untersuchung einer Expertenkommission, die im Auftrag des Gesundheitsstaatssekretariats das System der Pflichtversicherung analysierte. Ziel der Untersuchung war es, Modelle und Varianten der Umstellung zu entwerfen. Nun kamen die ExpertInnen aber zu einem ganz anderen Ergebnis als von der Regierung erwartet. Sie gaben gegen den Willen des Staatssekretärs öffentlich die Empfehlung ab, das bestehende Modell der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Versichertengruppen beizubehalten. Die Versicherungspflicht solle “nach Bewertung der Vor- und Nachteile nicht verwirklicht werden”, heißt es im Abschlussbericht. Waneck kommentierte dann auch das für die FPÖ ungünstige Ergebnis sehr zurückhaltend. Die Forderung der FPÖ sei stets gewesen, dass das System transparent sein müsse. Konkurrenzdruck durch Privatisierung sei nur eine Möglichkeit, dies zu erreichen. Wenn man das Ziel aber auch durch andere Reformen erreichen könne, stelle sich die Frage nach der Versicherungspflicht möglicherweise gar nicht mehr.
Doch so ganz wollen er und Minister Haupt vom Thema nicht lassen. “Marktelement” heißt nun, was zuvor noch als Privatisierung bezeichnet wurde. So könnten Besserverdienende, die “jenseits der Höchstbemessungsgrundlage liegen”, in Zukunft eine spezielle Versicherung abschließen, bei der jede ärztliche Leistung einzeln abgerechnet wird, egal ob Kassenarzt, Nobelspital oder Sanatorium im Ausland. Ebenfalls denkbar sei eine “Versicherungspflicht light”, gültig nur für selbständig Erwerbstätige, die dann sehr wohl zwischen privaten Anbietern wählen können. Den staatlichen Kassen würden somit in einer ersten Phase mehr als 300.000 der insgesamt 5,7 Millionen Versicherten entgehen.


Die Aushebelung der Pflichtversicherung erfolgt also durch die Hintertür. Eine wesentliche Vorleistung wurde von der neoliberalen Regierung bereits erbracht. Denn mit der 58. ASVG-Novelle, die Anfang Juli das Parlament passierte, wurde die Tür zur völligen Demontage der Sozialversicherung weit aufgestoßen. Durch diese “Reform” wurden zum Beispiel die Vertragsbediensteten zur Beamtenversicherung transferiert. Dadurch entgeht der Sozialversicherung jährlich abermals ein Milliardenbetrag. Und die Zwei- oder Drei-Klassenmedizin steht gerade dadurch unverändert zur Disposition. In der Praxis würde dies – wie schon beim Modell der “Versicherungspflicht light” vorweg genommen – bedeuten, dass sich eine Spaltung der Versicherten in drei Gruppen entwickeln wird: die BestverdienerInnen, die sich eine teure Versicherung mit entsprechender Leistungsdichte leisten können; die “NormalverdienerInnen”, die für eine Risikoabdeckung höhere Beträge aufbringen müssen; und schließlich die “KleinverdienerInnen” und Erwerbsarbeitslosen, die nur mehr Mindestleistungen erhalten und für die die Löcher im sozialen Netz immer größer werden. Die Regierung steuert also auf eine Zwei- oder Drei-Klassen-Medizin zu anstelle des bisher effektiven und solidarischen Versicherungsmodells.
Daher ist eine breite Zustimmung zur Forderung des ÖGB nach Beibehaltung der Pflichtversicherung notwendig, damit der Regierung der massive Widerstand der Versicherten gegen die teils unverblümten, teils heimlichen Zerschlagungsprojekte vor Augen geführt wird. Schließlich geht es auch um ein deutliches Signal für die Beibehaltung der Errungenschaften der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung.

Manfred Bauer


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