KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der Krampf mit dem Kampf



Wer gehofft hatte, der ÖGB würde nach dem Postgewerkschaftsskandal auf konsequente Kampfbereitschaft setzen, wurde eines
Besseren belehrt.


Der ÖGB im Wechselbad der Gefühle: Massenmobilisierung am 5. Juli, Beschluss über Urabstimmung, dann tiefer Fall durch den Dörfler-Skandal. Fazit: Urabstimmung wird durchgeführt und defätistisch mit der Stärkung der Sozialpartnerschaft verknüpft. Einer Sozialpartnerschaft, unter deren Protektorat Klüngelei und Skandale gediehen. Eine Chronologie: 1985: Bautenminister Karl Sekanina greift in die Gewerkschaftskasse, um sich Geld für die Revitalisierung seiner Villa “auszuborgen”. 1990: Multifunktionär Alois Rechberger wird wegen missbräuchlicher Verwendung von Gewerkschafts- und AK-Geldern verurteilt. 1991: ÖGB-Präsident Verzetnitsch bezieht eine noble Penthouse-Wohnung der BAWAG über den Dächern Wiens. 1994: Ganz Österreich erfährt via Taferl vom 181.000 Schilling hohen Traumbezug des steirischen AK-Direktors Kurt Zacharias. 2001: Postgewerkschafter Hans-Georg Dörfler lässt sich vom Vorstand eine massive Gehaltserhöhung genehmigen, während zeitgleich die Schließung von mindestens 700 Postämtern verkündet wird.
Rosarote Markierungen am Rande des ÖGB-Weges der letzten 15 Jahre. Eines Weges, den einige Funktionäre offenbar schon immer für den direkten Zugang zu einer Art Selbstbedienungsladen gehalten haben. Und Österreichs größte Tageszeitung darf sich angesichts des jüngsten Skandals einmal mehr als oberste Sittenhüterin gerieren. Gleichermaßen selbstgerecht wie selbstvergessen. So, als habe ihr Ex-ÖGB-Präsident Franz Olah niemals die gewerkschaftlichen Millionen in den Rachen geworfen, den sie heute so weit aufsperrt. Wenige Wochen vor der Urabstimmung am 24. September fliegen dem ÖGB die Trümmer der eigenen Existenz nur so um die Ohren. Auslöser des gewerkschaftlichen Urknalls war die Sondervereinbarung, die Dörfler und Konsorten mit dem Postvorstand ausverhandelten, und die ihnen ein massives monatliches Plus auf ihrem Gehaltskonto hätte einbringen sollen. Im linken wie im rechten politischen Lager besteht weitgehende Übereinstimmung in der Beurteilung des Deals als neuerlicher Skandal. Und es handelt sich wie schon in der Vergangenheit evident um einen Skandal des gewerkschaftlichen Establishments, genauer gesagt, um dessen sozialdemokratischen Überbau.

Seit Jahrzehnten befindet sich die Gewerkschaft in der Geiselhaft der Sozialdemokratie. Und ebenso wie diese hatte sich auch der Gewerkschaftsbund stets mit dem Kapital und seinen politischen Helfershelfern arrangiert. Der jahrzehntelange Kuschel- und Mauschelkurs des ÖGB mit dem politischen Gegner, der zum sozialpartnerschaftlichen Mythos hochstilisiert wurde, fand und findet seinen unappetitlichen Ausdruck in der zum Teil unverhohlenen, an Korruption grenzenden Klüngelei mit den Vertretern des Kapitals. Und nirgendwo manifestiert sich diese Verkommenheit deutlicher als in der heimlichen Liaison zwischen Gewerkschaftsfunktionären und Unternehmern - so, wie sie von der Postgewerkschaftsspitze gerade vorexerziert wurde. Sie legte ihren Deal nicht einmal dem Zentralausschuss vor, sondern segnete die Vereinbarung im Präsidium ab; also im trauten Kreis der Profiteure.

Wer aber nun wie Peter Westenthaler oder die Kronen Zeitung mit der Absage der Urabstimmung im Sog des Skandals kalkuliert hatte, oder zumindest mit ihrer Verschiebung auf einen unbestimmten Zeitpunkt - eine solche Forderung erhoben sogar namhafte Gewerkschaftsgranden wie Metallerchef Nürnberger oder Tirols AK-Vizechef Berger, der wurde eines Besseren belehrt. ÖGB-Präsident Verzetnitsch ließ in der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag keinen Zweifel daran, dass die Urabstimmung zum vereinbarten Zeitpunkt durchgeführt wird. Immerhin hat die Gewerkschaftsspitze aus dem jüngsten Gehaltsskandal und der öffentlichen Debatte die richtige Schlussfolgerung gezogen: Es geht heute nicht darum, trotz Dörfler und Co. die Urabstimmung durchzuführen, gerade wegen Dörfler und Co. ist sie zu diesem Zeitpunkt unverzichtbar.

Wer aber gleichzeitig gehofft hatte, auf einen nach Überwindung des Dörfler-Skandals zum konsequenten Kampf gegen Schwarzblau inspirierten ÖGB zu treffen, auch der wurde am Dienstag eines Besseren belehrt: Insgesamt werden sechs Forderungen erhoben und als Appendix wird die zentrale Frage nach gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen angefügt. Zur Durchsetzung von vier der Forderungen - Beibehaltung der Pflichtversicherung, kollektivvertragliche Regelung von Arbeitszeiten und Lohnerhöhungen, Abfertigungsanspruch ab dem ersten Tag und eine Bildungsoffensive - bedürfte es eigentlich keiner Urabstimmung. Und die zentrale Frage nach gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen wird durch die Forderung nach einer Stärkung der Sozialpartnerschaft im Ansatz konterkariert. Noch immer weht also der Geist der Sozialpartnerschaft durch die Gänge des ÖGB, immer noch ist er nicht für den endgültigen Exorzismus bereit. Daher wollte sich Verzetnitsch in der Pressekonferenz auch nicht auf konkrete Kampfmaßnahmen und Aktionen festlegen. Ganz im Stile des Sozialpartners alter Schule streute er der Wirtschaft Rosen und ließ sich einzig das Bekenntnis abringen, gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen würden erst dann ergriffen werden, wenn alle Verhandlungen scheitern. Doch sei es allemal besser, selbst krampfhaft zu versuchen, auf dem Verhandlungsweg Ergebnisse zu erzielen. Und angesichts des abermaligen Kotaus des Gewerkschaftsbosses vor der Sozialpartnerschaft war es dann auch schon nicht mehr verblüffend, dass er die notwendigen und tiefgreifende Reformen ausblendete, die aus der massiven Vertrauenskrise herausführen würden. Kein Wort über transparente Gehaltsregelungen und deren Kontrolle oder über die radikale Demokratisierung der Strukturen des ÖGB. Und so wird es an den 1,5 Millionen Mitgliedern liegen, die radikale Rückbesinnung des ÖGB als Schutz- und Kampforganisation mit politischer Zukunft nachhaltig anzustoßen. Denn eine überwältigende Unterstützung für die Durchführung gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen und eine gleichzeitige Ablehnung der Stärkung der österreichischen Sozialpartnerschaft würde als deutliches Signal der Mitglieder für eine Radikalisierung des ÖGB gewertet werden können. Und auch dafür, sich endlich aus der Umklammerung der SPÖ zu befreien.

Manfred Bauer


Aktuelles:


KPÖ Oberösterreich: Jetzt Unterstützungserklärung unterschreiben!
(14.7.2021)

...mehr


Die Europäische Linke fordert einmal mehr das Ende der Blockade gegen Kuba
(13.7.2021)

...mehr


Die neue Juli Volksstimme 2021 ist da!
(13.7.2021)

...mehr


KPÖ Graz: Unsere Kandidatinnen und Kandidaten für Graz
(10.7.2021)

...mehr


38. Parteitag der KPÖ: In der ältesten Partei Österreichs übernehmen Junge das Ruder
(21.6.2021)

...mehr

Volksstimme - Politik & Kultur - Zwischenrufe links