Neoliberale Regierungspolitik wird fortgesetzt
Die KPÖ zur Regierungsbildung
Das Ergebnis der Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl vom 1. Oktober
2006 ist die Neuauflage einer Koalition von SPÖ und ÖVP. Zusammenfassend
bedeutet das Koalitionsabkommen, dass sich die SPÖ um den Preis der Kanzlerschaft
inhaltlich durchgehend der ÖVP unterworfen hat. Sie hat auch bei den zentralen
Fragen gar nicht ernsthaft versucht hat eine Gegenposition durch Mobilisierung
in Gemeinden, Betrieben, Gewerkschaften, Universitäten usw. durchzusetzen.
Und sie hat auch die Option einer Minderheitsregierung nicht als Druckmittel
genützt.
Fix ist …
… der Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag ist nicht
Bestandteil des Koalitionsabkommens. Die Eurofighter kosten in Ihrer Anschaffung
rund zwei Milliarden Euro, die Betriebskosten werden sich auf rund 50 Millionen
Euro im Jahr belaufen.
… die Studiengebühren, die Studieren zum Privileg
von Kindern der Reichen machen, bleiben. Studierende als „SozialarbeiterInnen”
sind lächerlich, da Studierenden die entsprechende Qualifikation fehlt,
wie auch Caritas-Direktor Landau betont. Die Entlohnung von sechs Euro pro Stunde
für solche Arbeiten ist zudem eine Kampfansage an die Gewerkschaften, denn
dadurch würde einzig und allein ein neuer Billiglohnbereich entstehen.
… die Mineralölsteuer, aus ökologischen Gesichtspunkten
diskussionswürdig, wird erhöht, um Budgetlöcher zu stopfen, d.h.
die breite Masse der Bevölkerung wird zur Kasse gebeten. Der Finanzminister
kann sich laut ARBÖ über jährliche Mehreinnahmen von rund 300
Millionen Euro freuen.
… teurer wird auch die Krankenversicherung. Rund 150
Millionen Euro werden Erwerbstätige in Zukunft zusätzlich berappen
müssen.
… der Kündigungsschutz für Lehrlinge wird gelockert.
… die Ladenöffnungszeiten werden auf 72 Stunden
ausgeweitet. Zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich
werden - wenn diese Mehrstunden zur normalen Arbeitszeit innerhalb von sechs
Monaten ausgeglichen werden - ohne Überstundenzuschläge möglich.
… die von Gusenbauer als europaweit vorbildlich zur Armutsbekämpfung
propagierte Mindestsicherung entspricht faktisch nur einer „Sozialhilfe
Neu“. Mit massiven Restriktionen (Arbeitswilligkeit und Verschärfung
von Zumutbarkeitsbestimmungen, Verwertung privaten Vermögens, Einrechnung
von Heizkostenzuschüssen und Wohnbeihilfen, Regresspflicht) bedeutet sie
nichts anderes als Hartz IV auf österreichisch.
… von der Rücknahme der Pensionsverschlechterungen,
die schwarzblau/orange durchgesetzt hat, ist keine Rede mehr. Ebenso steht der
Stopp des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums nicht zur Debatte. Die Steuerbegünstigungen
und Privilegien für das große Kapital bleiben bestehen.
Neoliberale Dogmen werden weiter umgesetzt
Diese Koalition ist die Fortsetzung der neoliberalen und EU-konformen Politik
der letzten zwanzig Jahre, sie ist in der Kontinuität der rotschwarzen
Regierungen von 1986-2000 wie auch der schwarzblau/orangen Regierungen von 2000-2006
zu sehen. Die lange Dauer der Regierungsverhandlungen ist nicht so sehr den
politischen Gegensätzen, sondern vielmehr der inhaltlichen Nähe der
beiden Großparteien bzw. dem Abrücken der SPÖ von ihren Wahlversprechen
geschuldet.
Nulldefizit, Maastricht-Kriterien und Stabilitätspakt gelten für ÖVP
wie SPÖ gleichermaßen als Dogma. Galt früher das Budget als
die in Zahlen gegossene Politik, so wird heute Politik immer stärker auf
das reduziert, was das Budget scheinbar zulässt. Dahinter steht eine Unterordnung
der Politik unter von ihr selbst geschaffene ökonomische Sachzwänge,
die eigentlich gar keine sind. Dafür steht geradezu symbolisch, dass die
Finanzhoheit der EU an die Europäische Zentralbank abgegeben wurde, die
dezidiert frei von politischen Weisungen ist, keineswegs aber von den Einflüsterungen
der Konzerne.
Die Folgewirkung dieser neoliberalen Budgetpolitik sind Tariferhöhungen
mit dem Argument der Kostendeckung, die Kürzung von Sozialleistungen sowie
die Ausgliederung und Privatisierung öffentlichen Eigentums. Damit ist
klar, dass der Spielraum für politische Entscheidungen immer geringer wird,
wie auch das Programm der neuen Regierung beweist.
Die Folgen neoliberaler Politik
Die Prekarisierung und Verarmung großer Teile der Bevölkerung nimmt
zu. Über eine Million Menschen lebt an oder unter der Armutsgrenze –
vielfach trotz Erwerbstätigkeit. Davon betroffen sind vor allem Frauen
und AlleinerzieherInnen. Die Lohnschere zwischen Männer- und Fraueneinkommen
beträgt über 30 Prozent – Tendenz steigend. Frauen stellen auch
den größten Anteil an Teilzeitbeschäftigten und atypischen Beschäftigungsverhältnissen.
Das von der schwarzblauen Regierung eingeführte Kindergeld erweist sich
indirekt immer stärker als eine „Ausstiegsprämie“ aus
dem Vollerwerb für Frauen. Dieser seit Jahren wachsenden Prekarisierung
in allen Lebensbereichen wird mit dem Programm der künftigen Regierung
nicht wirksam gegengesteuert.
Das Programm der künftigen Regierung lässt trotz allem Schönreden
durch die SPÖ keine Abkehr von der Regierungspolitik der letzten Jahre
erwarten. Unter dem Stichwort von „Reformen“ sind weitere Verschlechterungen
zu erwarten, der Begriff Reform verkommt noch stärker zur sozialpolitischen
Drohung. Die SPÖ hat ihre zentralen Wahlversprechen, nämlich den Ausstieg
aus dem Eurofighter-Vertrag und die Abschaffung Studiengebühren auf dem
Altar einer großen Koalition geopfert.
Auch die künftige Regierung will zudem die Finanzierung wichtiger Maßnahmen,
wie etwa der Mindestsicherung, auf untergeordnete Gebietskörperschaften
abwälzen. Der Finanzdruck auf Länder und Gemeinden wird damit weiter
verstärkt. Eine gerechtere Verteilung der Mittel aus dem Finanzausgleich
für die zunehmend vom finanziellen Kollaps betroffenen Gemeinden ist hingegen
nicht in Sicht.
Umverteilung weiterhin tabu
Neoliberale Politik bewirkt die systematische Umverteilung des gesellschaftlichen
Reichtums von den Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Prekarisierten hin zum
großen Kapital und den großen Vermögen. Von 1978 bis 2004 ist
die bereinigte Lohnquote – also der Anteil der Löhne und Gehälter
am gesamten Volkseinkommen - von 72 auf 58 Prozent gesunken. Diese Umverteilung
findet auch in Österreich seit Jahren im Gleichklang mit der neoliberalen
Politik der EU und der globalen Entwicklung statt, auch indem soziale Leistungen
systematisch als unfinanzierbar erklärt werden und behauptet wird, „wir“
hätten über unsere Verhältnisse gelebt.
Völlig Tabu ist auch für die künftige Regierung eine Umverteilung
durch höhere Steuern auf Kapital und Vermögen. Der Kurs der Entlastung
des Kapitals (Abschaffung Vermögenssteuer, Einführung Privatstiftungen
unter Lacina, Senkung Körperschaftssteuer, Gruppenbesteuerung unter Grasser…)
wird im Regierungsübereinkommen ausdrücklich bestätigt und fortgesetzt.
Privatisierungen gehen weiter
Auch in der Privatisierungspolitik ist keine Kursumkehr zu erkennen. Bekanntlich
wurde der Großteil der ÖIAG bereits unter rotschwarz bis 2000 privatisiert
und der Ausverkauf von schwarzblau/orange weitergeführt. Gleichzeitig hat
SPÖ in ihrem eigenen Wirkungsbereich Privatisierung und Ausgliederung weitergeführt
oder unterstützt (Verkauf BA-CA, Ausgliederungen Magistrat Wien, Befürwortung
Börsegang Post…).
Ein neuerlicher Vorstoß zur Aufhebung des 2. Verstaatlichtengesetzes,
welches eine öffentliche Mehrheit in der E-Wirtschaft vorschreibt, ist
daher zu erwarten und hat durch die Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungskoalition
auch Chancen auf Realisierung. Nach den Pensionen werden immer stärker
Gesundheitswesen, Pflege und Bildung zu den zentralen Angriffspunkten für
Privatisierungen. Mit der Aufrechterhaltung der Studiengebühren und der
Hochschulreform wird die Umwandlung der Bildung zur Ware bekräftigt und
fortgesetzt.
Einig bei Asylpolitik und Militarisierung
Demonstrative Einigkeit bestimmt von Anfang an die Asyl- und Migrationspolitik
der künftigen Regierung – kein Wunder, stimmte doch die SPÖ
schon als „Oppositionspartei“ der Verschärfung der Asylgesetze
zu. Die fremdenfeindliche Hetze im Wahlkampf durch das Wetteifern zwischen FPÖ
und BZÖ färbt auch auf die Großparteien ab. Mit dem Feindbild
Türkei in Hinblick auf einen EU-Beitritt dieses Landes wird regierungsoffiziell
die Fremdenfeindlichkeit der Rechtsaußenparteien übernommen, die
man sich damit auch wechselweise als mögliche Koalitionspartner warm halten
will. Gleiches gilt auch für den „Konsens“ in der Minderheitenpolitik,
statt den Artikel 7 des Staatsvertrages auf Punkt und Beistrich zu erfüllen.
Fortgesetzt wird mit dem künftigen Regierungsprogramm der mit der Neutralität
unvereinbare Kurs auf die Beteiligung Österreichs an der Militarisierung
der EU. Auch dabei ist eine mittlerweile zwei Jahrzehnte anhaltende Kontinuität
festzustellen, die sowohl von SPÖ als auch ÖVP unabhängig ob
in der Regierung oder in Opposition festzustellen. Dies beweist die Übereinstimmung
bei der Beteiligung an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der
EU, die Beteiligung Österreichs an der NATO-Partnerschaft, der Ermächtigungsartikel
23f in der Bundesverfassung, die Beteiligung an Euroarmee und Battle Groups
und schließlich die gemeinsame Zustimmung zur EU-Verfassung.
ÖGB-SpitzenfunktionärInnen vertrauen auf
Sozialpartnerschaft
Durch die BAWAG-Krise massiv geschwächt konnte der ÖGB im Vergleich
zu früheren Regierungsbildungen kaum mehr Einfluss auf das Koalitionsabkommen
nehmen. Die ÖGB-Führung ignoriert die Erfahrungen der letzten Jahre
und lobt weiterhin den sozialpartnerschaftlichen Interessensausgleich, etwa
mit Vereinbarungen über die Verschlechterung des Kündigungsschutzes
für Lehrlinge oder Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für
Arbeitslose oder weiteren Flexibilisierungsmaßnahmen. Dabei ist unübersehbar,
dass Sozialpartnerschaft Unterordnung unter die Standportpolitik des Kapitals
bedeutet und gegen die Interessen der Lohnabhängigen, Erwerbslosen und
Prekarisierten gerichtet ist.
Wie die Erfahrung der rotschwarzen Koalition von 1986 bis 2000 zeigt, ist zu
befürchten, dass durch eine von SPÖ und ÖVP gemeinsam exekutierte
neoliberale und unsoziale Politik der rechtsextreme Populismus wie er durch
FPÖ und BZÖ vertreten wird wieder Aufwind erhält. Umso bedeutsamer
wird daher die Entwicklung von linken Alternativen zur neoliberalen Politik.
Dafür gilt es in Betrieben, Gewerkschaften und Universitäten, in Gemeinden
und sozialen Zusammenhängen zu werben und in Gremien ebenso wie auf der
Straße zu mobilisieren. Und da die österreichische Politik immer
stärker von EU-Rahmenbedingungen abhängig ist, ist Widerstand im eigenen
Land und gleichzeitig international notwendig.
„Es ist genug für alle da“
Nur ein Prozent der Österreicher besitzt über ein Drittel des privaten
Vermögens, auf der Kehrseite verfügen 90 Prozent der Bevölkerung
ebenfalls über rund ein Drittel des Vermögens. Und die hundert reichsten
ÖsterreicherInnen besitzen laut Wirtschaftsmagazin „trend”
ein Vermögen von 61 Milliarden Euro.
Die KPÖ konnte im Wahlkampf mit dem Schwerpunkt „Es ist genug für
alle da“ punkten und zeigt damit auch eine Alternative zum Regierungsprogramm.
Zentrale Forderungen unseres Programms sind daher:
> Wiedereinführung der
Vermögenssteuer
> Anhebung des Spitzensteuersatzes
> Einführung einer Wertschöpfungsabgabe
> Mindestlohn 1.300 Euro bzw.
acht Euro pro Stunde
> Anhebung der Mindesthöhe
von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe und Ausgleichszulagenrichtsatz
auf die offizielle Armutsgrenze von 848 Euro
> Arbeitszeitverkürzung
auf 30 Wochenstunden mit vollem Lohnausgleich
Als flankierende Maßnahmen erachten wir weiters
> Abschaffung aller Selbstbehalte
im Gesundheitswesen
> Stopp der Zerstörung
der öffentlichen Dienste und ein Ende der Ausgliederungen und Privatisierungen
> Rücknahme der Verschlechterungen
im Pensionsrecht
> Schaffung eines öffentlichen
Beschäftigungssektors
> Gleiche politische und soziale
Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen
> Ein demokratisches Wahlrecht,
bei dem jede Stimme gleichviel wert ist
> Erhalt der österreichischen
Neutralität, Ablehnung jeder Form der Beteiligung an der Militarisierung
der EU, Auflösung des Bundesheeres
KPÖ-Bundesausschuss 11. Jänner 2007