KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Unser Platz ist bei denen, die Widerstand leisten

Aus dem Einleitungsreferat von Walter Baier am 31. Parteitag

 

Wichtig ist, daß wir, seit diese neue Regierung installiert ist - oder genau genommen seit klar ist, daß ÖVP und FPÖ darauf zielen, eine schwarz-blaue Regierung einzurichten - eine außerparlamentarische Bewegung in einer Breite, einer Dichte und einer Andauer haben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Manche sagen, daß die Donnerstagsdemonstrationen und der Protest gegen die Regierung irrelevant sind, weil sie marginal seien; daß wir uns fernhalten sollten, weil es nur Teile der Bevölkerung sind, die in diesen Protest einbezogen sind. Ich sehe das anders. (...) Wir müssen vor allem unsere Kapitalismuskritik schärfen. In der Tat erleben wir heute den tiefgreifendsten Umbau des Kapitalismus seit 1945, eine Revolution der Produktivkräfte. Dieser Revolution der Produktivkräfte entspricht die Revolutionierung der Produktionsverhältnisse auf kapitalistischer Grundlage, ganz im Sinn des Kommunistischen Manifestes und ganz im Gegensatz zu den dem Parteitag auch vorliegenden Thesen, die eine Stagnation der kapitalistischen Wirtschaftsentwicklungen unterstellen. Wir erleben eine radikale Veränderung von Sozialstruktur und Lebensweise. Zwei Drittel der unselbständig Beschäftigten arbeiten heute im Dienstleistungssektor. Die heutige Arbeiterklasse ist mehrheitlich weiblich, sie ist multinational, ist multiethnisch. Die Prekarisierung wird zum typischen Arbeitsverhältnis, die ungebrochene Erwerbsbiographie, d.h. die Vollzeitarbeit bei voller Sozialversicherung, wird zur atypischen Beschäftigung. Meine These ist: Diese sozialstrukturellen politischen und kulturellen Auswirkungen stellen die gesamte Arbeiterbewegung und Linke vor neuen Herausforderungen. Doch das zu erkennen und auszusprechen reicht nicht aus. Die Arbeiterbewegung wird sich erneuern oder sie wird untergehen. Das gilt für die Gewerkschaft, das gilt für die politischen Parteien und das gilt auch für unsere Partei.

Neoliberalismus bedeutet im Grunde genommen, die rabiate Durchsetzung marktwirtschaftlicher Prinzipien in allen Lebensbereichen. Und damit bedeutet Neoliberalismus auch eine neue Art zu denken und eine neue Art zu fühlen: Neoliberalismus ist auch ein kulturelles Phänomen. Sozialpolitisch meine ich, daß wir vor allem gewohnte Gegenüberstellungen überwinden müssen. Es geht um die Durchsetzung des Rechts auf soziale Grundsicherung, was auch die Entkoppelung von sozialer Sicherheit und Erwerbsarbeit beinhaltet, und es geht gleichzeitig um die Durchsetzung des Rechts auf Erwerbsarbeit, des Rechts auf eine humane, eine gut bezahlte Arbeit. Es geht um öffentliche Beschäftigungsprogramme, es geht darum, alle Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungspflichtig zu machen. Das bedeutet, es kann die Frage auch nicht lauten: Kehren wir zur Sozialpolitik der 70er oder 80er-Jahre zurück. Es gilt, gemeinsam mit denen, die heute im Widerspruch zu neoliberalen Herrschaft stehen, soziale Alternativen zu entwickeln. Es gilt Alternativen zu entwickeln, die auch über das hinausgehen, was die sozialdemokratische Sozial- und Wirtschaftspolitik der Kreisky-Ära geschaffen hat.

Wenn wir die Verteilungsfrage als Kampffrage stellen, so reden wir in erster Linie davon, daß es zu einer Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten kommen muß, zur Anhebung der Kapital- und Vermögensbesteuerung auf EU-Niveau, zur Abschaffung der Steuerprivilegien des Finanzkapitals, wozu auch die Privilegien des in Stiftungen geparkten Vermögens gehören. Und drittens geht es um die nachhaltige Sicherung der Sozialsysteme durch eine Wertschöpfungsabgabe.

Es ist erforderlich den Kampf gegen den Neoliberalismus mit dem Kampf gegen den Rechtsextremismus zu verbinden. Das ist übrigens eine internationale Aufgabe. Dahingehend hat die KPÖ in der internationalen Linken gewirkt. Kriterium linker Politik muß sein: keine Handbreit dem Rassismus! Gegen rassistische Gesetze! Gegen die reaktionäre Immigrationspolitik in der Europäischen Union! Gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle Menschen, die hier leben! Gleicher Zugang für Immigranten zu den Arbeits- und Wohnungsmärkten! Durchsetzung des gleichen kommunalen Wahlrechts für alle hier lebenden Menschen! Das sind, Genossinnen und Genossen, nicht nur Fragen der Humanität und Demokratie, die im neoliberalen Kapitalismus drängender denn je werden, das sind vor allem auch Fragen eines modernen Arbeiterklassenbewußtseins.Als Internationalisten und Internationalstinnen müßten wir uns aber auch die Frage stellen, ob wir nicht insgesamt radikaler argumentieren sollten. Wäre es nicht an der Zeit, die Bindung von demokratischen und sozialen Rechten an die Staatsbürgerschaft zu überwinden und sie als Einwohnerrechte zu interpretieren? Das heißt, jedem Menschen, der hier lebt, arbeitet, Steuer zahlt, die gleichen Rechte zu geben, ganz unabhängig davon, ob er ein sogenannter Ausländer oder ein Inländer ist.

Ist denkbar, daß aus den Bewegungen gegen Sozialabbau, aus den Frauenbewegungen, gewerkschaftlichen Bewegungen ein alternatives kritisches Subjekt vielfältiger Art und unterschiedlicher politischer Kräfte entsteht, das den Neoliberalismus und den Kapitalismus tatsächlich herausfordern kann? Die Frage lautet: Wollen wir die KPÖ als Teil eines solchen Bündnisses entwickeln? Soll die KPÖ einen Beitrag zum Entstehen anderer antineoliberaler Bündnisse leisten?

Ich bin der Meinung, daß wir heute auf dem Parteitag nicht nur sagen können, wir wollen zum Entstehen eines breiten Widerstandes gegen den Neoliberalismus und breite Bündnisse gegen den Neoliberalismus beitragen, sondern daß wir auch weitere praktische Schritte in diese Richtung setzen werden. Wenn wir also auf dem heutigen Parteitag über die Zukunft unserer Partei reden, so reden wir nicht darüber, unsere Partei "aufzulösen", und wir reden auch nicht darüber, unsere Partei umzubenennen. Wir reden darüber, welchen Platz wird die Kommunistische Partei in den kommenden Jahren im politischen Leben Österreichs einnehmen. Dieser Platz muß sein:  Erstens und vor allem bei denen, die Widerstand gegen den neoliberalen Kapitalismus, gegen Sozialabbau, gegen Frauenverachtung, gegen Rassismus und Entdemokratisierung leisten. Die Kommunistische Partei muß zweitens eine Partei werden, die sich mit dem Kampf um Menschenrechte, um Gleichheit, um Demokratie verbindet! Hier müssen wir unzweideutig Stellung nehmen. Und die kommunistische Partei kann sich entwickeln als eine Partei, die teilnimmt an viel breiteren Bündnissen als sie sich heute darstellen. Wenn wir über linke Bündnispolitik reden, reden wir darüber, was unsere Partei zu Bündnissen beiträgt. Wir reden nicht über eine Schwächung unserer Partei, wir reden über eine Stärkung unserer Partei.


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