KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Referat von Manfred Eber am 31. Parteitag der KPÖ

Zu einigen Fragen der programmatischen Diskussion

1. Einleitung

Zunächst danke ich Euch für die Möglichkeit, die Ihr mir eingeräumt habt, Stellung zur programmatisch-politischen Diskussion zu nehmen. Ich kann Euch versprechen, diese Möglichkeit in zeitlicher Hinsicht nicht über Gebühr zu strapazieren.

Als Unterzeichner und Mitverfasser der “Thesen zur programmatisch-politischen Diskussion in der KPÖ” möchte ich nur zu einigen - wesentlichen - Fragen Stellung nehmen, andere müssen unberücksichtigt bleiben.

Ich möchte dies nicht zuletzt deshalb tun, weil wir uns in den vergangenen Wochen und Monaten oftmals mit Unterstellungen und Untergriffen, mit Verleumdungen und Unwahrheiten konfrontiert sahen. “Dogmatismus”, “Sektierertum” und “Frauenfeindlichkeit” zählten zu den Verunglimpfungen, mit denen wir es zu tun hatten.

Wir haben aber diese “Thesen” nicht geschrieben, um uns selbst ins Eck zu stellen, sondern um einerseits die notwendige Debatte um einige grundsätzliche inhaltliche, programmatische Fragen zu führen, andererseits, um dem ersten Entwurf für ein Parteitagsdokument marxistische Positionen gegenüberzustellen. Wir haben eingeschätzt, daß der erste Entwurf spaltend und ausgrenzend wirken würde. Daß nunmehr auch das vorgelegte “offizielle” Dokument, die “Erklärung” breiter in der Partei diskutiert wurde und sich nunmehr in einigen Fragen positiv gewandelt hat, das ist bereits ein erster Erfolg unserer Tätigkeit.

Dennoch bleibt einiges offen, weisen manche Aussagen, manche Passagen in eine Richtung, die wir nicht für anstrebenswert oder für falsch erachten. Einige dieser Punkte möchte ich kurz skizzieren.

2. Arbeiterklasse

Zunächst zur Frage der Arbeiterklasse.

Hier wurde uns ja auch vorgeworfen, zumindest am Beginn der Diskussion, daß wir nicht fähig und nicht bereit wären, objektive Veränderungen in der Arbeiterklasse, in der Klassenstruktur und den Lebensweisen insgesamt anzuerkennen. Daß dem nicht so ist, beweist die Tatsache, daß die Beschreibungen der Klassenstruktur z. T. wortwörtlich in die “Erklärung” Eingang gefunden haben.

Ich meine, daß unser Versuch, die Zusammensetzung, die Veränderungen und Verschiebungen in der Arbeiterklasse zu beschreiben, noch lange nicht ausreichend ist. Dies gilt selbstverständlich für beide Papiere.

Aber es ist natürlich zuwenig, sich mit Beschreibungen, Analysen an der Oberfläche zufrieden zu geben. Für uns KommunistInnen stellt sich die Frage, ist die Arbeiterklasse nach wie vor zentrales Subjekt einer zukünftigen sozialistischen Umgestaltung. Und wenn wir dies bejahen, bleibt noch die Frage, auf welche Gruppen und Schichten in der Arbeiterklasse orientieren.

Erst vor zwei Tagen wurde im Nationalrat das Budget der Republik Österreich beschlossen. Es ist ein - im übrigen EU-konformes - Budget der sozialen Grausamkeiten, des Sozialabbaus, der verstärkten Umverteilung von unten nach oben.

Ich meine, es war ein wichtiges Signal, daß die Budgetdebatte im Nationalrat nicht ohne außerparlamentarischen Protest erfolgte. “Checkpoint Austria” gelang es, unter großer medialer Berichterstattung, Blockadeaktionen am Krampustag durchzuführen. Diese Aktionen waren sinnvoll und wichtig für die weitere Entwicklung von Widerstand. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß diese Aktionen im wesentlichen auf Wien beschränkt blieben. Falsche Verallgemeinerungen, das Überstülpen dieser - positiven - Erfahrungen auf ganz Österreich, würden aber nicht zu einer - erhofften - Ausweitung des Widerstands, sondern zu einer Einschränkung unserer Möglichkeiten führen.

Aber nicht nur Checkpoint Austria protestierte. Der ÖGB mit einer Menschenkette um das Parlament und der Streik der AHS-LehrerInnen waren ebenso sichtbare Zeichen des Protests, der von zahlreichen Linksblock-KollegInnen und von GenossInnen unserer Partei unterstützt wurde. Es wäre m. E. ein fatales Signal, die Kraft und die Möglichkeiten des ÖGB geringzuschätzen - bei aller Kritik, die wir am ÖGB wegen seiner mangelnden Kampfbereitschaft, seiner sozialpartnerschaftlichen Einbindung etc. üben; es wäre fatal nicht nur für die KPÖ, sondern für Widerstand gegen das Kapital insgesamt, würden wir uns hier nicht offensiv einbringen. Gemeinsamkeiten auch in den objektiven sozialen Interessen herauszuarbeiten, das ist unsere Aufgabe dabei. Forderungen, die die Arbeiterklasse vereinheitlichen, und nicht in Gruppen und Schichten aufspalten und trennen, herauszuarbeiten, zu entwickeln, in den Mittelpunkt zu stellen, das ist unsere Aufgabe.

3. Frauenpolitik

“Kommunistische Frauenpolitik”, so wie sie in den Thesen verstanden und formuliert wird, bleibt hinter dem Frauenprogramm von 1997, hinter der gegenwärtigen Debatte unter Feministinnen, 10 - 30 Jahre hinter feministischem Erkenntnisstand zurück, ja, schlußendlichwürde unser Verständnis von kommunistischer Frauenpolitik aus der Mitte des vorvergangenen, also des 19., Jahrhunderts stammen; diese Passage in den “Thesen” sei in rein provokativer Absicht geschrieben worden. Mit diesen massiven Vorwürfen mußten wir uns auseinandersetzen.

In einer erweiterten Bundesvorstandssitzung, in der alle programmatisch-politischen Fragen offen, sachlich und konstruktiv diskutiert wurden, hat Genossin Petra Stöckl, die Autorin dieses Abschnitts, darauf hingewiesen, daß die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen eine unabdingbare Voraussetzung für Gleichberechtigung ist. Dies kann ernsthaft wohl von niemandem bestritten werden. Dennoch veranlaßte dieser Satz in den Thesen einen Aufschrei der Empörung.

Für vielleicht noch größere Empörung unter manchen Frauen sorgte der folgende Satz: “Völlige Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird es erst dann geben, wenn Frauen sich die Welt in all ihren Facetten angeeignet haben.” Genossin Ambrosch meint (in ihrem Referat auf der Frauenversammlung in St. Radegund) hier ein besonders krasses Beispiel für patriachale Welt in unseren Reihen auszumachen. Doch was meint denn dieser Satz?

Erstens wird damit der Gedanke ausgedrückt, daß wirkliche Emanzipation über rein formale und auch ökonomische Gleichstellung hinausgehen muß, zeitens, daß den Frauen wohl kaum etwas geschenkt wird, sonder sie sich die Welt selbst aneignen, selbst von ihr Besitz ergreifen müssen, und drittens wird dann in der Folge ausgedrückt, daß sowohl die Frauen als auch die Männer in einer anzustrebenden sozialistischen Gesellschaft nicht mehr die Frauen und Männer von heute sein werden.

Was sich wie Binsenweisheiten anhören mag, sind vielleicht welche. Daß sie niedergeschrieben werden mußten, ist nicht eine Schwäche der “Thesen”, sondern zeigt die Schwäche des Bundesvorstandspapiers auf.

4. Neuaufbau unserer Partei

Wir stehen objektiv vor der Aufgabe eines Neuaufbaus unserer Partei. Wie dieser vonstatten gehen könnte, in welche Richtung er erfolgen soll, darüber zu reden, zu diskutieren, ja zu streiten ist heute der Platz.

Einen wichtigen Stellenwert bei diesem Neuaufbau wird unsere Kommunalpolitik einnehmen. Wir können in der vergangenen Periode auf einige sehr schöne Wahlerfolge zurückblicken, auf einige wirklich außergewöhnliche Ergebnisse, wie die Verdoppelung in Graz, verbunden mit dem Einzug von Ernst Kaltenegger in den Stadtrat, oder auch die Ergebnisse in Leoben und Trofaiach. Demgegenüber stehen einige bittere Ergebnisse, beispielsweise bei den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, z. T. in der Steiermark und auch in Innsbruck.

In vielen Papieren und Resolutionen haben wir auf unsere Erfolge hingewiesen, haben wir auch den Stellenwert der Kommunalpolitik hervorgestrichen. Allein - die Realität sieht anders aus. Wie sonst ist es zu erklären, daß Genosse Klaudius May, der nicht am Parteitag teilnehmen kann, zur Schlußfolgerung kommt: “Es - die von ihm als positiv hervorgehobene Installierung von Gen. Furtlehner  als Kommunalverantwortlichen der Partei - wird aber nichts am Grundproblem ändern, daß in der engeren Parteiführung ein weitverbreitetes Desinteresse an der Beschäftigung mit Kommunalpolitik herrscht. Anders ist auch nicht zu erklären, daß diese im ganzen Papier der Parteiführung praktisch nicht vorkommt. Statt dessen werden die steirischen GenossInnen mit dem (unzutreffenden) Argument diffamiert, daß sie Beteiligung an “allgemeinen” Wahlen, ja teilweise kommunistische Bundespolitik überhaupt ablehnen.“ Soweit das Zitat von Klaudius May.

Von zentraler Bedeutung für den Aufbau unserer Partei erscheint mir auch die Verankerung unserer Partei in Betrieben, Dienststellen und Gewerkschaften.  Nur wenn es gelingt, unsere Augen und Ohren permanent an der Basis, an den arbeitenden Menschen (in umfassendstem Sinne) zu haben, wenn es uns gleichzeitig gelingt, diese Menschen durch unsere praktische Tätigkeit für uns zu gewinnen, auch für unsere allgemein-politischen, für unsere langfristigen Ziele, nur dann, so meine ich, werden wir unserem Namen, unseren Inhalten, gerecht. „Die Arbeiterklasse mit dem Bewußtsein ihrer Lage zu erfüllen, sie physich und psychisch kampffähig zu machen“, das ist bereits die im Hainfelder Programm von 1889 formulierte Aufgabe einer revolutionären Partei.

Wir stehen heute tatsächlich vor der objektiven Aufgabe des Neuaufbaus unserer Kommunistischen Partei Österreichs. Und ich meine, es ist weder eine Provokation von steirischen GenossInnen noch eine Negierung allgemeinpolitischer, bundesweiter Aufgaben, wenn ich zur Feststellung gelange: Der Neuaufbau unserer Partei kann nicht von oben verordnet werden, sondern muß von unten gelingen, von der Basis, von den Gemeinden, von Betrieben und Dienststellen, von unseren funktionierenden Orts- und Bezirksorganisationen unserer Partei, die das Ohr an der Basis, an der Bevölkerung haben, ausgehen.  Dies - und ich möchte das betonen - dies schließt niemanden aus, sondern schließt alle ein.

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