Herbert Kandel (Wien)

Euro-Chauvinismus?!

Auffallend ist in der Diskussionsgrundlage des Bundesvorstandes der KPÖ ein eklatanter Mangel an historischem Bezug. Da ist die Rede davon, “daß die westlichen KPen und auch die KPÖ nicht in erster Linie durch den Stalinismus geprägt wurden, sondern durch die Teilnahme der KommunistInnen am Widerstandskampf, an der Frauen- und Friedensbewegung und auf vielfache Weise durch ihre Beiträge, die sie für demokratische und soziale Fortschritte der Menschen geleistet haben”. So wird uns eine ganz neue Lehre zuteil, wonach das “Westliche” uns besser gemacht haben soll, als die da unten und drüben im Osten.

Während wir im Westen uns im Widerstand verbluteten, hätten die anderen offenbar nur Stalin-Ikonen verehrt und in der Folge uns allein den Kampf um Gleichberechtigung der Geschlechter, um Frieden und Menschenrechte überlassen. Und das alles hätte uns eben in erster Linie geprägt. Und so schauen wir jetzt aus!

Und gar die echt “Westlichen” wie die italienischen “Eurokommunisten” der 70er Jahre, die sich für den Verbleib Italiens in der NATO stark gemacht hatten und längst nicht mehr Kommunisten sind, oder verspätete Eurokommunisten in Frankreich, die sich mit Befürwortern der NATO-Aggression gegen Jugoslawien zusammengetan haben.

Aber was soll’s jetzt mit der NATO noch auf sich haben, da doch eine (westliche) Euro-Armee ins Haus steht, deren Aktionsradius rund 4000km um Brüssel, das wäre Nordafrika, Naher Osten bis zum Kaukasus, reichen soll. Da bedarf es doch der Ideologie des “Eurochauvinismus” westlicher Prägung, wenn nicht gar auch der Zustimmung von “Eurokommunisten”.

Historisch gesichert ist jedoch: Als es darum ging, in den von der Nazi-Wehrmacht okkupierten Ländern in Europa, ob Ost oder West, aktiven Widerstand zu leisten, waren die Sowjetunion Vorbild von Kampfentschlossenheit und die Person Stalin Symbol für Siegeshoffnung, nicht nur für KommunistInnen, ausgenommen jene Trotzkisten, die diesen Widerstand ablehnten.

Dasselbe gilt für die anderen westlichen Länder, die sich im Kriegszustand mit Hitlerdeutschland befanden. Es ist daher, gelinde gesagt, müßig, die Geschichte in Richtung der Prägung von Kommunistischen Parteien mit Gegenüberstellung von Widerstand oder sonst was zu “Stalinismus” umzuschreiben und, was die geographische Lage, ob West oder Ost, betrifft, muß vor der heutigen Arroganz des Euro-Chauvinismus gewarnt werden, der sich innerhalb der Linken breitmacht.