KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Manfred Mugrauer (Wien)

Sozialismus statt Teletubbyland

Die letzten Diskussionsbeiträge zum Entwurf “Feministisch. Demokratisch. Kommunistisch” haben es vermocht, einigen Schwung in die laufende Debatte zu bringen. Damit ist auch bewiesen: Pluralität ist in der KPÖ mehr als nur eine Phrase. Unstrittig ist meiner Einschätzung nach, in aktuellen und künftigen politisch-programmatischen Erwägungen Fragen des Verhältnisses von Sozialismus und Demokratie, von Macht und Hegemonie ins Zentrum der Überlegungen zu stellen. Ebenso unabdingbar ist, vom Kampf um Kräfteverhältnisse, vom Kampf um Hegemonie als strategischen Angelpunkt auszugehen. Wo jedoch von “Verhältnissen” die Rede ist, kann es nur um Wechselwirkungen gehen, die mit einseitigen Verabsolutierungen nicht in den Griff zu bekommen sind. Immerhin wird aus der unbestrittenen Notwendigkeit der “zivilgesellschaftlichen Aktivierung der Menschen” kaum folgen, daß das Monopolkapital seine Macht freiwillig abgeben wird, auch wenn wir sie – geläutert von (wo auch immer vorhanden gewesenen) autoritären “ausschließlich von oben her umgestalten”-Vorstellungen – artig “den Menschen überantworten (wollen)” (S. 14). Auch in Hinkunft wird es wohl absolute Tabuzonen für demokratische Umgestaltungen geben, die den Klassenkampf von oben weiter eskalieren lassen. Wir sollten uns also keine Illusionen hingeben über die Schwierigkeiten eines solchen Weges zum Öffnen einer sozialistischen Perspektive. Auch wenn es trivial anmutet: mit zivilgesellschaftlichen Regelungen von antagonistischen Klassengegensätzen ist der Macht der Monopole sicher nicht beizukommen, ohne die revolutionäre Umwälzung der bestehenden Macht- und Eigentumsverhältnisse wird die Erreichung des sozialistischen Ziels nicht möglich sein.

Offenbar scheint vom Sozialismus nur mehr am Rande die Rede zu sein: brennende Fragen, denen sich KommunistInnen heute zu stellen haben, Fragen, die die Bedeutung eines Mehrparteiensystems im Sozialismus, einer Oppositionsrolle, der Gewaltentrennung, der Verankerung individueller Rechte, des Streikrechts usw. zur Diskussion stellen, Fragen nach dem Verhältnis von Plan und Markt, kommen erst gar nicht aufs Tapet. Vielfach einfacher dürfte es sein, komplizierte – sich freilich nur historisch konkret stellende – Probleme der ökonomischen Gestaltung und der politischen Mechanismen der sozialistischen Gesellschaft hinter allgemein gehaltene Formulierungen (Kap. 4) und modische Begriffsbildungen zurücktreten zu lassen. Sicher kann es nicht darum gehen, ein Kolossalgemälde einer künftigen sozialistischen Gesellschaft zu malen. Ebensowenig erscheint es mir jedoch angebracht, Sozialismus als reale Perspektive in einem diffusen “neuen”, “demokratischen und feministischen Kommunismus” entschwinden zu lassen, dessen allgemeine Charakteristik wohl auch auf das Teletubbyland zutreffen würde. Demgemäß sind m.E. beim künftigen Nachdenken über Sozialismus zwei Bezugspunkte von Bedeutung: zum einen die Analyse der Spezifik des gegenwärtigen Kapitalismus und seiner Entwicklungstendenzen, die sich noch stärker neuen Produktivkraftentwicklungen, der monopolistische Eigentumsstruktur und dem Verhältnis von Staat und Monopolen zuwenden sollte, zum anderen die kritische Aufarbeitung der Ursachen für das Scheitern des ersten großen Anlaufs zum Sozialismus.

Ob der vorliegende Entwurf für letztere Herausforderung einen tragfähigen Ansatz liefert, erscheint mir fraglich. Mit der unwissenschaftlichen Formel vom “totalen Bruch mit Stalinismus und Poststalinismus” (dem ein früherer Entwurf den gleichen Rang wie dem Bruch mit der II. Internationale zubilligte) macht sich immer mehr ein undialektisches Gegenüberstellen von Fehlentwicklungen, Deformationen und Erfolgen beim sozialistischen Aufbau breit. Dies ist zwar legitim, ja in der heutigen Linken durchaus die Regel, dennoch dürfte die Frage einige Berechtigung besitzen, ob hier nicht ein Abweichen von den in den “Grundzügen” formulierten Positionen, vom “Grundkonsens” von 1994 eingeleitet wird, war doch dort noch von einer “gleichermaßen kritischen wie differenzierten Sichtweise, die positive und negative Momente berücksichtigt” (S. 8) die Rede.

Sind die negativen Aspekte unserer Geschichte erst einmal einseitig in den Rang strategischer Bezugspunkte erhoben, erscheinen sie auch rasch in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Option eines “linken Allianzprojektes” (Kap. 3). Wäre es nicht zielführender, ist zu fragen, der Erneuerung unserer Partei eine eigenständige Qualität zuzuerkennen, sie nur in einem vermittelten Kontext zu diesen anzustrebenden Bündnissen zu sehen, um nicht – ob berechtigt oder nicht – in den Geruch zu kommen, sich von einer herbeigesehnten ominösen “pluralistischen Linken als selbständiger politischer Faktor” einschlägige Voraussetzungen – mancherorts überspitzt als “theoretische Vorleistung” bezeichnet – abtrotzen zu lassen? Müssen wir wirklich so tun, als wäre die Bedeutung demokratischer Forderungen (waren die KommunistInnen in Österreich nicht stets die entschiedensten VorkämpferInnen demokratischer Rechte?) für uns eine völlig neue Herausforderung, müssen wir vor dem Hintergrund unseres bisherigen Wirkens in Aktionseinheiten und Bündnissen die Notwendigkeit des verstärkten Zusammenwirkens linker Kräfte als völlig neu verkaufen? Sicher kann es nicht darum gehen, den Eindruck zu erwecken, die KPÖ habe schon immer alles gewußt und brauche nichts dazulernen. Im Gegenteil. Neben den bisher erwähnten Aspekten markieren nicht zuletzt die angerissenen Veränderungen in Struktur, Lebensweise und Bewußtsein der ArbeiterInnenklasse Herausforderungen, die es erst mal theoretisch zu bewältigen gilt. Gefragt ist programmatische Strenge, um letztlich zu einem auf Veränderung gerichteten politikfähigen Handeln zu kommen.


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