KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Erwin Weissel

Einige Überlegungen

Ich habe das politisch-programmatische Dokument des Bundesvorstandes der KPÖ mit Interesse studiert und möchte zur Diskussion beitragen, obwohl ich kein KPÖ-Mitglied bin. Ich habe mich auf einige ökonomische Punkte konzentriert, gegen eine Veröffentlichung habe ich nichts einzuwenden, wenn ich damit Freunden helfen kann.

1) Auf Seite 6 wird behauptet, Globalisierung und Internationalisierung seien objektive Prozesse, deren Zwängen sich die Parteien unterwerfen. Ich halte diese Sicht für falsch, zumindest falsch formuliert. Wir sind naturgesetzlichen Zwängen unterworfen, soziale Zwänge erzeugen wir (“Kein Mensch muß müssen”, sagt Lessings Nathan). Die Parteien haben die Regeln der internationalen Beziehungen geändert, weil sie es wollten, jetzt erklären sich die Täter zu Opfern und die KP unterstützt das.

2) Auf Seite 9 verteidigt die KP den Sozialstaat mit seinem Solidarprinzip und seine Umverteilungsfunktion. Es ist richtig, zwischen Solidarität und Umverteilung zu unterscheiden, aber das tut auch der Neoliberalismus und weist erstere, als Risikoabdeckung verstanden, dem Privatsektor zu, letztere will er zugunsten des Kapitals ändern. Die perverse Umverteilung wird dann auf Seite 10 zur Sprache gebracht, aber zur Privatisierung der Risikoabdeckung wird nichts gesagt.

3) Auf Seite 10 wird die Finanzierung der Sozialversicherung durch eine Wertschöpfungsabgabe verlangt. Das ist schon einmal deshalb problematisch, weil die Umsatzsteuer bereits darauf aufbaut und die Finanzwissenschaft eine derartige zweifache Heranziehung ablehnt. Davon abgesehen halte ich die Idee für unlogisch. Wenn der Lohn gleich den Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft ist (und das ist doch wohl die Sicht der KP), kann Arbeit keinen Wert in Lohnhöhe schöpfen, sondern bloß ersetzen. Anders ausgedrückt sind, wie schon F. Engels hervorhob (“Zur Wohnungsfrage”), Steuern eine rein interne Angelegenheit der Bourgeoisie, bedeutungslos für das Proletariat. Wenn sich die KP schon einmischt, sollte sie Alternativen zur gutbürgerlichen Wertschöpfungsabgabe in die Diskussion einbringen, etwa ein Anknüpfen des Arbeitgeberbeitrages an den Investitionen oder Abschreibungen.

4) Auf Seite 9 wird mit Recht darauf hingewiesen, daß sich soziales Engagement mit allen Aspekten der Arbeits- und Lebensverhältnisse befassen muß. Bezüglich der Lohnarbeitsverhältnisse wird eine Umwandlung ungeschützter in reguläre gefordert. Das ist irreführend, denn unter regulär verstehen wir für gewöhnlich einen sicheren Arbeitsplatz (oder einen, wo leicht ein anderer zu finden ist), den man längerfristig innehat, mit guter Entlohnung bei fünf mal acht Stunden pro Woche plus bezahltem Urlaub, und zu diesem Produkt des “keynesianischen Konsens” führt kein Weg zurück. Neue Methoden des Einsatzes von Arbeitskräften laufen auf kurze Beschäftigung samt Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebes, zwischen Betrieben und sogar zwischen Unternehmungen hinaus, mit häufiger und länger werdenden Intervallen der Arbeitslosigkeit. Die gestiegene Produktivität ist nicht Ursache, sondern Folge dieser Änderung und der rasche technische Fortschritt erleichtert sie allenfalls, den prinzipiell wäre diese “Flexibilität” auch bei tayloristischen Verfahren möglich, vermutlich auch gewinnsteigernd gewesen.

5) Auf Seite 9 wird der Ausverkauf der wirtschaftlichen Substanz beklagt. Der Begriff mag für eine Polemik wirksam sein, ist jedoch irreführend, denn es geht in Wirklichkeit um die Privatisierung im Sinne einer Nutzung nach privatkapitalistischen Grundsätzen, wie dies auf Seite 10 mit der Einschränkung von Regulierungsmöglichkeiten anklingt. Auch ist der auf Seite 9 erwähnte öffentliche gemeinwirtschaftliche Sektor gleichzeitig ein Pleonasmus (der öffentliche Sektor ist ex definitione gemeinwirtschaftlich orientiert) und eine definitorische Überfrachtung (der öffentliche ist Teil des gemeinwirtschaftlichen Sektors, der noch die Staatsbetriebe – neben den Verstaatlichten – und die Genossenschaften umfaßt). Die berechtigte Kritik an der Privatisierungsmanie der Neoliberalen muß so formuliert sein, daß nicht der Eindruck entsteht, eine gemeinwirtschaftliche Unternehmung handle im Allgemeininteresse: Genossenschaften können durchaus den Gewinn maximieren, den aber die Mitglieder einstecken, und als die VOEST Stahl unter dem Weltmarktpreis lieferte, wurden die österreichischen Unternehmer subventioniert. Die Gemeinwirtschaft ist weniger wirtschaftspolitisch (produktionspolitisch) als sozialpolitisch (verteilungspolitisch) bedeutungsvoll. Demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten (Seite 10) bestehen auch gegenüber privatkapitalistischen Unternehmungen, indem man ihnen gesetzliche Auflagen erteilt, bloß sind die schwieriger zu konzipieren und durchzusetzen als bei öffentlichem Eigentum, insbesondere infolge unsere EU-Mitgliedschaft, die unseren Spielraum für Interventionen stark einengt.


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