KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Eine Frage der Demokratie

Bei den beiden Volksbegehren Sozialstaat und Abfangjäger ist es weniger die “Gesetzeslücke”, die zur Empörung Anlass gibt, als vielmehr die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Machthaber nicht ins Handwerk “pfuschen” lassen wollen. Von Manfred Groß

Neben der Volksabstimmung und der Volksbefragung stellt das Volksbegehren ein Mittel der “direkten Demokratie” dar. Das Staatsvolk, von dem laut österreichischer Verfassung alle Macht ausgehen sollte, “begehrt” in mehr oder minder großer Zahl die Änderung eines bestehenden oder die Schaffung eines neuen Gesetzes. Dieses Begehren äußert sich nicht im Schutz der Anonymität, sondern durch ein offenes Bekenntnis in schriftlicher Form unter Angabe der persönlichen Daten und Nachweis der Identität. Niemand, dem ein Volksbegehren kein echtes Anliegen ist, wird also vor einen Beamten hintreten und ihm unter Ausweisleistung seinen Willen bekunden. Umso ernster ist also dieser Akt zu nehmen und umso höher ist es zu werten, wenn Hunderttausende Menschen in dieser Weise von ihren demokratischen Rechten Gebrauch machen – sollte man/frau meinen.

In dieser verkürzten Legislaturperiode haben insgesamt vier Volksbegehren stattgefunden. Zwei davon – für die Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung und gegen den Ankauf von Abfangjägern – wurden nicht mehr im Nationalrat behandelt. War schon die Festsetzung der Eintragungsfrist im Fall des Abfangjäger-Volksbegehrens ein demokratiepolitischer Skandal erster Ordnung – die Regierung setzte die Frist just in die Haupturlaubszeit! -, so stellt sich nun heraus, dass durch das Ende der Legislaturperiode beide Volksbegehren null und nichtig sind. Im Klartext: Ein neu gewählter Nationalrat wird sie nicht mehr behandeln! Die Unterschriften Hunderttausender verenden wie ihre Anliegen im demokratiefreien Raum. Das Gesetz sieht es so vor.

Nun ist es die eine Sache, schleunigst eine Gesetzesreparatur einzufordern, zu der es einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat bedarf. Eine andere Sache ist es aber, die Frage der Demokratie grundsätzlich zu stellen: Wie weit kann die Bevölkerung überhaupt noch Einfluss auf Entscheidungen, die ihr näheres und ferneres Schicksal betreffen, nehmen? Und wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen formaler und gelebter Demokratie? Von wem geht also in der gesellschaftlichen Wirklichkeit tatsächlich die Macht aus?

Vor der Kulisse eines Wahlkampfes, in dem es keineswegs um politische Grundsätze, sondern vielmehr um ein ekelerregendes taktisches Gerangel um die Regierungsmacht geht, verblassen diese Fragen. Jetzt geht es darum, wer sich nach dem 24. November mit wem ins Koalitionsbett legen darf und welche Karten wer im Spiel um künftige Postenvergabe haben wird. Dabei werden Abertausende Menschen – vor allem jene, die sich an den Volksbegehren beteiligt haben – vor den Kopf gestoßen. Von den demokratischen Errungenschaften, die auch unter kapitalistischen Bedingungen erreicht und erkämpft werden konnten, wird Stück um Stück demontiert und entwertet. Das ist die politische Praxis in einer Gesellschaft, in der die Profitinteressen der Anlagespekulanten und Großkonzerne haushoch über den menschlich-sozialen Bedürfnissen stehen. Im Falle beider Volksbegehren ist es also weniger die “Gesetzeslücke”, die zur Empörung Anlass gibt, als vielmehr die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Machthaber nicht ins Handwerk “pfuschen” lassen wollen. Im einen Fall geht es um Milliarden an Beitragsgeldern, die dem Umlagesystem entzogen und der Anlagespekulation zugeführt werden sollen; im anderen Fall geht es um Rüstungsgeschäft und Gegengeschäfte, bei denen die Profite nicht zu knapp bemessen sind. Das sind die ungeschminkten Tatsachen.

Wir sollten unsere Frage nicht trotz, sondern gerade wegen des Wahlkampfes stellen. Die um die Regierungsmacht rangelnden Parlamentsparteien werden es nicht tun – sieht man einmal von den Vorschlägen für eine Gesetzesreparatur ab. Das wird sich vor allem dann zeigen, wenn man beide Volksbegehren vielleicht doch noch einmal “ab”handelt, weil dies ein repariertes Gesetz erlaubt. An der Realverfassung einer Klassengesellschaft wird das aber nichts ändern, solange die reale Machtverteilung zwischen Kapital und dem Rest der Welt so ist, wie sie ist – womit auch der Inhalt des Kampfes um mehr Demokratie definiert wäre.

Manfred Groß ist Vorsitzender des Gewerkschaftlichen Linksblocks im ÖGB

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