Die Festung Europa tötet Menschen in Not: Wir fordern offene Grenzen und sichere Fluchtrouten. Unsere Alternativen zu dieser unmenschliche Welt heißen Neutralität und Solidarität.
Ein anderes Europa ist möglich!
(2.7.2018)
Seit gestern hat Österreich wieder den Vorsitz im Rat der Europäischen
Union; Kurz und die Seinen von der FPÖ gerieren sich als „Brückenbauer“,
und so ist es wohl auch: Sie bauen den Rechten und Rechtsextremen in der EU
Brücken sowohl in die Mitte als auch aus der Mitte der europäischen
Gesellschaft. Das geht zu Lasten sozialer Standards, zu Lasten von Familien und
Lohnarbeitenden. Und zu Lasten von Menschen, die vor Krieg und Armut flüchten.
Sie tun das wohl in der Hoffnung, für ihre unhumane Asyl- und Migrationspolitik
bei den im Mai 2019 anstehenden Europawahlen belohnt zu werden.
Aus diesem Anlass hat sich der Bundesvorstand der KPÖ auf folgende Orientierung
bezüglich der Europawahl geeinigt:
- Die KPÖ wird wie bei den letzten Wahlgängen aktiv auf eine möglichst
breite Zusammenarbeit progressiver Kräfte hinarbeiten.
- Die Europaparlamentswahl ist die nächste allgemeinpolitische Wahl in
Österreich. Sie wird an den innenpolitischen Machtverhältnissen nichts
ändern, aber wird Gelegenheit bieten, Protest auszudrücken. Daher ist wichtig,
in der Wahlkampagne eine starke innenpolitische Komponente zu haben und
Forderungen bzw. Slogans zu identifizieren, an denen sich der Protest gegen
Schwarzblau kristallisieren kann, die uns aber auch deutlich von SPÖ und
Grünen abheben.
- Ein Kernpunkt unserer Kampagne muss die Opposition zur Militarisierung der
EU und ihrer Außengrenzen sein. Wir fordern, dass sich die Regierung gegen die
Militarisierung und Aufrüstung der EU stellt. Wir wenden uns gegen die
Schließung der Grenzen. Flucht hat viele Gründe: Politisch Verfolgung,
Kriegse, ökologische Katastophen, Hunger oder Armut, sexualisiert Gewalt,
Diskrimierung. Wir fordern offene Grenzen und sichere Fluchtrouten. Unsere
Antworten heißen Neutralität und Solidarität.
- Solidarität ist das Klassenbewusstsein der heutigen Zeit. Die Teilhabe am
Sozialstaat ist das erstritten Recht aller hier lebenden Menschen. Für uns ist
Sozialstaat: Diskrimierungsfrei, bedingungslos, nicht ausschließlich an
Erwerbsarbeit gekoppelt, gesellschaftlichen Reichtum verteilend. Er muss
erweitert, verbessert und nachhaltig finanziert werden. Diese Haltung muss in
der Kandidat*innenauswahl und im Wahlauftritt erkennbar sein.
- Österreich ist schon lange ein multikultureller Staat. Das heißt, die
österreichische Verfassung kennt keine Leitkultur, sondern regelt das
Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Weltanschauungen. Wir
vertreten die Trennung von Kirche und Staat, die Freiheit jedes Menschen, einer
Religionsgemeinschaft anzugehören oder nicht. Dazu gehört auch das von der
österreichischen Verfassung garantierte Menschenrecht, die gewählte Religion
in Gemeinschaft frei auszuüben. Niemandem ist erlaubt, religiös oder sonst wie
motiviert, Menschenrechte einzuschränken oder zu negieren. Frauenrechte sind
Menschenrechte.
- Wir haben auch im Angesicht der Regierungsbeteiligung der FPÖ und des
europaweiten Vormarsches der radikalen, halbfaschistischen und faschistischen
Rechten keine Veranlassung, uns mit der neoliberalen Politik der EU
auszusöhnen. Aber der Rückzug auf den Nationalstaat ist in einer Welt
globalisierter Märkte und weltweiter Krisen eine von der radikalen Rechten
propagierte Idee. So wie wir gegenüber dem Antisemitismus keine ideologischen
Konzessionen machen, werden wir uns auch nationalistischen Vorstellungen,
Antifeminismus, antimuslimischem und jeglichem Rassismus entschlossen
entgegentreten.
- Unsere radikale Kritik an der EU betrifft auf der sachlichen Ebene
insbesondere:
- Die Wirtschafts-, Industrie-, Infrastruktur-, Sozial-, Konsument*innen und
Umweltpolitik, die den Interessen der Großkonzerne und des Finanzkapitals die
absolute Priorität einräumt;
- Die Außenhandel-, Außen- und Militärpolitik, die darauf zielt, die EU zu
einer imperialistischen Großmacht zu machen und in Stand zu setzen, ihre Ziele
weltweit auch mit militärischer Gewalt zu vertreten;
- Die Migrationspolitik, die statt auf Solidarität auf
Abschottung setzt.
- Internationale Kooperation kann nicht gegen, sondern nur mit den
Bevölkerungen stattfinden. Das erfordert Demokratie. Das abnehmende Vertrauen
in die EU ist nicht nur eine Folge der antisozialen Politik, die in ihrem Namen
betrieben wird, sondern auch ihres Mangels an Demokratie. Das ist der politische
Aspekt unserer EU-Kritik. Demokratie verlangt die Respektierung der
demokratischen Rechte auf allen Ebenen – lokal, regional und national. Aber
so transnational wie die Ökonomie und die Ökologie heute geworden sind, muss
auch die Politik sein. Die EU braucht eine reale transnationale Demokratie mit
einem starken, europäischen Parlament, europäischen politischen Parteien,
Bürger*innenrechten – einschließlich des Wahlrechtes – aller hier
lebenden Menschen und wirksamen, direkt-demokratischen Instrumenten.
- Die KPÖ ist Mitglied der Partei der Europäischen Linken. Diese Verankerung
ist der wesentliche Bezugspunkt ihrer Europapolitik. Die schließt nicht aus,
dass sie sich auch an politischen Allianzen innerhalb und außerhalb der EL
beteiligt, die ihren Grundsätzen und ihren strategischen Zielen
entsprechen.
- Die KPÖ wird ab diesem Bundesvorstand zielgerichtete Gespräche mit allen
ansprechbaren Kräfte beginnen. Zeit und Ressourcen sind knapp, sodass eine
progressive Liste mit einem kurzen, konsensualen, aber politisch prinzipiell
richtigen Programm und attraktiven Kandidat*innen sich möglichst rasch der
Öffentlichkeit präsentieren soll. Wir können die Auseinandersetzung mit der
österreichischen EU-Präsidentschaft nützen, um unser europa-politisches
Profil zu stärken. Dem Bundesvorstand ist über die Fortschritte dieser
Bemühungen regelmäßig Bericht zu erstatten.
Bundesvorstand der KPÖ, 16. Juni 2018