KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

… dann wird Demokratie zum Störfaktor.

Von Walter Baier (30.10.2011)

Man müsste dem Kommentar von Eric Frey, einem der Chefs vom Dienst seines Blattes, zum letzten EU-Gipfel (Standard, 29./30. Oktober) gar nichts hinzufügen: Unter dem Titel „Kein Platz für nationale Parlamente“ liest man: „Wenn Staaten zur Rettung der Welt eng zusammenarbeiten, dann gibt es keinen Platz für nationale Parlamente, für das EU-Parlament in seiner gegenwärtigen Form auch nicht.“

Das sei unausweichliche Folge der Globalisierung heißt es weiter: „Parlamentarische Debatten und Entscheidungsa­bläufe dauern zu lange, um mit dem Tempo der Finanzmärkte und der anderen globalen Kräfte mitzuhalten.“ Doch nicht nur die neue Weltzeit der Finanzmärkte spreche gegen die Parlamente, mehr noch die parlamentarische Logik selbst: „Volksvertreter sind von Natur aus ihren Wählern verpflichtet (!) und haben ihren Fokus aus das Lokale und Partikulare gerichtet.“

Sieht man den Tatsachen ins Auge, so beschreibt Frey nur einen realen Trend. Tatsächlich reagieren die Spitzen der EU-Mitgliedsstaaten auf die Wirtschaftskrise mit einem Abbau der Demokratie. Um das zu erkennen, muss man sich nur vergegenwärtigen, dass der Umfang des Euro-Rettungsschirmes, der durch eine, von öffentlicher Kontrolle abgeschirmten, Behörde verwaltet wird, das 8-fache des EU-Budgets beträgt. Die von den Staatschefs unter deutscher Führung eingerichtete Wirtschaftsre­gierung wird somit in erster Linie ein autoritäres Instrument zur Durchsetzung der Anforderungen der Finanzmärkte sein.

Man versteht: Wenn die Welt mittels Zerstörung des Sozialstaats, Senkung des Lebensstandards und allgemeiner Verschlechterung der Arbeitsrechte gerettet werden soll, weil vor allem die „Finanzmärkte“ bei Laune gehalten werden müssen, dann wird Demokratie zum Störfaktor. Die Polemik gegen den Parlamentarismus lässt sich indes auch auf Gewerkschaften, das Streikrecht und die Versammlungs- und Redefreiheit ausweiten. In Deutschland wird dies ausgehend von einem Buch, das jüngst im Verlag der konservativen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienen ist, unter dem Titel „Weniger Demokratie wagen“ verhandelt.

Dass dieser Diskurs in Österreich nicht von einem konservativen sondern ausgerechnet von einem sich als liberal verstehenden Blatt ausgelöst wird, kennzeichnet wiederum den österreichischen Liberalismus ebenso, wie den Zeitungsmarkt.

In einem haben die Damen und Herren Recht: Sozialstaat und Demokratie hängen miteinander eng zusammen. Durch Demokratie- und Sozialabbau wird Europa aber nicht gerettet sondern zerstört. Nationalisten und Populisten haben es längst erkannt. Zu wünschen ist, dass die, denen die Demokratie tatsächlich ein Anliegen ist, es auch verstehen.

Der Standard, Eric Frey:Kein Platz für nationale Parlamente