KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Zum Wahlergebnis 2008: Keine Stimme war verloren.

Von Mirko Messner (1.10.2008)

Es wäre eine schlechter Beruhigungsversuch, angesichts der Erosion des traditionellen Parteienspektrums und des Wahlerfolgs der Rechtsextremen da­rauf hinzuweisen, dass Haider im Jahre 1999 allein annähernd gleich viel Stimmen erhalten hatte wie diesmal FPÖ und BZÖ zusammen. Die Ergebnisse mögen einander zahlenmäßig ähneln, aber der gesellschaftliche Hin­tergrund, vor dem das passiert ist, hat sich verändert: die soziale Prekarität und die Verarmung haben zugenommen, wie auch angesichts des Bankenkrachs in den USA die Angst vor allseitiger arm machender Wir­tschaftskrise: gebrochene Arbeits- und Lebensbiographien, mangelnde soziale Perspektive drücken auf den Alltag von immer mehr Menschen. Die Zahl der Teilzeitarbeitenden – mehrheitlich Frauen – ist auf nahezu eine Million gestiegen, und die Arbeitsbelastung für jene, die auf „normalen“ Ar­beitsplätzen lohnarbeiten, hat sich vergrößert, ihr Lohnanteil in den letzten zehn Jahren dagegen verringert – und dies alles angesichts eines zunehmenden Reichtums der herrschenden Klasse. Der Wahlerfolg der Rechtsextremen heute ist sozial brisanter als jener vor rund zehn Jahren. Die Tatsache, dass über 40% der Unter-Dreißig-Jährigen die Rechtsextremen gewählt haben, deutet darauf hin, dass die Verschiebung des gesamten österreichischen Parteienspektrums (noch weiter) nach rechts nachhaltig wird, rassistische und rechtsextreme Politikmuster he­gemonial zu werden drohen. In der gesellschaftlichen Mitte angelangt sind sie ja bereits.

Ein „langzeitliches“ und länderübergre­ifendes Lesen des jüngsten Wahler­gebnisses ist angebracht. Die Rechtsextremen finden in Österreich be­kannterweise und traditionell sehr günstige Bedingungen vor; wie anderswo auch, bedienen sie die angesichts neoliberaler Fle­xibilisierungs- und Individualisi­erungswut sozial Enttäuschten mit ihrem identitären Angebot („Österreich den Österreichern“), mit moralischen und politischen Krücken, mit denen treffsicher auf jene eingeschlagen werden kann, die nicht „zu uns“ dazugehören sollen. Die österreichische Sozialdemokratie, vorgestern noch soziale und kulturelle „He­imat“, „die Identität“ großer Teile der lohnarbeitenden Klasse, wird von eben dieser als mitverantwortlich für die Demontage der sozialen Sicherheit erlebt und in Scharen verlassen – nach rechts. Warum dem so ist, warum in Österreich das einzige „identitäre“ Angebot links von der Sozialdemo­kratie – die österreichische kommunistische Partei – von den Verunsicherten nicht in größerem Maße angenommen wird, darüber machen wir uns (nicht nur) in der KPÖ Gedanken; dass es allerdings von vielen gar nicht gesehen oder wahrgenommen wird, hängt auch mit der Selbstver­ständlichkeit zusammen, mit der einerseits den Rechtsextremen im wichtigsten Massenmedium des Landes in der Parteienkonfron­tation 40% Prozent der Redezeit zur Verfügung gestellt wird, die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt demnach als effektivste Pro­pagandaplattform der Rechtsextremen fungiert, und anderseits die paar Minuten der KPÖ-Präsenz regelmäßig mit dem Stehsatz eingeleitet werden: „Und jetzt zu einer Partei, die keine Chance auf einen Einzug ins Parlament hat“. Wer den Ausstieg nach links versperrt, soll sich nicht wundern, wenn alles rechts hinausdrängt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: die 40% Redezeit waren nicht „schuld“ am Aufstieg der Rechtsextremen. Aber naiv wäre anzunehmen, diese massive mediale Präsenz hätte keinen Einfluss auf politisches Verhalten (ebenso naiv übrigens, wie zu behaupten, es hätte keine Alternative dazu gegeben; die einfachste wäre die des gleichberechtigten Zugangs aller bundesweit kandidierenden Parteien gewesen). Darum sei die doppelte Redezeit für die gedoppelten Rechtsextremen als Beispiel verstanden für die folgenschwere Selbstverständlichke­it, mit der in unserem Staat rechtsextreme Propaganda in die hegemoniale politische Kultur eingepasst wird.

Damit zum Ergebnis der KPÖ: niemand von uns hat erwartet, dass wir hinter das letzte, für uns sehr gute Ergebnis zurückfallen würden; viele der aktiv Wahlkämpfen­den haben noch nie einen so eklatanten Widerspruch zwis­chen offenem Zuspruch, großteils korrekter Darstellung in vielen Printmedien einerseits sowie unter der Erwartung bleibender Un­terstützung in der Wahlzelle andererseits erlebt. Obwohl, in den letzten Tagen vor der Wahl haben sich die Anzeichen dafür gemehrt, dass viele zurückzucken würden: bedenklich groß wurde die Zahl der Mails und der persönlichen „Entschuldigungen“, mit denen uns zu wissen gegeben wurde, angesichts des drohenden Rechtsrucks müsse nun doch, aber „ein letztes Mal“, „taktisch“ gewählt werden. 

Die weitaus meisten KPÖ-Wählenden sind „Wechselwählende“, die wir von Wahl zu Wahl neu zu gewinnen haben. Das Ergebnis zeigt, dass uns einerseits viele, die sich 2006 entschieden haben, KPÖ zu wählen, heuer nicht gewählt haben, weil sie enttäuscht waren, dass es das letzte Mal nur für ein Prozent gereicht hat (obwohl wir uns nahezu verdoppelt hatten); wir wissen aber auch, dass viele, die 2006 für uns gestimmt haben, es auch heuer getan haben, und dass uns auch viele zum ersten Mal gewählt haben.

Dass es unter all diesen Umständen gelungen ist, trotz Stimmenverlus­tes die Präsenz der KPÖ klar abzusichern, dafür gebührt der Dank allen jenen, die sich vom lähmenden Argument der „verlorenen“ Stimme nicht verleiten haben lassen, zum x-ten Male oder diesmal wieder „taktisch“ zu wählen – zwecks kleinerem Übel, wie man weiß, und ohne Kraft gegen das größere, wie man sieht.

Denn wer meint, diese SPÖ, die nächste Regierungskon­stellation – mit oder ohne grüner Partei – wäre dazu in der Lage, setzt voraus, hier wäre ein Richtungswechsel angelegt; was bedeuten würde: auf die zunehmende Ve­rarmung und soziale Frustration mit einem fundamentalen Wechsel in der Umverteilun­gspolitik zu antworten; den sagenhaften Reichtum von oben nach unten umzuleiten. Dafür gibt es keine Anzeichen. Den spektakulär in­szenierten „Entlastungsmaßnah­men“ ein paar Tage vor der Wahl werden in den nächsten Monaten Belastungen folgen, wenn sich unten kein Widerstand dagegen formiert. Wir schreiben heute den vierten Tag nach der Wahl. Gestern wurden die Mieten um 5,84 Prozent erhöht, 320.000 Haushal­te müssen mehr Geld für ihre Miete auf den Tisch legen (nicht sofort in Wien, wo wahlkampfbedingt bis Jahresende zugewartet wird; überhaupt nicht in vielen Wohnungen der Stadt Graz, die aufgrund der Initiative der Grazer KPÖ bei der Erhöhung nicht mitmacht, und wo aufgrund der von der KPÖ initiierten Mietzinszuzahlung in den Gemeindewohnungen niemand mehr als ein Drittel des Familieneinkommens für die Wohnungskosten au­fwenden muss).

Soll die politische Landschaft in Österreich den Rechtsextremen nicht als Biotop dienen, muss sie sich ändern, was bedeutet: Identität und Präsenz der KPÖ müssen gestärkt werden. Das liegt nicht nur im naheliegenden Eigeninteresse der Partei, sondern im Interesse von sozialen, demokratischen und kulturellen Allianzen, die das gegen den angeschlagenen Sozialstaat gerichtete Abbruchunternehmen der Regierungsko­alition und den Vormarsch der Rechten stoppen wollen. Daran wollen wir arbeiten: an der KPÖ und an den Allianzen. Und weil die gegebene innenpolitische Lage neue Initiativen für eine ernstzunehmende und aussichtsreiche linke Wahlallianz erfordert, bin ich der selben Meinung wie Ernst Kaltenegger: Was immer in diese Richtung unternommen wird, verdient Unterstützung.

So verstehen wir den „Auftrag“ unserer Wählerinnen und Wählern, die uns mit ihrer Stimme dazu ermutigt haben, und dafür sei ihnen noch einmal gedankt. Nicht eine Stimme war verloren.

Das Wahlergebnis im Einzelnen auf der Seite des Innenministeriums