KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Das Welt Sozial Forum ist zurück gekehrt

Von Walter Baier (29.1.2010)

Porto Alegre. 29. Jänner. Das Welt Sozial Forum ist an seinen Ursprung zurückgekehrt.

Die zahlreichen Debatten der im Großraum von Porto Alegre verteilten Veranstaltung stellen zwar kein Welt Forum im formellen Sinn dar, sondern sollen den zehnten Jahrestag des Forums feiern. Trotzdem, 30.000 Teilneh­merInnen sind gekommen, darunter viele Delegierte aus Asien, Europa, Afrika und Nordamerika, die vor allem an einem vom Internationale Rat des WSF veranstalteten viertägigen internationalen Seminar über die Perspektiven des Forumsprozesses und die Strategien der politischen und zivilgesellschaf­tlichen Linken teilnehmen.

Porto Alegre hat sich verändert. Nicht nur in politischer Hinsicht, die linke Verwaltung wurde nach Spaltungen und internem Streit der Parteien sowohl in der Stadt als auch im Bundesstaat Rio Grande do Sul abgewählt. Aber auch die konservativen Verwaltungen heißen das Forum willkommen und stellen kommunale Infrastruktur zur Verfügung. Selbst der legendäre „Geist von Porto Alegre“ scheint noch zu leben. Die Presse berichtet ausgiebig, in den Straßen grüßen Großplakate und Transparente die TeilnehmerInnen, Menschen, die man als FremdeR um den Weg zu diesem oder jenem Schauplatz befragt, sprechen einen als Delegierten des „Foro“ an.

Auch dieses hat einen weiten Weg hinter sich. Indem es seit 2003 in Mumbai, in Caracas, in Carachi, in Bamako, in Nairobi und zuletzt wieder im brasilianischen in Belem, der Metropole am Rande des amazonischen Regenwalds, haltgemacht hat, hat es sich nicht nur thematisch verbreitert, sondern auch an Einfluss gewinnen können, auch wenn dies gerade in Europa nicht zutrifft. Allein in diesem Jahr werden insgesamt 27 regionale und thematische Foren stattfinden: in Detroit, das US-Sozialforum, das ein Großereignis sein wird, in Istanbul das ESF, im Irak, in Palästina, in Paraguay das panamerikanische Forum. Schließlich ist das Welt Sozial Forum auch ein wichtiger Partner in der von Evo Morales ausgelösten Initiative eines Weltforums für Klimagerechtigkeit, das Ende April in der bolivianischen Stadt Cochabamba die Bewegungen zusammebringen wir­d.

Was Europa betrifft, so ist die Verschiebung der weltpolitischen Gewichte spürbar: Nicht nur, dass neue weltweite Player selbstbewusst aufgetreten sind, die wie Brasilien, Indien und China aus der ersten Phase der Weltwirtschaf­tskrise sogar gestärkt hervorgegangen sind. Erachteten noch in den 90er-Jahren große Organisationen des Südens, wie die Gewerkschaften oder die linken Parteien Europa als ein mögliches Gegengewicht gegenüber dem alles beherrschenden Einfluss der USA in der Hemisphäre, so erwartet man heute vom alten Kontinent praktisch nichts mehr. Auch wenn das so nicht ausgesprochen wird, weisen die vorgebrachten Analysen in diese Richtung. Anders von China, das beispielsweise in Brasilien die USA als ersten Handelspartner abgelöst hat.

Nachdenklich und gleichzeitig selbstbewusst tritt das Welt Sozial Forum in sein zweites Jahrzehnt ein. Selbstbewusst, weil, was man in Europa scheinbar nicht erkennt, im Unterschied zu seinem Konterpart, das Weltwirtschaf­tsforum von Davos, dessen neoliberale Agenda sich durch die Krise blamiert hat, und das allein schon deswegen Konkurs anmelden müsste, die Vorschläge des Weltsozialforums und von ihm verkörperte Philosophie aktueller denn je sind.

Nachdenken erfordern allerdings die Krisen, innerhalb derer sich die Menschheit befindet, die nicht nur wirtschaftlicher und finanzieller, sondern auch ökologischer, geopolitischer und sozialer Natur sind, und die sich zu einer das weitere Bestehen der Menschheit bedrohenden Zivilisationskrise verdichten.

Keine einzige soziale und politische Kraft wird aus dieser einen Ausweg und den Zugang zum Sozialismus des XXI. Jahrhunderts auf sich allein gestellt finden können. Die von den Sozialforen praktizierte Methode, Einheit auf dem Weg des Respekts der Unterschiede zu finden, bleibt daher unverzichtbar.

Sie zu vertiefen, und sie vor allem zu einer Methode der Aktion auszubauen, wird wesentliche Aufgabe des im Jänner des kommenden Jahres in Dakar (Senegal) stattfindenden 8. Welt Sozialforum sein.