KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

"Der Endsieg des Kapitalismus wurde bejubelt: Damit ist jetzt Schluss"

Foto: Standard - Der Kapitalismus ist nicht am Ende, aber angeschlagen: Mirko Messner (li.) und Miloslav Ransdorf beim Gespräch.

Von Der Standard (18.11.2008)

Sie empfinden keine Schadenfreude, wittern aber Morgenluft für die Linke: KPÖ-Chef Mirko Messner und der tschechische Kommunist Miloslav Ransdorf

Standard: Ihre Parteien wollen den Kapitalismus überwinden. Sind Sie mit der Finanzkrise, die das System erschüttert, nicht zufrieden? 

Ransdorf: Wir sind sicher keine Krisenprofiteure. Aber eines muss ich sagen: Karl Marx ist zurück. Wir Linken werden nicht mehr verteufelt. Man sagte uns nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus das Ende der Geschichte voraus, der Endsieg des Kapitalismus wurde bejubelt: Damit ist Schluss. Wir Linken sind wieder Teil der Debatte. 

Messner: Wir erleben sicher den Ruin vieler neoliberaler Dogmen, wobei Schadenfreude fehl am Platz wäre. Ich glaube aber nicht, dass die Linke automatisch profitiert. In Österreich etwa kommt der Frust über die neoliberale Politik rechtsextremen Parteien und ihrer sozial-demagogischen Kritik zugute, sie skandalisiert einzelne Elemente, wie Spekulationsges­chäfte, und versperrt den Blick auf das System, das sie erhalten will. Trotzdem sehe ich die Chance, von der der Genosse spricht: Es offenbaren sich Bruchstellen im Kapitalismus. 

Standard: Aber stehlen Ihnen die Regierungen nicht die Show? Linke Politik scheint zurück zu sein, die Staaten intervenieren wieder. 

Ransdorf: Hugo Chávez, Venezuelas Präsident, hat schon scherzhaft gesagt: Ich habe ein Problem, George W. Bush steht jetzt links von mir, ich würde nie wagen, Banken zu verstaatlichen. Aber diese etatistische Politik ist nicht das, was die Linken wollen. Die neue Perspektive muss von unten, von der Zivilgesellschaft kommen. 

Standard: Wie kann das aussehen? 

Messner: Die Geldmengen, die zu spekulativen Zwecken eingesetzt werden, müssen beschränkt werden. Aber es braucht auch Strukturänderungen. Die ökonomische Demokratisierung muss Teil der Gesundungsstrategie werden. Das heißt, in Konzernen darf nicht mehr nur nach dem Willen jener entschieden werden, die an möglichst hohen Gewinnen interessiert sind, sondern auch nach den Interessen der Beschäftigten, ihrer Familien, der Gemeinden. Es geht auch um die Demokratisierung der Banken: Sie müssen in öffentliche Hand übergehen, das ist mehr als Verstaatlichung. 

Standard: Herr Ransdorf, Sie als Europaparlamen­tarier müssten erschauern. Dieser Ruf nach Vergesellschaftung würde hunderte europäische Normen verletzen. 

Ransdorf: Politische Borniertheit rächt sich besonders in Krisenzeiten. Es muss doch erlaubt sein, nach Alternativen zu suchen. Wir sind nicht für die Abschaffung des Privateigentums, sondern sagen nur, dass daneben auch noch andere, gemeinschaftliche Formen Platz haben müssen. 

Standard: Unterschätzen Sie den Kapitalismus nicht? Gerade in Osteuropa haben viele Menschen von der Wende profitiert. 

Ransdorf: Wir unterschätzen das System nicht, es ist noch nicht am Ende. Aber in Tschechien leben zwei Drittel der Bevölkerung von einem Einkommen, das unter dem Durchschnittsver­dienst im Land liegt. Das sagt doch etwas über die Ungleichheiten aus. 

Messner: Für mich stellt sich die Frage, woher das viele Geld kam, das da verspekuliert wurde. Die Finanzmittel waren vorhanden, weil die Regierungen in Europa seit Jahren von unten nach oben umverteilen. Nehmen Sie nur Österreich: Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wurde abgeschafft, die Körperschaftssteuer verringert. 

Standard: Wie beurteilen Sie die internationalen Rettungspakete, die überall verabschiedet wurden? 

Messner: Wäre die KPÖ im Parlament, hätten wir das Paket abgelehnt. Der Ökonom Erich Streissler hat gesagt, dass im Zuge der Krise 1929 die Finanzoberschicht enteignet wurde. Diesmal will der Staat sie retten. Gigantische Summen werden in die Banken hineingestopft, Verluste aus Hochrisikoges­chäften nachträglich abgedeckt. Das ist die Finanzierung der nächsten Krise. In den Rettungspaketen ist aber nichts vorgesehen, was die Folgen des Desasters für die Masse der Menschen abfedern soll. 

Ransdorf: Die Finanzmärkte müssen stabilisiert werden, das ist schon wichtig. Aber es ist die Fortsetzung einer 20 Jahre alten Strategie, wonach Profite privatisiert und Verluste nationalisiert werden.

(András Szigetvari, DER STANDARD - SCHWERPUNKT, Print-Ausgabe, 15./16.11.2008)