KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die Linke braucht die Feministinnen

(2.6.2009)

DieStandard veröffentlicht vor den Europaparlaments-Wahlen ein Interview mit zwei FeministInnen des EL-Fem-Netzwerkes, Birge Krondorfer (Frauenhetz) und Heidi Ambrosch (KPÖ), „über neue Allianzen unter Feministinnen jenseits der Zersplitterung, über neue Organisationsformen politischer Arbeit und das Problem der "Scheingleichheit“, in der Frauen vorgeblich bereits alles erreicht haben":

DieStandard: Im feministischen Netzwerk der Europäischen Linken arbeiten Parteigängerinnen, selbstorganisierte Frauen und Wissenschafterinnen zusammen, um wieder gemeinsame Positionen zu entwickeln.

„Die Europäische Linke kann nicht so beginnen, dass wieder nur die Männer reden“: Aus dieser Erkenntnis und dem Anspruch, den Parteizusammen­schluss von 30 linken europäischen Parteien mit feministischen Stimmen zu bereichen, entstand 2004 am Gründungsparteitag der Europäischen Linken (EL) das Netzwerk EL-FEM – ein Verbund von Feministinnen aus unterschiedlichen europäischen Ländern. In länderorganisierten Gruppen bringen sie sich seither in aktuelle Fragen der EL ein, verstehen sich aber auch als Thinktank für linksfeministische Fragen und neue Formen der politischen Organisation.

Splitter aus dem Interview:

Heidi Ambrosch: In den Debatten hat sich herauskristalli­siert, dass die Frauen gerade jetzt zu Kapitalismus-Kritik aus feministischer Perspektive arbeiten wollen. Die von linken Männern artikulierte Kritik bezieht sich ja meist auf den (männlichen) Fabriksarbeiter. Bei den Strukturpaketen sieht man außerdem, dass sie nach männlichen Bedürfnissen ausgerichtet sind, die Auswirkungen der Krise auf die Frauenerwerbstätig­keit werden jedoch nirgends berücksichtigt. Das ist also der nächste Themenkomplex, den wir als feministisches Netzwerk behandeln wollen.

Birge Krondorfer: … Einerseits hat die Ausdifferenzierung innerhalb der Frauenbewegungen ja etwas Positives, aber sie hat auch den Nachteil, dass sich mit diesen Partikularismen die Frage des ‚Wirs' so schwer noch stellen lässt. … Ich denke, dass diese Zersplitterung dem Neoliberalismus in die Hände spielt. Weil man a) machtlos ist und b) die neoliberalistische Individualisierung praktisch selber nachvollzieht. Das wird nicht zusammengedacht. Und dann fand ich Nancy Frasers Einwand ‚Frauen, denkt wieder ökonomisch' auch sehr wichtig, also die Debatte Anerkennungspolitik vs. Identitätspolitik. Die Frage nach Reichtum und Armut, das Nord-Süd-Verhältnis wird bei diesen ganzen Identitätsfragen nicht mehr gestellt. Hier wollen wir ansetzen und das wieder mehr zusammen denken.

Heidi Ambrosch auf die Frage Ist das für Sie ein Anliegen, die Machtfrage innerhalb der EL?: Ja, das ist sie natürlich. Ich bin ja in der KPÖ organisiert und für mich ist klar, wer heute glaubt, Perspektiven formulieren zu können ohne den Feminismus hat schon verloren, ist nicht links. So werden keine Antworten mehr gefunden. Da verweise ich nur auf die UNO-Frauenkonferenz-Zahlen: Frauen machen zwei Drittel der Arbeit, sie haben aber nur zehn Prozent der Einkommen und ein Prozent des Besitzes. Wer das nicht als globales Problem begreift und daraus Schlussfolgerungen zieht, der wird keine zukunftsweisenden Strategien entwickeln. Insofern bin ich überzeugt, dass die Linke die Feministinnen braucht. …

Diskussionen um Feminismus und Marxismus greisen oft um die Frage, wie es die Geschlechterfrage erreichen kann nicht der Klassenfrage untergeordnet zu werden. Was verstehen Sie im Jahr 2009 unter der „Geschlechter­frage"?

Ambrosch: Für mich ist der Angelpunkt der Geschlechterdis­kriminierung die geschlechterhi­erarchische Arbeitsteilung, die den öffentlichen vom privaten abgetrennt hat. Im ersten werden Frauen vielfältig diskriminiert. Diese sind eng gekoppelt an den Umstand, dass die Reproduktionsar­beiten der Gesellschaft in den privaten Bereich abgeschoben wurden zu Lasten der Frauen. Das ist ein Kreislauf an Diskriminierung, der heute auf der Tagesordnung steht. Wir erleben heute die Durchlöcherung sämtlicher sozial- und arbeitsrechtlicher Errungenschaften, was diejenigen, die Unten stehen, noch viel mehr trifft. Andererseits die Zunahme der Care-Politiken, der Abbau des Sozialen, des Gemeinschaftlichen. Das wäre für mich die Schlüsselfrage nebst der Umverteilung und da geht's mir nicht nur um eine von oben nach unten, sondern auch um eine Umverteilung zwischen den Geschlechtern.

Krondorfer: … Wir vergessen außerdem, dass wir wie die Maden im Speck leben in Westeuropa: Wir müssen begreifen, dass wir hier alle hochnotpeinlich in einer Ausbeutergese­llschaft leben bezogen auf den sogenannten Rest der Welt. Das ist eine grundsätzliche ethische Frage. Wir verstehen uns als Appell an alle linken Alternativen, ihre Binnenkonflikte beizulegen, in denen es doch meist nur um Narzissmus und die Erhaltung der eigenen Position geht. Diesen großen selbstkritischen Blick sollten wir wieder kriegen. Die globale Perspektive auf Reich-Arm ist für mich auch eine der vergessenen Dimensionen des Feminismus.

Für unabhängige Feministinnen ist der Netzwerk-Charakter der EL-FEM aber gerade auch das attraktive, oder?

Krondorfer: Die Frage nach der Organisierung von politischer Arbeit, jenseits der Parteisphäre, aber auch nicht ohne sie, halte ich für einen der wesentlichen Punkte für die Zukunft generell. Die vielfältigen Anliegen in Bezug auf Geschlecht, Sexualität, Rassismus, Migration müssen so organisiert werden, dass eine nicht-hierarchisierte Partizipation möglich wird. …

Zum gesamten Interview, das Ina Freudenschuß führte: <link http://diestandard.at/?… _blank extern „Opens external link in new window“>DieStan­dard