KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die deutsche Enteignung

Von Hannes Hofbauer (25.3.2010)

Eine Geschichte der KPÖ – von Ex-Chef Walter Baier verfasst

Das kurze Jahrhundert« nennt Walter Baier seine Geschichte der KPÖ von ihrer Geburtsstunde bis zu den aktuellen Spaltungen. Gut recherchierte Parteigeschichte wird darin in historische Zusammenhänge eingebettet. Je größer die zeitliche Distanz zu den Ereignissen, desto allgemeingültiger entpuppt sich die Erkenntnis. Diese Binsenweisheit jeder historischen Forschung muss im vorliegenden Fall dennoch betont werden, weil sich Baier in der Aufarbeitung der jüngeren Zeitgeschichte schwer tut, seine persönlichen Verstrickungen als ein wichtiger Parteiarbeiter abzuwerfen.

Am verdienstvollsten ist die Arbeit dort, wo es um die Gründungsgeschichte der KPÖ geht und um die Jahre des antifaschistischen Widerstandes. Ausführliche Biografien vertiefen das Verständnis für linke Politik im 20. Jahrhundert auch bei jenen, die der KPÖ fern stehen bzw. diese sogar ablehnen.

Als drittälteste KP ist die österreichische nach der russischen und finnischen im November 1918 gegründet worden. Mit Gewinn liest selbst der Historiker, wie sich aus der Sehnsucht nach Brot und Frieden mitten im Völkerschlachten des Ersten Weltkrieges radikale Linke jenseits der auch in Österreich bei Arbeitern und Soldaten diskreditierten Sozialdemokratie zu einer neuen politischen Kraft, den Kommunisten, formiert haben. Generalstreik und Matrosenaufstand trugen wesentlich zur Erosion der Monarchie im Inneren bei, der im Übrigen der Führer der Sozialdemokraten, Viktor Adler, bis zuletzt ergeben war; so wie die sozialdemokratische Führung auch 1938 nach dem »Anschluss« an Hitlerdeutschland ein eigenständiges Österreich nicht mehr zu denken wagte. Karl Renners Empfehlung für ein »Ja« zur von den Nazis manipulierten Abstimmung untergrub jeden Widerstandsgeist in der größten, wiewohl damals verbotenen Arbeiterorgani­sation.

Die Kerndifferenzen zur Sozialdemokratie werden in Baiers Buch minutiös aufgearbeitet und faktenreich untermauert. Vor diesem Hintergrund unverständlich ist dann der an mehreren Stellen auftauchende Sektierervorwurf an die Partei, sei es in der Periode der von Moskau betriebenen und von Georgi Dimitroff mit hartem Durchgriff umgesetzten Konsolidierun­gspolitik in den 1920er Jahren oder in dem Versuch nach dem Zweiten Weltkrieg, überparteiliche Jugend-, Sport- und Frauenorganisa­tionen zu bilden. Zu jeder Zeit war die Führung der Sozialdemokraten für gemeinsame Initiativen oder Aktionen gegen Reaktion und Bürgertum nicht nur nicht bereit, sondern entledigte sich im Nu jener Personen vom linken Flügel, die mit den Kommunisten paktieren wollten.

Erstmals konsistent aufgearbeitet wird in Baiers Buch auch die große Enteignungsaktion der KPÖ durch die deutsche Treuhand, die mit einem Urteil beim Oberverwaltun­gsgerichtshof im Oktober 2003 den allergrößten Teil des Parteivermögens der Bundesrepublik Deutschland zusprach, was 2008 zu einem Vergleich führte, der es Berlin erlaubte, 120 Millionen in kommunistischen Firmen verdiente Euro von Schweizer KP-Konten in den deutschen Staatshaushalt zu überführen.

Die Stärken des Buches liegen eindeutig sowohl im Biografischen als auch im sozialen und kulturellen Kontextualisieren der Parteigeschichte, beispielhaft dort, wo Baier den Wiederaufbau nach 1945 – verkürzt gesagt – als Übereinkommen der aus der Sowjetunion und Westeuropa zurückkehrenden Emigration beschreibt, bei dem erstere politische Führungspositionen besetzt und zweitere die wirtschaftlichen Grundlagen einer der später reichsten kommunistischen Parteien gelegt haben.

Schamvoll und verschwiegen geht der Autor indes mit den Hunderte von Regalmetern füllenden Parteigeschichten aus der Zeit zwischen 1945 und 1989/91 um, indem er sie schlicht negiert, was zwar der Lesbarkeit des Buches gut tut, aber dennoch eine Lücke hinterlässt, die in Form einer Kritik geschlossen hätte werden können.

Zum Ende des »kurzen Jahrhunderts« bemüht sich Walter Baier dann noch um eine Einschätzung der aktuell de facto dreifach gespaltenen KPÖ in eine zentristisch-öffnungsfreudige, eine regionalistisch-steirische und eine leninistisch-linientreue Strömung, wobei letztere durch Ausschlüsse innerhalb der Partei personell derzeit stark geschwächt ist. Die Frage der Einschätzung der Europäischen Union spielt darin eine bedeutende Rolle. Nachdem Baier die EU inhaltlich-faktisch kritisiert, aber taktisch-pragmatisch akzeptiert, fehlt ihm die nötige Distanz für eine umfassende, allgemeingültige Stellungnahme.

Alles in allem ein gut recherchiertes Werk, das zu einer Zeit erscheint, in der Österreichs Kommunisten schwach und gespalten sind und eine Besinnung auf ihr erstes Jahrhundert für eine Konsolidierung nutzen könnten. Das Erscheinen in einem kleinen bürgerlichen Verlag gewährleistet darüber hinaus eine Wahrnehmung jenseits der eigenen Strukturen.

Quelle:

Neues Deutschland

Walter Baier: Das kurze Jahrhundert. Kommunismus in Österreich. KPÖ 1918 bis 2008. Edition Steinbauer, Wien 2009. 304 S., geb., 22,50 €. zur Buchbesprechung