KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Agenda für ein soziales Europa

(18.10.2010)

Politisches Aktionsprogramm der Partei der Europäischen Linken 2011 – 2013

Leitantrag des EL-Vorstandes an den 3. EL-Parteitag

Paris, 3. – 5. Dezember 2010

Agenda für ein soziales Europa

Gemeinsame Aktionsplattform für Widerstand und Alternativen in Europa

Der 3. Parteitag der Europäischen Linken findet zu einer Zeit statt, da den Menschen in Europa immer mehr unerträgliche Zumutungen abverlangt werden. Mehrheitlich werden in den europäischen Ländern Programme zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben eingeleitet, Supersparkurse gefahren, öffentliche Dienstleistung privatisiert und der Arbeitsmarkt zerstört. Um diese Politik als allgemein gültig zu verfestigen, werden die Länder mit vollster Unterstützung ihrer Regierungen einer Vormundschaft durch die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und andere Institutionen wie dem IWF unterstellt.

Diese Politik wird als notwendige Antwort auf die Finanz- und Wirtschaftskrise dargestellt. Die Krise jedoch ist eine Krise der Vorherrschaft der Märkte und des Großkapitals, eine globale und eine Krise des heutigen Kapitalismus und seiner Finanzmärkte. Diese Krise wirkt sich auch auf die Umwelt, Energie, Lebensmittel, die kulturellen und moralischen Werte aus. Deshalb zeigt sich die Krise auf allen politischen Ebenen und in allen Gesellschaften, die der vorherrschenden kapitalistischen Produktionsweise unterliegen. Sie zeigt sich innerhalb der europäischen Verfasstheit, ihrer aktuellen Orientierungen, in der neoliberaler Politik ihren Institutionen.

Die gegenwärtige Schuldenkrise stellt eine neuerliche Phase der andauernden Krise dar. Ihre Wurzeln liegen in den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre. Die Verflechtung der vielfältigen Ursachen der Krise beeinträchtigt nun mehr und mehr das tägliche Leben der Menschen.

Wir, die Partei der Europäischen Linken, lehnen gemeinsam mit anderen sozialistischen, kommunistischen und rot-grünen Parteien und Organisationen als Plurale Linke diese – in der EU durch eine Reihe von Verträgen bis hin zum Lissaboner Vertrag verordnete – neoliberale Politik und ihre Strukturen ab.

Die Verantwortung für diese Politik liegt bei der großen Koalition der europäischen konservativen, liberalen und sozialdemokra­tischen Parteien, die Europa und die europäischen Länder in dieser Zeit regiert haben. Wir wollen eine politische Alternative zum neoliberalen Modell schaffen. Angesichts der weit verbreiteten Sparkurse entwickelt sich überall in Europa Widerstand. Die große Herausforderung für die Linke ist, diesen Widerstand zu organisieren, mögliche Alternativen abzustecken und aus diesen Protesten eine Bewegung für eine alternative solidarische Zivilisationslogik zu formen. Wir tun das im Namen eines sozialen, ökologischen und friedlichen Europas.

Ein immer strikteres Festhalten am Stabilitätspakt und der auf Strukturanpas­sungsprogrammen des IWF aufbauenden Strategie Europa 2020 wird die Krise nicht überwinden; im Gegenteil, Verwerfungen, Spannungen, der Autoritarismus und die sozialen Ungleichheit werden sich in Zukunft verschärfen. Es besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft kollabiert, Armut und prekäre Arbeitsverhältnisse massiv zunehmen, das Gesellschaftsmodell und die europäische Zivilisation zerstört werden. Es besteht die Gefahr einer fortgesetzten Krise der Eurozone – abgesehen von den unüberwindlichen Problemen, die anderen Ländern wie Großbritannien, Ungarn, Rumänien oder den baltischen Staaten aufgebürdet werden. Eine gefährliche Unfähigkeit, sich mit den Herausforderungen der ökonomischen Frage auseinanderzu­setzen, wird offensichtlich. Es besteht die ernste Gefahr, dass die Demokratie stranguliert, eine durch die Interessen des Marktes diktierte Beschränkung auf „effiziente Regierungsführung“ in den Mitgliedsstaaten walten und die Leitung der Volkswirtschaften durch die Europäische Kommission, die EZB und den IWF installiert wird.

Es existiert längst ein handfestes Risiko, dass sich die Legitimitätskrise innerhalb der EU verstärkt, dass sich der Impuls für den demokratischen Gedanken Europas und für Solidarität unter den Verachteten, Ausgestoßenen und Verleugneten abschwächt. Das betrifft die Fähigkeit zur Durchsetzung ihrer Rechte und Freiheiten, die Fähigkeit, ihre Geschicke selbst zu bestimmen. Stattdessen sind eine extreme Rechte und deren ultranationalis­tische, ausländerfeindliche und rassistische Ideen am Wachsen.

Die Gefahren für das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung und nationaler Minderheiten in der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten wachsen, und die Chancen für wirkliche Gleichheit von Frau und Mann stehen unter argem Druck. Dies schließt tendenziell auch drastische Rückschritte bei bereits erreichter Geschlechterde­mokratie und Nichtdiskrimi­nierung aller Minderheiten innerhalb der Europäischen Union und darüber hinaus ein.

Nicht die Menschen in Europa, die Arbeitenden und Arbeitslosen, die Lernenden und die in Ausbildung stehenden Jugendlichen, die Älteren, Frauen und Kinder, Kranken oder Behinderten, Armen oder der Mittelschicht Angehörenden sollten für diese Krise bezahlen. Nein, wir betonen: Die Zeit für einen radikalen Politikwechsel ist gekommen. Dieser Kurswechsel muss sicherstellen, dass die Verantwortlichen für die Krise auch zum Begleichen der Kosten der Krise herangezogen werden. Nachhaltige Regularien müssen entwickelt werden, die das Bank- und Kreditsystem unter öffentliche Kontrolle stellen und ihm eine Umorientierung auf soziale und ökologische Ziele verordnen. Konkrete Schritte können und sollen unternommen werden, um die EU-Politik und die Regierungen aus den Klauen der Finanzmärkte zu lösen, damit die Profitlogik in eine neue Logik der auf sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Ökologie beruhenden menschlichen Entwicklung umgewandelt werden kann.

Das ist ein realistischer Weg. Das ist ein Herangehen im Interesse der europäischen Länder und ihrer Völker. Mit dem konstruktiven Willen, Alternativen zu formulieren, um mit den Menschen in einen breit angelegten Dialog zu treten und den gemeinsamen Kampf zu organisieren, unterbreiten wir die unsere Vorschläge. Sie folgen keiner “Friss-Vogel-oder-stirb“-Logik. Sie sind geeignet, Schritte auf dem Weg hin zu den Notwendigkeiten zu entwickeln, die von allen politischen und gesellschaftlichen Kräften und den Menschen in Europa im Dialog mitentwickelt werden sollen.

1. Es ist Zeit für eine radikale Demokratisierung der europäischen Politik

Diese Krise ist auch eine Krise der Demokratie. Allzu oft werden wichtige Entscheidungen über die Köpfe der arbeitenden Menschen hinweg getroffen. Diese glauben, dass die EU eine weit entfernte, unergründliche und interventionis­tische Konstruktion ist, die ihre Bedürfnisse und Hoffnungen ignoriert. Ein Wechsel in der Außen-, Umwelt, Sozial- und Wirtschaftspolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten bedeutet, einen auf aktiver Teilhabe der Menschen, der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments beruhenden neuen demokratischen Prozess in Gang zu setzen mit neuen Interventionsrechten und Rechten für die Arbeiter. Wir stehen für demokratische Republiken mit Verhältniswah­lrecht. Dieser demokratische Wandlungsprozess muss die europäischen Institutionen wie auch die Politik der EU und aller anderen europäischen Länder betreffen. Wir kämpfen für eine demokratische Neubegründung Europas und der Europäischen Union.

Viele Menschen sehen in der wachsenden Armut in der Gesellschaft und in den Ungleichheiten ein Versagen der Europäischen Union. Wenn die Europäische Union nicht in der Lage ist, der Spekulation Einhalt zu gebieten, wer dann? Nationale und eurozentrische Lösungen, die sich gegen die Interessen anderer Völker in Europa und weltweit richten, schaffen keine soziale Gleichheit. Ohne Solidarität und Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg wird es uns nicht möglich sein, die Politik der Zukunft zu gestalten. Wir glauben, dass soziale Verantwortung nur aus Zusammenarbeit und nicht aus Konkurrenz erwächst.

Demonstrationen, Streiks und andere Formen des Protests durch die Arbeiterschaft, durch Studierende, Menschen in ländlichen Regionen, durch Rentnerinnen und Rentner überall in Europa zeigen, dass der Widerstand gegen die brutalen Sparmaßnahmen wächst. Immer mehr Menschen fordern, dass für die Menschen ein Ausweg aus der Krise, für die Umwelt und sozialen Zusammenhalt, Vollbeschäftigung, menschenwürdige Löhne und Renten, Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitssystem und anderen gesellschaftlichen Systemen sichert. Die Proteste werden jedoch langfristig ohne europaweite politische Aktionen und tiefgreifende Veränderungen in der europäischen Politik und deren Institutionen – die oft unter dem Motto „Ein anderes Europa ist möglich“ standen – nicht von Erfolg gekrönt sein. Die Europäische Linke wird aktiv werden, um die Anziehungskraft sinnvoller Alternativen für ein soziales, demokratisches, ökologisches und friedliches Europa zu verbessern. Viele Menschen – auch außerhalb Europas – betrachten die Veränderungen hin zu einer neuen kooperativen, auf Solidarität, ökologischen Grundsätzen und Geschlechtergle­ichheit begründeten Entwicklungsweise als erstrebenswerte, notwendige und konkrete Alternative.

Die Menschheit ist darauf angewiesen, ihre Produktionsweise und den Naturreichtum mit Umsicht zu nutzen statt ihn aufzubrauchen, auszubeuten und zu zerstören. Sauberes Wasser, ein hoher Bildungsstandard, Selbstständigkeit, menschenwürdige Arbeit, Gesundheitsfürsor­ge, interkultureller Dialog, moderne Kommunikation und Mobilität sind keine Luxusgüter, sondern soziale Rechte, die zu garantieren sind. Trotzdem wird vielen Menschen der Zugang zu den grundlegenden sozialen und öffentlichen Dienstleistungen verwehrt.

Die Partei der Europäischen Linken macht sich stark für eine demokratische alternative Politik, um die Situation auf jeder Ebene – der örtlichen, nationalen, europäischen und globalen – zu verändern. Dabei sind wir auf der Suche nach Partnern: politische Kräfte, Gewerkschaften und gesellschaftliche Bewegungen, also jene, die meinen, ein anderes Europa sei möglich. Das bedeutet, wir wollen dem Neoliberalismus auf nationaler und europäischer Ebene politisch und sozial die Stirn bieten. Wir wollen die Mehrheit für dieses Ziel gewinnen. Aus diesen Gründen ist die Europäische Linke Teil der Mobilisierungen und beteiligt sich am Dialog mit anderen politischen Kräften, den Gewerkschaften, der Friedensbewegung, Verbraucherver­bänden, Umweltgruppen, Aktivisten für Gleichberechtigung und gegen Rassismus, kritische Wissenschaftler und IT-Spezialisten, Aktivisten der Sozialforen, Bildungs- und kulturellen Verbänden. Zusammen mit gesellschaftlichen Akteuren, die sich in der Industrie, der Landwirtschaft und beim Verteidigen der öffentlichen Daseinsfürsorge engagieren, wollen wir einen Beitrag zur Verwirklichung aller politischen und sozialen Rechte der Menschen leisten und ein weltoffenes Europa mitbestimmen. Wir arbeiten für die gemeinsamen Rechte der Menschen – ungeachtet ihrer Nationalität, Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihrer Sprache.

Der Export eines Herrschaftsmodells über Menschheit und Natur, das jedes Lied und jeden Tropfen Wasser lediglich als Dollarzeichen sieht, hat diese Welt weder sicherer noch menschlicher gemacht. Die Freiheit des Einzelnen rechtfertigt weder das Recht des Stärkeren noch das uneingeschränkte Diktat des Marktes. Die Zweckentfremdung des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts in einem „Innovationstrend“ zur Profitmaximierung des Finanzmarktka­pitalismus gefährdet unser aller Zukunft. Der Geist des freien Wettbewerbs, der Privatisierung und Deregulierung ist nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus zum politisch entscheidenden Faktor geworden. Die Grundsätze des Denkens in der europäischen Nachkriegszeit wie soziale, wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit und eine ernsthaft in gegenseitigem Interesse verfolgte friedliche Außen- und Sicherheitspolitik wurden weiter ausgehöhlt.

Mit dem einheitlichen Binnenmarkt – modelliert nach dem Maastrichter Vertrag und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt – wurden Ende der 1980er und in den 1990er Jahren die Weichen gestellt für Lohn- und Sozialdumping an Stelle der Stärkung der öffentlichen Daseinsfürsorge.

Unsere öffentlichen Institutionen sind das Rückgrat der Demokratie, sei es in der Bildung, dem Gesundheitswesen, dem Verkehr oder der Kultur, damit sie der regionalen Wirtschaft Kredite gewähren oder den Zugang zur Energieversorgung auf örtlicher Ebene gewährleisten. Gleichzeitig aber bleiben die enormen Probleme der Beschäftigung, Armut, sozialen Ungleichheit und der europäischen Landwirtschaft selbst bei Erweiterung der Union ungelöst.

Kritische Fragen wie Energiesicherheit, Klimawandel und freier Zugang zu Kommunikation und Informationsnet­zwerken sind gleichermaßen weiter problematisch. Es ist Zeit, den Parlamenten auf nationaler und europäischer Ebene in der Gesetzgebung und der demokratischen Kontrolle eine wichtigere Rolle zuzuweisen.

Die Krise des Kapitalismus und dessen neoliberales Management, sein imperialistisches System, die Militarisierung und die damit verbundenen ultrasektiere­rischen Strategien haben die internationalen Beziehungen zutiefst beeinflusst und verändern Grenzen, an die ein ausbeuterisches, räuberisches und auf Dominanz gerichtetes System gestoßen ist und welche auf breiter Front nach radikalem demokratischem Wandel verlangen.

Andererseits kommt der vielschichtigen Krise eine Katalysatorrolle bei der Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zu, wobei die US-Hegemonie immer mehr in Frage gestellt wird, während Ländern außerhalb der sogenannten entwickelten Welt wie China, Indien, Brasilien etc. eine zentrale Rolle zukommt. Jenseits der Abhängigkeit von den USA muss die Europäische Union zum selbstsicheren Akteur in einer Welt der gegenseitigen Achtung und der Zusammenarbeit werden.

2. Wir zahlen nicht für eure Krise

Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise ist wie eine Bugwelle über die ungelösten Probleme der Menschheit hinweggefegt. Während der vergangenen zwei Jahre haben die Regierungen der dominanten Mächte, angeführt von denen der G 8, das globale Finanzsystem mit enormen Summen öffentlicher Gelder am Leben erhalten. Sie haben die Rolle der Retter eines kollabierenden globalen Finanzmarktes übernommen. Dabei blieben sie gleichgültig gegenüber anwachsender Armut und den Herausforderungen des Klimawandels. Die Schulden der öffentlichen Hand haben Rekordniveau erreicht. Die schlimmste Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte ist nicht im Geringsten vorüber. Die Regierenden haben weder die nun außer Kontrolle geratenen internationalen Finanzmärkte noch die globale Wirtschaftsordnung in Frage gestellt. Es gibt keinerlei Regularien gegen die Währungsspeku­lation, die Spekulation mit Lebensmitteln oder lebenswichtigen Gütern. Die keinesfalls überwundene Krise des Finanz- und Wirtschaftssystems entwickelt sich zu einem Sicherheitsrisiko für das tägliche Leben und für das friedliche Miteinander der Länder.

Europa und die Europäische Union stecken ebenfalls mitten in der Krise. Millionen von Arbeitsplätzen sind verschwunden oder bedroht. Andererseits müssen in wachsendem Ausmaß Menschen mehr als eine Beschäftigung annehmen, um leben zu können. Unsichere Arbeitsplätze und Flexibilisierung der Arbeit werden zur bitteren Realität. Soziale Probleme nehmen zu. Wirksame Maßnahmen, diejenigen haftbar zu machen, die die Finanzkrise verursacht haben, stehen bei der Europäischen Union immer noch aus. Die nationalen Regierungen halten sich ebenfalls zurück, die Finanzspekulanten bei der Lösung der Krise heranzuziehen, etwa durch Abschöpfen der Vermögensgewinne. Damit ist ihre Antwort klar. Der Steuerzahler und die Bevölkerung hauptsächlich der ärmsten Länder der Eurozone sollen die Kosten der Finanzkrise tragen. Die Ursachen für die dramatische Verschuldung der Länder insbesondere Ost- und Südeuropas, aber auch Irlands, Großbritanniens, Islands und der Baltischen Staaten liegen gleichfalls in der europäischen Politik. Doch nun sollen die Länder die Konsequenzen alleine tragen. Dabei müssen sie auf dringend benötigte Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung verzichten und weitere Einschnitte in ihren Sozialsystemen und im öffentlichen Sektor vornehmen. Die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur muss warten. Damit produziert man die Probleme von Morgen. So wird verschleiert, dass in den reicheren Mitgliedsstaaten jahrelang katastrophales Lohndumping betrieben wurde und der daraus entstehende Druck mit politischen Fehlentscheidungen beantwortet wurde. Das Versagen der Politik in den eher gefährdeten Ländern ist das Spiegelbild der exklusiven Orientierung auf Auslagerung und Export in den größeren Ländern. Höhere Löhne würden auch die großen Länder vor dem Strudel finanzieller Instabilität und den Staatsdefiziten von Morgen bewahren; sie stehen vor der Notwendigkeit, soziale Klauseln gegen Dumping im internationalen Handel durchzusetzen. Die vorherrschende Politik und die Konzentration auf niedrige Löhne ziehen weiterhin das Dogma des Wettbewerbs durch niedrigere Sozialausgaben vor.

Nun muss jeder die Hilfspakete für die Banken zahlen; aber der Einfluss der Menschen auf andere politische Handlungsoptionen ist eingeschränkt, wohingegen jene, die die Krise verursacht haben, verschont bleiben. Der Glaube, dass die Verstaatlichung von Banken eine Art sozialistische Gotteslästerung ist, wurde erschüttert. Die Staaten haben die Bankhäuser unter ihre Fittiche genommen, und einige von ihnen sind schon wieder im Geschäft und machen respektable Gewinne. Der Einfluss der Regierungen erstreckt sich jedoch nur auf eine Rettung der Banken, die den Bankern ihr Einkommen sichert. Eine angemessene Umverteilung des Reichtums ist nicht in Sicht. Im Großen und Ganzen „verstaatlichen“ die jetzigen Regierungen, ohne Schritte zur Erweiterung des demokratischen Einflusses und der Kontrolle zu unternehmen. Damit verstaatlichen sie lediglich die Verluste durch mehr staatliche Schulden, unzureichende Investitionen und höhere Gebühren. Sie tragen schon jetzt für alle möglichen ungelösten sozialen Probleme die Verantwortung.

Diese derzeitige „Regulierung“ dient den Interessen des Finanzkapitals und nicht den Interessen der Mehrheit. Der vorherrschende politische Kurs kennt nur eine Antwort auf die Krise: plündern der Staatssäckel und mehr Ausbeutung der Arbeitenden. Er ist Teil des Klassenkampfes von oben und schreckt nicht davor zurück, Bezieher und Bezieherinnen kleiner Einkommen gegen Menschen auszuspielen, die auf soziale Transferleistungen angewiesen sind und beide gegen Immigranten und Flüchtlinge.

Wir sind überzeugt, dass die Mehrzahl der Menschen für die Kampagne für sozial gerechte, ökologisch nachhaltige, demokratische, friedliche und solidarische europäische Politik gewonnen werden kann, und veröffentlichen deshalb andere Vorschläge zur Bewältigung der Finanzkrise.

2.1. Krise wirksam bekämpfen – jetzt!

Die Europäische Union und die europäischen Staaten müssen sich der Zusammenarbeit zuwenden und zur Reform des europäischen und internationalen Währungssystems beitragen. Wichtige strategische Bereiche wie das Bankensystem sollen auf der Grundlage gesellschaftlichen Eigentums und dessen demokratischer Kontrolle und öffentlichen Zugangs organisiert werden. Im neoliberalen Europa wurden wir Zeuge des generellen Angriffs auf die Rechte der Arbeiterschaft und deren Löhne. Die Europäische Linke kämpft gegen Sozialdumping. Wir wollen alle Bewegungen unterstützen, die sich aktiv gegen die Strategie des Ausspielens Armer gegen Arme wenden. Wir unterstützen die Arbeiter überall in Europa in ihrem Kampf für eine Umverteilung der Einkommen, gegen Massenarbeitslo­sigkeit und unsichere Arbeitsplätze. Wir müssen unsere Schlagkraft für soziale und Klassenkonflikte in Europa stärken, um soziale Rechte und Rechte der Arbeiterklasse zu verteidigen. Gegen Sozial- und Steuerdumping muss eine europäische Finanzpolitik auf dem Prinzip der progressiven Besteuerung begründet werden. Wir kämpfen für das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Arbeitsplatz“ in ganz Europa.

Die Europäische Linke schlägt die folgenden Maßnahmen zur Begrenzung der Macht und des Einflusses der Finanzmärkte vor:

  • Umgestaltung des Aufgabenbereichs der Europäischen Zentralbank. Durch Geldschöpfung und auf sozialen Kriterien beruhend muss die EZB Kredite zu geringen Zinsen an Mitgliedsstaaten vergeben, um soziale Entwicklungen zu finanzieren. Hinsichtlich der Banken muss die EZB Kredite abstufen: Der Prozentsatz muss günstiger ausfallen, wenn die Investitionen dazu bestimmt sind, Arbeitsplätze zu schaffen; Höher sollte er hingegen sein, wenn damit finanzielle Geschäfte betrieben werden.
  • Besteuerung aller spekulativen Transaktionen. EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten sollten vorangehen und die Architektur der Finanzmärkte weltweit verändern.
  • Neue öffentliche Einnahmen können und müssen erbracht werden, indem die Einkommen aus Finanzanlagen und Großkapital mittels einer sozial gerechten Steuerreform besteuert werden, die darauf abzielt, die Realwirtschaft zu stimulieren. Die Inlandswirtschaften müssen durch Strukturpolitik und Erhöhungen bei den Masseneinkommen wieder belebt werden.
  • Beseitigung innerhalb und außerhalb europäischen Territoriums bestehender Steueroasen; Verbot – nicht nur Registrierung – der Hedge Fonds und Junk-Bonds.
  • Schaffung einer europäischen öffentlichen Ratingagentur; Länder können nicht mehr Geiseln privater Ratingagenturen sein, die spekulativen Interessen dienen.
  • Ausgabe von Eurobonds, um es den Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, zu vernünftigen Zinssätzen zu leihen.

Um Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen, müssen die folgenden Maßnahmen in allen Ländern ergriffen oder koordiniert getestet werden:

  • Politische Unterstützung für makroökonomischen Ausgleich zwischen Staaten und einen starken Binnenmarkt.
  • Einführung eines Standards, der in allen EU-Staaten per Gesetz oder Tarifvertrag Mindestlöhne bei mindestens 60 % des Durchschnittslohnes des Landes stets oberhalb der Armutsgrenze und eine hohe Qualität der sozialen Sicherheit für alle festschreibt.
  • Restriktive Regeln für Arbeitskräfte von Drittfirmen und Beschränkung der Anzahl kurzzeitig befristeter Arbeitsverträge anstatt den Druck für mehr Liberalisierung zu erhöhen. Neue Verordnungen, die es verbieten, ausländische Arbeitskräfte zu niedrigeren Löhnen oder schlechteren Konditionen zu beschäftigen, als es in den Ländern üblich ist, in denen die Arbeiten ausgeführt werden. Das sogenannte Laval-Urteil und andere Gerichtsentscheide, welche die Rechte der Arbeiter und Gewerkschaften auf Streik für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen unterminieren, müssen annulliert werden.
  • Stärkung der allgemeinverbin­dlichen Tarifverträge für Arbeitsbedingungen. Gleich Arbeitsbedingungen müssen für die sogenannten Entsendearbeiter gelten.
  • Um die notwendige Modernisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge und Infrastruktur voranzutreiben, streben wir ein Investitionspro­gramm an, dessen Schlüsselpositionen Bildung, Gesundheitswesen und Sozialfürsorge, Forschung, Verkehr und Umwelttechnologie sind. Das garantiert Millionen neuer Arbeitsplätze in der Zukunft oder trägt direkt zu ihrer Schaffung bei.

Wir wollen an der Spitze der Kampagne für eine weltweite Finanztransak­tionensteuer stehen, für höhere Einkommen, mehr abgesicherte und gute Arbeitsplätze und humanere Arbeitszeiten, sichere Renten und eine bessere öffentliche Infrastruktur. Das werden wir gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozialforen, Frauen-, Jugend- und Umweltbewegungen, Migrantenorga­nisationen und örtlichen Behörden tun. Wir wollen diese Kampagne in unseren Ländern und auf europäischer Ebene anführen. Wir gehen davon aus, dass diese Kampagne zugleich als globale Forderung verstanden werden muss.

Ohne sofortige Aktionen wird es keine wirksame Veränderung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise geben. Nachhaltige politische Veränderungen gehen darüber hinaus; weshalb alternative politische Aktionen und ein europäischer Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut miteinander verbunden werden müssen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften werden wir die Kampagne zur Einbringung einer Sozialklausel in die europäische Verfassung vorantreiben. Die konsequente Verknüpfung der Wirtschafts- und Währungsunion mit einer Sozial- und Umweltpolitik ist unverzichtbar. Für eine Sozialklausel in der europäischen Verfassung zu kämpfen und auf eine Sozial- und Umweltpolitik zu orientieren, ist mehr als nur ein auf die EU konzentrierter politischer Ansatz. Diese Forderungen kommt auch aus den Gewerkschaften und stellt damit die Verbindung zu gesellschaftlichen Bewegungen her.

2.2. Aktionsplan gegen Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung

80 Millionen Menschen in Europa leben unterhalb der Armutsgrenze. Fast noch einmal so viele Menschen sind von Armut bedroht. Galoppierende Arbeitslosigkeit ist einer der hauptsächlichen Faktoren dabei. Das betrifft zunehmend auch Menschen in schlecht bezahlten und unsicheren Arbeitsverhältnis­sen. Sie sind arm, obwohl sie arbeiten. Es zeugt von politischem Versagen auf der ganzen Linie, wenn in einer der produktivsten Regionen der Welt, den 27 EU-Ländern, eines von fünf Kindern von Armut bedroht ist.

Die Folgen der Ausgrenzung durch Armut, Nachteile in der Bildung und der öffentlichen und allgemeinen Gesundheit, im Lebensumfeld, dem unzureichenden Anteil an sozialen, kulturellen und finanziellen Diensten werden als wachsende Gefahren für den sozialen Frieden erlebt. Die Mehrheit der Bevölkerung erwartet, dass Politiker wirksame Schritte gegen Armut einleiten und andererseits die nutzlose Konzentration von Reichtum in wenigen Händen beschränken. Die EU erklärte das Jahr 2010 zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“, um zur Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung beizutragen. Die Strategie Europa 2020 hat sich ebenfalls die „Verhinderung von Armut“ auf die Fahnen geschrieben. Das Anwachsen von Armut und sozialer Ungleichheit ist jedoch das Ergebnis der von der EU betriebenen neoliberalen Politik.

In der Logik der gegenwärtigen strategischen Entscheidungen und der praktischen Schritte zur Bekämpfung der Auswirkungen der wirtschaftlichen und finanziellen Krise werden unverändert Wettbewerb, Rentabilität und Wettbewerbsfähig­keit an die Spitze der Agenda gestellt. In einer Zeit, in der die europäischen Eliten so wenig an schlüssigen und verständlichen Antworten auf die gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme beizusteuern haben, tun sie zugleich nichts gegen die sich tagtäglich ausbreitenden sozialen Ungleichheiten. Die Auswirkungen der Armut haben sich nicht verringert, denn die Ursachen der anwachsenden Armut wurden noch nicht einmal angegangen. Die Partei der Europäischen Linken hat sich der sozialen Gerechtigkeit verschrieben. Reichtum kann sich nicht länger in den Händen einiger weniger, den Eigentümern von Kapital und großen Vermögen, konzentrieren. Europa muss erkennen, dass Eigentum verpflichtet und dem Gemeinwohl dienen soll.

Gemeinsame Güter wie Wasser, Gesundheit, Kultur, Landbesitz, Naturreichtümer und Produktionsmittel dürfen nicht privatisiert werden, im Gegenteil, sie müssen dem Gemeineigentum zugerechnet und ihre Vergesellschaftung angestrebt werden.

Die Linke betrachtet den Kampf gegen Armut als soziale und politische Herausforderung. Wir benötigen eine Entwicklung, die den Menschen in den Vordergrund rückt. Der Kampf gegen Armut wird nur dann erfolgreich sein, wenn dieses Ziel zur Schlüsselkomponente jeder Politik der Europäischen Union und der Länder wird. Europa braucht umfassende soziale Sicherheit auf hohem Niveau. Obdachlosigkeit und Kinderarmut müssen 2015 verschwunden sein. Die konkrete Überwindung der Armut ist eng verbunden mit der Lösung aller anderen sozialen und Umweltprobleme in unserer Gesellschaft.

Ein europaweiter Aktionsplan wird für diese Ziele dringend gebraucht. Die Europäische Linke schlägt die folgenden Ziele vor, die sich signifikanter Aspekte der jetzigen Kämpfe gegen die Krise annehmen:

  • Ein europaweiter Mindestlohn von mindestens 60 % des nationalen Durchschnittslohnes und Stärkung der Tarifverträge.
  • Ein angemessenes garantiertes Mindesteinkommen für Arbeitslose und andere, die nicht die Mittel für ihren eigenen Lebensunterhal­t haben.
  • Ein menschenwürdiger Lohn für Studenten und Menschen in beruflicher Ausbildung.
  • Eine garantierte menschenwürdige Rente für jeden ab 60 Jahren.
  • Konkrete und geregelte Arbeitsbedingungen und Zugang zu menschenwürdiger Arbeit.
  • Kürzere Arbeitszeit ohne Lohnkürzungen.
  • Höhere Investitionen in Sozialversiche­rungen, Gesundheitswesen, öffentliche Daseinsfürsorge und kommunale Wohnungsverwal­tungen und gute Umwelt.
  • Durch Verwirklichung eines Programms für die Erhöhung der Energieeffizienz in privaten Gebäuden soll jedem mittels Nutzung existierender Technologie eine warme Wohnung garantiert werden. Der Kampf gegen „Energiearmut“ ist wichtig, weil Energierechnungen bis zu 10 % des durchschnittlichen Haushaltseinkommens verschlingen.

3. Für ein neues Entwicklungsmodell

Die Idee, dass ambitionierte und koordinierte Politikschritte notwendig sind, um sich den vitalen Herausforderungen der Menschheit und des Planeten zu stellen, setzt sich mehr und mehr durch. Die Kapitallogik stellt dabei ein größeres Hindernis dar. Die Finanzkrise, deren systemischer Charakter erwiesen ist, verdeutlicht die gigantische Dimension der Verschleuderung, die durch den momentanen Entwicklungspfad produziert wird. Deshalb zeigt die Gesamtheit der in diesem Dokument vorgestellten Vorschläge eine alternative Logik eines belastbaren und zivilen neuen Entwicklungsmodells auf. Diese drei Dimensionen sind untrennbar miteinander verbunden: die soziale beinhaltet offensichtlich die wirtschaftliche Sphäre, die zuallererst dazu genutzt werden sollte, den Bedürfnissen und Wünschen jedes Einzelnen zu dienen.

Es geht darum, eine neuen Ära der menschlichen Zivilisation zu beginnen, die auf einem progressiven Prozess vielfältiger Reformen des Systems beruht, tägliche Routinen verändert und – ohne die Ambitionen und Interessen aus dem Blickfeld zu verlieren – geführt wird.

Das Handeln im Dienste eines wirklichen Zivilisationswan­dels hat eine gemeinsame Bewegung zur Folge:

  • Die Partei der Europäischen Linken wird weiter für eine konsequent friedliche Innen- und Außenpolitik kämpfen, für eine Welt ohne Massenvernichtun­gswaffen und gegen Krieg und Zerstörung. Wir sind Teil aller notwendigen Kämpfe für Solidarität und Frieden insbesondere im Nahen Osten, für eine faire und gerechte Lösung des Israelisch-Palästinensischen Konflikts auf der Basis der UN-Resolutionen, mit Gründung eines existenzfähigen palästinensischen Staates Seite an Seite mit Israel mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Wir fordern die Beendigung des NATO-geführten Krieges in Afghanistan und den Abzug aller ausländischen Truppen. Wir verlangen den Abzug der noch verbliebenen Truppen und aller militärischen Unterformationen aus dem Irak und fordern die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Verantwortung für den zivilen Wiederaufbau im Irak zu übernehmen. Das Recht des irakischen Volkes auf Selbstbestimmung seiner souveränen Wahlmöglichkeiten zum Wiederaufbau und der Zukunft des Landes müssen in Gänze garantiert werden. Fortschreitende und wechselseitige Abrüstung mit Drittländern und Konversion sind äußerst wichtig. Wir wollen eine friedliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil,einen Dialog mit unseren Nachbarn und Stabilität in Europa, die Russland einschließt. Hinsichtlich der militärstrate­gischen Zusammenarbeit mit der NATO befindet sich die EU auf dem falschen Gleis und muss gestoppt werden.
  • Die Europäische Linke bekräftigt ihre Forderung nach Auflösung der NATO und kämpft für ein internationales System der kollektiven Sicherheit auf der Grundlage des Völkerrechts und der Grundsätze eines reformierten und demokratisierten UNO-Systems. Wir widersetzen uns jeglicher Anstrengungen der EU, eine Militarisierung seiner Außenbeziehungen zu befördern und kämpfen für eine friedliche Rolle Europas in der Welt. Die EU muss auch die Rechte der neutralen Staaten respektieren, damit sie ihre Rolle als Nichtpaktgebundene fortsetzen können.
  • Die Umsiedlung türkischer Bürger in den besetzten Teil Zyperns muss sofort beendet werden, denn dies ist eine politischer Akt der Türkei, die damit die Eroberung und türkische Besiedlung der Insel abschließen will. Die türkische Besetzung der 37 % des Territoriums der Republik Zypern muss beendet werden. Die türkische Regierung sollte sich mit praktischen Maßnahmen beteiligen, um damit die andauernden Verhandlungen so schnell wie möglich zu einer gerechten und praktikablen Lösung des Zypernproblems zu führen, die sich auf die UN-Resolutionen zu diesem Punkt, das Völkerrecht und das europäische Recht stützt.
  • Die EL drückt ihre große Solidarität mit den Prozessen in Lateinamerika aus, und unterstützt alle Bemühungen, der Demokratie durch bessere Einbeziehung der Bevölkerung eine breitere Basis zu geben. Daher erachten wir es als sehr bedeutsam, die gemeinsamen Treffen zwischen dem Sao Paolo Forum und der EL fortzuführen, um Erfahrungen im Umgang mit entscheidenden Forderungen auszutauschen. Wir betonen insbesondere die Notwendigkeit, die Blockade gegen Kuba zu beenden.
  • Wir glauben, dass die zwischen der EU und Lateinamerika abgeschlossenen und gegenwärtig verhandelten Abkommen ein Versuch sind, neoliberale Bedingungen zugunsten der multinationalen Unternehmen zu diktieren. Dies betrifft insbesondere Bedingungen, welche schlimmste Folgen für die Umwelt verursachen; zugleich werden Versuche unternommen, Patente auf den Gebieten Gesundheit und Artenvielfalt zu etablieren.
  • Die europäische Entwicklungspolitik muss der Selbstverpflichtung aller EU-Mitgliedsstaaten gerecht werden, die Millenniumentwic­klungsziele bis 2015 zu erreichen, indem sie sich dafür einsetzt, den Rahmen von 0,7 % des Bruttoinlandpro­duktes für Entwicklungshilfe einzuhalten. Dazu ist es notwendig, der Produktions- und Konsumtionsweise eine neue Ausrichtung zu geben, welche die Kapazitäten der Natur nicht bedroht und in der Waren und Geld nicht das Maß aller Dinge sind. Mit diesem Ziel kämpfen wir für Handelsabkommen der Europäischen Union, in denen alle Kernkriterien der Internationalen Arbeitsorgani­sation, die Arbeits- und menschlichen Normen in den Ländern der Vertragspartner respektiert werden. Die Entwicklungspolitik soll nicht für transnationale Unternehmen gemacht werden, deren Ziel es zumeist ist, Zugang zu Rohstoffen zu erlangen und ihren Profit zu maximieren.
  • Die Europäische Linke kämpft gemeinsam mit anderen Kräften für eine Energierevolution auf der Grundlage wahrhaft erneuerbarer Energiequellen und Energieeinsparung. Wir betrachten Biomasse nicht als wirklich erneuerbare Energiequelle auf breiter Basis, insbesondere wenn sie den Anbau von Lebensmitteln verdrängt. Die Bekämpfung des Klimawandels und die Energieproduktion sollen nicht länger der Profiterzielung unterliegen. Rohstoffe sollen nicht für Aufrüstung und Kriege verschwendet werden. Die Entwicklungs- und Außenhandelspolitik der EU muss mit der gegenwärtigen Logik brechen, Land an sich zu reißen und die Rohstoffe der Länder zu plündern. Wir unterstützen den Schuldenerlass für die ärmsten Länder und die Rückerstattung der ökologischen Schulden der Industrieländer an die sogenannten Entwicklungsländer.
  • Wir müssen die internationale Kooperation suchen, um die globale Erwärmung zu bekämpfen. Um die schwerwiegendsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern, muss bis 2020 gehandelt werden. Die EL schlägt vor, eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von 40 % in entwickelten Ländern (im Vergleich zu 1990) bis 2020 anzustreben. In Europa betrifft das insbesondere Bereiche wie Energieinnova­tionstechnolo­gie, die Landwirtschaft und Forstwirtschaft, die sich dem Erhalt der Artenvielfalt und der Kohlenstoffbindung verschrieben haben, die Bauindustrie, den Verkehr und die Steuerung durch öffentliche Investitionen. In den kommenden Jahren werden im europäischen Energiesektor riesige Investitionen vorgenommen und den Weg bis zur Mitte des Jahrhunderts frei machen. Das Kyoto-Protokoll kann nicht auf ein System von Emissionsquoten reduziert werden; jeder neuerliche Versuch, ein internationales Abkommen abzuschließen (Kyoto 2), muss zum neuen Paradigma auf der Basis von Zusammenarbeit und nicht Wettbewerb werden. Die Europäische Linke unterstützt die Erklärung von Cochabamba in vollem Umfang. Es ist fünf vor zwölf. Wir kämpfen für individuelle Bürgerrechte und die grundlegenden sozialen und politischen Rechte aller EU-Bürger und Immigranten auf der Grundlage der Charta der Prinzipien der Bewegungen. Die Europäische Linke begrüßt, dass die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskon­vention (EMRK) beitritt und setzt sich für die Weiterentwicklung der grundlegenden Rechte in Europa auf der Basis der EMRK einschließlich aller rechtlichen Instrumente auf nationaler und europäischer Ebene ein. Wir kämpfen für die Rechte der wegen ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, des Geschlechts, der Religion, der Ideologie, einer Behinderung oder des Alters Diskriminierten. Wir fordern die Gleichstellung von Mann und Frau. Die Europäische Linke setzt sich für die vollständige Achtung des Prinzips der religiösen Neutralität des Staates ein. Wir brauchen konsequente Strategien gegen Rassismus, Ausländerhass, Chauvinismus, Faschismus, Antikommunismus, Homophobie und alle anderen Formen der Diskriminierung. Wir wirken für eine Flüchtlingspolitik in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention. Diejenigen, die wegen ihrer politischen Aktivitäten, Religion, Ideologie, sexuellen Orientierung oder Geschlechteri­dentität geflohen sind, müssen in Europa Aufnahme und Sicherheit finden. Wir fordern die Anerkennung geschlechtsspe­zifischer und nicht-nationaler Verfolgung als Asylgründe und einen besonderen Schutz für Flüchtlinge im Kindesalter. Deshalb lehnen wir das gegenwärtige Grenzkontrollsystem durch FRONTEX ab. Die EL weist jeden Versuch, Migranten zu „Sündenböcken“ für jegliche soziale Probleme zu machen, strikt zurück. Wir kämpfen für eine starke soziale Dimension in der Integrationspo­litik.
  • Allgemeiner Zugang zu Bildung, Kultur, Medien und die Möglichkeit für jede und jeden, eigene kulturelle Ausdrucksformen zu nutzen, sind äußerst wichtig für den demokratischen Dialog in Europa und der ganzen Welt. Die Verantwortung der Öffentlichkeit für interkulturellen Austausch und die Neutralität digitaler Netze sollte zur europäischen und nationalen Verantwortung werden. Freie Bildung, die Freiheit der Information, ein modernes Copyright einschließlich der Rechte der Nutzer und eine adäquate Integration der Kreativität sind überfällig. Die Privatisierung der öffentlichen Bildung muss gestoppt werden. Daher lehnen wir den Bologna-Prozess ab. Gute Arbeitsbedingungen müssen tagtäglich für Lehrerende, Journalistinnen und Journalisten und Personen, die auf dem Gebiet der Nachrichten, des Films, der Unterhaltung und der Software-Industrie tätig sind, erkämpft werden. Europa braucht wahrhaft politischen Pluralismus in den Medien, ob öffentlich-rechtlich oder privat, als unverzichtbare Bedingung für Demokratie.
  • Wir wollen die Finanzkrise durch Regulierung der Märkte bekämpfen und dadurch eine konsequente makroökonomische Orientierung auf ein soziales und ökologisches Entwicklungsmodell erreichen, um den notwendigen nachhaltigen Kampf gegen die Armut führen zu können. Um unsere Alternativen innerhalb des politischen Diskurses weiterzuentwickeln, schlagen wir auch die folgenden strategischen Schwerpunkte in unseren politischen Kämpfen vor.
  • Für die Entwicklung der öffentlichen Daseinsfürsorge, welche den allgemeinen lebenswichtigen Bedürfnissen dienen soll, sind alle Anstrengungen auf europäischer Ebene zu bündeln, ein aufeinander abgestimmtes gemeinsames Management der öffentlichen Güter auf der Welt und die Entwicklung der sozialen und gegenseitig abhängigen Wirtschaft auf wahrhaft demokratischer Grundlage zu entwickeln. Das heißt, die Prozesse der Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge und die massiven privaten Investitionen auf diesem Gebiet zu stoppen.
  • Wir verfolgen eine aktive Politik der Schaffung von Arbeitsplätzen, verbunden mit einem System lebenslangen Lernens und einer einkommenssicher­nden Beschäftigung.
  • Eine neue Ära der Demokratie auf allen Ebenen mit neuen Interventionsrechten des Arbeitnehmerma­nagements und neuen Rechten für die gewählten Vertreter der Körperschaften, welche die Vergabe öffentlicher Gelder an große Unternehmen kontrollieren, ist einzuleiten.

Mit diesen Vorschlägen wendet sich die Europäische Linke an die Bevölkerung Europas; an Männer und Frauen ungeachtet ihres Wohnsitzes, ungeachtet der Weltanschauung oder Religion, ungeachtet der Tatsache, ob sie in oder außerhalb der Europäischen Union geboren wurden. Die immense Verschärfung der sozialökonomischen und ökologischen Krise verlangt nach sofortigen radikalen Maßnahmen. Wir wollen, dass Europa und die ganze Welt für alle lebenswerter werden. Damit dies aber geschehen kann, muss sie vor den Bedrohungen geschützt werden. Wir können die Welt nicht verbessern, wenn wir sie nicht bewahren, aber wir können sie bewahren, indem wir sie verbessern. Die Europäische Linke vertritt die Vision einer radikal anderen Welt, der Demokratie und des Sozialismus. Die Europäische Linke ist offen für alle, die diese Agenda unterstützen wollen. Wir erstreben eine Welt der Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, ohne Repressalien, Ausbeutung, Hunger und Not. Wir möchten, dass dieses Projekt Wirklichkeit wird.

Der Programmentwurf

Agenda für ein soziales Europa

–> als pdf-download in deutsch –> als pdf-download in englisch Einleitung zur Programmdebatte, Waltraud Fritz-Klackl