PARTEI
Von: Bundesvorstand der KPÖ (10.2.2016)
Am 9. Februar verstarb in Paris unsere langjährige Freundin, politische Mitstreiterin und Genossin Elisabeth Gauthier nach kurzer schwerer Krankheit. In Österreich aufgewachsen, wo sie auch der Kommunistischen Partei Österreichs und dem Bund Demokratischer LehrerInnen angehörte, lebte sie Jahrzehnte in Frankreich. Sie war engagiertes Mitglied in der PCF und in vielen verantwortlichen Funktionen tätig.
Sie hat das linke Forum „Espace Marx“, ein linkes Netzwerk und somit
„un lieu d'échange et des recherches“ (ein Ort des Dialogs und der
Forschung) mit gegründet und lange Jahre als Direktorin geleitet.
Aus den europäischen Treffen über marxistische Analysen zum gegenwärtigen
Kapitalismus und den Erfahrungen des Welt Sozial Forums, zu deren frühzeitigen
UnterstützerInnen sie gehörte, entstand das europäische Netzwerk
transform!europe, das heute aus 28 linken europäischen Forschungs- und
Bildungseinrichtungen aus 19 Ländern besteht und das von der Partei der
Europäischen Linken (EL) als die mit ihr korrespondierende politische Stiftung
anerkannt ist. Ihrem Managing Board gehörte sie bis zu ihrem viel zu frühen
Tod an.
Elisabeth Gauthier spielte auch eine wichtige Rolle in den politischen Debatten,
die 2004 zur Gründung der Partei der Europäischen Linken führten.
Die beschleunigte Entwicklung des Rechtspopulismus in Europa gehörte zu den
Prozessen, die sie politisch in der jüngsten Zeit am stärksten bewegten. Der
sich in den letzten Jahren verstärkende Rechtstrend in Europa war in ihren
Augen auch ein Ergebnis der Unzulänglichkeiten der politischen Linken und ihrer
unbefriedigenden Antworten auf die enormen gesellschaftlichen Widersprüche in
den entwickelten kapitalistischen Gesellschaften.
Ihre politischen Anstrengungen galten den Reformen der linken Parteien, der
Entwicklung einer Solidaritätsbewegung mit den europäischen Gesellschaften
der südlichen Peripherie (Griechenland, Portugal, Spanien) und der Entwicklung
von Strategien gegen die europäische Rechtsbewegung. Sie konfrontierte die
Linke in Europa immer wieder mit der Frage, wie die Offensive der
nationalistischen, populistischen, extremen Rechten gestoppt werden könnte.
„Die Linke muss vor allem überall dort, wo sich nationalistische,
fremdenfeindliche und rassistische Tendenzen entwickeln, entschieden dagegen
auftreten. Entscheidend wird aber sein, ob es gelingt, gegenüber der Dynamik
der radikalen Rechten nicht nur Widerstand zu organisieren, sondern auf die
Frage, ob Politik Positives bewirken kann, neue, kreative Antworten zu
entwickeln. Insofern sind alle gesellschaftlichen Kräfte der Linken mit einer
äußerst komplexen Herausforderung konfrontiert. Wenn die Linke eine neue
politische Dynamik schaffen will, muss sie der Demobilisierung ihrer
potenziellen WählerInnen, und insbesondere der am meisten von der Krise
Betroffenen, mit einer neuen Ambition entgegenwirken und deshalb eine Konzeption
zur Überwindung des entfesselten Kapitalismus entwickeln.“ Folgerichtig
beteiligte sie sich aktiv an den kommunalpolitischen Auseinandersetzungen in
ihrer Heimatstadt Corbeille Esson.
Elisabeth Gauthier blieb ihrer ehemaligen Heimat Österreich zeitlebens
verbunden. In zahlreichen Initiativen engagierte sie sich für die
französisch-österreichische Beziehungen. Vor allem nach der Bildung der
schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000, die eine heftige Reaktion in der
französischen Öffentlichkeit auslöste, gelang es ihr mit viel Engagement und
Geschick, die Türen für „das andere Österreich“ offen zu halten.
Obwohl Mitglied der Französischen Kommunistischen Partei, deren Nationalkomitee
sie auch angehörte, und trotz ihrer vielfältigen Verpflichtungen in Éspaces
Marx und im europäischen Rahmen stand sie der österreichischen Linken immer
zur Verfügung, wenn sie um Rat und Unterstützung ersucht wurde, zuletzt im
Juni des vergangenen Jahres, als sie an einer öffentlichen Debatte über
Strategien gegen die radikale Rechte teilnahm. Unser Mitgefühl wendet sich
heute ihrer in Paris und in Österreich lebenden Familie zu.
Bundesvorstand der KPÖ