PARTEI
Von: Bundesvorstand der KPÖ (24.11.2014)
Frauenprogrammatische Grundlage der KPÖ, beschlossen vom 36. Parteitag am
18./19.Oktober 2014 durch die Frauenversammlung.
Unter dem Titel frauen.pro.grammatisches ist dieses frauenpolitische,
programmatische Dokument der KPÖ als Broschüre erschienen. Die Broschüre mit
56 Seiten beinhaltet zusätzlich Kurzbiographien von 43 Frauen mit
Portraitzeichnungen von Tatjana Danneberg und kann unter bundesvorstand@kpoe.at
bestellt werden (Spendenempfehlung: Druckkostenbeitrag Euro 3,–)
bzw. steht hier zum Download zur Verfügung.
Einleitung
Auch die nun vorliegende überarbeitete dritte Fassung eines frauenpolitischen
programmatischen Dokuments der KPÖ kann nur den momentanen subjektiven
Wissensstand all jener erfassen, die daran mitgearbeitet haben. Und auch wenn es
unsere Ziel- und Leitvorstellungen zusammenführt, haben wir uns entschieden, es
nicht Frauenprogramm zu nennen, weil wir den Text nicht als abgeschlossen,
sondern als Anregung für weitere Reflexionen und Diskussionen betrachten. Er
ist ein Beitrag der KPÖ-Frauen, um der nach wie vor vorhandenen Geschichts-,
Theorie- und Politiklosigkeit entgegenzuwirken, indem wir sowohl die
Lebensbedingungen von Frauen als auch Frauen als handelnde Subjekte im
21. Jahrhundert in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns rücken.
Die Geschichte des Frauenprogramms ist nicht zu trennen von der Geschichte einer
grundlegenden Erneuerung der KPÖ. Der Zusammenbruch des „Realsozialismus“
1989/1990 bedeutete für die KPÖ den Verlust eines jahrzehntelang geltenden
Bezugspunktes. Eingebettet in die Tradition und das Selbstverständnis des
sowjetisch geprägten Sozialismusverständnisses teilte und verteidigte die
KPÖ aus falsch verstandener Solidarität viele Entwicklungen und Ereignisse,
die aus heutiger Sicht wesentliche Ursachen für das Scheitern des
„Realsozialismus“ waren. Dennoch entschied sich die Mehrheit der KPÖ weder
für Auflösung noch Umbenennung ihrer Partei, sondern für den mühsameren Weg
der Kontinuität und Erneuerung, zur Schaffung einer kommunistischen Partei, in
der die Werte der Demokratie, des Feminismus und der Emanzipation eines
kritischen Marxismus aufgehoben werden, in der Überzeugung, dass es eine linke
Alternative geben muss, der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist. Die
schonungslose Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen war dabei ebenso bedeutend
wie der konkrete Kampf zur Überwindung verinnerlichter Haltungen und
Verhaltensweisen. Die Enteignung der KPÖ durch die deutsche Treuhand
beschleunigte den Prozess, in dem sie die KPÖ zur AktivistInnenpartei machte.
Denn wo es keine bezahlten Funktionen mehr gibt, bleibt nur die Überzeugung,
dass eine andere Welt möglich ist als Motivation des Denkens und Handelns –
und darin üben sich KommunistInnen tagtäglich.
Als die KPÖ im Juni 1990 auf einer frauenpolitischen Konferenz als erste
Partei ein Frauenprogramm beschloss, konnte sie auf die Erfahrungen eines
jahrzehntelangen Engagements von Genossinnen für Frauenrechte und bereits
vorhandene Resolutionen sowie aktionspolitische Orientierungen aufbauen. In
vielen Fragen aber waren es die feministischen Theorien, Diskussionen und Praxen
seit den 70er Jahren, die uns in die Lage versetzten, „Geschlecht“ ebenso
wie „Klasse“ als soziale Strukturkategorie zu begreifen, die soziale
Ungleichheiten und Machtverhältnisse, Privilegien und Diskriminierungen in
allen gesellschaftlichen Dimensionen beschreibt und, wenngleich mit der
Klassenstruktur vielfältig verwoben, gegenüber dieser Eigenständigkeit
besitzt. Wir kamen zum Schluss, dass so wie die antikapitalistische auch die
antipatriarchale und die antirassistische Orientierung in einer gemeinsamen
Strategie aufgehoben werden müssen. Die Aufkündigung des historischen
Geschlechterkompromisses, „Schulter an Schulter“ mit den Genossen Kämpfe
zu führen, in denen Geschlechterverhältnisse unbesprochen und unberührt
bleiben, ist eine Voraussetzung für grundlegende Veränderungen. Ohne den
politischen Kampf gegen Männerprivilegien kann sich die weibliche
Subjektwerdung nicht entfalten. Der Geschlechterkampf braucht weiblichen Raum,
weibliche Identität, Eigenständigkeit, Parteilichkeit und Autonomie.
Um ein kleines Stück der Vielfalt von Frauengeschichte sichtbar zu machen,
haben wir auf den kommenden Seiten Biographien von Frauen zusammengetragen,
denen die Erkenntnis gemeinsam ist, dass wir politische Subjekte werden müssen,
wenn wir Veränderung wollen. Eine Frau möchten wir prominent an dieser Stelle
würdigen, die Ehrenvorsitzende der KPÖ und des Bundes Demokratischer Frauen
Österreichs, Irma Schwager, die bis heute an unserer Seite kämpft und deren
heute 94-jähriges Leben durch ein unermüdliches und mutiges Engagement für
eine gerechtere Welt, für Frauenrechte, gegen Krieg und Faschismus
gekennzeichnet ist.
1938 floh sie vor den marschierenden Nazitruppen und den ihnen zujubelnden
Menschen nach Belgien, dann weiter nach Frankreich, wo sie zuerst in einem
Internierungslager festgehalten wurde. Erst nach mehreren Fluchtversuchen konnte
sie nach Paris geschleust werden und erhielt die Aufgabe, deutsche Soldaten
durch Gespräche und Agitationsmaterial von der Sinn- und Ausweglosigkeit des
Krieges zu überzeugen. Eine Aufgabe, die mit Folter und Tod hätte enden
können und für nicht wenige junge Frauen auch geendet hat.
1945 kehrte sie nach Wien zurück und musste in den darauffolgenden Jahren
erleben, wie einerseits Nazis und Antisemiten in führenden Positionen
verblieben und andererseits der Antikommunismus geschürt wurde. Letzteres ist
sicher ein Grund, warum sie erst 2014 in hohem Alter mit dem Preis für
Zivilcourage des österreichischen Frauenringes eine öffentliche Ehrung
erfuhr.
Irma Schwager hat jahrzehntelang in leitenden Gremien der KPÖ die Partei
mitgeprägt und für Frauenpolitik und weibliche Lebenszusammenhänge
sensibilisiert. Sie war an der Erarbeitung und Diskussion des ersten
Frauenprogramms intensiv beteiligt.
Als verantwortliche Sekretärin im Bund Demokratischer Frauen und ab 1972 als
dessen Vorsitzende leistete sie Entscheidendes im Kampf um Frauenrechte, zum
Beispiel für die Reform des Familienrechts und die Fristenregelung.
Besondere Bedeutung hat für sie bis heute der Internationale Frauentag, zu dem
jedes Jahr in Wien und oft auch in anderen Städten in Österreich zu
Demonstrationen aufgerufen wird. Anfang der 80er Jahre gelang es erstmals
gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, eine breite Plattform für diese
Demonstrationen zu bilden, auch daran war Irma Schwager maßgeblich
beteiligt.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei Irma Schwager – stellvertretend für
alle unsere Vorkämpferinnen – aufrichtig bedanken.
Heidi Ambrosch, Frauenvorsitzende der KPÖ
Frauen
leisten zwei Drittel der Arbeit, produzieren die Hälfte der Lebensmittel,
verfügen aber nur über zehn Prozent des weltweiten Einkommens und ein Prozent
des Vermögens. Fast zwei Drittel der Armen auf der Welt sind Frauen, und Frauen
sind überdurchschnittlich oft erwerbsarbeitslos. Diese nüchternen Angaben
der UNO verdeutlichen ökonomische und patriarchale Machtverhältnisse als
globales Problem.
Bereits vorhandene Ansätze, patriarchale Vormacht zurückzudrängen, fallen
zunehmend dem im Zeichen von Neoliberalismus und internationaler Konkurrenz
stehenden Gesellschaftsumbau und der entsprechenden Wirtschaftspolitik zum
Opfer. Die Folgen dieses Wandels und dadurch ausgelöster Verunsicherungen bei
vielen Menschen zeigen sich unter anderem im Erstarken nationalistischer,
religiös-fundamentalistischer Bewegungen, biologistischer oder
antifeministischer Ideologien, antiislamischer Hetze und in der Zunahme
neofaschistischer, rechtsradikaler, antiziganistischer und antisemitischer
Tendenzen.
Frauen kämpfen gegen patriarchale Strukturen, Sexismus, Rassismus
und anhaltenden Kolonialismus
Die Welt von heute ist in dreierlei Hinsicht durch Ausbeutung und Herrschaft
gespalten: durch das Patriarchat, den Kapitalismus und den wirtschaftlichen,
politischen und militärischen Kolonialismus, das heißt durch Plünderung der
natürlichen Ressourcen und die Ausbeutung der Menschen des globalen Südens
durch die Zentren des kapitalistischen Reichtums und der militärischen Macht im
Norden. Kapitalismus besteht in der Verwandlung der Mehrheit der Bevölkerung in
Arbeitskräfte, in Waren, die auf einem Markt, dem Arbeitsmarkt, gehandelt
werden. Doch zwischen VerkäuferInnen und KäuferInnen der Ware Mensch besteht
keine Chancengleichheit. Die einen verkaufen ihre Arbeitskraft, um zu leben. Und
die anderen kaufen sie, um sie in der Produktion anzuwenden und aus dem Absatz
des Produzierten mehr Wert zu erlösen, als sie für den Kauf der Arbeitskräfte
eingesetzt haben. Die einen arbeiten, um zu leben; die anderen lassen arbeiten,
um mit Profit zu verkaufen! Kapitalismus ist also diejenige Gesellschaftsform,
in der Besitz von Kapital Wenigen die Macht einräumt, Profit aus der Aneignung
fremder Arbeit zu ziehen: sei es der in Betrieben und Dienststellen erbrachten
oder im Rahmen prekärer Werkverträge oder scheinselbständiger Tätigkeit
geleisteten oder aber der von Frauen vornehmlich unentgeltlich erbrachten Arbeit
zur Bereitstellung und Aufrechterhaltung der Arbeitskraft, der
„Reproduktionsarbeit“.
Seit 300 Jahren beherrscht dieses Prinzip die Welt. In dieser historisch kurzen
Periode wurde die Erde im Guten wie im Schlechten verändert. Großem
technologischem Fortschritt steht große Zerstörung durch Kriege und
Umweltschäden gegenüber; zivilisatorische Errungenschaften werden durch
Entfremdung und Entmenschlichung der Beziehungen entwertet. Die jüngste große,
2008 einsetzende Weltwirtschaftskrise zeigt ebenso wie das Elend im globalen
Süden und die drohende Ökokatastrophe, dass menschlicher Fortschritt die
Überwindung des kapitalistischen Prinzips der Gesellschaften verlangt.
Den kolonialen, patriarchalen Strukturen und Traditionen ausgeliefert zu sein,
heißt für viele Frauen und Mädchen, mit Gewalt in unterschiedlichen Formen
konfrontiert zu werden. Frauen und Mädchen können sich in vielen Teilen der
Welt nicht nach ihren Vorstellungen und Potenzialen entwickeln und ein Leben in
Würde und Unversehrtheit leben – sie werden durch wirtschaftliche,
politische und soziale Strukturen eingeschränkt.
Auch die Porno-Industrie schöpft Gewinne aus der Armut von Frauen und Kindern.
Renommierte Konzerne vor allem der Pharma-, Chemie- und
Nahrungsmittelindustrie nutzen die Abhängigkeit und patriarchale Strukturen
für ihre Profite: Frauen werden für Massenexperimente (z.B.
Empfängnisverhütung) missbraucht oder durch Programme zur Geburtenkontrolle
zur Sterilisation gezwungen. Ebenso werden neue Reproduktionstechnologien als
Werkzeug der Frauenverachtung eingesetzt: Zwangsabtreibung weiblicher Föten,
Geschäfte mit der Leihmutterschaft, Fortpflanzungs-Experimente mit dem
„Rohstoff Frau“. Ins Extrem getrieben, werden Kinder als „Rohstofflager“
für Organtransplantationen verstümmelt.
Weite Teile von Ländern wie Thailand oder die Philippinen wurden für einen
internationalen Prostitutionstourismus von Männern aus den Industrienationen
zu Bordellen degradiert. Ein umfangreicher Menschenhandel mit Frauen und
Mädchen aus Entwicklungsländern und Osteuropa schafft ständigen
„Nachschub“ für Zuhälterkartelle und Mafia in den kapitalistischen
Metropolen. Für viele Frauen ist der Verkauf ihres Körpers einzige
Überlebensmöglich nicht nur in den Ländern des globalen Südens, sondern
zunehmend auch in den neuen EU-Ländern und in Österreich. Die Aufmerksamkeit
darf sich nicht auf restriktive Verbote richten, die in die Illegalität
führen, sondern sie muss abgesicherte Arbeits- und Lebensbedingungen von
Sexarbeiterinnen im Blick haben. Die Frauenbewegung hat dieses Problemfeld
erkannt und diskutiert Lösungsmöglichkeiten in unterschiedlichen
Ansätzen.
Jedoch in allen Ländern der Welt gibt es Widerstand gegen Ausbeutung und
Unterdrückung.
Frauen wollen selbst entscheiden, ob und wie viele Kinder sie bekommen; sie
verlangen den Zugang zu Verhütungsmitteln und die Möglichkeit,
Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, sie fordern ein Ende der
Genitalverstümmelung und protestieren gegen unfreiwillige Sterilisation
(Women’s Global Network for Reproductive Rights).
Frauenbewegungen des Südens kämpfen für Arbeitsrechte, sei es im formellen
oder im informellen Wirtschaftssektor. Organisationen aus Bangladesch, China
oder Kambodscha kooperieren mit Organisationen und Kampagnen im Norden, wie z.
B. mit der Clean Clothes Kampagne, und fordern existenzsichernde Löhne und die
Freiheit, sich zu organisieren. Migrantinnen, die in privaten Haushalten
arbeiten, kämpfen im International Domestic Workers Network für ihre Rechte
als Haushaltsarbeiterinnen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.
Internationale Netzwerke wie DAWN verlangen soziale und ökonomische
Gerechtigkeit; die indische Organisation SEWA organisiert als Gewerkschaft
hunderttausende Arbeiterinnen. La Strada International ist eine der
internationalen Organisationen, die gegen Menschenhandel vor allem in Osteuropa
kämpfen. Tampep (European Network for HIV/STI Prevention and Health Promotion
among Migrant Sex Workers) fordert bessere Bedingungen für
SexarbeiterInnen.
Globale Entwicklungen
Im 21. Jahrhundert ist ein tiefgreifender Wandel der globalen kapitalistischen
Dynamik zu verzeichnen, der durch die neuen Mächte unter den
Entwicklungsländern herbeigeführt wird. So hat China Japan als zweitgrößte
Wirtschaftsmacht der Welt überholt. Laut der Zukunftsprognosen des
2013 erschienenen UNO-Berichtes über die menschliche Entwicklung wird
2020 die Wirtschaftsleistung von den drei führenden
Entwicklungsländern – Brasilien, China und Indien – die
Gesamtproduktion von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien
und den USA übersteigen. Aber Wirtschaftswachstum lässt sich nicht automatisch
als Fortschritt der menschlichen Entwicklung interpretieren. Ein Blick in die
Welt zeigt, dass Zuwächse beim Human Development Index auch einhergehen mit
größerer Einkommensungleichheit, nicht nachhaltigem Konsum und hohen
Militärausgaben. Die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen in den armen
Ländern wird durch wachsende Ungleichheit und durch die anhaltende
Ernährungskrise geschürt. Die dramatische Klimaentwicklung erfordert ein
Umdenken über Wachstum vor allem in den bereits entwickelten Industrienationen,
da die globalen Herausforderungen für nachhaltige Entwicklung immer komplexer
werden und grenzüberschreitend sind.
Wesentliches Merkmal der neoliberalen Globalisierung ist der Abbau von
Regelungen aller Art zugunsten der Akkumulations- und Wachstumstendenzen von
Kapital und Wirtschaft. Durch die Liberalisierung der Finanzmärkte wurde der
Prozess der zunehmenden Abkopplung des Finanzkapitals von den Realwirtschaften
beschleunigt, die Finanzmärkte wurden Motor und Zentrum des globalen,
unregulierten Kapitalismus.
Internationale wie europäische Finanz- und Währungsinstitutionen und
staatliche Regulierung dienen den Interessen einiger weniger Finanz- und
Industriegiganten. Die finanziellen Transaktionen und Spekulationen dehnten sich
in gewaltigen Dimensionen und in rasantem Tempo aus, erzeugten immer größere
Spekulationsblasen, deren Platzen zu weltweiten wirtschaftlichen und sozialen
Erschütterungen führte.
Die Finanzmärkte sind ein Reservat patriarchaler Verhältnisse. Prinzipiell ist
die Partizipation von Frauen dort, wo die Einkommen überdurchschnittlich hoch
sind, nach wie vor gering. Frauen werden im Finanzsektor vor allem als
Teilzeitbeschäftigte und Niedrigentlohnte im Kundendienst von Banken und
Versicherungen einbezogen. Die Chefinnen der US-amerikanischen Notenbank und des
IWF sind die Ausnahme, die zu keiner generellen Veränderung führen werden und
wollen.
Weltbank und Weltwirtschaftsforum haben die neuen weiblichen Akteurinnen auch
auf andere Weise wahrgenommen und folgern, dass kein Land, das auf dem Weltmarkt
konkurrieren will, es sich leisten kann, das „Human- und Sozialkapital“
seiner Frauen zu vernachlässigen und ungenutzt zu lassen. So wurden auch
frauenspezifische Finanzmarktinstrumente erfunden wie Mikrokredite für
„arme“ Frauen zunächst in den Ländern des globalen Südens, inzwischen
auch im Norden. Dazu zählen z.B. auch die Subprime-Hypothekenkredite für
einkommensschwache Bevölkerungsgruppen in den USA, die sehr häufig von Frauen
in Anspruch genommen und zur Schuldenfalle wurden, als die Blase der verbrieften
Hypothekenkredite platzte.
Die Nord- und Südperspektive auf Krisenrealitäten
Als unmittelbar von der Krise Betroffene standen zunächst die
KreditnehmerInnen, AnlegerInnen und FondseignerInnen der insolventen Banken als
„VerliererInnen“ im öffentlichen Interesse, später aber auch Entlassene
aus diesen Branchen.
Vor allem die Exportsektoren litten unter sinkenden Investitionen und sinkender
Nachfrage. Im Norden traf das die männlich dominierten Schlüsselindustrien wie
die Automobilproduktion, Maschinenbau und Stahlindustrie, aber auch Banken und
die IT-Branche; im Süden die arbeitsintensiven frauendominierten
Verarbeitungsindustrien wie Textil- und Elektronikherstellung. In den USA
waren 80 Prozent der Entlassenen Männer, in Kambodscha waren es zu 90 Prozent
Frauen.
Privatisierung von Lasten durch Sozialabbau und das Abwälzen von Kosten auf die
Bevölkerungen zieht zusätzliche Versorgungsarbeiten in den Haushalts- und
Gemeindeökonomien nach sich. Sie werden jedoch in keiner Statistik sichtbar,
weil überwiegend Frauen sie unbezahlt, ehrenamtlich und auf Selbsthilfebasis
leisten. Für Frauen im Süden verschärft die globale Krise ihre permanente
Überlebensnot. Ernährungsengpässe, Umweltschäden, Krankheiten und das
Schrumpfen des öffentlichen Sektors verlangen ihnen immer neue
Überlebenskünste ab.
Die konjunkturpolitischen Maßnahmen, Bankenrettungsschirme und
Wirtschaftsförderungspakete der Regierungen verpflichteten diese in erster
Linie der Reparatur des von Industrie- und Finanzkapital dominierten Systems,
das auf dem Modell vom „Ernährermann“ basiert. Nach dem Kriterium der
Systemrelevanz – „Too big to fail“ („Zu groß, um zu scheitern“) –
stellen die Regierungen Milliarden an Steuergeldern für insolvente Banken und
Überproduktionsindustrien bereit. Im Namen der Stabilisierung betreiben sie
damit in einem immensen Ausmaß Umverteilung von unten nach oben, während
gleichzeitig Verluste und Risiken von oben nach unten verschoben und
sozialisiert werden.
Diese Orientierung zeigte sich am Beispiel der Abwrackprämie in Deutschland,
während die weiblich dominierten Branchen der sozialen Infrastruktur nicht
gefördert, sondern unter dem Druck angeblich leerer öffentlicher Kassen
ausgehungert werden.
Damit ignoriert die Politik die Krise der sozialen Reproduktion. Statt
sozialpolitische Ziele von Anfang an in die Konjunkturpakete einzubauen und
soziale Dienstleistungen als Zukunftsbranchen zu entwickeln, werden
sozialstaatliche Strukturen abgebaut und zerstört. Die Krise wird als Treibsatz
des neoliberalen Umbaus genutzt: mehr Deregulierung durch Prekarisierung der
Arbeitsverhältnisse, weitere Liberalisierung durch neue Freihandelsverträge
und mehr Privatisierung durch Auslagerung, um den öffentlichen Sektor zu
reduzieren und auf Sparkurs zu bringen. Die Krise demontiert dabei das
traditionelle Modell des männlichen Ernährers auf dem Markt der Erwerbsarbeit,
da sie den „Familienlohn“ als Existenzsicherung aller Familienmitglieder de
facto abschafft. Erwerbsarbeit durch Frauen erlangt mehr Bedeutung und nimmt vom
Ausmaß her weiter zu, allerdings bei gleichzeitiger Kontinuität struktureller
Diskriminierungen und Ungleichheit.
Ein Zeichen, um auf die in der Entlohnung bestehende Kluft zwischen Männern und
Frauen am Erwerbsarbeitsmarkt aufmerksam zu machen, ist der „Equal Pay Day“,
der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Männern und
Frauen. Er ist in Österreich 2013 für den 8. Oktober berechnet worden.
Demnach leisten Frauen 85 Tage Gratis-Erwerbsarbeit im Jahr.
Frauen zwischen Ausbeutung und Empowerment
Frauen sind auf den Märkten immer noch die „anderen“, minderbewerteten und
deshalb minderbezahlten Akteurinnen. Nach neoliberaler Diktion würden ihnen
aber als freie und gleiche Subjekte gleiche Chancen zum individuellen Aufstieg
durch Leistung offenstehen. Feministische Zielorientierungen wie wirtschaftliche
Unabhängigkeit, gleiche Karrierechancen und individuelle Autonomie scheinen
sich damit zunächst mit den zentralen Prinzipien der neoliberalen globalen
Märkte von Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und
Selbst-UnternehmerInnentum zu treffen. Da diese „Unternehmerinnen ihrer
selbst“ aber sehr ungleich mit Kapital, Ressourcen und Potentialen
ausgestattet sind, haben sie höchst unterschiedlichen und meist keinen Einfluss
darauf, wie sie als Ressource genutzt und in die kapitalistische Verwertung auf
den globalen Märkten einbezogen werden.
Das „ökonomische Empowerment“ durch Lohnarbeit, Mikrokredite und andere
Marktinstrumente, das mit der Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung
einhergeht, gibt Frauen keine Macht, ökonomische und soziale Verhältnisse
anders zu gestalten, sondern integriert sie und steigert sowohl die Konkurrenz
als auch die Effizienz auf den Märkten. Auf der anderen Seite ist die
Beteiligung an Erwerbsarbeit für Frauen und das damit erzielte Einkommen selbst
dann ein emanzipatorischer Schritt heraus aus der Abhängigkeit vom
„Ernährermann“, wenn sie für eine selbstständige Existenzsicherung nicht
ausreicht.
Weltweit steigt der Frauenanteil an den Beschäftigten weiter an, ihr Anteil am
gesamten Erwerbsarbeitsvolumen stagniert aber seit den 90er Jahren. Die Zahl
der berufstätigen Frauen nimmt also zu, während Vollzeitstellen stark
sinken.
Das Projekt Europa
Das Projekt eines gemeinsamen Europa ist in einer allgemeinen
gesellschaftlichen, politischen und moralischen Krise. Der europäische
Integrationsprozess war zu keiner Zeit seit 1945 gesichert. Zuerst – im
Ergebnis des 2. Weltkriegs – nach zwei völlig verschiedenen Systemen hin
ausgerichtet, dominiert jetzt die unter der Hegemonie des Kapitalismus stehende
Entwicklung. Trotz des offensichtlichen und weiter forcierten Machtzuwachses der
EU werden die schweren sozialen, humanitären und ökologischen Defizite dieser
Integration immer deutlicher. Das Grundproblem ist, dass die durch die
EU-Verträge liberalisierten Märkte und insbesondere die europäischen
Finanzmärkte keiner demokratischen Kontrolle unterliegen.
Die 2008 ausgelöste Krise hat die Grundlagen der europäischen Integration
zutiefst erschüttert und stellt die Sozialsysteme bzw. den Sozialstaat
fundamental in Frage. Dabei setzt die europäische Oligarchie zunehmend
autoritäre Methoden ein, um das neoliberale Regime zu erhalten, ungeachtet
breiten Protestes und Widerstands in vielen Ländern der EU. Demokratie und
Frieden sind in Gefahr. Die religiös, rassistisch, homophob, sexistisch und
nationalistisch motivierte Diskriminierung nimmt zu, obwohl
Antidiskriminierungsgesetze dem entgegen wirken sollen. Das gemeinsame Haus
Europa entwickelt sich für einen Großteil der Bevölkerung zu einem Armenhaus:
Fast jeder und jede vierte EinwohnerIn der Europäischen Union –
115 Millionen Menschen – waren 2010 von Armut oder sozialer Ausgrenzung
bedroht. Insbesondere Alleinerziehende, MigrantInnen und Jugendliche sind stark
betroffen. Das Anwachsen von Armut und sozialer Ausgrenzung ist nicht einfach
ein Ergebnis der wirtschaftlichen Krise, sondern die Folge einer gezielten
Politik der nationalen Regierungen der Mitgliedsländer und den Institutionen
der Europäischen Union. Trotz der alarmierenden Zahlen fahren diese fort,
Sozialausgaben zu streichen, das Pensionsalter hinaufzusetzen, öffentliche
Arbeitsplätze abzubauen und den Niedriglohnsektor auszuweiten – alles
Maßnahmen, die die Armut ausdehnen und vertiefen. Die europäischen Märkte
müssen demokratischer Regulierung und Kontrolle unterworfen werden, dies ist
nur auf europäischer Ebene möglich. Um den zerstörerischen Wettbewerb zu
unterbinden, in den der Neoliberalismus die europäischen Gesellschaften hetzt,
ist erforderlich, auf EU-Ebene soziale und ökologische Mindeststandards und
Gewinnsteuern durchzusetzen. Notwendig ist eine Kapitaltransaktionssteuer
(Tobin-Tax). Die Europäische Zentralbank, das Herzstück des europäischen
Finanzsystems, muss zu einem Instrument bei der Finanzierung der öffentlichen
Dienste und des ökologischen Umbaus werden. Dazu muss die EZB demokratisch
kontrolliert werden. Ziel der Wirtschaftspolitik muss ein armutsfestes Sozial-,
Bildungs- und Gesundheitssystem sein, eine ökologisch nachhaltige Entwicklung
und Beschäftigungsverhältnisse, die allen zugänglich und durch hohe
Mindeststandards und starke Rechte der Beschäftigten reguliert sind. Diese
Kämpfe sind sowohl in den einzelnen EU-Ländern als auch auf der europäischen
Ebene zu führen. Deshalb ist für uns die Zusammenarbeit mit anderen Linken in
Europa von großer Bedeutung, die KPÖ ist Mitglied der Europäischen
Linkspartei und aktiv in ihrem feministischen Netzwerk.
Militarisierung der Gesellschaften
Militarisierung und Ausbau der Überwachung begleiten den neoliberalen Umbau der
Gesellschaften. Mit den Anschlägen am 11. September 2001 im Herzen von New
York, durch die 2.753 Menschen getötet wurden, begann mit dem Titel „Krieg
gegen den Terror“ ein ungeheurer Schub an weltweiten Kriegseinsätzen,
Rüstungsentwicklungen und neuen Überwachungsmethoden. Dabei werden immer
mehr militärische Produkte unter dem Aspekt der „Sicherheit“ eingesetzt.
Der hohe Grad an privater elektronischer Vernetzung, spezielle
Überwachungstechniken wie zum Beispiel Drohnen, die Liberalisierung der
entsprechenden gesetzlichen Schutzbestimmungen und die schrankenlose Ausweitung
geheimdienstlicher Befugnisse unterhöhlen die demokratischen Voraussetzungen
der Gesellschaften.
Auch in der EU schreitet die Militarisierung voran. Seit dem Vertrag von
Lissabon im Jahr 2009 wird nicht mehr nur die sogenannte Sicherheitsforschung
aus dem EU-Haushalt finanziert, sondern auch direkte Militärausgaben und
Rüstungsforschung.
Frauen auf der Flucht
Hier zeigt sich eine völlig falsche Entwicklung in den letzten Jahren. Bedingt
durch die Asylpolitik der europäischen Länder, gibt es keine legale
Möglichkeit zur Einreise in viele Länder der Europäischen Union. Die
Möglichkeit eines Asylantrages in den Botschaften wurde vor Jahren abgeschafft.
Gerade für Frauen – deren Fluchtgründe vielfältig sind und deren
Verfolgung oft ganz andere Gründe hat – wird es dadurch noch schwieriger, in
ein sicheres Land zu kommen. Hier muss es endlich zu einer gendergerechten
Judikatur kommen, die es Frauen ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben in einer
sicheren Umgebung zu führen.
Des Weiteren müssen die Dubliner Abkommen sofort außer Kraft gesetzt werden.
Der Abschottung der EU-Außengrenzen, die im Schengener Abkommen geregelt ist,
werden Menschrechte und einfache humane Werte geopfert. Nicht erst die
erschütternden Bilder der ertrunkenen Flüchtlinge aus Afrika in Lampedusa
zeigten die Unmenschlichkeit der international herrschenden Ungleichheit und des
Einwanderungsregimes der EU.
Die damit verbundene massive Entdemokratisierung wird auch durch die
Grenzschutzagentur Frontex verdeutlicht. Diese Institution ist vom EU-Parlament
nicht kontrollierbar. Die Entscheidungsmacht liegt allein bei der EU-Kommission
und dem EU-Rat, die wiederum aus den nationalen Regierungschefs bestehen,
wodurch sich die Interessen der großen Staaten – Deutschland, Frankreich und
Großbritannien – durchsetzen.
Österreichs „Sicherheits“politik
In der 2013 beschlossenen „Sicherheitsstrategie“ des Parlaments
erklärten SPÖ, ÖVP und FPÖ ihr ausdrückliches Bekenntnis zur Teilnahme an
der EU-Militarisierung „in allen ihren Dimensionen“. Diesem Papier zufolge
soll Österreich als Mitglied der EU die „Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik“ (GASP) aktiv mitgestalten und sich an allen
EU-Militärmissionen sowie finanziell an allen strategischen
EU-Rüstungsprojekten beteiligen. Der NATO-Beitritt Österreichs wird nun auch
von den früheren Verfechtern kaum noch thematisiert: die europäische
„Nato-Partnerschaft für den Frieden“ und die österreichische Beteiligung
an „EU-Battle-Groups“ reichen auch den militaristischen Hardlinern aus.
Für Auslandseinsätze werden bereits seit einigen Jahren österreichische
Soldatinnen und Soldaten im Rahmen dieser „Battle-Groups“ ausgebildet. Diese
sollen flexibel und innerhalb kürzester Zeit für Einsätze im Umkreis von
6000 Kilometern rund um Brüssel zur Verfügung stehen. Explizit sollen diese
Einheiten auch zur „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beim Auftreten
von Unruhen“ eingesetzt werden. Dies könnten z. B. auch Großdemonstrationen
oder Streiks in den europäischen Ländern nach brutalen Sparmaßnahmen und
massiven Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen sein.
Militärische Interventionen außerhalb Europas sollen dazu dienen, den Zugang
zu Ressourcen wie Energie und Rohstoffen aus der ganzen Welt unter den gegebenen
ungerechten Weltwirtschaftsbeziehungen durchzusetzen.
Alle Meinungsumfragen seit 25 Jahren und nicht zuletzt die Volksbefragung zu
Beginn des Jahres 2013 zeigen den klaren und eindeutigen Wunsch einer breiten
Mehrheit der Menschen in Österreich nach Aufrechterhaltung der immerwährenden
Neutralität. Diese verpflichtet Österreich, auf die Anwendung militärischer
Gewalt bei der Verfolgung wirtschaftlicher und politischer Interessen zu
verzichten. Sie erfordert, bereits in Friedenszeiten alles zu unternehmen, um
nicht in kriegerische Auseinandersetzungen einbezogen zu werden.
Die antimilitaristische Haltung der KPÖ hat eine lange Tradition. Schon für
die Gründung der selbstständigen kommunistischen Bewegung war ausschlaggebend,
dass die Sozialdemokratie am Vorabend des 1. Weltkrieges ihre
internationalistische Politik den nationalen Regierungen und ihren
Kriegsbestrebungen unterordnete. Nach dem 2. Weltkrieg kämpfte die KPÖ gegen
die Re-Militarisierung Österreichs und orientierte auf eine unbewaffnete
Neutralität. Sie unterstützte 1972 ein Volksbegehren und 1991 die Bewegungen
zur Abschaffung des Österreichischen Bundesheeres unter dem Titel
„Öster/Reicher ohne Heer“. Heute vertritt die KPÖ die Forderung, das
Bundesheer aufzulösen und Katastrophenschutz und zivile Hilfsdienste
auszubauen.
Unsere Orientierungen:
* Internationale Frauensolidarität ist uns ein zentrales Anliegen. Weltweit sind Frauen Aktivistinnen von Friedens-, Bürgerrechts- und Umweltbewegungen. Sie fordern den schonenden Umgang mit der Natur und soziale Verantwortung beim Einsatz und der Entwicklung neuer Technologien. In Gewerkschaften und in sozialen Bewegungen kämpfen Frauen um eine gerechtere Verteilung der Einkommen und Güter und setzen der internationalen Kumpanei der Konzerne ihre Solidarität entgegen. Eine gemeinsame Grundlage der weltweiten Kämpfe um Geschlechtergerechtigkeit ist die internationale „Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frauen“ (CEDAW).
Arbeit ist ein zentrales Feld gesellschaftlicher Austauschbeziehungen. Sie
verbindet Menschen miteinander, ist Zweck und Mittel ihrer Kooperation. In der
Arbeit vergegenständlichen sich Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und
besondere Talente. So führt Arbeit zu Wertschätzung. Seit jeher diente Arbeit
der Existenzsicherung – der Reproduktion im unmittelbaren und erweiterten
Sinn. Alle Klassengesellschaften haben gemeinsam, dass Menschen sich die
Ergebnisse der Arbeit anderer Menschen aneignen, in der kapitalistischen
Gesellschaft in Form der Lohnarbeit. In ihr wird nur die
Erwerbsarbeit/Lohnarbeit tatsächlich wertgeschätzt. Die Reproduktionsarbeit
(Haushaltsarbeit, Kinder versorgen und erziehen, alte und kranke
Familienmitglieder pflegen und ihr Leben teilen, nachbarschaftliche
Unterstützung und Fürsorge) ist, solange sie in der Familie geleistet wird,
nicht bezahlt und damit gesellschaftlich wenig bis gar nicht wertgeschätzt.
Traditionell wird diese Reproduktionsarbeit den Frauen zugewiesen.
Als Erwerbsarbeiterinnen waren Frauen zunächst in der kapitalistischen
Gesellschaft willkommen, wo nicht ausreichend männliche Arbeitskraft zur
Verfügung stand, abhängig von der Konjunktur: bei Tätigkeiten mit geringer
Qualifikation, in Kriegszeiten, wenn Männer Soldaten sein mussten, in staatlich
verwalteter Pflege alter und kranker Menschen sowie in der Betreuung und
Erziehung der Kinder.
Inzwischen hat ein großer Teil der Frauen Anteil an der Lohnarbeit. 2012 waren
in Österreich nur zehn Prozent weniger Frauen als Männer im erwerbsfähigen
Alter berufstätig. Allerdings: Im Jahresmittel hatten unselbstständig
beschäftigte Frauen um ein Drittel weniger Einkommen als ihre männlichen
Kollegen.
Mit dem Einzug der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in die
kapitalistische Wirtschaft hat die Arbeitswelt sich rasant zu ändern begonnen.
Das betrifft nicht nur die Tätigkeiten der Beschäftigten, sondern auch die
Formen der Profitsicherung auf Kosten der Lohnarbeit Leistenden. Da durch
Rationalisierung der Arbeitsprozesse weniger menschliche Arbeitskraft benötigt
wird, werden Arbeitskräfte statt in unbefristeter Vollzeitanstellung in
Teilzeit beschäftigt, auch geringfügig, in befristeten oder freien
Dienstverträgen (ohne Sozialabgaben der Dienstgeber) oder als
LeiharbeiterInnen. Teilzeitarbeit heißt auch immer Teilzeitverdienst, geringe
Aufstiegschancen, höhere Arbeitsintensität und geringere Pensionen.
Der Anteil der Frauen an solchen „atypischen" Beschäftigungsverhältnissen ist bedeutend höher als der von Männern. Fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen, aber „nur“ 14 Prozent der erwerbstätigen Männer arbeiten in solchen Beschäftigungsverhältnissen. Das bedeutet für sie: der Verdienst ist nicht existenzsichernd, es gibt keine oder nur eine schlechte Kranken- und Pensionsversicherung, sie leben im Druck der Ungewissheit, wie lange der Arbeitsplatz ihnen erhalten bleibt. Daher üben einige von ihnen eine zweite Erwerbsbeschäftigung aus – ein Viertel mehr Frauen als Männer stehen in zwei Beschäftigungsverhältnissen.
Seit den 80er Jahren werden verstärkt Angriffe auf Schutzbestimmungen, kollektivvertragliche Regelungen und erkämpfte Rechte geführt. Flexible Arbeitszeiten täuschen vor, die Arbeitszeit könnte nach individuellen Wünschen gestaltet werden. Tatsächlich aber werden diese den Profitinteressen angepasst und als Sachzwänge des jeweiligen Unternehmens oder als EU-Vorgabe ausgegeben. In vielen Fällen werden Frauen als Vorreiterinnen von Deregulierungsstrategien herangezogen, wie das etwa beim Nachtarbeitsverbot geschehen ist. Der dramatische Anstieg geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, etwa im Handel, geht vorwiegend zu Lasten der Frauen, die – nur unfallversichert – sozialrechtlich nicht abgesichert sind. Ferner entstehen unter dem Deregulierungsdruck ganz neue, insbesondere Frauen zugemutete Formen von Beschäftigung, etwa das „Homeservice“, bei dem das Arbeitsmarktservice Leiharbeit für private Haushalte zu Niedriglöhnen per „Dienstleistungsscheck“ bereitstellt.
Die neuen Arbeitsbedingungen machen krank. Immer häufiger sind wir mit
Krankheitsformen wie Burnout oder anderen psychischen Erkrankungen konfrontiert.
Mobbing ist keine Ausnahmeerscheinung im Arbeitsleben. Der Druck, die Angst, die
Perspektivlosigkeit in einer verrohten Arbeitswelt bringen viele Menschen an die
Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Viele gehen trotz Krankheit zur Arbeit.
Wird die Reproduktionsarbeit inzwischen auch geteilt zwischen Frauen und
Männern? Kaum. 2010 erbrachte jede zehnte Frau in Österreich
Betreuungsleistungen für hilfsbedürftige Verwandte, aber nur jeder
17. Mann. Von der Hälfte aller erwerbstätigen Eltern in Österreich betreuten
zu 31 Prozent Männer, aber zu 78 Prozent Frauen die Kinder während der
Arbeitszeit der PartnerIn, weil keine Betreuungseinrichtung zur Verfügung
stand. Die Möglichkeit der Elternkarenz nutzten 20 Mal mehr Mütter als
Väter.
Bereits diese wenigen Zahlen zeugen von der anhaltenden Schlechterstellung der
Frauen in der Erwerbsarbeit und von dem Maß an Verantwortung und Leistung, das
sie mit der Haus- und Sorgearbeit auf sich nehmen. Was die Zahlen nicht zeigen,
ist die Bedeutung der Rahmenbedingungen für die Biografien von Frauen: für die
Alleinerzieherin, die vom AMS vermittelte Jobs wegen der vorgegebenen
Arbeitszeit nicht annehmen kann, weil diese nicht mit den Öffnungszeiten der
Kinderbetreuungseinrichtung zusammenpasst; für die Akademikerin, die mit
ihrem Kleinkind keinen ihrer Qualifikation entsprechenden Job an ihrem Wohnort
findet und schließlich als Teilzeitsekretärin arbeitet; für die Frau, die
nach einigen Jahren, in denen sie ihre Kinder versorgt und einen Verwandten
gepflegt hat, wieder arbeiten gehen will und feststellen muss, dass immer die
jüngeren BewerberInnen genommen werden; für die Migrantin, deren Ausbildung
nicht anerkannt wird; für die Frau, die Jahrzehnte für Mann und Kinder gesorgt
hat und von einer sehr geringen Pension überleben muss, nachdem sie sich doch
hat scheiden lassen, als die Kinder aus dem Haus waren; für die junge Frau, die
nach Abschluss ihres Studiums immer nur Praktika angeboten bekommt, ein
bezahltes immerhin, dafür fragt sie der Chef beim Vorstellungsgespräch, ob
sie schwanger ist, ob sie einen Freund hat und wie ihre Familienplanung
ausschaut.
An der grundsätzlichen Teilung der Arbeit in gesellschaftlich geschätzte, weil
bezahlte Erwerbsarbeit einerseits und unbezahlte, ja unsichtbare
Reproduktionsarbeit andererseits hat sich also nicht viel geändert. Tendenziell
wird nach wie vor die Erwerbsarbeit den Männern zugeordnet und gilt als
Eintrittskarte in die Gesellschaft, wiewohl sie für viele Erwerbstätige nicht
mehr existenzsichernd ist. Reproduktionsarbeit wird immer noch grundsätzlich
von Frauen erwartet. Dabei wird verleugnet, dass auch diese Arbeit Wissen und
Kompetenz generiert und braucht, auf welche die Gesellschaft nicht verzichten
kann.
Am Arbeitsmarkt müssen sich Frauen mit weniger Geld und häufiger mit Jobs
zufriedengeben, für die sie deutlich überqualifiziert sind. Insgesamt waren
2010 unter Männern wie Frauen 22 Prozent für ihren Job eigentlich
überqualifiziert, unter MigrantInnen waren es 33 Prozent.
Je nach Bildungsabschluss gibt es dabei aber deutliche
Geschlechterunterschiede. Besonders auffällig ist die Situation bei den
MaturantInnen: Je rund 57 Prozent der AHS- bzw. BMHS-Absolventinnen finden
keinen adäquaten Job, bei den Männern sind es 48 mit AHS-Abschluss bzw. von
den BHS wegen der großen Nachfrage nach technischen Ausbildungen „nur"
30 Prozent. Unter Akademikern sind 35 Prozent der Frauen bzw. 26 Prozent der
Männer für ihren Posten überqualifiziert. Gerade in dieser Gruppe ist der
Verdienst der Männer mit einem Viertel deutlich höher als jener der Frauen.
Wenn durch den Wandel der Produktivkräfte in einer Branche oder dadurch, dass
Frauen einen Sektor der Erwerbsarbeit auch für sich erobern, die Dominanz von
Männern überwunden wird, wie das mit dem altehrwürdigen Sekretär oder dem
Schneider geschehen ist, nehmen sowohl das Ansehen dieser Arbeitsplätze wie
auch die Bezahlung drastisch ab.
Die Schlechterstellung von Frauen in der Erwerbsarbeitswelt, die oft mit
gläsernen Decken gepflastert ist und den Aufstieg in höhere Positionen
verhindern, ist unakzeptabel. Die Reproduktionsarbeit muss als gesellschaftlich
notwendige Arbeit gesehen, geschätzt und so geteilt werden, dass sie nicht mehr
Haupt-Sache der Frauen ist. Dabei muss die Existenzsicherung für Frauen wie
für Männer gewährleistet sein.
Bildungspolitik im Widerspruch
Bildung ist von Geburt an ein Anspruch jeder und jedes Einzelnen und eine
Voraussetzung für berufliche Chancen und persönliche Entwicklung. Von der
Bildungs- und Ausbildungspolitik hängt es in entscheidendem Maß ab, welchen
Zugang Menschen zu Bildung finden können und davon wieder, welchen Platz sie im
gesellschaftlichen Leben einnehmen.
In der kapitalistischen Gesellschaft zählt vor allem Ausbildung, die für die
Erwerbsarbeit brauchbar macht und das Kriterium für den Zugang zum
Arbeitsmarkt ist.
Frauen und Männer sollten aber nicht nur für eine qualifizierte
Erwerbsarbeit ausgebildet werden, sondern sich auch bilden, um an sich selbst
und an anderen Menschen arbeiten zu können sowie ihre eigenen Anlagen zu
erkunden und zu entwickeln und schließlich, um ihre Interessen artikulieren und
sie in Verbindung mit anderen vertreten zu können.
Um ein solches ganzheitliches Bildungsziel zu verfolgen, müssen Inhalte und
Formen der Kindergarten- und Schulbildung darauf ausgerichtet werden, zu lernen,
Fragen zu stellen und Probleme zu lösen, (Selbst-) Verantwortung zu übernehmen
und Solidarität zu üben. Alles Lernen müsste an den Alltags- und
Lebenserfahrungen der Kinder und Jugendlichen anknüpfen.
Dafür braucht es Lern- und Organisationsformen, die unabhängig von
materieller Ausstattung und Bildungsstand des Elternhauses Zugang für alle zu
einer Bildung garantieren, die das Formen des eigenen Lebensentwurfs
unterstützen. Jugendliche SchulschwänzerInnen mit einer Geldstrafe zum
Schulbesuch zu zwingen, scheint uns der falsche Weg, vielmehr müsste Schule ein
Ort sein, wo Jugendliche neugierig auf ihr Leben gemacht werden und den Besuch
nicht als Strafe oder lästige Pflicht empfinden.
Die gegenwärtige Bildungspolitik orientiert sich an der sogenannten
Eliteauslese, am Konkurrenzdenken, an Leistungsgruppen in differenzierter
Spielart statt an der einheitlichen Gesamtschule mit polytechnischer
Orientierung. Diese Ausrichtung entspricht dem Verwertungsbedürfnis des
Kapitals, das einerseits ungelernte, anlernbare und billige Arbeitskräfte
braucht, die je nach Wirtschaftslage flexibel abrufbar sind und andererseits
nach hochqualifizierten, differenziert ausgebildeten Fachkräften verlangt. Der
EU-normierte Bildungsstandard verschärft diese Auslese insbesondere für
Frauen. Die verfolgte Richtung heißt „Begabten"-, also Elitenförderung in
privaten kostenpflichtigen Bildungseinrichtungen und Sparpolitik im
öffentlichen Bildungssektor.
Die öffentlichen Ausgaben für Lehr- und Lernbehelfe, Schulbücher,
Nachmittagsbetreuung, BegleitlehrerInnen und andere Schulangebote werden
gekürzt und gestrichen, auf die Eltern abgewälzt oder durch Firmen-Sponsoring
den Werbezwecken der Konzerne ausgeliefert. Kürzungen bei der
SchülerInnenfreifahrt, den Stipendien sowie die Einhebung von
Studiengebühren und die enormen Kosten, die durch die inzwischen schon fast
selbstverständliche private Nachhilfe in allen Schulstufen aufzubringen sind,
schaffen die Voraussetzungen für eine neue Bildungselite, zu der ökonomisch
Benachteiligte keinen Zugang haben.
Viele Mädchen scheinen ihre Lektion von der Geschlechterarbeitsteilung gut
gelernt zu haben und streben Lehrstellen in traditionellen „Frauenberufen" an.
Sie wollen Sekretärin, Friseurin, Verkäuferin werden und sind froh, wenn sie
eine Lehrstelle ergattern. Ihre Schulbildung hat nicht dazu geführt, dass sie
sich selbst in einem traditionellen „Männerberuf" sehen können. Auch
LehrerInnen und AusbildnerInnen in Firmen können sich sehr oft Mädchen in
solchen Sparten schwer vorstellen und ziehen männliche Bewerber vor.
Dem muss auch durch eine geschlechtersensible Pädagogik in der
Kinderbetreuung und im Schulsystem entgegen gewirkt werden. Sie basiert auf der
Kenntnis, dass die unterschiedliche Behandlung von Buben und Mädchen Einfluss
auf die Lerngeschichte aller Kinder hat und die Ausbildung von Fähigkeiten und
Fertigkeiten beeinflusst.
Zwar ist der formale Bildungszugang für Mädchen offensichtlich leichter
geworden: Heute gibt es mehr weibliche als männliche MaturantInnen, der Anteil
von Frauen, die nur einen Volksschulabschluss vorweisen konnten, ist von
1981 bis 2010 von 49 auf 18 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum ist der
Anteil von Frauen, die eine Hochschule absolviert haben, von vier auf
16 Prozent gestiegen. Es gibt heute signifikant mehr Frauen als Männer, die
ein Studium abschließen. Dennoch erweist sich der Universitätsbetrieb immer
noch als Männerdomäne: Halb so viele Frauen wie Männer hatten 2012 eine
AssistentInnenstelle an einer Universität. Weniger als ein Drittel der
ProfessorInnen sind Frauen. Auch der Bereich der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien ist nach wie vor von Männern dominiert.
Durch die budgetären Kürzungen an Schulen und Hochschulen haben sich die Lern-
und Studienbedingungen massiv verschlechtert: überfüllte Klassen und Hörsäle
einerseits, Arbeitslosigkeit von LehrerInnen und Hochschulpersonal andererseits,
verstärkte Abhängigkeit vom Privatkapital durch den Zwang zur
Drittmittelfinanzierung, Dequalifizierung durch einseitig an den Interessen
des Kapitals ausgerichtete Fachhochschulen und Kurzlehrgänge.
Spezifische Frauenforschung und selbst Genderstudies finden fast ausschließlich
in kleinen universitären Ghettos statt und sind ständig vom finanziellen
Aushungern bedroht. Feministische methodische und erkenntnistheoretische
Ansätze beeinflussen die allgemeine Wissensproduktion kaum. Nicht zuletzt
wirkten sich die universitären Sparmaßnahmen drastisch auf externe Lektorinnen
aus, die den Großteil der universitären Lehre und Forschung mit
frauenspezifischer Thematik bestreiten. Auch Frauen mit Studienabschluss haben
im Berufsleben, trotz gleicher Qualifikation, geringere Chancen als ihre
männlichen Studienkollegen. Der Prozentsatz der arbeitslosen Akademikerinnen
ist doppelt so hoch wie der ihrer männlichen Kollegen.
Berufliche Perspektiven und Aufstiegschancen sind auch eng verbunden mit
Weiterbildungsmöglichkeiten. Frauen wollen Weiterbildung. Sowohl formale als
auch informelle Weiterbildungsangebote nutzten Frauen 2012 in größerem
Maße als Männer. Sie geben dafür auch mehr Geld aus als Männer. Zwar ist
ständig von der Notwendigkeit des „lebenslangen Lernens" die Rede, aber auch
hierfür fehlen die Bedingungen. Notwendig wäre ein umfassender Ausbau
bezahlter Weiterbildung während der Arbeitszeit entlang den individuellen
Bedürfnissen und Interessen und eine außerbetriebliche Erwachsenenbildung, die
weiterführende Berufswege eröffnet. Insbesondere für MigrantInnen sind
leistbare Schul- und Bildungsmöglichkeiten, die über die obligatorischen und
kostenpflichtigen Deutschkurse hinausreichen, eine existenzielle
Notwendigkeit.
Unsere Orientierungen:
Neue, qualifizierte, zukunftsorientierte Arbeitsplätze bieten die Bereiche Umweltschutz, ökologische Landschafts- und Stadtplanung, Energieversorgung, Verkehr, Stadtsanierung, Wohnungsbau, soziale Dienste. Anstelle der Umverteilung des gesellschaftlichen Mehrprodukts von den Lohnabhängigen zu den in- und ausländischen Konzernen und zum Finanzkapital soll allen Menschen ein ausreichendes Einkommen und menschenwürdiges Leben garantiert sein.
Dazu müssen die noch vorhandenen staatlichen wirtschaftspolitischen Hebel genutzt und neue geschaffen werden. Der bereits bestehende informelle Sektor muss sozial integriert und abgesichert werden. Die nun schon seit Jahrzehnten diskutierte wertschöpfungsbasierte Umstellung der Betriebsbesteuerung ist überfällig.
Der Neoliberalismus verspricht den Menschen, dass es alle – ohne Ansehen der
Person – schaffen können, ganz nach oben zu gelangen, zumindest aber ein
gutes Leben zu führen, wenn sie nur tüchtig und zielstrebig genug sind, wenn
sie lernen würden, „sich selbst zu führen“ und sich den Anforderungen der
Märkte anzupassen. Geschwiegen wird über die ungleichen Voraussetzungen je
nach Herkunft und Geschlecht.
Denn in der gesellschaftlichen Praxis hat sich an der
geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung kaum etwas geändert. Sie
strukturiert die Arbeitsmärkte nach weiblich und männlich dominierten
Branchen, sie befestigt die gläsernen Decken, die nur gelegentlich Sprünge
aufweisen. Vor allem aber bildet ihren Kern die einseitige Zuweisung der
Hausarbeit – mit allem was dazu gehört – an Frauen.
Während die Produktion und Verteilung der Waren und Dienstleistungen gesellschaftlich organisiert ist, wird die Wiederherstellung der Arbeitskraft – individuell und über die Generationen – größtenteils in privater Form geleistet. Dennoch ist auch diese Reproduktionsarbeit Teil der kapitalistischen Ausbeutung, denn solange sie hauptsächlich unentgeltlich geleistet wird, bleiben die Kosten der Arbeitskraft für das Kapital entsprechend niedriger. Die unentgeltlichen, privat erbrachten und Frauen zugedachten Arbeiten, etwa die Pflege kranker oder alter Familienangehöriger, die Versorgung und Betreuung von Kindern und die Organisierung von Haushalt und Erholung widerspiegeln patriarchale Traditionen und kapitalistisches Nutzenkalkül.
Im Zeichen des Neoliberalismus ist Jedem und Jeder aufgetragen, für sich selbst zu sorgen, Gesellschaft und Staat ziehen sich weiter aus der soziale Verantwortung zurück. Die Zerstörung sozialstaatlicher Absicherungen und Infrastrukturen findet unter neoliberalem Druck beschleunigt statt und wirkt sich auch auf die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern aus. Alte Vorteile auf der männlichen und Zugangsbeschränkungen auf Seiten der Frauen nützen auch heute noch jungen Männern, zumindest jenen, die nicht aus Gründen der sozialen Klassen- oder einer ethnischen Zugehörigkeit benachteiligt sind, und sie müssen von ihnen genutzt werden, um in der Konkurrenz Aller gegen Alle zu bestehen.
Patriarchale Strukturen
Auch wenn sich das Rollenverständnis der Geschlechter in den vergangenen Jahren
gewandelt hat und auch Männer sich – zaghaft, aber doch – dem
Reproduktionsbereich widmen, heißt die gesellschaftliche Norm noch immer:
Männer schalten sich freiwillig und nach eigenem Ermessen ein, sind aber von
der Verantwortung für die Kindererziehung und die alltäglichen Hausarbeiten
prinzipiell entlastet und können daher ihren beruflichen Verpflichtungen mehr
Zeit, Einsatz und Kontinuität widmen. Dies umso mehr, als der
Verdrängungsprozess am Erwerbsarbeitsmarkt nur „ganzen Männern“ bessere
Chancen einräumt. Umgekehrt erfordert die Verlagerung und Privatisierung von
sozialen Aufgaben „ganze Frauen“ im Reproduktionsbereich. Eine
Wiederbelebung konservativer Werthaltungen begleitet diese Tendenz ideologisch.
Biedermeierlich anmutende Wünsche und Hoffnungen auf ein gelingendes
Familienleben treffen aber sehr oft auf die entzauberte Realität deregulierter
und prekärer Arbeits- und Lebenssituationen. Fürs Genießen des „Rückzugs
ins Privatleben“ fehlen Zeit, Kraft und oft auch die finanziellen Mittel. Aber
nicht nur die einseitige Zuständigkeit für Hausarbeit, sondern auch die
Gleichsetzung von biologischer und sozialer Mutterschaft konstruieren jene
„familiären Verpflichtungen“, die Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligen.
Frauen können im Beruf oft nur mit großer Disziplin, ausgeklügeltem
Zeitmanagement, der Unterstützung durch private Netze und persönlichen
Abstrichen jenes Durchsetzungs- und Beharrungsvermögen und jene Flexibilität
und Mobilität aufbringen, die in der kapitalistischen Konkurrenz verlangt
werden, wobei sie gleichzeitig noch über Energien für Beziehungsarbeit und
Haushalt verfügen sollen.
Nicht wenige lösen diese Widersprüche, indem sie in Haushalt und Mutterschaft
den Sinn ihres Lebens sehen. Sie empfinden reproduktive Arbeit in der Familie
als ganzheitlich im Vergleich zur entfremdeten Erwerbsarbeitswelt und leiten
daraus mitunter Stärken ab, die den Reproduktionsbereich als weiblichen
Machtbereich erscheinen lassen, in dem losgelöst von gesellschaftlichen
Voraussetzungen selbstbestimmt gelebt werden kann. Dies führt vor allem dann,
wenn aus der – oft als vorübergehende Lebensphase gedachten Situation –
eine erwerbsmäßige Sackgasse geworden ist, in Abhängigkeit und Armut.
Hausarbeit, Partnerschaft, Arbeitsteilung
Hausarbeit ist gesellschaftlich notwendige Arbeit. Sie dient der
Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft, der Erziehung der kommenden
Generation. Dazu bedarf es nicht nur bestimmter Lebensmittel, Infrastrukturen
und Dienstleistungen, sondern auch einer entsprechenden Freizeitgestaltung für
körperliche und geistige Erholung. Der Inhalt der Hausarbeit ist abhängig von
der Klassenzugehörigkeit, der Familiengröße, von regionalen Besonderheiten.
Niveau und Umfang der Hausarbeit werden von wirtschaftlichen Gegebenheiten einer
Gesellschaft, ökonomischen Ressourcen der Privathaushalte und dem politischen
Kräfteverhältnis bestimmt.
Im Haushalt werden Gebrauchswerte für den Eigenbedarf hergestellt. Das
unterscheidet diese Tätigkeiten von der warenproduzierenden, wertschaffenden
Arbeit, die ihre Anerkennung über die Konkurrenz am Markt in Form des Kaufs
erfährt. Da die Hausarbeit nicht für den Markt erzeugt, gilt sie nach der
kapitalistischen Verwertungslogik als nicht produktiv. In einer Gesellschaft, in
der der Wert in Form des Geldes vorherrscht, wird auch der Wert der Arbeitskraft
an der Höhe der Bezahlung gemessen. Da Hausarbeit zum aller größten Teil
unentgeltlich geleistet wird, erscheint sie nicht als „richtige Arbeit“. Die
gesellschaftliche Arbeitsteilung weist Frauen jene Tätigkeiten zu, die sich
ständig wiederholen und „unsichtbar“ sind – Kochen, Putzen, Waschen
usw. –, und sie dennoch als befriedigend zu erleben, gilt als „natürliche
Eigenschaft“ der Frauen. Ihre eindeutige Zuständigkeit dafür wird über die
Sozialisation vermittelt und von Frauen selbst verinnerlicht. Auf diese Art wird
Frauen die soziale Verantwortung für all jene Lebensbereiche übertragen, die
nicht über den Markt geregelt werden. Auch Frauen, die berufstätig sind,
können bestenfalls auf eine Mithilfe des (Ehe-)Mannes rechnen. Trotz steigender
Verwendung technischer Geräte im Haushalt darf nicht übersehen werden, dass
vor allem in den „Industrieländern“ neue Anforderungen entstanden sind.
Höhere Ansprüche an die Hygiene, neue Tätigkeiten (z.B. Müllsortierung und
-beseitigung, gesunde Ernährung, Wissensaneignung über schädliche
Inhaltsstoffe bei Lebens- und Reinigungsmitteln), der Versuch, ethische und
ökologische Ansprüche beim Konsumieren einzulösen, eine Fülle von neuen
Herausforderungen im Zusammenleben mit Kindern, aber auch sich ändernde
individuelle Bedürfnisse wirken einer effektiven Reduzierung der
Haushaltstätigkeiten entgegen. Am anderen Pol der globalen Entwicklungen
kämpfen Frauen um das nackte Überleben ihrer Familien.
Nicht zuletzt führen Verschlechterungen in der Krankenversorgung oder im
Pensionssystem dazu, dass Pflegearbeiten verstärkt im privaten Haushalt
geleistet werden. Dabei greifen finanzkräftige Haushalte häufig auf die
Unterstützung durch Migrantinnen zurück, die meist unter extrem prekären
Bedingungen leben und auf diese Beschäftigungen angewiesen sind. Der
Pflegenotstand in Österreich hat auch zu einem „Brain-drain“ geführt:
qualifiziertes Pflege- und medizinisches Personal aus den benachbarten
„neuen“ EU-Ländern wird zu Dumpingpreisen angeworben für die Pflege
unserer Alten und Kranken rund um die Uhr – ihren Herkunftsländern fehlt
dieses Fachpersonal und der Gesellschaft die Frauen. Und nicht selten arbeiten
Akademikerinnen aus den östlichen Nachbarländern in österreichischen
Haushalten als Putzfrauen.
Der strukturelle Zwang für Frauen, unentgeltlich Hausarbeit zu leisten,
bedeutet nicht nur die materielle Versorgung (Einkauf, Zubereitung von Nahrung,
Instandhaltung der Wohnung und Kleidung), sondern vor allem weibliche
Zuständigkeit für das emotionale Wohlbefinden des (Ehe-)Mannes und die
psychische Stabilität der Familie. Dieser Aufwand an weiblicher
Beziehungsarbeit wird jedoch kaum wahrgenommen.
Der Begriff „Doppelbelastung“ vermag die unterschiedlichen – auch
gegensätzlichen – Anforderungen nicht zu erfassen. Frauen sollen im
Erwerbsleben Durchsetzungsvermögen zeigen, aber in persönlichen Beziehungen
in der Familie „selbstlose Liebe“ schenken. Diese ganz verschiedenen
Handlungsanforderungen rufen hohe Belastungen hervor. Zudem wird den Frauen
Beziehungsarbeit nicht nur im familiären Bereich, sondern in wechselseitiger
Abhängigkeit auch in beruflichen und in allen anderen gesellschaftlichen
Tätigkeiten abverlangt.
Frauen sind also nicht genauso wie Männer unterdrückt und noch zusätzlich
belastet, sondern ihre Unterdrückung ist von anderer Qualität. Dieser nach wie
vor wirksame Zirkel sozialer Ausgrenzung bildet eine Struktur, die immer wieder
die Hierarchie der Geschlechterverhältnisse hervorbringt. Das sichert die
Verfügbarkeit der weiblichen Arbeitskraft nach der kapitalistischen
Verwertungslogik ebenso wie ihre Ausnutzung im privaten Bereich und reproduziert
damit patriarchale Strukturen.
Gewachsene Ansprüche
Die politischen und diskursiven Erfolge der Frauenbewegungen, steigende
Berufstätigkeit und wachsende Qualifikation veränderten das Bewusstsein von
Frauen. Sie stellen höhere Ansprüche an partnerschaftliche Beziehungen:
Anerkennung, liebevoller Umgang, geistiger Austausch und erfüllte Sexualität
werden als Bedürfnisse formuliert. Mangelnde sozialökonomische Absicherung,
Stress, übermäßiger Kräfteverschleiß und Entfremdung der Gefühle stehen in
Widerspruch zu diesen Ansprüchen und bilden den Hintergrund für aufreibende
Konflikte. Das Ideal einer lebenslangen Ehegemeinschaft ist brüchig geworden.
Fast jede dritte – und im städtischen Bereich jede zweite – Ehe wird
wieder geschieden.
Ein neues Selbstverständnis vor allem junger Frauen, die auf die Erfüllung
ihrer Ansprüche nicht verzichten wollen, steht in Widerspruch zu einem Prozess,
der die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür unterminiert.
Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahre hat auch Spuren in der
Haltung zu Kindern hinterlassen. Er drückt sich in größer werdenden Teilen
der Bevölkerung im Eingehen auf kindliche Bedürfnisse, in der Ablehnung von
autoritärem und gewalttätigem Verhalten, in längeren Stillzeiten, aber auch
in den Diskussionen um eine neue, bewusste Vaterschaft aus.
Die „Neue Väter“ zeigen sich heute allerdings nicht nur bei der
tatsächlichen Übernahme von Verantwortung in der Betreuung von Kindern,
sondern nicht selten auch im Gewand rückwärtsgewandter biologistischer
Ideologien: Das „Recht auf das eigene Fleisch und Blut“ artet bei Trennungen
von Eltern mitunter in Machtkämpfen um das Kind aus, in welchen die biologische
Vaterschaft über die soziale Verantwortung gegenüber dem Kind gestellt wird.
Oft werden die Kämpfe um das väterliche Sorgerecht auch aus finanziellen
Erwägungen geführt, um Alimentationszahlungen zu schmälern.
Hingegen veränderte sich die Bereitschaft von (Ehe-)Männern, Hausarbeit zu
übernehmen, kaum. Selbst dann, wenn Frauen berufstätig sind, bleibt der
Großteil der Hausarbeit an ihnen hängen. Bei der Beschäftigung mit Kindern
übernehmen Väter (durchschnittlich täglich eine halbe Stunde) meist jene
Tätigkeiten, die Spaß machen – spielen, sporteln –, während den
Müttern die Versorgungs- und Betreuungsarbeit (täglich im Schnitt
ein-ein-viertel Stunden) bleibt. Keine Spur also von „Halbe/Halbe“: Die
zaghaften Ansätze eines veränderten Rollenverhaltens erfahren im Zeichen der
neuen zeitökonomischen Bedingungen, in denen Erwerbsarbeit geleistet wird,
sogar einen Rückwärtstrend.
Familienpolitik und Kinderbetreuung
Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern sind massiv von Armut
bedroht. Noch stärker als die Kinderzahl wirkt sich jedoch aus, ob nur ein
Einkommen zur Verfügung steht oder beide Partner berufstätig sind und wie hoch
deren Einkommen ist. Es liegt also auf der Hand, dass eine entsprechende Lohn-
und Arbeitsmarktpolitik die beste „Familienpolitik“ ist. Im Widerspruch dazu
stehen sinkende Lohnquoten und steigende steuerliche Belastungen der einzelnen
Haushalte. Das von konservativen Kräften verfolgte steuerliche
Ehegattensplitting würde eine „Belohnung“ für den Verzicht – der
Frauen – auf Erwerbstätigkeit bedeuten, die zudem an die Männer
ausbezahlt würde.
Kinderbetreuung auch im 21. Jahrhundert unbefriedigend
Erste Ansätze, wie das verpflichtende Kindergartenjahr im fünften Lebensjahr
des Kindes – das ja auch die Verpflichtung der Kommunen bedeutet,
entsprechende Plätze und ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung zu
stellen –, oder die Abschaffung des Elternbeitrages, also der
„Gratis-Halbtags-Kindergarten“, gehen in die richtige Richtung, lösen aber
viele drängende Probleme nicht.
Die gesellschaftliche Bewertung der Tätigkeit von Menschen – fast
ausschließlich Frauen –, die außerfamiliäre Kinderbetreuung leisten, ist
eine Zumutung. Die Entlohnung dieser anspruchsvollen und verantwortungsvollen
Arbeit und die allgemeine Anerkennung liegen unter den meisten „männlichen“
Erwerbsarbeiten zum Beispiel im Baugewerbe.
Dazu kommen Arbeitsbedingungen mit viel zu großen Kindergruppen und allzu oft
in Räumlichkeiten, die für die Betreuung von kleinen Kindern nicht geeignet
sind.
Die propagierte „Wahlfreiheit“ zwischen Beruf und Familie gibt es für die
große Mehrheit der Frauen nicht. Weder für die erwerbsarbeitslosen Frauen noch
für jene, die mit ihrem Verdienst die finanzielle Existenz der Familie sichern,
und schon gar nicht für die wachsende Anzahl von Alleinerzieherinnen sowie für
die vielen Migrantinnen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt prinzipiell verwehrt
wird. Auch zehntausende Frauen in ganz Österreich, die wegen fehlender
Kinderbetreuungseinrichtungen nicht berufstätig sein können und in der
Arbeitslosenstatistik gar nicht erst aufscheinen, haben keine Wahl zwischen
Berufs- oder Familienarbeit. Es ist aber doch im Interesse aller Frauen, das
Recht auf eine existenzsichernde Erwerbsarbeit mit radikaler
Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu
erkämpfen.
Ein Kreislauf von Diskriminierungen
Die Verpflichtung der Frau für die Familie, begründet mit ihrer angeblichen
wesensmäßigen Andersartigkeit, dient der Aufrechterhaltung von Eigentums- und
Machtstrukturen. Das bürgerliche Familienmodell dient dem Profitinteresse des
Kapitals, gesellschaftlich notwendige Arbeit zur Reproduktion der Ware
Arbeitskraft weitgehend unentgeltlich abschieben zu können. Von Beginn an
befand sich die konservative Familienideologie durch die Beschränkung der Frau
auf die Familie aber auch in Widerspruch zu jenen ökonomischen Interessen des
Kapitals, weibliche Arbeitskräfte nach Bedarf in der Produktion und im
Dienstleistungsbereich einzusetzen.
Dieser Widerspruch wurde in der langen fordistischen Periode kapitalistischer
Entwicklung durch eine staatliche Familienpolitik abgefedert, die sich
tendenziell nach den konjunkturellen Schwankungen richtete und ein Spannungsfeld
für politische und ideologische Kämpfe erzeugte.
Die politischen und sozialen Grundlagen für diese Form von Familien wurden
durch den neoliberalen Umbau der Gesellschaften weiter unterminiert.
Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse treffen zunehmend auch die
männerdominierten Branchen des Arbeitsmarktes. Perioden von Überarbeitung und
Erwerbsarbeitslosigkeit wechseln sich ab, das
„Ein-Ernährer-Familien-Modell“ kann kaum noch gelebt werden. Die geforderte
totale Flexibilität auf der Suche nach Erwerbsarbeit und zusätzlich die
zunehmend nur befristet ausgestellte Mietverträge machen es schwer, private und
familiäre Netze dauerhaft zu knüpfen und zu pflegen.
Der Alltag von Alleinerziehenden und Patchwork-Familien ist aber, wenn alles
halbwegs funktionieren soll, mit großen Anspannungen und Organisations- und
Moderationsaufwand verbunden. Auch dieser wird in der Regel von Frauen
erwartet.
Ein neuer Anlauf oder Altersarmut?
Für viele Frauen eröffnen sich in der Zeitspanne zwischen 40 und 60 Jahren
neue Freiräume: Die Kinder sind selbstständig, Frauen können sich nun voll
auf ihren Beruf konzentrieren oder versuchen, nach einer Familienphase wieder in
den Beruf einzusteigen. Allerdings bietet die Gesellschaft den Frauen nur wenige
Möglichkeiten, nun ihre Leistungsfähigkeit zu entfalten. Am Arbeitsmarkt
werden weibliche Arbeitskräfte schon ab 35 als „alt“ abgewertet.
Die von der Kosmetik- und Modebranche gepriesenen „besten Jahre im Leben einer
Frau“ bedeuten oftmals: Die Rückkehr in den Beruf ist schwierig, wenn nicht
unmöglich, denn die „Familienpause“ verhinderte berufliche Qualifikation
oder Weiterbildung. Dieser „verpasste Anschluss“ zwingt viele Frauen zu
Hilfstätigkeiten. Oder sie bleiben, weil Arbeitsplätze fehlen, von ihrem Mann
abhängig und unfreiwillig überhaupt vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.
Die Erwerbsarbeitslosigkeit älterer Frauen steigt in erschreckendem
Ausmaß – dennoch wurden die Möglichkeiten für Frühpensionierungen bei
langer Arbeitslosigkeit oder Krankheit erschwert bzw. abgeschafft; dennoch wurde
die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters für Frauen auf 65 Jahre fixiert
und wird ständig Druck ausgeübt, die volle Wirksamkeit dieser Verschlechterung
weiter vorzuziehen.
Die systematische Diskriminierung der Frau im Erwerbsleben sowie die Zuweisung
unbezahlter Frauenarbeit setzen sich im Pensionsrecht fort. Rund 70 Prozent der
BezieherInnen der Ausgleichszulage sind weiblich, Frauen stellen das Gros der
Mindestsicherungsempfänger, ihre durchschnittliche Pensionshöhe lag bei den
unselbständig Beschäftigten insgesamt im Jahr 2012 bei 835 Euro, bei den
männlichen Pensionisten bei 1.353 Euro. Für Arbeiterinnen gar nur bei
625 Euro und für Arbeiter bei 1.065 Euro. In allen Bezugsvarianten ist die
Schere zwischen Männer- und Frauenpensionen nach wie vor vorhanden.
Schlechte Entlohnung in Frauenbranchen, Teilzeitarbeit und prekäre
Beschäftigungsverhältnisse führen zu niedrigen Pensionen oder dazu, im
Alter überhaupt keine Absicherung zu haben. Ab 2014 mit Inkrafttreten des
Pensionskontos zählt jedes Beitragsjahr, also auch jedes schlechte. Damit haben
wir das Stadium der gesamten Lebensarbeitszeit für die Pensionsbemessung
erreicht, was eine weitere Senkung der Frauenpensionen zur Folge hat und durch
die Einrechnung von Zeiten für die Kindererziehung nicht ausgeglichen werden
kann.
Die Gewährung der Ausgleichszulage für Eheleute und eingetragene
Partnerschaften hängt neben der Pensionshöhe auch – wie der Anspruch auf
Notstandshilfe oder Mindestsicherung – vom Haushaltseinkommen ab. Wenn also
das gemeinsame Haushaltseinkommen den Richtwert übersteigt, verliert die Frau
trotz Kleinstpension auch diesen Anspruch. Da für viele Frauen die Eigenpension
so gering ist, verhindert die (inzwischen ebenfalls umstrittene)
Hinterbliebenenpension für Frauen lediglich das Absacken unter das
Existenzminimum.
Materielle Unsicherheit, Armut und soziale Isolation treffen Frauen in den
letzten Lebensjahren, nachdem sie lange Jahre mit einem Mann zusammenlebten,
besonders. Frauen leben länger als Männer, hinzukommt, dass auch heute noch
der Partner zumeist älter ist als die Partnerin. Während allerdings die
Lebenserwartung von verheirateten Männern steigt, sinkt die von Ehefrauen.
Ehemänner leben durchschnittlich fast zwei Jahre länger als Alleinstehende.
Umgekehrt kostet das Bündnis fürs Leben durchschnittlich ganze anderthalb
Jahre, die verheiratete Frauen früher sterben als unverheiratete.
Tendenz zum Ausschluss
Dem weiblichen Diskriminierungskreislauf sind in besonderem Maß jene Frauen
ausgeliefert, die der Verwertungslogik des Kapitals am wenigsten entsprechen.
Vor wenigen Jahrzehnten haben Faschisten behinderte Menschen als „unwertes
Leben“ kategorisiert und massenhaft ermordet. Heute, in einer Gesellschaft,
die von der Sucht nach Profit beherrscht wird, gelten Behinderte als
Arbeitskraft „minderer Güte“, von deren Beschäftigungsverpflichtung sich
Betriebe durch einen Bagatellbetrag freikaufen können. Sie sind Opfer von
Kürzungsprogrammen (z.B. beim Pflegegeld), verfügen meist über wenig Geld und
sind in ihren Teilhabemöglichkeiten eingeschränkt.
Frauen mit Behinderung sind häufig Opfer von Vergewaltigung oder sexueller
Belästigung. Noch immer sehen Ärzte unter Umständen ihre Sterilisation als
selbstverständliches Verhütungsmittel an. In der bunten Warenwelt, die den
KäuferInnen Jugend, Schönheit und sexuelles Glück verspricht, haben Menschen
mit Behinderung, seelisch Kranke, Alte und abgearbeitete Menschen keinen Platz.
Alle diese Gründe führen zu einer Tendenz des Ausschlusses in einer
Gesellschaft, die Solidarität mit Benachteiligten als überholt betrachtet und
sie ausschließlich karitativen Institutionen überlässt.
Entsolidarisierung prägt auch den Lebensalltag von MigrantInnen: Als billige
Arbeitskraft einstmals gerufen, sind sie und ihre Kinder und Enkel heute oft
Diskriminierung, ja Verfolgung und Menschenverachtung ausgesetzt. Eine neue
Ausbeutungsform findet sich in den Arbeitsverhältnissen jener Menschen, meist
Frauen aus den neuen EU-Mitgliedsländern, die zur Pflege alter und kranker
Menschen nach Österreich kommen. Ohne ihre befristeten und mit Dumpingpreisen
entlohnten Dienste würde unser Gesundheits- und Pflegesystem
zusammenbrechen.
Kampf um den Sozialstaat in der Krise
Der Neoliberalismus denunziert das „Soziale“ als gar nicht existent oder
aber hoffnungslos veraltet. Der Druck auf sozialstaatliche Systeme der Sicherung
der Menschen wurde in den letzten drei Jahrzehnten mit allen Mitteln erhöht.
Nicht zuletzt die EU-Richtlinien, die von allen nationalen Regierungen der
Mitgliedsländer unterstützt und mit beschlossen wurden – von den
Maastricht-Kriterien über den Fiskalpakt bis zum nun drohenden
Wettbewerbspakt – führen in der Folge zum finanziellen Ausbluten der
Sozialstaaten zugunsten der weiteren Umverteilung nach oben.
Die feministische Kritik an der Ausrichtung vieler sozialstaatlicher Regelungen
an einer idealen männlichen Erwerbsbiographie wurde umgewertet und konnte so
zum Teil im Rahmen der Zerstörung des Modells „Sozialstaat“ genutzt werden.
Ebenso wurde berechtigte Kritik an Gewerkschaften und einseitigen betrieblichen
Auseinandersetzungen umgedeutet und für die grundsätzliche Entpolitisierung
und Schwächung der demokratischen Instrumente des Kampfes um bessere
Lebensbedingungen eingesetzt. Kritik am fordistischen Paternalismus wurde so zum
Totschlagargument gegen das „Soziale“.
Es gab und gibt keine differenzierte Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung
sozialer Standards mehr. Abwehrkämpfe gegen Verschlechterungen werden als
Festhalten an Privilegien mit „Betonkopf-Image“ belegt.
Ausgrenzung oder aber eine Instrumentalisierung von einzelnen Aspekten und
Forderungen der (Frauen-) Bewegungen durch ihre Umwertung begleiteten die
Durchsetzung neoliberalen Denkens bei Mehrheiten in der Bevölkerung.
Mit der Verankerung neoliberalen Denkens bei Vielen, die in irgendeiner (wenn
auch sublimierten) Form von Erwerbsarbeit leben, werden aber die Beziehungen in
der Sphäre der Erwerbsarbeit als vollkommen unpolitische, rein
sachlich-technische akzeptiert. Gar nicht mehr wahrgenommen wird, dass diese
Sachlichkeit vom Kapital und seinen Akteuren definiert wird. Der (scheinbar)
selbsttätigen kapitalistischen Logik kann in einer entpolitisierten Arbeitswelt
nichts mehr entgegen gesetzt werden.
Die Abschaffung der sozialstaatlichen Regelungen erscheint als Befreiung von
Bevormundung und von Einschränkungen der individuellen
Handlungsmöglichkeiten. Freiheit und Gerechtigkeit können aber nicht mit
seiner Abschaffung, sondern nur durch die Erweiterung des Sozialstaates –
nicht zuletzt um feministische Forderungen und Perspektiven – angestrebt
werden.
Unsere Orientierungen:
Nicht nur in der gesellschaftlichen Produktion und in der Familie, sondern auch
in allen kulturellen, ideologischen, religiösen Bereichen ist weibliche
Diskriminierung wirksam. Der Begriff „Sexismus“ beinhaltet das ganze System
von Vorurteilen, Herabwürdigungen und Benachteiligungen der Frauen. So wie der
Begriff „Rassismus“ keine Charakteristik heller oder dunkler Menschen
enthält, sondern den weltanschaulich formulierten Glauben daran ausdrückt,
dass „Weiße“ höher stehen als andere, geht es auch beim Sexismus um die
Aufrechterhaltung der Rangunterschiede zwischen den Geschlechtern.
Die seit Jahrtausenden herrschende patriarchale Kultur hat Männlichkeit zu
einem universellen Prinzip erhoben, in dem der Mensch mit dem Mann gleichgesetzt
wird. Die Frau gilt als „das Andere“, die Abweichung von der Norm, oder wird
mit der Natur identifiziert. Frauen haben offiziell keine Geschichte. Sie finden
als Randerscheinung, bestenfalls in Fußnoten eine Erwähnung. Erst die von
Feministinnen und frauenpolitisch engagierten Menschen betriebene Erforschung
ihrer eigenen Geschichte öffnete den Blick auf den weiblichen historischen
Raum.
Die männliche Dominanz spiegelt sich auch in der Sprache wider: Noch immer
scheinen Frauen in Texten und Denkmustern nicht auf, werden sie in männlichen
Begriffen/Bezeichnungen „mit gemeint“ und ihnen untergeordnet. Aber
Wertorientierungen werden gerade durch sprachliche Formen übermittelt. Sie
stehen in enger Beziehung zur sozial-ökonomischen Struktur der
gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Dabei werden Arbeiten in wichtig und
unwichtig eingeteilt. Wichtigen Menschen muss unwichtige Tätigkeit abgenommen
werden. Letztere hat allerdings oft an sich, dass ohne sie gar nichts
funktionieren würde.
Sexismus ist ein Strukturmerkmal der Gesellschaft. Wobei diese strukturelle
Gewalt gegen Frauen oft derart in das „normale“ Denken und alltägliche
Verhalten integriert ist, dass sie nicht mehr wahrgenommen wird. Aber
patriarchale Macht und Kontrolle sind auch dort vorhanden, wo Frauen die
männliche Vorherrschaft verinnerlicht haben und gar nicht in Frage stellen. Ein
Geflecht aus Missachtung weiblicher Leistungen, herabwürdigender Behandlung,
sexistischer Witze, verbaler Obszönitäten, sexueller Belästigungen am
Arbeitsplatz oder auf der Straße und struktureller Missachtung individueller
Lebensplanung ist auch heute, nach Jahrzehnten feministischer und
frauenpolitischer Bewusstseinsarbeit, wirksam und zementiert
Gewaltverhältnisse.
Die Wirkung der Bilder
Die patriarchalen Bilder von Weiblichkeit und die herrschenden Vorstellungen
über das Männliche prägen beide Geschlechter. Daher rührt auch die
ambivalente Einstellung vieler Frauen zu ihren geistigen Fähigkeiten, zu ihrer
Körperlichkeit und Sexualität.
Obwohl gerade in der Werbung primitiver Sexismus weiterhin eine große Rolle
spielt, tragen heute die Werbelinien von Plakaten und die Produktwerbung in
Fernsehen und Medien andererseits oft einem veränderten Frauenbild Rechnung.
Nicht mehr die betuliche Hausfrau vergangener Zeiten, sondern die
gertenschlanke, mode- und selbstbewusste und offensichtlich kaufkräftige
Konsumentin steht im Mittelpunkt. In diesem Raster haben alte Frauen keinen
Platz, außer es wird für Medikamente gegen Demenz oder Inkontinenz geworben.
Wohingegen „reifere“ Frauen als willkommene Werbeträgerinnen für
faltenfreie Haut ins Bild gestellt werden. Für Frauen, die nach wie vor mehr
als Männer über ihren Körper und ihr Aussehen taxiert werden, bedeutet Altern
oft, unsichtbar zu werden, im wörtlichen und übertragenen Sinn: nicht mehr
wahrgenommen zu werden.
Den Frauen wird suggeriert, ihr Aussehen als unverzichtbares Kapital für
beruflichen Aufstieg und gesellschaftlichen Erfolg eigenverantwortlich zu
managen. An der neoliberalen Zurichtung der Körper verdienen
Schönheitschirurgen, Kosmetik- und Pharmaindustrie, Hochglanzmagazine und
Fernsehshows. Der normierte Körper in einer entsolidarisierten
Leistungsgesellschaft trägt wesentlich zur Pornographisierung des
öffentlichen Raumes bei.
Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Werbung und Pornographie. Nicht die Darstellung von nackten Körpern oder von sexuellen Handlungen irritiert, sondern die entwürdigende Darstellung von Frauen und ihre Degradierung als Gratisbeigabe zu einer x-beliebigen Ware sind zu bekämpfen. Die Inflation von verdinglichter Sexualität in Medien und Werbung mündet in der Selbstverständlichkeit des Sich-verkaufen-Müssens: als Arbeitskraft oder als sexuelles Objekt.
Obwohl wir sehen, dass die neuen Möglichkeiten digitaler Kommunikation einen
sehr breiten Zugang zu Informationen, einen schnellen Austausch über
Interessenslagen und die Organisierung von widerständigen Aktivitäten auf
breiter Ebene bieten, nehmen wir auch wahr, dass soziale Medien und
Internetplattformen zu unüberlegter Freizügigkeit und Preisgabe intimer
Details verführen, die unauslöschlich gespeichert und zu neuen
Diskriminierungen bis hin zu „Shitstorms“ und Erpressungen führen
können.
Der Kreislauf aus Anbieten und Konsumieren lässt die persönlichen Beziehungen
nicht unberührt. Ökonomische Klassenrealität und patriarchale Strukturen sind
auch in intimen Bereichen wirksam. Besitzdenken, Angst vor Versagen, das
Gefühl, auf dem Prüfstand zu stehen, stützen den Kapitalismus ebenso wie das
Patriarchat. Sie führen zur Perfektionierung der eigenen Verwertbarkeit für
die herrschenden Interessen und damit zu defensiven Lebenshaltungen. Aber die
aktive Teilnahme am politischen Leben und am Klassenkampf basiert auf einer
offensiven Lebenseinstellung. Das bedeutet im marxistischen Sinn: sich zu den
eigenen Lebensbedingungen bewusst zu verhalten, als Frauen eine eigene
Identität zu entwickeln. Für Frauen und Männer gilt, die langfristigen
Interessen an humanen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Generationen
nicht wegen kurzfristiger Vorteile zu verdrängen. Denn Anpassung bedeutet, an
Unterdrückung teilzuhaben, Verhältnisse zu reproduzieren, in welchen die
Entwicklung der Einen die relative Entwicklungslosigkeit der Anderen zur
Voraussetzung hat.
Für das Recht auf Selbstbestimmung
Frauen sind von Geburt an – nach Klassenlage, nationaler und ethnischer
Herkunft, religiösen Traditionen und kulturellem Umfeld – jeweils
verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Zwischen extremen körperlichen und
subtileren Formen der psychischen und sozialen Gewalt besteht ein Zusammenhang.
Vergewaltigung oder sexueller Kindesmissbrauch sind männliche Machtmittel
gegenüber Frauen und Schwächeren. Wie die kriegerischen Seiten der
Menschheitsgeschichte und wie jüngste kriegerisch ausgetragene Konflikte
deutlich machen, ist Vergewaltigung Teil der männlich-patriarchalen
Kriegsführung, sie ist Machtbeweis gegenüber besiegten „Mutterländern“
und deren mit der „Okkupation des Weiblichen“ gedemütigten Männer.
Sexualmoral – ob einst auf Verzicht ausgerichtet oder jetzt unter den
Vorzeichen von Freizügigkeit – wirkt seit je als Instrument patriarchaler
Kontrolle. Gezielte sexuelle Stimulation als Bestandteil der Vermarktung von
Waren aller Art und die damit suggerierte Vorstellung, eigene Begierden über
den Kauf dieser Waren ausleben zu können, dienen Profit- und
Herrschaftsinteressen. Sie lenken ab von der schleichenden Entdemokratisierung
und sollen soziale Unsicherheit und gesellschaftliche Kälte kompensieren.
Ebenso kommen die geschlechtsspezifischen Muster in der kommerziell
verwerteten Sexualität der herrschenden Klasse zugute.
Unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen fällt es Frauen schwer, eine
eigenständige Sprache, Selbstentwürfe und Ansprüche zu entwickeln. Im
patriarchalen Zwangskorsett ist es schwierig, eigene lustvolle Utopien über
selbstbestimmte weibliche Sexualität zu erfahren. Ihrem eigenen Wesen
entfremdet und erzogen, anderen zu gefallen, erleben viele Frauen auch ihre
Sexualität als fremdbestimmt. Erst die „Neue Frauenbewegung“ gab sehr
vielen Frauen den Mut, offen die patriarchalen sexuellen Regeln abzulehnen.
Frauen haben begonnen, das Recht zu beanspruchen, über den eigenen Körper zu
verfügen und statt Anpassung eigene Lust zu erleben. Die Ausrichtung ihrer
Bedürfnisse nach männlichen Wunschvorstellungen wurde im Zuge der Diskussionen
in der Neuen Frauenbewegung hinterfragt. Das Entdecken des eigenen Körpers
brach mit Tabus und brachte Frauen ein neues Selbstverständnis. Die
Liberalisierung der Sexualität hatte also auch ermöglicht, freier und offener
über weibliche Bedürfnisse zu sprechen.
Lesbische Frauen, die in der Frauenbewegung aktiv sind, haben diese Diskussionen stark beeinflusst und manche von ihnen erklärten lesbische Beziehungen zu ihrem politischen Programm. Patriarchale Denkmuster beider Geschlechter halten es nicht für möglich, dass statt Männern auch Frauen im Zentrum des Begehrens von Frauen stehen können und Lebens- und Sexualpartnerinnen sind. Die Ignoranz gegenüber lesbischer Liebe erzeugt in vielen lesbischen Frauen das Gefühl, nicht „normal“ zu sein. Lesbische Frauen im Kampf gegen Diskriminierungen und die freie Entscheidung für ihre sexuelle Orientierung zu unterstützen, erfordert oft auch von heterosexuell orientierten Frauen, eigene Verhaltensmuster, gedankliche Einstellungen und sexuelle Empfindungen zu reflektieren.
Queerfeministinnen machen u.a. auf die Heteronormativität unserer
Gesellschaft, Trans- und Intersexlebensrealitäten und die Intersektionalität
von Identitäten aufmerksam. Herrschaft wird nicht zuletzt über die Normierung
unserer Körper und Sexualität ausgeübt. Wir müssen uns nicht nur
Schönheitsidealen und Gesundheitsdiktaten anpassen, Körper und Verhalten
werden zudem in eine konstruierte Zweiteilung in das „Männliche“ und
„Weibliche“ eingeordnet. Heteronormativität bedeutet, dass heterosexuelles
Begehren und das herrschende Mann-Frau-Körper- und -Rollenbild als „das
Normale“ gesetzt und Abweichungen davon sanktioniert werden. Auch die
biologische starre Geschlechterzweiteilung ist konstruiert. Intersexpersonen
kommen mit „uneindeutigen“ Geschlechtsmerkmalen zur Welt, die in massiven
operativen und medikamentösen „vereindeutigenden“ Eingriffen an die
Zweigeschlechternorm angepasst werden – auf Druck von Medizin und
Gesellschaft oft bereits gleich nach der Geburt bis hin zur Pubertät, und das
lange Zeit unhinterfragt. Transgenderpersonen können und wollen sich nicht
einem der beiden exklusiven Geschlechter zuordnen. Viele Schwierigkeiten und
Diskriminierungen müssen überwunden werden, damit wir in einer Gesellschaft
leben können, in der geschlechtsidentitäre Vielfalt, das Recht auf
körperliche Unversehrtheit und das Recht auf körperliche und sexuelle
Selbstbestimmung respektiert werden.
Biografien und Identitäten sind immer intersektionell, es gibt nie „die
Frauen“, sondern es spielen immer Klasse, Herkunft, Bildung, Beruf, Alter,
Sexualität, Hautfarbe etc. eine Rolle für die spezifischen Interessen der
Einzelnen. Die Herausforderung ist, in aller Unterschiedlichkeit einen
gemeinsamen politischen Kampf der Unterdrückten zu entwickeln.
Frauen und Männer müssen sich bewusst mit ihren aus patriarchalen Zwängen entstandenen sexuellen Konditionierungen auseinandersetzen. Die in unserer Gesellschaft grundgelegte Konsumhaltung auch in der Sexualität missachtet die Identität von Frauen, verhindert aber auch die Entwicklung differenzierter männlicher Bedürfnisse und autonomer weiblicher Visionen von Erotik. Sie entwertet persönliche Beziehungen und reduziert Sexualität auf Fortpflanzung und männliche Lust. Sexualität ist aber wichtiger Bestandteil menschlicher Kommunikation. Zu ihrer Entfaltung bedarf es ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer Veränderungen.
Gendergerechte Medizin
Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit und Krankheit
haben geschlechtsspezifisch unterschiedliche Bewertungen und
Erscheinungsweisen. Jahrtausende lang galt der menschliche Körper als
männlich, an ihm wurde geforscht, experimentiert, Behandlungen von Krankheiten
orientierten sich an maskulinen Sichtweisen. Die Medizin war Männerdomäne,
Frauen wurden erst vor hundert Jahren zum Medizinstudium zugelassen.
In den 1990er Jahren gewann mit frauenspezifischen Forschungsfeldern auch die
Gendermedizin an Bedeutung. Dabei wurden interessante Erkenntnisse gewonnen. So
etwa haben Frauen häufiger stumme Herzinfarkte als Männer, die Symptome zeigen
sich hier bei Frauen anders und die Todesrate ist höher, Frauen leiden
häufiger an Alzheimer- und Stoffwechselerkrankungen, empfinden Schmerzen
kürzer als Männer und haben doppelt so häufig Depressionen. Frauen haben
durchschnittlich eine um fünfeinhalb Jahre höhere Lebenserwartung, Männer
weisen eine dreimal höhere Selbstmordrate auf.
Diese Erkenntnisse dringen erst langsam ins öffentliche Bewusstsein: Gesundheit
ist auch eine Frage des Geschlechts und der sozialen Verhältnisse. Armut ist
weiblich und macht krank. Neben den biologischen Unterschieden wie
Körpergewicht oder Hormonhaushalt sind psychosoziale Faktoren ausschlaggebend
für den Gesundheitszustand. Frauen haben andere Lebensrealitäten, ihr Stress
unterscheidet sich von dem der Männer: Das männliche Rollenbild bewirkt, dass
sich ihr Verständnis von Gesundheit in riskanterem Verhalten widerspiegelt,
während Frauen Aggressionen eher nach innen wenden. Frauen nehmen dreimal so
häufig Kopfwehmittel, Männer greifen öfter zum Alkohol oder anderen Drogen,
Frauen schlucken häufiger Tabletten und Psychopharmaka.
Auf alle diese Faktoren nimmt die Medizin nur langsam und die Pharmaindustrie
kaum Rücksicht. Klinische Studien oder Medikamente wurden die längste Zeit am
jungen weißen Mann ausgerichtet und getestet, Frauen waren davon
ausgeschlossen. Erst in jüngerer Zeit fand man z. B die
geschlechterverschiedene Wirkung von Aspirin heraus: Während dieses
Medikament Frauen mehr vor Schlaganfällen schützt, wirkt es bei Männer
häufiger gegen einen Herzinfarkt.
Das herrschende Gesundheitssystem bevorzugt Männer, die auch häufiger als
Frauen über größere ökonomische Ressourcen zur Behandlung von Krankheiten
verfügen. Der männliche Zugang zum Gesundheitsverständnis ist eher ein
technokratischer. Frauen haben ein höheres Gesundheitsbewusstsein, was sich
in häufigeren Vorsorgeuntersuchungen zeigt. Bei Frauen ist auch eine höhere
Akzeptanz von natürlichen oder alternativen Heilmethoden festzustellen.
Patriarchaler Fortpflanzungswahn
Patriarchat bedeutet sowohl die Unterwerfung des Gebärvermögens der Frau als
auch Kontrolle über die Fortpflanzung der unterdrückten Klassen. Der Versuch
der Emanzipation der Menschen durch das Urchristentum wurde mit der
konstantinischen Wende ins Gegenteil verkehrt. Mit der sich herausbildenden
Institution „Amtskirche“ entstand allmählich eine unheilvolle Allianz aus
sexualpessimistischer, körperfeindlicher Einstellung und staatlicher
Bevölkerungspolitik. Ihr Ziel war, genügend „Menschenmaterial“ zu
produzieren: Das Kapital verlangte Arbeitskräfte und der Staat Soldaten. Die
Kirchenhierarchie betrieb die ideologische Zurichtung der Bevölkerung.
Geschlechtsverkehr durfte nur in der Ehe, und zwar ausschließlich zum Zweck der
Fortpflanzung, stattfinden. Die Sucht, über Ehevorschriften zu wachen, das
Geschlechtsleben zu kontrollieren und Sinnlichkeit mit Schuld und Sühne zu
beladen, konnte und kann an uralten Werten patriarchaler Herrschaft anknüpfen.
Sie wurde durch den Zölibat verschärft, in den Sexualneurosen und Frauenhass
eingewoben sind. Der Ausbruch religiöser Exzesse, nicht zuletzt Folter und
Hexenverbrennungen, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, vergiftete das
Zusammenleben von Frauen und Männern über Generationen.
Auch heute herrscht in der Kirche eine patriarchale Sexualmoral vor, die jedoch
auf innerkirchlichen Widerstand stößt. Manche Vertreter der Amtskirche
scheinen sich in höherem Maß um die befruchtete Eizelle zu sorgen als um die
weltweite Hochrüstung und Millionen Hungertote, sie mobilisieren gegen
Verhütungsmittel, Sexualaufklärung und „Ehen ohne Trauschein“.
Das Verbot von Verhütung und Abtreibung ist eine Klassenfrage. Im vorigen
Jahrhundert wurden Arbeiter, die Kondome benützten, eingesperrt, während in
bürgerlichen Kreisen Pessare aus Gold gehandelt wurden. Bis in die 70er Jahre
des 20. Jahrhunderts waren jene Frauen, die in Österreich wegen eines
illegalen Eingriffs vor Gericht standen, vorwiegend Arbeiterinnen,
Küchengehilfinnen, Mägde. Deshalb ist die Fristenregelung 1975 ein
bedeutender Erfolg der Frauenbewegung, weil sie bekanntlich die Straffreiheit
für einen Schwangerschaftsabbruch bis zum vollendeten dritten Monat brachte.
Rechtskonservative und klerikale Kreise haben sich aber nie mit der
Fristenlösung abgefunden und setzen in Zeiten einer rechtskonservativen Wende
erneut zu massiven Angriffen auf den Schwangerschaftsabbruch an, wie Beispiele
aus den USA, aber auch aus EU-Europa – wie zu Beginn des Jahres
2014 besonders in Spanien – und immer wieder auch in Österreich zeigen.
Noch immer ist in Österreich ein Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetz
verankert. Die Fristenlösung gewährt lediglich Ausnahmen, die nicht unter
Strafe stehen und steht somit weiter im strafrechtlichen Raum. In finanziell
aufwendigen Kampagnen werden Frauen unter Druck gesetzt, wird der Abbruch der
Schwangerschaft mit Mord gleichgesetzt. Je mehr der Fötus in den Rang einer
eigenständigen Person erhoben wird, desto weniger wird die Frau als Subjekt
geachtet. Damit wird ihr das Recht, über ihren Körper selbst zu bestimmen,
streitig gemacht. Die Entscheidung einer Frau, eine ungewollte Schwangerschaft
abbrechen zu lassen, kann nur sie selbst treffen. Für diese Entscheidung
braucht es Begleitmaßnahmen: Aufklärung über Verhütung und kostenlose Abgabe
von Verhütungsmitteln.
Neue Fortpflanzungstechnologien (Reproduktionstechnologien) werden
zielstrebig entwickelt. Dabei dienen Frauen als Rohstofflieferantin und Objekte
für Experimente für die Kosmetikindustrie, geschäftstüchtige ÄrztInnen und
Agenturen oder ehrgeizige WissenschafterInnen. Ei- und Samenzellen und
retortengezeugte Embryonen werden für gentechnische Experimente verwenden.
Über die Möglichkeiten, durch Klonen lebende Ersatzteillager zu erschaffen,
wird spekuliert und experimentiert. Mit gentechnischen Eingriffsmöglichkeiten
in menschliche Keimbahnen und der Propagierung vorgeburtlicher Diagnosen gewinnt
auch die überwunden geglaubte Eugenik – also die Unterscheidung von
„wertem und unwertem“ Leben – wieder an Boden.
Vom Aufbruch der Frauenbewegung
Die Frauenbewegungen in Europa und den USA entwickelten vor Jahrzehnten eine
Dynamik, deren objektive Ursachen in innerkapitalistischen Widersprüchen
wurzelten. Diesen Aufschwung bezeichnen viele als „Neue Frauenbewegung“,
auch um auf Unterschiede zur Frauenbewegung des vorvorigen und der ersten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hinzuweisen. Es gibt aber auch
Kontinuitäten dieser Bewegungen, denn trotz der Polarisierung und Vereinnahmung
der Frauen durch die Parteien nach 1945 setzte sich eine mit der
revolutionären ArbeiterInnenbewegung verbundene demokratische Frauenbewegung
für einen gemeinsamen Kampf der Frauen für ihre Rechte ein. Die großen
Friedensaktivitäten gegen Aufrüstung und Krieg und gegen Atomkraftwerke wurden
wesentlich auch von Frauen getragen. Verbesserungen im Arbeits- und Sozialrecht,
deren Aushöhlung wir heute bekämpfen, konnte durchgesetzt werden (z.B.
Mutterschutz-, Heimarbeits-, Familienrechts-, Gleichbehandlungsgesetz u.a.)
Während der Hochkonjunktur in den 1960er Jahren stieg in den kapitalistischen
Ländern die Berufstätigkeit der Frau deutlich an. Gleichzeitig drangen Frauen
in alle Bereiche der Bildung vor, qualifizierten sich, eroberten neue
Positionen. Mit der Verbreitung von neuen Verhütungsmitteln („die Pille“)
erhielten Frauen bisher unbekannte Möglichkeiten, ungewollte Schwangerschaften
zu verhindern. Eine Welle sexueller Freizügigkeit – von manchen als
„Revolution“ erlebt – brach mit Tabus. Im Aufbruch der antiautoritären
StudentInnen-Bewegung begannen Frauen, die eigene Situation kritisch zu
überdenken und sich politisch zu äußern.
Die Kunst kultureller Entfaltung
Kultur ist ein Sammelbegriff für menschliche Lebensäußerungen und somit
politisch. Frauen haben sich lange Strecken der Kulturgeschichte selbst
verleugnen und patriarchalen Normen und Wertvorstellungen unterordnen müssen.
„Die Frau ist das erste menschliche Wesen, das in Knechtschaft kam. Die Frau
wurde Sklavin, ehe der Sklave existierte.“ (August Bebel) Die Geringschätzung
und Verachtung weiblicher Fähig- und Fertigkeiten wie Ackerbau, Sammeln und
Konservieren von Nahrung, Weben, Flechten, Töpfern beraubte Frauen ihrer
eigenen Geschichte und machte sie sprachlos. Es bedurfte großer historischer
Zeiträume, ehe sich die matriarchale Ordnung in patriarchale
Herrschaftsverhältnisse umwandelte und Frauen aus vielen Kulturbereichen
verdrängt und ausgeschlossen wurden. Olympe de Gouges stellte der „Erklärung
der Menschenrechte“ eine „Erklärung der Frauenrechte“ an die Seite und
landete 1793 auf dem Schafott.
Sich der verschütteten Kulturleistungen von Frauen bewusst zu werden und den
Zugang zu allen kulturellen und künstlerischen Bereichen zu erkämpfen, ist das
Verdienst vieler mutiger Frauen in der Menschheitsgeschichte und der
bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegungen der letzten zwei Jahrhunderte.
Faschismus und Kriege haben diese Bemühungen immer wieder zurückgeworfen. Die
Neue Frauenbewegung hat vor 50 Jahren die maskulin besetzten Inhalte von Kunst
und Kultur in zahllosen Initiativen und Publikationen kritisiert und auf das
Fehlen von Frauen in allen kulturellen Bereichen aufmerksam gemacht. In
„unerhörten“ Aktionen verschafften sich feministische
Kulturwissenschaftlerinnen und Künstlerinnen Gehör und holten die
„Frauenfrage“ aus dem Schatten des „Nebenwiderspruchs“ und der
Umklammerung männlicher Wertmaßstäbe ins Sichtbarmachen kulturell aktiver
Akteurinnen. Es entstanden feministische Zeitschriften, Buchhandlungen, Verlage
und Frauenarchive, Medienfrauen oder schreibende Frauen schlossen sich zu
Arbeitsgemeinschaften zusammen, Künstlerinnen und Galeristinnen schufen
feministische Entwürfe und eigene Aktionsfelder, etwa im Theater- oder
Filmbereich oder im Literaturbetrieb. Auch in der KPÖ hat es diese
feministischen kulturellen Aufbrüche und Projekte gegeben, und sie wurden auch
finanziell unterstützt und ideell begleitet. Die Enteignung des Vermögens der
KPÖ durch die deutsche Treuhandgesellschaft hat diese Möglichkeit stark
reduziert.
Heute sind die Spuren dieses Engagements in vielen Bereichen der Kunst und
Kultur sichtbar, doch droht dieser feministisch-gesellschaftspolitische
Aufbruch zu stagnieren oder ausgehungert zu werden.
Die Lasten der aktuellen Krise, die auch im Kunst- und Wissenschaftsbetrieb
zuerst auf Frauen und ihre Projekte abgewälzt werden, stellen alle Menschen vor
die Frage, ob eine demokratische Gesellschaft auf diese Erfahrungen und
Erkenntnisse feministischer Arbeit verzichtet kann und will. Der
„Kunstgriff“ auf Leben, Reproduktion, Technik und Wissenschaften bedarf
einer kritischen Distanz durch Kulturschaffende, die der Instandsetzung und
Restauration patriarchalen Selbstverständnisses einen Gegenentwurf
bieten.
Gemeinsam sind wir stark
Die Frauenbewegungen entzündeten sich an unerträglichen Diskrepanzen: Am
schönen Schein der Konsumwelt und der banalen Wirklichkeit von Ausbeutung und
Herabsetzung. „Gemeinsam sind wir stark“ lautete die Devise des Aufbruchs in
den 1970er Jahren. Frauen erhoben Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung.
Sie wollten alles: Beruf und Liebe, Kinder und politische Verantwortung, Brot
und Rosen.
1974 formierte sich die Frauenbewegung im breiten Protest gegen den Paragraph
144 und für die Forderung nach dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung. In den
1980er Jahren entstanden die politischen Plattformen für den Internationalen
Frauentag am 8. März und Frauen-Sommeruniversitäten. Aber auch andere
gemeinsame Aktionsfelder dienten dem praktischen Erfahrungsaustausch, der
Frauenvernetzung und der theoretischen Diskussion. Das bunte Bild der
österreichischen Frauenbewegung reichte von autonomen Frauengruppen,
feministischen Wissenschaftlerinnen, linken Katholikinnen bzw. Christinnen,
Frauen aus Frauenhaus- und Frauenprojekten, der Lesbenbewegung bis hin zu
Frauenfriedens- und Umweltgruppen, Frauenausschüssen von Parteien und
Gewerkschaften, Fraueninitiativen und Frauenberufszusammenschlüssen,
Frauenkultur-, Kommunikations- und Selbsterfahrungsgruppen.
In diesem frauenbewegten Aufbruchsklima blieben tatsächlich vorhandene
Unterschiede zwischen Frauen unbenannt. Erst als es in den 1980er Jahren
Frauen – zumindest ansatzweise – gelang, feministische Positionen in
Lehre, Forschung, Institutionen oder Projekten zu erkämpfen, gewannen
ideologische Auseinandersetzungen – wie die Auseinandersetzung über die
Differenz unter Frauen – an Bedeutung. Fragen wurden und werden bis heute
diskutiert, welche weibliche Lebensrealität theoretische Beachtung finden und
welche ausgeblendet bleiben, welche politischen Strategien Frauenunterdrückung
beenden könnten, welche Auswirkungen Klasse, Ethnie und Geschlecht auf das
handelnde Subjekt Frau haben, ob Geschlechterverhältnisse in sozialen
Zusammenhängen konstruiert und somit dekonstruierbar sind, oder ob genau diese
Deutung des Geschlechterverhältnisses als bloßes kulturelles Konstrukt ohne
Wirklichkeitsgehalt nicht vielmehr kolonial und ethno-zentristisch sei.
Von der Solidarität zur Konkurrenz Nicht zuletzt der
Wettbewerb um beruflichen Zugang, Aufstieg und Anerkennung ließ Frauen in
Konkurrenz zueinander treten und relativierte den Traum von Harmonie und
Frauensolidarität. Die zum „Staatsfeminismus“ avancierten Frauenanliegen,
die in Gleichbehandlungskommissionen, Gendermainstreaming,
Frauenbeauftragten, Frauenministerinnen, Frauenreferaten usw. ihren Ausdruck
fanden, standen plötzlich mit autonomen Frauenprojekten, die in verstärktem
Maß um Finanzierung, also Überleben kämpften, in Konkurrenz.
Noch ehe patriarchale Strukturen aufgebrochen wurden, entstanden für die Frauen
ab Mitte der 1980er Jahre härtere Bedingungen. Arbeitslosigkeit, verschärfte
Konkurrenz am Arbeitsmarkt, sexistische Medienstrategien,
Privatisierungspolitik und konservative Familienideologien drängten die
Frauenbewegung in Abwehrkämpfe. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Krise mit
ihren sozialen Ausgrenzungen, mobilisierten Deklassierungsängsten und
wiederauflebende Biologismen, vor allem aber vor dem Hintergrund des beginnenden
Abbaus sozialstaatlicher Sicherungs- und Unterstützungssysteme schien die
Zeit reif zu sein für Antifeminismen und die Reprivatisierung der
„Frauenfrage“.
Unter dem Dogma des Neoliberalismus droht nun bereits Erkämpftes weitgehend
wegzubrechen. Zunehmend geraten Frauen unter ökonomischen und sozialen Druck,
und Vorstellungen von einem eigenständigen Leben rücken für viele in weite
Ferne. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte waren es die Konkurrenzen unter
Frauen, soziale Differenzen und politische Fraktionierungen, die zur
Stabilisierung des patriarchalen Systems vereinnahmt werden konnten.
Die Unterschiede in den Lebenssituationen von Frauen werden hervorgestrichen und
es wird schwieriger, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Frauen sehen
sich heute nicht nur als Opfer, sondern auch als Handelnde im Spektrum des
Möglichen: Komplizinnenschaft und eigene Anpassung bleiben Themen. Aber die
Widerspenstigen, Querdenkerinnen und Revolutionärinnen sind es, die uns Mut
machen.
Frauen am Beginn des 21. Jahrhunderts
Frauenprojekte, die Frauen neue Handlungsfelder und Arbeitsweisen eröffnet
hatten, führen einen ständigen Überlebenskampf um marktwirtschaftliche
Nischen oder staatliche Zuschüsse. Autonome Frauenprojekte geraten in
Abhängigkeit von Institutionen. Frauenreferate, eben noch Ausdruck von
Demokratiebestrebungen, bekommen die Dominanz der übergeordneten Organisation
zu spüren. Feministische Forschung drang in die etablierte Wissenschaft vor und
ist in Gefahr, vereinnahmt zu werden. Fach- und berufsspezifische
Zusammenschlüsse von Frauen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Kunst
drohen in Lobbyistinnentätigkeiten abzugleiten.
Quotierte Personalentscheidungen in Politik und Wirtschaft, einst als
berufliche Ein- und Aufstiegshilfen gedacht, drohen heute der Lächerlichkeit
ausgesetzt zu sein und werden von manchen Frauen selbst abgelehnt: Der
patriarchal geschürte Makel, eine „Quotenfrau“ zu sein, trübt den Blick
für tatsächliche Leistung. Der geschlechterquotierte Zugang in Wirtschaft
und Politik wie auch in der gesellschaftlichen und häuslichen Arbeitsteilung
ist jedoch ein brauchbares Instrument gegen weibliche Benachteiligungen.
Dennoch: Die Arbeit in Frauengruppen und -projekten hat die Frauen selbst
verändert und ihren Blick für Demokratie und Selbstbestimmung geschärft. So
leicht sind diese Erfahrungen nicht wegzuwischen. Neue Aufbrüche wie etwa das
Frauenvolksbegehren, das 645.000 beglaubigte Unterschriften erhielt, oder die
„Plattform 20000frauen“, die 2011 zum 100jährigen Jubiläum der ersten
Frauentagsdemonstration in Österreich mehr als 10.000 Frauen zu einer
Demonstration auf die Wiener Ringstraße mobilisierte, zeigen, dass Frauen nicht
gewillt sind, sich den patriarchalen Zuschreibungen und der Kapitaloffensive
gegen ihre Rechte zu beugen. Eine neue Qualität in der Zusammenarbeit von
Frauen ist entstanden und sie formiert sich auch um sozialökonomische
Forderungen, die eine Durchbrechung neoliberaler Konzepte verlangen.
Auch das Management entdeckt die Frau – vielmehr die Sensibilität – als
neue Führungsqualität und erhofft von Frauen in Leitungspositionen Anregungen
für den Modernisierungsschub. Das berufliche Engagement der Frauen wird in
kapitalistische Leistungsideologie kanalisiert, und den von Arbeitslosigkeit
betroffenen Frauen wird die Alternative nahegelegt, sich selbstständig zu
machen, kreativ zu sein, Marktnischen auszuforschen – ungeachtet der
zahlreichen Insolvenzen von kleinen Firmen oder Ich-AGs und der fehlenden
finanziellen Voraussetzungen für eine solche Entscheidung.
Marxistinnen sind gefordert, die Geschlechterproblematik historisch und in
ihrer aktuellen Bedeutung aufzuarbeiten und zu analysieren. Sie ist nicht als
Nebenwiderspruch fassbar und kein gesellschaftliches Politikfeld bleibt
unberührt. Mit der Veränderung kapitalistischer Verhältnisse löst sich die
Frauenfrage nicht „automatisch“. Der Kampf gegen patriarchale Strukturen
einer Gesellschaft muss eigenständig geführt werden.
Der Feminismus orientiert auf die Aufhebung des Patriarchats als
gesellschaftliches Unterdrückungsverhältnis, das in allen Lebensbereichen
wirksam ist. Damit wird auch eine Veränderung der Machtverhältnisse angestrebt
zugunsten der Selbstbestimmung der Frauen und einer Demokratisierung der
Gesellschaft. Aber der Streit um Inhalt und Formen der Emanzipation ist bei
weitem nicht ausdiskutiert. Versuche, einen kämpferischen Feminismus zur
wohlmeinenden Beliebigkeit zu verharmlosen und seine Inhalte konsumgerecht zu
verwischen, sind auf der Tagesordnung.
Unsere Orientierungen:
Kulturelle Identität heißt, sich als Geschöpf und Schöpferin einer Kultur zu erkennen, erkannt und anerkannt zu werden. Frauen wehren sich gegen die Inbesitznahme und Vermarktung ihrer kulturellen und künstlerischen Äußerungen durch einen hochgezüchteten Kulturbetrieb und Geniekult. Wir treten für die ökonomische und ideelle Absicherung der Kulturschaffenden ein, für eine KünstlerInnen-Sozialversicherung und für finanzielle Absicherung feministischer Kunsträume und ihrer Produktionen.
Die Frauenbewegung hat das Leben von Frauen und Männern verändert. Die
Entschiedenheit, mit der Frauen antraten, für ihre Rechte zu kämpfen, setzte
alle politischen Strömungen unter Zugzwang, ihr Verhältnis zur sogenannten
Frauenfrage neu zu bestimmen.
Viele Errungenschaften in der Familienpolitik und in der sozialen Situation von
Frauen konnten durchgesetzt werden. Nachfolgende Generationen hatten und haben
deshalb andere Lebensvorstellungen und andere Realitäten in denen sie diese
verfolgen, als ihre Elterngeneration.
Gleichzeitig sind Errungenschaften aber auch immer wieder bedroht. Aktuell
werden unter neoliberalen Vorzeichen Möglichkeiten für Frauen rückgängig
gemacht, üben sogenannte Väterrechtler Druck auf die Familiengesetzgebung
aus, wird das Frauenressort in der Regierung weiter abgewertet, statt zu einem
Frauenministerium ausgebaut zu werden und werden Frauenprojekte ausgehungert.
Während des Aufschwungs der Frauenbewegung konnten wichtige Reformen – z.B.
die Fristenlösung, Änderungen im Familienrecht, vor allem aber gesetzliche
Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen – durchgesetzt werden. Dennoch ist die
Ausfinanzierung des Gewaltschutzes noch immer nicht gegeben. Eine Reihe von
Frauenhäusern in Österreich ist von schmerzhaften Kürzungen bedroht, es
fehlen in vielen Gebieten ausreichend Plätze. Frauenberatungseinrichtungen
fehlen vor allem im ländlichen Raum.
Bereits für selbstverständlich gehaltene Rechte werden unter den herrschenden
neoliberalen und konservativen gesellschaftlichen Bedingungen aber nicht nur in
Frage gestellt, sondern aktiv angegriffen und schrittweise demontiert.
Die Diskussion um Quotierungen
Da trotz formaler Gleichberechtigung Frauen in vielen gesellschaftlichen Feldern
unterrepräsentiert waren und sind, erhoben Frauenbewegungen die Forderung nach
Quotierungen in verschiedenen Formen. Frauen haben sich an gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen aktiv beteiligt, frauenspezifische Blickwinkel
eingebracht und eigene Formen der politischen Aktion entwickelt.
Bewegungen zu anderen gesellschaftlichen Fragestellungen, wie z.B. die
ökologische und Friedensbewegung, hätten ohne die starke Beteiligung von
Frauen nicht jene Bedeutung erlangen können, die zumindest einzelne
Veränderungen ermöglichten.
Aber auch Wissenschaft und Forschung wurden zunehmend ein Feld kritischer
feministischer Konfrontation. Ohne Frauenbewegung wäre der Bereich Gen- und
Reproduktionstechnologie nicht so schnell und in dieser Schärfe
gesellschaftspolitisch-kritisch zum Thema geworden.
Die Politik in Österreich blieb Männerdomäne: im österreichischen
Nationalrat z.B. ist der Anteil weiblicher Abgeordneter meist unter einem
Drittel und kam lediglich zweimal auf 33 %. Sogar noch geringer sind Frauen in
den kommunalen und regionalen Parlamenten vertreten. In ganz Österreich gibt es
nur eine verschwindende Anzahl weiblicher Bürgermeister.
Frauen stellen zwar im Land die Mehrheit der Bevölkerung, ihre
Lebenszusammenhänge und Anliegen sind aber in den etablierten politischen
Gremien ein Minderheitenprogramm. Frauen engagieren sich auf vielfältige
Weise, sind aber in den Gremien nicht vertreten, das zeigt, dass gegen sie
besondere Ausschlussmechanismen wirken. Deshalb treten KommunistInnen für
eine Quote bei allen KandidatInnenlisten für politische Vertretungen ein und
setzen dieses Prinzip auf ihren eigenen Listen auch um. Auch im wirtschaftlichen
Bereich, z.B. für Aufsichtsräte, ist dies durchzusetzen und Aufgabe der
Politik, entsprechend einzugreifen, indem zum Beispiel öffentliche Förderungen
an entsprechende Quoten gebunden werden.
Deshalb muss auch endlich ein Frauenministerium eingerichtet werden, das
ausschließlich für Frauenpolitik zuständig ist.
Innerhalb der KPÖ ist eine 50-Prozent-Quotierung für alle Gremien und Ebenen
klare Zielvorgabe.
Die Debatte um Quotierungen wird inzwischen zwar auch unter Frauen kritisch
geführt. Für uns bleiben Frauenquoten aber ein wichtiges Instrument und
öffnen unter anderem die Augen für Ungerechtigkeiten der geschlechtlichen
Arbeitsteilung.
Das Selbstverständnis der KPÖ
Wir kämpfen für die Verbesserung unserer Lebensrealitäten in der aktuellen
Situation im Neoliberalismus und formulieren unsere Vorstellungen und
Forderungen für eine andere Gesellschaft, in der Kapitalismus und Patriarchat
überwunden werden. In diesen Auseinandersetzungen geht es uns also auch
darum, die Grenzen des kapitalistischen Systems sichtbar zu machen. Diese
zeigen sich in den Fragen:
An diesen Grundfragen, in denen es kaum demokratische Mitbestimmung und
Mitentscheidung gibt, wird deutlich, dass patriarchale Kultur- und
Herrschaftsformen mit dem kapitalistischen System untrennbar verbunden sind. Der
Kampf für Frauenrechte und für eine andere Gesellschaft braucht eigene Räume,
Ressourcen und finanzielle Mittel.
Wir Kommunistinnen arbeiten mit andern Organisationen, in Bewegungen und
Initiativen, suchen den Erfahrungsaustausch unter Frauen und die Zusammenarbeit,
knüpfen mit an neuen und alten Netzen.
Die autonome Frauenbewegung und feministische Diskurse und Theorien veranlassten
KommunistInnen zu einer kritischen Überprüfung des eigenen
Selbstverständnisses. In Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen
Ansprüchen autonomer Frauengruppen entwickelte sich ein Lernprozess, der
Oberflächlichkeiten und Einseitigkeiten bisheriger Theorie und Praxis bewusst
machte. In Aufarbeitung marxistischer Erkenntnisse wurde deutlich, dass
frauenpolitische Ansätze und revolutionäre Inhalte über Jahrzehnte in der
Kommunistischen Partei verschüttet waren.
Die traditionelle Vorstellung von Gleichberechtigung in einem System der
Unterdrückung übersah, dass patriarchale Strukturen Männer privilegiert, aber
auch deformiert hatten. Die Entfremdung manifestiert sich nicht nur im
ökonomischen Ausbeutungsverhältnis, sondern auch in den Beziehungen zwischen
den Geschlechtern. Diese tiefgreifenden Widersprüche kann der Klassenbegriff
allein nicht erfassen.
So blieb auch das Thema Hausarbeit in der marxistischen Gesellschaftskritik der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend ausgeblendet. Aber Bereiche, in
die Kritik nicht vordringt, werden auch der Veränderung entzogen. Daher
beziehen wir heute die Kategorie „Geschlecht“ als soziales Strukturmerkmal
in unsere marxistischen Analysen und Theorien ein. Diese Diskussion über
strukturelle Privilegien und Diskriminierung unter dem Einfluss globaler
feministischer Theorien hat in der Folge die Analyse in vielen marxistischen und
kommunistischen Parteien und Bewegungen radikal verändert. Nicht nur
‚Klasse‘ und ‚Geschlecht‘ (in der englischsprachigen Diskussion
„Class“ und „Gender“), sondern als dritte Kategorie gesellschaftlicher
Unterdrückung ‚Race‘ spielten eine zentrale Rolle bei der Erneuerung des
Kommunismus gegen Ende des 20. Jahrhunderts.
Marxismus – Feminismus
Der Marxismus als radikale Theorie und Praxis will alle gesellschaftlichen
Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein ausgebeutetes, verächtliches,
verlassenes Wesen ist.
Da Menschen ihre Geschichte selbst machen, zwar nicht unter selbstgewählten,
sondern unter vorgefundenen und überlieferten Umständen, müssen Frauen zu
politisch Handelnden werden. Denn wenn wir uns nicht selbst befreien, gewinnen
wir auch keine Freiheit und kein selbstbestimmtes Leben. Dazu müssen wir
herausfinden, wie es eigentlich dazu kommt, dass sich Frauen nicht gegen
unterdrückerische Strukturen wehren, wieso sie diesen vielmehr zustimmen, in
sie einwilligen und dadurch ihre eigene Unterdrückung (mit)produzieren.
So wenig wie KommunistInnen heute denken, dass durch simple gewaltvolle
Übernahme der Staatsmacht revolutionäre Veränderungen der Gesellschaft
erreicht werden können, bedeutet Feminismus, dass Frauen die Macht übernehmen
sollen, um das Herrschaftssystem umzukehren. Wenn Kommunismus die Bewegung ist,
die alle gesellschaftlichen AkteurInnen auffordert, mit ihren eigenen
Erfahrungen im Bereich von Herrschaft und Ausbeutung in einen gemeinsamen
Befreiungsprozess einzutreten, steht Feminismus für die Bewegung, die alle
Machtansprüche eines Geschlechtes über das andere zerstört, was die
menschheitsgeschichtliche Grundlage aller Mächte ist. Beide Bewegungen
verschreiben sich einem revolutionären Prozess, der sich nicht darin zeigt, die
Unterwerfungsstrukturen zu reproduzieren oder zu verbessern, sondern zu
überwinden.
Die feministischen Bewegungen haben den Blick für die gesamte gesellschaftlich
notwendige Arbeit geöffnet, indem sie das Thema Haus- und
Reproduktionsarbeit, Familien- und Sorgearbeit in die Diskussion gebracht
haben. Aber bis heute scheint es schwierig zu sein, zu begreifen, dass es Arbeit
gibt, die die Hälfte aller gesellschaftlichen Arbeiten ausmacht, die von mehr
als der Hälfte der Bevölkerung erbracht wird und dennoch unberücksichtigt
bleibt. Nicht zuletzt die Debatten um den Arbeitsbegriff haben dazu geführt,
Herrschaft nicht mehr einfach als von oben kommend zu denken, sondern als System
der mehrfachen, netzförmigen Verknüpfungen und damit auch Kapitalismus und
Patriarchat als verschränkte gesellschaftliche Voraussetzungen zu verstehen.
Sie haben dem Denken von Herrschaft neue Impulse gegeben.
Gelingt es Frauen, sich am Erwerbsarbeitsmarkt durchzusetzen und Arbeitsplätze
einzunehmen, die bisher ausschließlich oder weitgehend von Männern besetzt
waren, hat das seinen Preis: der Konkurrenzdruck verschärft sich weiter, vor
allem aber fehlen die Frauen dort, wo sie bisher engagiert waren: in den
Familien, bei ehrenamtlichen Aktivitäten, im nachbarlichen Umfeld. Deshalb ist
auch gerade in Zeiten der zunehmenden neoliberalen Verwerfungen der Ruf, an den
Herd der Familie zurückzukehren – zumindest teilzeitig –, lauter zu
hören.
Alles, was nicht beschleunigbar, automatisierbar, rationalisierbar ist und
dadurch dem Markt unterworfen werden kann oder einfach nicht genug Profit
abwirft, muss außerhalb der Märkte, privat erledigt werden, oder es bleibt
unerledigt. Diese Tätigkeiten werden ausgeblendet und dorthin abgegeben, wo die
Märkte und die Marktgesetze (noch) nicht hinreichen. Frauen und MigrantInnen
sind die Subjekte dieser Tätigkeiten.
Die industrielle Entwicklung hat die notwendige Arbeitszeit derart reduziert,
dass die gesetzlich festgelegte Arbeitszeit so radikal gekürzt und auch nicht
profitable Arbeit gerecht aufgeteilt werden kann, dass für alle Menschen mehr
Zeit und Möglichkeit für Selbsterfahrung und dafür bleibt, wissensmäßige,
kulturelle und emotionale Entfaltung zu erfahren.
Zynisch gesagt wurde die Arbeitszeit ja auch drastisch reduziert, aber dies
führte zu Massenarbeitslosigkeit und dem „Abhängen“ ganzer Ökonomien im
Süden. Kapitalistisch organisiert, führt die Ökonomie der Zeit zur Vertiefung
der Spaltung in der Gesellschaft und nicht zu mehr Zeit für menschliche
Entwicklung.
Geschlechterverhältnisse sind
Produktionsverhältnisse
Produktionsverhältnisse geben Auskunft darüber, wie die Menschen ihr Leben
produzieren und organisieren. Menschen produzieren ihr Leben auf doppelte Weise,
sie produzieren ihr eigenes Leben und fremdes Leben: das Fremde in der
Fortpflanzung, das Eigene, indem sie sich als Menschen in diesem Prozess
entwickeln und reproduzieren, auch mittels der Produktion von Lebensmitteln und
Waren. Wir haben also von Anfang an zwei Weisen der Produktion, aus der einen
kommen die Menschen und aus der anderen die Lebensmittel und Güter, die die
Menschen brauchen.
Die Geschichte der Menschheit muss daher in zwei Richtungen bearbeitet werden:
als Geschichte der Industrie, des Austausches der Arbeit und ihrer Produkte und
als Geschichte der Fortpflanzung und Reproduktion der Generationen. Beides muss
zusammen studiert werden.
Erst die Untersuchung der Familien- und Bevölkerungspolitik eröffnet den Blick
auf die Konstruktionen dessen, was als natürlich gilt, was Geschlechter sein
sollen. Das erst lässt verstehen, wie diese Konstruktionen auf den Ebenen von
Moral, Ideologie und Symbolen abgestützt und gesichert, wie sie organisiert
werden und eröffnet den Blick auf die patriarchalen Strukturen.
Konservatives Dilemma Familie
Vor allem für die „Neue Frauenbewegung“ war die Familie der Ort, an dem
Buben und Mädchen sehr unterschiedlich sozialisiert werden. Mädchen werden
darauf vorbereitet, in die prinzipielle Arbeitsteilung „Hausfrau“ und
„Erwerbsmann“ einzuwilligen, ihren Körper entsprechend zuzurichten, ihre
Sinne verkümmern und den Geist einrosten zu lassen, statt sich selbst zu
entfalten.
Familie galt ihr als Inbegriff weiblicher Unterdrückung und Fortschreibung von
Herrschaft von Generation zu Generation. Die Befreiung der Frauen war ohne
Befreiung von der Familie nicht denkbar, um ihre Persönlichkeit durchzusetzen,
mussten sie den Ort der Familie verlassen.
Teile der Frauenbewegung wollten daher „Familie“ als
Unterdrückungsstruktur abschaffen.
Der Neoliberalismus tut es heute unter ganz anderen Vorzeichen. Im Grunde gibt
es die traditionelle Familie, Mann-Frau-Kind(er) – immer weniger. Dennoch
orientieren sich Sozialversicherungen, Lohn- und Gehaltshöhen oder
Arbeitszeitgestaltungen zum Teil noch immer am männlichen
Familienernährer-Modell. Es gibt hohe Scheidungsraten, die weiter wachsen,
sodass man von LebensabschnittspartnerInnen spricht. Es gibt eine wachsende
Zahl alleinerziehender Eltern, zumeist Frauen.
Die wichtigste Grundlage für die bürgerliche Familie, das Modell des
männlichen Ernährers, der (arbeits-)lebenslang für die materielle Ausstattung
sorgt, ist ausgehöhlt. Frauen haben ihren prekären, aber nicht rückgängig
machbaren Platz auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt ein neues Verhältnis von Arbeit
und Zuhause, neue Ansprüche an Beziehungen und Sexualität. Die Familie ist in
einer tiefen Krise, die von den kapitalistischen Verhältnissen ausgeht.
Konservative wollen sie retten, ohne aber an den Ursachen der Zerrüttung zu
rühren.
Wenn Familienmitglieder rastlos über den Globus wandern, um Erwerbsarbeit zu
bekommen, wenn äußerste Flexibilität verlangt wird und dauerhafte
Sesshaftigkeit oft mit Armut und Ausgrenzung bestraft wird, bleibt kein Raum
für die Pflege eines traditionellen Familienlebens. Im Gegenteil: im „Jeder
gegen Jeden“ und beim Abbau des Sozialstaates und sozialer Sicherheit scheint
Familie – im erweiterten Sinn – ein Stützpunkt möglichen Widerstands zu
werden.
Gemäßigtere Neoliberale scheinen besorgt und machen Vorschläge, wie
Generationen- und Elternschaftsverträge, wollen flexible Scheidungsgesetze,
die Gleichstellung homosexueller und lesbischer Paare. Auch sie sollen
selbstverständlich und ohne Einschränkungen Kinder groß ziehen können. Für
Mütter soll es einfacher werden, berufstätig zu sein. Vätern soll der Zugang
und Umgang mit den Kindern erleichtert werden. Jede und Jeder soll ohne
staatliche Einmischung leben, wie er oder sie will, aber in Eigenverantwortung
und möglichst ohne soziale Ansprüche an die Gesellschaft.
Zumindest einige sozialdemokratische Neoliberale sind sich dessen bewusst, dass
die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse mit der Aufkündigung der
sozialstaatlichen Kompromisse nicht reibungslos funktionieren und gefährliche
Klippen haben.
Auch die feministische Theorie und Strategie ist neu gefordert. Denn nicht
alles, was von neoliberaler Seite kommt, ist einfach abzuschmettern. Fatal war
zum Beispiel die Debatte zur Einführung des Kinderbetreuungsgeldes in
Österreich. Die Sozialdemokratie und viele Gewerkschaftsfrauen zogen sich auf
die Verteidigung des Karenzgeldmodelles zurück und lehnten jede Alternative ab.
Sie argumentierten damit, dass „Unternehmerfrauen“ keine Leistungen aus
Töpfen der unselbständig Beschäftigten beziehen sollten. Frauen, die in
diesem Modell aber auch keinen Anspruch hatten, Studierende, Bäuerinnen und
(Schein-)Selbständige, wurde keine Alternative angeboten und sie so den
Neoliberalen, Rechten und Familiendemagogen überlassen.
Schon damals wäre die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen mit jener
um ein neues Arbeitsverständnis zu verknüpfen gewesen. Soziale, politische und
Arbeitsfragen können nicht voneinander getrennt diskutiert werden. Ebenso wenig
Individuum und Gesellschaft. Der Individualisierung von Problemen wie es die
Neoliberalen tun, ist die gesellschaftliche Verantwortung entgegen zu
stellen.
Wir sind gefordert, zu debattieren, wie wir uns als Menschen denken und wohin
wir uns entwickeln wollen. Wir müssen Formen eines neuen Zusammenlebens hier
und heute entwerfen, Solidarität neu erfinden. Die feministischen Bewegungen
brauchen eine neue Vision von solidarischem Arbeiten und Leben und sie brauchen
kleine Schritte von ebensolchen Praxen.
Unsere Orientierungen:
Diese Orientierung erfordert Alternativen, die nicht einseitig eine Vereinbarkeit von Beruf und Beziehungsarbeit/Haushalt für Frauen anstreben, sondern für beide Geschlechter ermöglichen. Dazu sind gesellschaftliche Maßnahmen notwendig, die die Produktion und den privaten Bereich grundlegend umgestalten, beide Bereiche umfassend demokratisieren. Die Forderung nach Quotierung ist eine Voraussetzung für umfassende strukturelle Änderungen von Produktion, Reproduktion und politischer Kultur. Wenn das Geschlechterverhältnis auf allen gesellschaftlichen Ebenen, in der Erwerbsarbeit, in der Familie, im Alltag und in der Politik im emanzipatorischen Sinne verändert wird, hätte dies Umwälzungen auch in anderen Bereichen zur Folge.
So wollen wir Politik machen
In unseren Statuten verankert ist der Anspruch, dass in allen Leitungen und
Arbeitsgremien der KPÖ der Frauenanteil 50 Prozent betragen soll. Ebenso ist
die regelmäßige Überprüfung dieses Beschlusses sowie der Bedingungen, ihn in
allen Parteistrukturen zu verwirklichen, verankert.
Denn auch in der KPÖ gibt es sexistisches Verhalten von Genossen und
Genossinnen, sind traditionelles Denken und auch Formen von Gewalt in den
Beziehungen zwischen Frauen und Männern nicht überwunden. Es gibt keinen
Automatismus von dem programmatisch erhobenen Anspruch auf Emanzipation hin zu
einem entsprechenden Handeln im Alltag. Das veränderte Selbstverständnis von
Frauen lässt Männer nicht unberührt, verlangt von ihnen Reflexion und
Konsequenzen für ihr Selbstbild und ihr Handeln. Die bewusst geführte
Auseinandersetzung zu diesen Fragen benötigt eine politische Kultur des
produktiven Meinungsstreits.
Frauen stärken Frauen
Frauensolidarität ist Teil des Selbstverständnisses der KPÖ. Sich positiv
aufeinander zu beziehen und einander anzuerkennen, ist unser Anspruch. Wir
brauchen eine entsprechende Bildungsoffensive in der gesamten Partei. Wir
verbinden die persönliche Betroffenheit und unser politisches Handeln mit dem
Interesse, die Gesellschaft zu analysieren und zu verändern. In der KPÖ sind
Erfahrungen unterschiedlicher Generationen, von Frauen und Männern in
verschiedenen Lebenszusammenhänge, Berufen und familiären Situationen
aufgehoben und werden auf Augenhöhe ausgetauscht und beachtet.
In den verschiedenen Abschnitten der Geschichte – von der Gründung der KPÖ
vor fast 100 Jahren, über den antifaschistischen Widerstand, die
Auseinandersetzungen im Kalten Krieg bis zum Ringen um eine kritische
Aufarbeitung der eigenen Geschichte und dem Bruch mit stalinistischen Aspekten
der Parteigeschichte und Kultur – hatten Genossinnen wichtigen Anteil.
In der KPÖ versuchen wir, uns eine ganzheitliche Sichtweisen auf die
gesellschaftlichen Verhältnisse zu erarbeiten und in unserer gemeinsamen
politischen Praxis zur grundlegenden Transformation der Gesellschaft
beizutragen.
Auch wenn heute viele Frauen mehr zu verlieren haben, als nur ihre Ketten, haben
wir noch immer gemeinsam eine ganze Welt zu gewinnen, in der Jede und Jeder nach
ihren und seinen Fähigkeiten beiträgt und Alle nach ihren Bedürfnissen
teilhaben.