(30.7.2014)
nd: Die meisten Politiker Europas sind dieser Tage in der Sommerpause. Haben Sie nach der Europawahl und den Streitigkeiten um EU-Posten Grund sich zurückzulehnen?
Baier: Das Bild, das die Europawahl zeigt, ist widersprüchlich und beunruhigend. Einerseits ist eine wesentliche Stärkung rechtsradikaler und nationalistischer Parteien zu verzeichnen. Sie sind nicht nur in den beiden einschlägigen Fraktionen und unter den nichtfraktionierten Abgeordneten, sondern im gesamten rechten Spektrum zu finden. Gleichzeitig ist auch die radikale Linke gestärkt worden, im Ganzen und in einzelnen Ländern. Eindeutiger Wahlverlierer ist das politische Zentrum Europäische Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberale , die für die bisherige Politik stehen. Dass die Sozialdemokraten in der Summe glimpflich davon kommen, gleicht nicht aus, dass sie in mehreren Ländern vernichtende Niederlagen erfuhren. Es scheint aber, als hätten diese Parteien aus dem Signal der Wähler nur die Schlussfolgerung gezogen, in der Mitte zusammenzurücken, um zu business as usual zurückzukehren und die neoliberale Politik fortzusetzen. Das ist beunruhigend, weil es nicht den Wünschen der Bevölkerungen Rechnung trägt. In mehreren Staaten deutet das Wahlergebnis auf eine schwere innenpolitische Krise hin. Mit der Fortsetzung der bisherigen Politik können diese Prozesse nur verschlimmert worden. Damit setzen die herrschenden Parteien den Integrationsprozess selbst aufs Spiel. Auch das kann man aus der Stärkung der rechtsradikalen und nationalistischen Parteien ablesen.