KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

ABC der Eurokrise

Von Michael Graber (5.6.2011)

Die rassistische Debatte um die Schuldenkrise im südlichen Euroland soll vor allem die Ursachen und Folgen der jüngsten Finanzkrise vernebeln.

„Griechen betteln um 60 Milliarden“, „Griechen sollen Tafelsilber verkaufen“, „Pleite-Griechen zahlt uns den Urlaub“, „Jetzt streiken die Athener Bankrotteure auch noch“, diese kleine Auswahl von Schlagzeilen der letzten Tage lehrt uns das Gruseln. Kaum ein anderes Ereignis der vergangenen Wochenwird gründlicher dazu genutzt, Ursachen und Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu vernebeln. Als die Banken krachten geriet das kapitalistische System ins Gerede und Geraunze, jetzt wird über die angeblichen „Faulenzer“ in Portugal und Griechenland hergezogen – nicht nur am Stammtisch.

Ein kurzes ABC der Eurokrise ist in dieser Situation wohl angebracht.

1. Am Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden viele Milliarden öffentlicher Gelder zur Stützung der Liquidität von Banken und der eingebrochenen Konjunktur aufgebracht. Aus privaten Bank- und Konzernschulden wurden öffentliche Schulden gemacht. Klar, daß dabei hoch verschuldete und wirtschaftlich schwächere Staaten an die Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit gelangten.

2. Die Einführung des Euro hat nicht wie versprochen zur Angleichung der wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus beigetragen, sondern vielmehr geholfen die neoliberale Wirtschaftspolitik in allen EU-Ländern durchzusetzen. Im Egrebnis sind die starken Industrieländer in Europa stärker und die schwachen relativ schwächer geworden. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat das nur noch deutlicher hervortreten lassen.

3. Kern der neoliberalen Wirtschaftsstra­tegie ist die einseitige und extreme Exportorientierung, die unter dem Titel „Standortpolitik“ zusammengefaßt wird. Das heißt im einzelnen Löhne und Sozialleistungen hinunter, Arbeitszeit und Arbeitsbelastungen hinauf. Die auf diese Art zusätzlich erzielten Profite können nicht mehr in gleicher Weise rentabel produktiv investiert werden und landen deshalb im weltweiten Finanzkasino. Derzeit etwa zur Hälfte.

4. Die staatlichen „Exportweltmeister“ verzeichnen unerhörte Handels- und Leistungsbilan­züberschüsse. Deutschland z.B. allein im ersten Quartal dieses Jahres 40 Mrd. Euro. Die Überschüsse der einen sind aber die Defizite der anderen, die sich, um die Importe finanzieren zu können, verschulden müssen.

Der EU-Binnenmarkt und der Euro unter neoliberalen Vorzeichen haben nicht nur die Industrien der schwachen Länder elemeniert, sondern auch die Finanzkraft der schwächeren Staaten untergraben.

5. Von dieser Entwicklung haben allerdings auch die Reichen und Superreichen in Griechenland und anderswo profitiert. Sie haben mit billigen Eurokrediten ihre Luxusjachten erworben, ihre Swimingpools und Immobilienvermögen auf- und ausgebaut und dank ihrer Machtstellung in der Politik auch keine Steuern gezahlt (wie bei uns übrigens auch). Deshalb hat sich auch (dort wie bei uns) die Polarisierung zwischen Arm und Reich unerhört zugenommen. Eine „Regierung des Volkes“, die wie in Griechenland derart finanziell unter Druck geraten würde, hätte als erstes sofort alle Luxusjachten in Piräus und anderswo und die Vermögen der Großreeder beschlagnahmt.

6. Die unselbständig arbeitenden GriechInnen (und PortugiesInnen) leben nicht über ihre Verhältnisse, sondern in teils unzumutbaren Zuständen. Der Durschnittslohn in Griechenland beträgt nicht mehr als 800 Euro, bei ähnlichem Preisniveau wie bei uns. In Portugal sind es 600 Euro.

Das mittlere Nettoeinkommen in Österreich beträgt etwa 1.400 Euro (d.h. 50 % verdienen weniger) und sinkt real ab (für ArbeiterInnen in den letzten 10 Jahren um 9 %). Das Arbeitseinkommen aller Arbeitenden gleicht sich (dank neoliberaler Standortpolitik) in der Tendenz nach unten an. Und gleiches geschieht mit den Pensionen, geht es nach den Beschlüssen der Regierungen unter dem Titel „Pakt für den Euro“.

7. Die Arbeitenden in Österreich zahlen für die Kosten der Krise, die die Rettung der Profite der Banken, Versicherungen und sonstigen (Finanz)Konzerne verursacht hat. Die Arbeitenden in Griechenland zahlen die Kosten für die Rettung der Profite der Banken, Versicherungen und sonstigen (Finanz)Konzerne. Da wie dort steckt ein Großteil der Konzernprofite in mehr oder weniger spekulativen Wertpapieren, darunter auch in Staatsanleihen, deren „rating“ dramatisch abgewertet wurde. „Wir“ zahlen also nicht für „die Griechen“ sondern für die Rettung der Profite, da wie dort.

8. Die Eroberung der Märkte weniger entwickelter Industrieländer durch die starken Industrieländer haben eine gigantische Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums in Form von Profiten zugunsten der starken und auf Kosten der schwachen Länder in der EU in Gang gesetzt. Es gibt keinen adäquaten Ausgleichsmecha­nismus in der EU. Das EU-Budget mit 1% des BIP ist, selbst wenn es zugunsten schwächerer wirken würde, im Vergleich zu dieser Umverteilungsmas­chine eine Marginalie.

9. In den wirtschafts- und exportstarken Ländern – insbesondere in Deutschland k- ämpfen zwei Richtungen unter den Wortführern des Kapitals: Die einen wollen ihre wirschaftliche Vorherrschaft bewahren und ausbauen, indem sie einen „starken Euro“ bzw. „Nord-Euro“ befürworten, der sich natürlich auf Deutschland und einige Juniorpartner wie die Niederlande und Österreich stützt. Diese Fraktion fürchtet die notwendigen Kosten eines wirtschaftlichen und finanziellen Ausgleichs in Europa mehr als einen – wie sie hoffen, vorübergehenden – Exportrückgang in jene Ländern, die mit einem „schwachen“ und abgewerteten Resteuro übrig bleiben. Die andere Fraktion will nicht auf die langfristigen Vorteile verzichten, die ihr das bisherige Konstrukt „Binnenmarkt und Euro“ beschert hat, und ist dafür bereit, Mittel zur Aufrechterhaltung der Liquidität der Länder der südlichen Peripherie bereitzustellen (der ominöse „Rettungsschirm“, natürlich mit öffentlichen Mitteln auf Kosten der Steuerzahler und sozialer Leistungen finanziert), weil sie den Ausfall der betroffenen Wert- bzw. Staatspapiere für ihre Profite mehr fürchtet als den möglichen Widerstand der auszuplündernden eigenen Bevölkerungen. Diese kann man ja zur Not auch zeitweilig nationalistischen Rechtspopulisten überlassen.

10. All das hat mit „Solidarität“ natürlich nichts zu tun. Es geht um langfristige strategische Überlegungen. Die „Nord-Euro“-Fraktion würde eine Verdopplung der Schulden Griechenlands oder Portugals bei der Abwertung der dortigen Währung, und damit den sicheren Bankrott, in Kauf nehmen. Die andere probiert gerade aus, wie weit sie die sogenannte „innere Abwertung“ treiben kann, d.h. die Senkung aller Arbeits- und Sozialeinkommen.

11. Linke Parteien, vor allem in der Europäischen Linkspartei, Gewerschaften, soziale Bewegungen und linke ÖkonomInnen haben Wege aus dieser Krise aufgezeigt.

An erster Stelle wäre dabei eine radikale Änderung der Wirtschaftspolitik in der EU zu nennen. Es sind dringend Maßnahmen zu treffen, die ein nachhaltiges Wirtschaften, d.h. ein rasches Wachstum der Wertschöpfung in den Ländern der südlichen Peripherie erlauben. Das erfordert große Investitionen in Industrie, Infrastruktur, in Bildung und Gesundheitswesen – mit finanziellen Mitteln, die durch gemeinsame Anleihen der EU-Länder und einer Finanztransak­tionssteuer aufgebracht werden könnten.

Zweitens: Eine zumindest teilweise Entschuldung und Umschuldung ist nötig, wobei der griechischen und portugiesischen Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit ein wichtiges Wort darüber einzuräumen ist, welche Schulden entfallen sollen.

Und drittens müssen wir in allen Ländern um eine Umverteilung von oben nach unten kämpfen. Löhne rauf. Profite runter. Profit-, Kapital- und Vermögensteuer rauf, Lohnsteuern runter. Dadurch wird in Verbindung mit Kapitalverkeh­rskontrollen der Spielraum für den Krisenfaktor Spekulation eingeschränkt.

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