Von Dagmar Schulz (3.5.2008)
Am ersten Mai gehörte er noch einmal uns allen der Wiener Ring, der sich in kurzer Zeit zu einer Disney-World der Großkonzerne verwandeln wird, zu einem testosterongetränkten Pissoir des Nationalismus.
Die Öffentliche Hand ist großzügig mit Ausgaben für Public Viewing (wie blöd für Öffentliches Fernsehen!), statt einheimischem Bier darf dann nur jenes geschmacklose Gebräu von Firma X ausgeschenkt werden, die Preise für alles werden beachtlich sein Wer profitiert? Die Stadt Wien? Die WienerInnen?
Im Gegensatz zu diesen zeitgeistigen Events, die mit eintsprechenden Neusprech-Phrasen beworben werden (müssen?), wird den traditionellen Maiaufmärschen der ArbeiterInnenparteien stets vorgeworfen, ein wenig gestrig zu sein. Dabei täte es gut, sich in diesem Zusammenhang an Gestern zu erinnern und daran, mit welchem Ernst und welcher Begeisterung, mit welcher Solidarität die Unterdrückten gemeinsam für ihre Ziele kämpften vor allem auch für den 8-Stunden-Arbeitstag. Die erste bleibende Beschränkung der Arbeitszeit auf acht Stunden pro Tag erreichten im Jahr 1858 die Kohlearbeiter von West Yorkshire in England. In Österreich wurde der Achtstunden-Tag auf Druck der ArbeiterInnen nach dem 1. Weltkrieg eingeführt (allerdings später in den klerikalen und nationalsozialistischen Diktaturen wieder verwässert). Doch was ist seither passiert? Durch den Fortschritt in Technik und Kommunikation wäre es längst möglich, mit einer Arbeitszeit von 30 oder noch weniger Wochenstunden (bei vollem Lohnausgleich!) auszukommen was die KPÖ seit langem fordert. Doch scheint es dem Kapitalismus förderlicher zu sein, wenn sich ein Teil der ArbeitnehmerInnen zu Tode schuftet, während ein anderer keine Chance auf fair bezahlte Arbeit hat und in AMS-Kursen geparkt wird.
Gestrig sind diese Forderungen nun wirklich nicht, außerdem zeigt der Blick über den Tellerrand Österreichs, dass der 1. Mai als ArbeiterInnen-Kampftag in vielen Ländern der Welt noch immer nicht selbstverständlich ist, was die Bilder blutiger Zusammenstöße zeigen.
Wirklich befremdet war ich allerdings, als ich Alfred Gusenbauers Rede zum 1. Mai am Abend im Fernsehen hörte: Statt auf gesellschaftliche oder arbeitsrechtliche Probleme Bezug zu nehmen, sah er sich genötigt, eine nationalistische Lobhudelei auf das beste und sicherste Land von sich zu geben und das Ansehen Österreichs zu verteidigen (welches durch ein noch so grauenhaftes Verbrechen eines österreichischen Täters wohl kaum Schaden genommen hat). Dies fand ich selbst für einen sozialdemokratischen Politiker allerdings wirklich vorgestrig.