KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die ÖsterreicherInnen fürchten sich gewinnträchtig

Von Roman Gutsch (18.7.2009)

Wie die Generali die persuasive Angstforschung erfand oder warum sich ein Versicherungskonzern mit Ängsten beschäftigt.

Vergangene Woche wurde die „Generali-Zukunftsstudie 2009“ präsentiert. Das subjektive Angstempfinden der ÖsterreicherInnen, so die Kernaussage der Studie, habe sich dramatisch verändert. Unverändert blieb, wie die Berichterstattung über diese Studie bewies, die Tatsache, dass die großen Medien hierzulande keine kritische Instanz sind. Alle – APA, Standard, ORF, Salzburger Nachrichten, Wiener Zeitung usw. – haben ohne jegliche journalistische Eigenleistung über die als Forschungsbericht getarnte Werbung berichtet. Der rauhe Marketingwolf eines Versicherungskon­zerns warf sich den samtenen Talar der Wissenschaft um, heulte eine OTS-Meldung (Originaltext-Service der APA) und die nachtwandlerischen Medien strecken ihre Schnauze in den Wind, der in der Windmaschine einer Marketingabteilung erzeugt wurde, und stimmen in das hungrige Werbegeheul ein.

Brav wurden die Ergebnisse der Studie referiert, die tendenziös, weil an der Absatzstrategie des Konzerns ausgerichtet, im ausgesendeten Pressetext präsentiert waren. Die Frage etwa, warum sich ein Versicherungsun­ternehmen überhaupt mit Angst beschäftigt, wurde nicht gestellt. Mit klarer Quellenkritik könnte man sich ja Gewitterwolken in das sonnige Anzeigenklima hexen. (Die Wiener Zeitung plazierte online neben ihrer Berichterstattung über die „Zukunftsstudie“ ein Inserat einer Versicherung.)

Die Frage ist aber leicht beantwortet. Die Generali-Gruppe macht sich ein in der Werbebranche als Unsicherheitsprin­zip bekanntes Phänomen zunutze. Menschen versuchen Situationen, die sehr unangenehm, ja, bedrohlich sind, rasch zu entkommen. Hilflosigkeit und Angst laden nicht zum bequemen Verweilen ein. Wege aus diesen Situationen werden daher – gleichviel, wer sie ebnet, auf sie aufmerksam macht, die Maut kassiert – betreten, rasch und kritiklos akzeptiert. Das ist das Bequeme, das man sich in unbequemen Situationen leistet bzw. leisten muss. Das wissen Versicherungskon­zerne und das weiß zum Beispiel auch die Pharmaindustrie, die schon längst dazu übergegangen ist, nicht vorrangig ihre Produkte zu bewerben, sondern die Krankheiten, zu denen sie Medikamente entwickelt hat. Und genauso lassen sich auch Ängste bewerben, für die man Versicherungslösun­gen hat.

Schwere Krankheit, sagt die Studie, und die Kürzung staatlicher Leistungen (Pension) sind die größten Zukunftsängste. Ferner zeige sich, dass die Themen Pflege und Eigentumsdelikte ins Angstzentrum der ÖsterreicherInnen vorrücken. Für Vergleichswerte wurde die „Generali-Zukunftsstudie 2005“ herangezogen, und nicht die aus dem Jahr 2007, die im Ergebnis von der nun veröffentlichten Studie weniger stark abweicht. Die vermeintlich wissenschaftliche Reverenz im Dienste der Absatzdynamik. Dramatik für die Medien, die – bei ihrer Abschreibübung – auch nicht danach gefragt haben, wer nach welchen Kriterien die Auswahl der Items vorgenommen hat. Die Angst, der Kapitalismus könne weiter bestehen bleiben, oder die Angst vor unfähigen, habgierigen ManagerInnen wurde jedenfalls nicht abgefragt.

Aber so ist alles bestens. Die ÖsterreicherInnen fürchten sich gewinnträchtig. Gut, dass sich ihre Ängste dem Produktportfolio der Generali anpassten. Gut für die Generali. Und es überrascht nicht, dass die Generali die Auslöser für diese Ängste kennt, namentlich die „anhaltende Diskussion um die Finanzierungspro­bleme staatlicher Leistungen und die Wirtschaftskrise im Allgemeinen“, es aber selbstverständlich vermeidet, zu sagen, wer seit Jahren systematisch die staatliche Pensionsvorsorge krank redet.

Kurzum: Diese Studie ist Forschung, die überreden, Überzeugungen korrigieren und Handlungen lenken will, ist in diesem Sinne einfach Werbung. Forschung als Überredungskom­munikation. Die Generali erfand also die persuasive Angstforschung.

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