Von Wolf-Goetz Jurjans (23.2.2009)
Party-Chic überstrahlte Krisenstimmung. Trotz Krise: Opernball bleibt
Chance für Geschäftsleute. Walzer gegen die Krise. Tanz gegen die Krise. Keine
Spur von Krise. Gediegenheit statt Krise. Glamour trotz Krise. Nichts zu spüren
von der Krise. Frische Feierlaune statt Krise. Opernball-Tenor: Optimismus.
Wiener Opernball trotz Krise ausverkauft. Trotz Krise: Alles Walzer. Mehr
als 5000 trotzten auf dem Wiener Opernball der Krise. Alles Krise? Alles
Walzer! Wiener Opernball: Reich und schön im Walzertakt. Der Wiener Opernball
trotzt der Krise. Volles Haus trotz Krise. Gegen die Krise antanzen. Opernball,
krisenfest: Alles Walzer…
Soweit das einheitliche Presseecho, was die Frage aufwirft, wozu wir eigentlich
noch eine Vielzahl von Zeitungen brauchen und ob nicht, neben dem ORF, eine
österreichische Prawda genügen würde, um die gewünschte Gleichschaltung der
Staatsschäfchen zu gewährleisten.
Nach Meinung der JournalistInnen geriet der Höhepunkt des Wiener Faschings zu
einer Demonstration der österreichischen Eliten gegen die seltsam schlechte
Stimmung auf der Welt. Stolze anderhalb Millionen ÖsterreicherInnen begafften
das heroische Antanzen der Reichen, Schönen und Wichtigen gegen die Krise,
sodass das Wirtschaftsblatt zufrieden analysieren konnte: Nicht die Krise,
der Opernball war das Thema. Gut so.
In Österreich findet die Krise bislang auf besonderem Niveau statt. Das Land
war jetzt wochenlang mit der Frage beschäftigt, welche Gecken den Opernball
moderieren sollen. Das ist ein gutes Zeichen, weil dadurch ersichtlich wird,
dass die österreichische Seele die ökonomische Realität so weit als möglich
ins Unterbewusste drängt. Ein Sturz in die kollektive psychologische Depression
wird so verhindert. Gemeinhin scheint in Österreich die Stimmung also die zu
sein: Wir lassen uns von der Krise nicht die Laune verderben.
Die sagenhafte Problemlösungsidee, besoffen in die Pestgrube zu fallen und
unversehrt wieder herauszukommen, hat seit den Tagen des Lieben Augustin
scheinbar nichts an Attraktivität verloren.
Besonders dann nicht, wenn die österreichische Geheimwaffe zum Einsatz kommt:
Das kollektive Verdrängen bis zum Abwinken. Deshalb wird die 4. Strophe des
Augustinlieds auch nicht gesungen. Dort heißt es: Jeder Tag war ein Fest, jetzt
haben wir die Pest! Nur ein großes Leichenfest, das ist der Rest.
Für jene, die im kollektiven Verdrängen nicht die einzige Lösung und
möglicherweise gröbere Probleme auf uns zukommen sehen, hatte ÖSTERREICH
eine erleichternde Botschaft bereit: Die Job-Wahrheit titelt sie am Sonntag
und siehe da: Es ist nicht so, wie viele Entlassene berichten, dass Betriebe
Jobs abbauen, sondern MitarbeiterInnen werden gesucht. Sollten also jemand daran
zweifeln, dass die Krise in der Wiener Oper niedergetanzt worden ist, dem sei
gesagt: Es gibt keine. Für alle, die das glauben, hat das Fellner-Blatt noch
eine ultimative Kombination von Opernball und Krise bereit:
Das Herzeige-Ereignis der Nation wird zum Krisenherd des Jahres, wird
aufgeregt berichtet. Ein 5 Punkte Notprogramm wurde aber schon erarbeitet und
die Rettung ist möglich. So kommt der Opernball aus der Krise, wird die
Leserschaft beruhigt.
Das Vertrauen, dass man mit dieser skurrilen Verdrängungsstrategie auf die
Dauer auskommen wird,hat Hannes Androsch, Exminister und Industrieller,
offensichtlich verloren: Jeder spielt Vogel Strauß grantelt er in der
Kronenzeitung. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen. Das ganze System war eine
große Schwindelnummer ereifert er sich. Die Aktivitäten von Immofinanz und
Meinl kann man mit dem Versuch vergleichen, Weizen in der Antarktis anzubauen.
Der Wetwirschaftsgipfel in Davos war die Abschiedsparty dieses
anarchisch-aggressiven, neoliberalen Systems. 1989 ist das kommunistische
System implodiert und 20 Jahre später das neoliberale Casino-kapitalistische.
Die meisten Unternehmer merken erst jetzt, dass man die Krise nicht mehr
verleugnen kann. In Wahrheit wird die Krise nicht bekämpft, sondern verstärkt,
weil wir genauso falsch wie in den dreißiger Jahren reagieren. Die Reisen des
Finanzministers nach Osteuropa zur Stärkung der Banken, die die Krise ebenfalls
leugnen, ist ein ziemliches Debakel geworden poltert er vor sich hin, um
gedankenschwer und geheimnisvoll zu enden: Es muss etwas Neues geben.
An so etwas hat Herr Kopf, der ÖVP Klubobmann noch nicht gedacht. Er vertraut
auf Altbewährtes: So empfiehlt er, die Frage: Wieso ist für die Banken
soviel Geld da, für die Arbeitslosen aber nicht? wie folgt zu beantworten:
Das wäre frivol. Man darf nicht müde werden zu sagen: Liebe Leute, wir
retten ein System. AUCH in Eurem Interesse.