Von Michael Graber (30.3.2010)
Ein Sonderfall ist Hannes Androsch, der das Janusgesicht der Sozialdemokratie in einer Person verkörpert.
Ab und zu läßt sich der ehemalige SP-Finanzminister unter Kreisky in Lederhosen abbilden und als elder statesman der Sozialdemokratie mit guten Ratschlägen interviewen. Als Mitglied der österreichischen Hochfinanz und der Industriellenvereinigung läßt er sich ab und zu auch hören und straft dann die bemühten Äußerungen seiner Parteifreunde Lügen.
So geschehen vor einigen Tagen, als Androsch quasi als Koalitionspartner des Chefs der Industriellenvereinigung Veit Sorger auftrat und sich dabei folgendermaßen äußerte: Alle zahlen unterschiedlich für die Krise, aber der geschützte Sektor am wenigsten. Die größte Verteilungsungerechtigkeit innerhalb unseres Systems existiert zwischen geschütztem und ungeschützten System.
Arm und Reich? Profite der Konzerne, Banken und Versicherung gegenüber den Masseneinkommen? Alles larifari. Der öffentliche Sektor ist die Wurzel allen Übels, der der Budgetkonsolidierung im Wege steht. Und noch konreter weiß Hannes Androsch: Wir haben zu viele Spitalsbetten, Schein-Invalide in Frühpension und eine Hacklerregelung (Pension nach 45 Versicherungsjahren), die Milliarden kostet, obwohl die wenigsten Bezieher Hackler sind. Man erinnert sich in diesem Zusammenhang an die sehr guten Beziehungen Androsch's zu ehemaligen (und heutigen?) ÖGB-Spitzen.
Natürlich weiß Androsch als ehemaliger Finanzminister wie das Budget zu sanieren ist: In einem Land der Masseneinkommen haben nur Massensteuern einen echten Einnahmeneffekt. Deshalb: Erhöhung der Mineralölsteuer als CO2-Steuer. Das sagte er am 2. März. Wenige Tage später verkündete es der amtierende VP-Finanzminister Pröll.
Reichensteuern?, Androsch: Die haben nur in einem Land Sinn, wo viele reich sind. Symbolisch verstehe ich das, fiskalisch bringt eine solche Steuer wenig außer der Gefahr, daß Wohlhabende rasch nach Bratislava ziehen. Die Chuzpe in diesem Satz ist eine zweifache: es liegt eben in der Natur des Kapitalismus, daß nur wenige reich werden. Derer Reichtum aber wächst rascher als der gesellschaftliche insgesamt. Nicht zuletzt auf Grund der Steuerprivilegien. Ein Prozent der ÖsterreicherInnen besitzt ein Drittel des gesamten Vermögens. Und da sei nichts zu holen?
Dazu passt noch eine andere Meldung. Von der gemeinnützigen Hannes Androsch Stiftung bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurde soeben der Hannes Androsch Preis 2011 ausgeschrieben. Dieser dotiert sozialwissenschaftliche Arbeiten zur Zukunft der Systeme sozialer Sicherheit unter den von Androsch vorgegeben Aspekten der Gefahr von deren Überfrachtung und den Risken der Finanz-und Wirtschaftskrise.
Und zwar mit 100.000 Euro, was den Hannes Androsch Preis zum höchst dotierten (privat gesponserten) Wissenschaftspreis in Österreich überhaupt macht.
Zur Preisverleihung sitzt Androsch aber vielleicht doch schon in Bratislava.