KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Religiöse Symbole – Autonomie vs. Heteronomie*

Von Jennifer Zack (6.6.2011)

Sollen künftig sämtliche religiöse Symbole aus der Öffentlichkeit verbannt werden? Was passiert mit dem roten Kreuz, oder dem Grünen? Ist es zukünftig nicht mehr gestattet, dass Juden in der Öffentlichkeit eine Kippa tragen dürfen? Dürfen Frauen, auch aus freien Stücken kein Kopftuch mehr tragen? Welche Auswirkungen hat das auf die Identität der Einzelpersonen und daraus resultierend auf die Gesellschaft?

Es ist ein schwieriges Thema, denn wie soll sich eine ganze Gesellschaft einig sein, wenn ich als Individuum schon Schwierigkeiten habe, mir über dieses Thema eine klar definierte Meinung zu bilden. Zudem handelt es sich um komplexes Gewirr aus den unterschiedlichsten Ansichten, Lebensstilen, Religionen, Gesellschaften, aber vor allem Identitäten.

Religiöse Symbole im öffentlichen Raum haben immer eine doppelte Konnotation – eine öffentlich/ge­sellschaftliche und eine private.

Also differenziere ich zwischen den „öffentlichen“, religiösen Symboliken, wie zum Beispiel dem Kreuz in einem Klassenzimmer (das übrigens durch Steuergelder finanziert wird, egal welcher Religion man angehört oder nicht) und dem privaten Umgang mit denselben im öffentlichen Raum – also ob eine Person ein Kopftuch, eine Mönchskutte, eine Burka oder das Kreuz um den Hals trägt.

Es gibt – meiner Meinung nach – unterschiedliche Ansätze das „Problem“ zu lösen. Meine Vorschläge wären: Entweder man verbietet generell religiöse Symbole im öffentlichen Raum und zieht dieses in jederlei Hinsicht konsequent durch, weil man sagt, Religion sei Privatsache und hat alleine aus dem Grund schon keinen Anspruch auf Öffentlichkeit. Oder man macht – explizit Thema Klassenraum – statt einer möglicherweise weißen und leeren Wand ohne religiöse Symboliken, eine kunterbunte Wand mit sämtlichen religiösen Symbolen. Das wäre Freiheit, Vielfalt und ein Zeichen gegenseitiger Akzeptanz und Toleranz – wir sind zwar unterschiedlich, aber respektieren einander.

Ich glaube, dass man damit sehr viel mehr bewirken kann als mit einem generellen Verbot oder Sanktionen. Denn alle religiösen Symbole aus der Öffentlichkeit zu verbannen, quasi ein künstliches Vakuum zu schaffen, welches wahrscheinlich dann nur mit Werbung aus der Wirtschaft und Konsumwelt – sozusagen mit einer Konsumreligion – aufgefüllt würde, würde nur zeigen, dass wir mit der Pluralität unserer Gesellschaft nicht umgehen können.

Nun zum privaten Umgang mit religiöser Symboliken im öffentlichen Raum wie zum Beispiel den Burkas, Kopftüchern, Nikabs, Hidschas, Tschaders oder dem Kreuz um den Hals, vor allem aber zur Selbstbestimmung und Emanzipation von Frauen.

Gepflogenheit, religiöses Selbstverständnis, religiöse Emanzipation, individueller Selbstausdruck, Gruppenzugehörig­keit aber auch Zwang können der Grund sein, ein Kopftuch, eine Burka, etc. zu tragen. Man kann als Außenstehender kaum zwischen den unterschiedlichen Beweggründen differenzieren. Wenn Zwang und Verletzung der Menschenwürde – was uns rechtspopulistische Parteien glauben machen wollen – der Grund für etwaige Verbote sind, siehe Sarkozys Regierung , bringt es überhaupt nichts, nur die Symbole der Unterdrückung zu bekämpfen. Vergleichbar mit Kindern, die sich die Augen zu halten, damit sie nicht gesehen werden. Nur weil man es nicht sieht, heißt es nicht, dass das Problem der Unterdrückung nicht da ist.

Betroffenen Mädchen und Frauen wirklich zu helfen, erfordert hohen Einsatz. Ein Verbot ist natürlich einfacher, billiger, schneller – und bringt auch mehr Zustimmung von Islamophoben und rechten Kreisen, aber vor allem auch eine Einschränkung der Religionsfreiheit. Es ist meiner Meinung nach populistisch, aktionistisch – und völlig wirkungslos.

Der Schleier als ein Symbol der Unterdrückung von Frauen?

Das Symbol entsteht unter anderem im Auge das Betrachters, in Folge seiner Sozialisation, seiner Vorurteile, seiner Überzeugungen.

Auch mehr oder weniger freizügige Kleidung kann als Symbol der Unterdrückung von Frauen gesehen werden. Symbole sind in der Regel keinen Ge- und Verboten unterworfen. Man erwartet von den Menschen in unserer Gesellschaft, dass sie in der Lage sind, ein Symbol, das sie zum Beispiel als „Unterdrückung der Frauen“ interpretieren, zu „ertragen“. Die Einschränkung, die sich jeder selbst durch seine eigene Interpretation  macht – also es liegt im Auge des Betrachters – ist eigentlich eines jeden persönliches Problem, mit dem er zurecht kommen, ohne dass sich der Mensch den Befindlichkeiten seines Umfeldes unterwerfen muss. Dies gilt natürlich auch umgekehrt für freizügigere Kleidung, die genauso als ein Symbol für Zügellosigkeit, Unmoral, Unreinheit etc. gesehen werden kann. Auch diese Interpretation darf nicht zum Maßstab öffentlichen Verhaltens gemacht werden.

Ein kleiner Diskurs über die Dimensionen eines „religionsreinen“ Staates 

… Gesetzt den Fall, man möchte einen „religionsreinen“ Staat, liegt meiner Meinung nach das größte Problem in der konsequenten Durchführung, sowie der Grenze von Religion im Staat. Diese Komplexität merkt man erst, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht. Religiöse Symboliken finden man fast überall. Sei es auf Siegeln, Wappen, Flaggen, Verbandskästen oder Landesfahnen. Es wäre also nicht sehr zielführend, das Kreuz in der Klasse abzunehmen, wenn der Verbandskasten hängen bleibt.

Meine Meinung ist daher: Religiöse Symbole schränken niemanden ein, wenn sie ebenbürtig einander gegenüberstehen.

Die Menschenwürde ist das höchste Gut eines Menschen. Sie ist darum unantastbar. Aus der Würde des Menschen ergibt sich eine Vielzahl von Freiheiten. Freiheiten haben nur dann einen Wert, wenn der Mensch frei wählen kann. Fehlt die Wahlfreiheit, ist die Freiheit eines Menschen nur eine leere Hülle.

Jedem muss es also gestattet sein, seine Religiosität seinem Glauben bzw. nicht Glauben entsprechend leben zu dürfen, solange dadurch die Rechte der Mitmenschen nicht eingeschränkt oder gar missachtet werden. Das beinhaltet auch das Recht der Frauen, selbst entscheiden zu dürfen, ob sie eine Burka, ein Kopftuch oder ähnliches tragen wollen oder nicht.

*) Heteronomie ist im Gegensatz zur Autonomie die Fremdgesetzlichkeit bzw. -bestimmtheit und bedeutet die Abhängigkeit von fremden Einflüssen bzw. vom Willen anderer. ( wikipedia )

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