KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Walter Baier im Interview

Walter Baier bei einer Podiumsdiskussion

(26.9.2009)

Der ehemalige langjährige KPÖ-Vorsitzende Walter Baier nimmt im standard.at Interview zur antikommunistischen Stimmung im Land Stellung und erklärt, warum der SPÖ eine Linkspartei nützen würde.

„Es ist zu wenig, das schlimmste zu verhindern“, kritisiert Walter Baier, ehemaliger Vorsitzender der KPÖ, die „defensive Haltung“ der Gewerkschaft und der SPÖ in Zeiten der Wirtschaftskrise. „Die politische Dynamik kommt in Österreich ausschließlich von rechts“, glaubt er den Grund zu kennen, warum die SPÖ eine Wahl nach der anderen verliert. In allen Ländern, in denen es keine Linkspartei gibt, die die sozialdemokratische Politik herausfordert, würden die Stimmen „von den Rechten und Rechtsextremen eingesäckelt.“

Eine Linkspartei in Österreich würde Baier, der kürzlich ein Buch über die 90-jährige Geschichte der KPÖ geschrieben hat, deshalb begrüßen. „Ob es jemanden in der SPÖ gibt, der sagen wird, ‚Es reicht, so mache ich das nicht mehr mit‘, so wie es Oskar Lafontaine in Deutschland gemacht hat“, werde man allerdings erst sehen. Die Fragen stellte Rosa Winkler-Hermaden.

derStandard.at: Die KPÖ ist heute nicht sehr erfolgreich. Wieso haben Sie ein Buch über die Partei geschrieben?

Baier: Die KPÖ ist eine historische Partei, die von allen Parteien, die jetzt aktiv sind, am längsten ohne Unterbrechung besteht, das heißt auch zwischen 1934 und 1945 in der Illegalität bestanden hat. Ich wollte den politischen und kulturellen Beitrag, den die KommunistInnen zur Zeitgeschichte geleistet haben und der im Widerstand des Nationalsozialismus beträchtlich ist, dem Vergessen entreißen. Die KPÖ ist aus der österreichischen Geschichte nicht wegzudenken. Wenn ich einen Katalog aufstelle, was mir berichtenswert über die österreichische Zeitgeschichte erscheint, dann fallen mir viele Ereignisse ein, die im Zusammenhang mit der KPÖ stehen.

derStandard.at: Warum hat es die KPÖ nie geschafft, sich als erfolgreiche Partei zu etablieren?

Baier: Dass die Wahlergebnisse nicht berauschend sind, hängt einerseits mit politischen Fehlern der Partei über sehr lange Zeit zusammen, andererseits mit einem Antikommunismus, der Österreich von anderen westlichen Demokratien unterscheidet. Ich glaube, dass das zum Schaden des Landes ist, zu Schaden seiner Kultur und politischen Entwicklung. In Österreich darf man alles sein, sogar ein bekennender Deutschnationaler und Nazi und kann trotzdem Parlamentspräsident werden. Gleichzeitig werden Kommunisten behandelt, als wären sie Ausgestoßene. Das ist ungerecht und widerspricht auch der österreichischen Zeitgeschichte.

derStandard.at: Wieso herrscht in Österreich diese antikommunistische Stimmung?

Baier: Ich habe früher als Parteivorsitzender immer auf die Jahrzehnte langen Fehler der Partei hingewiesen. Und auf das Schweigen der Partei zu den Verbrechen des Stalinismus. Die Jahrzehnte lange unkritische Anbiederung an die Politik der realsozialistischen Staaten Osteuropas hat sicher zur antikommunistischen Stimmung beigetragen. Aber es ist leider auch so in Österreich, dass im Kalten Krieg die Nazis relativ rasch wieder in die österreichische Politik integriert wurden. Die Kommunisten hingegen wurden ausgegrenzt, ließen sich ausgrenzen muss man sagen. Und diese Ausgrenzung erfolgte vor allem aus machtpolitischen Gründen, weil sie letztlich für eine andere gesellschaftspo­litische Haltung gestanden sind.

derStandard.at: Dennoch gibt es auch heute noch eine Stammwählerschaft der KPÖ, auch wenn sie klein ist.

Baier: KommunistInnen sind in vielen Gemeinden aktiv, es gibt Gewerkschafter und aktive Menschen in den sozialen Bewegungen. In einer Zeit, in der Massenarbeitslo­sigkeit droht wie nie in der Nachkriegsges­chichte Österreichs, ist es besonders wichtig, die Interessen der Arbeiter zu vertreten. So versucht die KPÖ Profil zu zeigen und politische Alternativen anzubieten. Wir wollen vor allem die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass auch in Zeiten der Krise die Reichen reicher werden und den Armen noch mehr genommen wird. Wir erleben jetzt gerade im Zeichen der Krise eine Beschleunigung der Umverteilung von Arm zu Reich.

Ich halte zum Beispiel das Gefeilsche, ob man die Mindestsicherung nicht vielleicht doch ein 13. und 14. Mal auszahlen soll, für unerträglich. Während hunderte Milliarden von Euro zur Verfügung stehen, um Pleite gegangene Banken zu sanieren oder um eine von inkompetentem Management an die Wand gefahrene Fluglinie an die Lufthansa zu verschenken. Unerträglich.

derStandard.at: Ist die Wirtschaftskrise somit eine neue Chance für die KPÖ, um mehr Menschen zu erreichen und mehr Stimmen zu erhalten? In Deutschland dürfte die Linkspartei am Sonntag ja relativ erfolgreich abschneiden.

Baier: Ich hoffe, dass am Sonntag die Linkspartei in Deutschland zweistellig wird. Ich glaube auch, dass der Linksblock in Portugal mit einem ausgezeichneten Ergebnis, vielleicht sogar mit einer Verdoppelung der Stimmen bei den Parlamentswahlen rechnen kann.

Die Wirtschaftskrise fordert gesellschaftskri­tisches Denken heraus, weil es ja nicht nur um die Arbeitslosigkeit geht. Es ist eine Nahrungsmittel­krise, eine ökologische Krise, eine Krise der Zivilisation, die in der Finanzkrise deutlich wird. Wer da nicht kritisch denkt, der schaut nicht genau genug hin. Das Problem hier in Österreich ist allerdings, dass es aufgrund der spezifischen politischen Entwicklung keine Linke der Linken gibt. Die Sozialdemokratie erweist sich als unfähig, sowohl die Menschen vor den Auswirkungen der Krise zu beschützen, als auch der Rechtsentwicklung, die bei uns besonders dramatische Ausmaße annimmt, etwas entgegenzusetzen.

derStandard.at: Links von der SPÖ gibt es also nicht genug Potenzial?

Baier: Menschen gibt es in Österreich, die links wählen würden. Es gibt aber keine Partei mit dem entsprechenden Einfluss und keine Medien, die eine politische Alternative links von der SPÖ fördern würden. Die Parteien wollen keine linke Konkurrenz. Das führt aber dazu, dass die politische Dynamik ausschließlich von rechts kommt.

Außerdem nimmt der Österreichische Gewerkschaftsbund eine viel zu defensive Haltung in der Krise ein. Es ist zu wenig, das schlimmste zu verhindern.

derStandard.at: Was soll die Gewerkschaft anders machen?

Baier: Wenn die Personalvertretung bei den ÖBB im April erkannt hat, dass Spitzelei gegenüber den Beschäftigten stattgefunden hat, frage ich mich, warum sie sich nicht sofort die Beschäftigten und die Öffentlichkeit gewendet hat. Ich würde mir auch wünschen, dass die Eisenbahnerge­werkschaft gegen den Plan, den Großteil der Nebenbahnen zuzusperren, mobil macht. Vor allem der Gewerkschaftsbund, hätte heute die Verpflichtung, sich an seine Mitglieder wenden und sie dazu aufzurufen, für eine andere, sozial gerechtere Wirtschaftspolitik einzutreten.

derStandard.at: Auch mit ein Grund, dass die SPÖ eine Wahl nach der anderen verliert?

Baier: Ein politisches Genie ist der Herr Faymann offensichtlich nicht. Aber im Hintergrund steht, dass die SPÖ seit Mitte der 90er Jahre alle sogenannten Reformen, die im Zeichen des Neoliberalismus durchgeführt wurden, maßgeblich mitgetragen hat: Privatisierung der Verstaatlichten Industrie, Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft, Pensionsverschlechte­rungen für große Teile der Bevölkerung, Privatisierung der verstaatlichten Banken. Jetzt stellt sich heraus, wie katastrophal das für die Lebenslage von vielen, vielen Menschen ist. Daher ist die SPÖ unglaubwürdig.

Aber nicht nur in Österreich sind die Sozialdemokraten unglaubwürdig. Sie sind überall in Europa als Interessensver­treter der Arbeitnehmerinnen, Angestellten und Arbeitslosen unglaubwürdig. Die eigenen Stammwählerinnen rennen ihnen davon. In allen Ländern, in denen es keine Linkspartei gibt, die diese Politik herausfordert, werden die Stimmen von den Rechten und Rechtsextremen eingesäckelt.

derStandard.at: Aber die SPÖ betont immer, dass sie mit der Strache FPÖ nicht zusammenarbeiten will. Das reicht wohl nicht?

Baier: Die SPÖ kann nicht ständig von der Zivilgesellschaft Wachsamkeit einfordern, aber in der Ausländerpolitik das tun, was unter dem Druck der FPÖ gefordert wird. Wenn Sie die Gesetze vergleichen mit dem, was in den 70ern von rechtsextremen Parteien gefordert worden ist, werden Sie feststellen, dass das fast 1:1 dem entspricht. Es fällt nur deswegen nicht auf, weil wir uns nun mehr als 30 Jahre an diesen Zustand gewohnt haben.

derStandard.at: Wie ist Ihre Einschätzung: Wird es ein Linksbündnis in Österreich geben?

Baier: Solche Wahlergebnisse, wie das der SPÖ letzte Woche in Vorarlberg, müssen bei den Nachdenklichen und Linken, die es in der SPÖ gibt, alle Alarmglocken läuten lassen. Als ich KPÖ-Vorsitzender geworden bin, war mein persönliches Ziel, den zahlenmäßigen Abstand zwischen KPÖ und SPÖ zu verringern, allerdings habe ich mir gedacht, dass das passieren würde, weil die KPÖ wächst. Tatsache ist aber, dass die KPÖ ungefähr gleichgeblieben ist, während die SPÖ auf einem historischen Niveau ist, wo einem schwindlig wird. Irgendetwas müssen sie sich überlegen.

Ob es jemanden in der SPÖ gibt, der sagen wird, „Es reicht, so mach ich das nicht mehr mit“, so wie es Oskar Lafontaine in Deutschland gemacht hat, wird man sehen. Ich hoffe jedenfalls, dass dann auch die KPÖ im Stande ist zu sagen, wir bleiben zwar KommunistInnen und haben Traditionen und Fehler und Widersprüche, mit denen wir umgehen, aber vor allem wir wollen gemeinsam eine neue linke Partei aufbauen.

derStandard.at: Wäre die KPÖ dann auch bereit, ihren Namen aufzugeben?

Baier: Wenn es etwas Neues gibt, muss es einen neuen Namen haben, ich bin aber dagegen, dass die KPÖ, so wie sie ist, den Namen ändert, obwohl die Sache die selbe bleibt. Wenn sich eine neue Partei entwickelt, dann halte ich das auch für ganz normal, dass sie einen neuen Namen erhält. Man kann sich auch die Frage stellen, ob das überhaupt mit dem Namen „links“ verbunden sein muss. Es geht ja um Werte und um Orientierung, die breiter als die traditionelle Linke ist. (derStandard.at, 25.9.2009)

Zur Person: Walter Baier (55) studierte Volkswirtschaft und Soziologie. Von 1994 bis 2006 war er Bundesvorsitzender der KPÖ. Heute arbeitet er als Koordinator des Thinktanks der Europäischen Linken.

Das Interview zum Nachlesen auf standard.at

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