(30.12.2014)
„»Griechenland wird nicht alleine gelassen.« Als die Kanzlerin dies
2010 verlautete, konnte man bereits wissen, dass das weniger als Hilfsangebot
zu verstehen war, denn als Drohung: Erst hatte Merkel durch ihr Taktieren die
Krise in dem Land angeheizt und dann mit der von ihr orchestrierten
EU-Krisenpolitik dafür gesorgt, dass die Lage für die Hellenen noch schlechter
wird: Die Austeritätspolitik à la Merkel hat den Griechen Massenarmut
beschert, politischer Handlungsspielraum wurde der Logik eines Marktes
untergeordnet, auf dem das Sagen hat, wer profitiert.
Nun könnten sie sich an der Wahlurne für eine Alternative entscheiden
früher als erwartet. Doch wieder lässt Deutschland das Land »nicht alleine«.
Merkels Finanzminister Schäuble hat jeder kommenden Regierung in Athen
auferlegt, sich bedingungslos an Vereinbarungen zu halten, die den Vorgängern
abgenötigt wurden. Auch die EU-Kommission verlangte »breite Zustimmung« zum
»nötigen wachstumsfreundlichen Reformprozess«. Und längst gehören zum
Duktus der marktkonformen Erpressung wieder Drohungen: »Sonst wird es
schwierig«.
Das soll die Griechen verunsichern und ist ein eklatanter Angriff auf ihre
demokratische Selbstbestimmung. Ein geschichtsvergessener zudem, denn es war
(West-)Deutschland, das von einem der großzügigsten Maßnahmen zur
Schuldenerleichterung in der jüngeren europäischen Geschichte profitierte:
auf der Londoner Konferenz 1953. Es folgte damals übrigens ein deutsches
»Wirtschaftswunder«, das den Anfang einer ökonomischen Ungleichheit in
Europa markierte, von der die Bundesrepublik profitierte – zu Lasten unter
anderem von Griechenland.
Und nun? Schwierig wird es für die Griechen so oder so. Auch ein Kurs, der das
herrschende Krisenregime beendet und auf soziale Erneuerung des Landes setzt,
ist nicht ohne Risiken. Für die Linken hierzulande kann das ebenso zur
Herausforderung werden: Es anders als Merkel und also ernst damit zu meinen,
Griechenland nicht alleine zu lassen, könnte bald mehr verlangen als
Solidaritätsadressen in Richtung SYRIZA.“
Quelle: Neues Deutschland, 29.12.2014
Online abrufbar unter: www.neues-deutschland.de