KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Gegen den Privatisierungswahn

Heidi Ambrosch ist Frauensprecherin der KPÖ (Foto: Gisela Ortner)

(4.2.2015)

KPÖ-Frauensprecherin Heidi Ambrosch eröffnete eine sechsteilige Interviewserie zu frauenpolitischen Themen im feministischen Maganzin "an.schläge". Das unten auszugsweise wiedergegebene Interview findet sich auch online unter anschlaege.at.

an.schlaege, Februar 2015

"Gegen den Privatisierungswahn

Interview: BRIGITTE THEIßL, Mitarbeit: SVENJA HÄFNER

an.schläge: In den Statuten der KPÖ ist der Anspruch verankert, dass „in allen Leitungen und Arbeitsgremien“ der Frauenanteil fünfzig Prozent betragen soll. Wie wichtig ist das Thema der Geschlechterparität innerparteilich – sorgt es regelmäßig für Diskussionen?

Heidi Ambrosch: Der Bundesvorstand ist bei uns quotiert, dort ist das Geschlechterver­hältnis ausgeglichen, Probleme haben wir im Bundesausschuss. Dieser tagt einmal pro Woche und es ist sehr schwierig, genügend Frauen dafür zu finden. Das ist ein großes Thema bei uns, allerdings nicht nur die Beteiligung der Frauen, sondern auch jene der Jugend. Wir verzeichnen mehr Abgang als Zuwachs und unter den Neuzugängen finden sich wesentlich mehr junge Männer. Das hat wohl mit dem Zugang von Frauen zu Parteien allgemein zu tun, auch andere Parteien haben dieses Problem.

Inwiefern haben Frauen einen anderen Zugang zu Parteipolitik?

Die Parteistrukturen sind nach wie vor patriarchal geprägt, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Die Art und Weise, wie Sitzungen moderiert – oder auch nicht moderiert – werden, die Selbstdarstellung der Männer in den Gremien, all das ist immer wieder Thema bei uns. Wir haben eine eigene Frauenstruktur, die einmal im Monat zusammenkommt, und zweimal pro Jahr ein Frauenseminar, in dem wir Themen bearbeiten, die uns beschäftigen. Am liebsten wäre uns wohl eine eigene Frauenpartei.

Eine kommunistische Frauenpartei also?

Ja, aber es kann auch breiter sein. Wir denken als KPÖ insgesamt, dass es in Österreich ein neues linkes Wahlprojekt braucht. Im Europawahlkampf haben wir das mit dem Bündnis „Europa anders“ ja schon versucht, da gab es mit der Piratenpartei und Der Wandel auch eine neue Qualität der Zusammenarbeit. Ob uns das auch bei der Wien-Wahl gelingen wird, kann ich noch nicht sagen. Es braucht auf jeden Fall politischen Aktivismus „von unten“, der auch in die Partei hineingetragen wir­d.

(…)

Um auf das Thema der Repräsentation zurückzukommen: Braucht es gesetzlich verankerte Frauenquoten in Politik und Privatwirtschaft – und lassen sich diese überhaupt mit einer fundamentalen Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung vereinbaren?

Nun ja, der Sozialismus steht nicht gerade auf der Tagesordnung. Private Wirtschaft ist auch nicht per se etwas Schlechtes, es geht vielmehr um die Bereiche der Grundversorgung, die sollten unbedingt vergesellschaftet werden. Und die Quote muss selbstverständlich auf allen Ebenen durchgesetzt werden, solange es keine Gleichberechtigung von Frauen gibt. Die Quote ist ein Instrumentarium – natürlich ist sie nicht hinreichend, um die gesamte Struktur zu verändern.

Braucht es im Bereich der Quoten auch klare Sanktionsmaßnahmen, wenn sie nicht erfüllt werden?

Auf jeden Fall. Schwammige Konzepte bringen uns nicht weiter.

Die Frauensektion ist nach der letzten Wahl vom Bundeskanzleramt ins Bildungsministerium gewandert. Braucht es aus Sicht der KPÖ ein eigenständiges Frauenministerium?

Natürlich braucht es ein eigenes Ministerium. Man sieht ja jetzt – bei aller Wertschätzung für Gabriele Heinisch-Hosek –, dass, seit sie die Bildungsagenden übernommen hat, noch weniger von Frauenpolitik die Rede ist.

Es gibt andere Stimmen, die meinen, Frauenpolitik ist eine Querschnittsma­terie, die in allen Ministerien verankert sein müsste – und nicht in einem eigenen Ressort.

Es braucht beides, das eine schließt das andere ja nicht aus. Vor allem aber ist ein ordentliches Budget notwendig. Gerade im Finanzbereich braucht es auch eigene Stellen, Gender Budgeting ist zum Beispiel in den Zielvorgaben der Ministerien zu finden, die Umsetzung ist allerdings nach wie vor äußerst mangelhaft.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Frauenministerin insgesamt, wenn Sie auf ihre gesamte Amtszeit zurückblicken?

Ich habe immer gesagt, die Politik der Frauenministerin zeichnet sich dadurch aus, dass alles, was fast kein Geld kostet, angegangen wird, aber wirklich entscheidende Fragen der sozialen Absicherung von Frauen bleiben leider auf der Strecke. Ja, es gibt beispielsweise einen Einkommensrechner. Aber das sind lauter kosmetische Maßnahmen, die nichts an den Tatsachen verändern.

Im Frauenprogramm der KPÖ ist von Frauenpolitik die Rede, nach Diversity oder Gender Mainstreaming sucht man vergebens. Wollen Sie sich bewusst von diesen Konzepten abgrenzen?

Den Begriff des Gender Mainstreamings habe ich immer schon als einen Kampfbegriff gegen den Feminismus erachtet. Unter diesem Vorzeichen werden plötzlich Männerabteilungen gegründet, es finden Männerkonferenzen statt. Ich habe nichts dagegen, dass Männer sich mit sich selbst auseinandersetzen, aber oftmals wird vom zentralen Problem abgelenkt: der strukturellen Diskriminierung, die Frauen betrifft.

Hat die Verankerung von Gender Mainstreaming auf EU-Ebene nicht auch Türen für feministische Politik geöffnet?

Schon, es gibt immer wieder Richtlinien, so wie auch beim Gender Budgeting. Nur was wird dann realpolitisch damit gemacht? Meist bleibt es bei den Schlagworten, ohne konkret etwas in die Tat umzusetzen.

In einem Leitfaden der Frauensektion zu Frauenförderung in Unternehmen heißt es: „Frauenförderung bringt nachweislich positive betriebswirtschaf­tliche Effekte. Frauenförderun­gsmaßnahmen sind kein Selbstzweck, sondern Teil einer effizienten und modernen Personal- und Organisationsen­twicklung.“ Kapitalistische Effizienz und Frauenpolitik scheinen schon lange kein Widerspruch mehr zu sein.

Was hier steht, hat auch schon der Internationale Währungsfonds vertreten. Frauen sollen hereingeholt werden, es ist eine Strategie des Kapitalismus, das zu tun. Es gibt diesbezüglich eine Debatte, inwieweit der Feminismus nicht auch den Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausprägung befördert hat. Ich selbst finde die Diskussion etwas ins Leere gehend. Ja, wir haben Autonomie gefordert, der Neoliberalismus nimmt das auf und macht jeden zur Ich-AG, wir haben ein Recht auf Arbeit gefordert, der Neoliberalismus will die Frauen in den Arbeitsmarkt integrieren. Deshalb war aber die Forderung nicht falsch, wir müssen nur die Fragen heute anders stellen.

Tut das Frauenpolitik aktuell?

Vieles greift zu kurz. Das wird auch von marxistischen Feministinnen bzw. feministischen Marxistinnen wie Frigga Haug thematisiert. Sie hat die Vier-in-einem-Perspektive entwickelt und fordert Teilzeit für alle, um auch andere Arbeitsformen in den Blick zu bekommen. Was in feministischen Politiken seit Jahrzehnten ausgeblendet wird, ist der ganze Care-Bereich. Nicht nur die Reproduktionsar­beit, sondern auch die Pflege, die vielfach Schattenarbeit ist. Damit zusammen hängt auch die Forderung nach einer radikalen Arbeitszeitver­kürzung für alle bei vollem Lohnausgleich und das bedingungslose Grundeinkommen. Es geht hier um ganz zentrale Fragen, wie sich eine Gesellschaft das Zusammenleben vorstellt. Eine Gesellschaft ist daran zu messen, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht – das sind unter anderem die Alten und Pflegebedürftigen.

(…)

In Ihrem Parteiprogramm wird vielfach die Formel „Privat statt Staat“ verurteilt. In Österreich ist allerdings auch der Staat ein denkbar schlechter Arbeitgeber: In der Stadtverwaltung, an den Unis oder beim ORF werden Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt.

Das ist eine politische Entscheidung der Verantwortlichen, es gibt hier keinen Automatismus. Die neoliberale Doktrin, die von der EU allen Mitgliedstaaten aufgezwungen wird, sorgt für radikale Sparmaßnahmen, und dafür bedient man sich dann dieser Methoden. Es wird auch kommunales Eigentum verscherbelt, öffentliche Verkehrsmittel geleast – ohne das demokratisch legitimieren zu lassen. Aber wie gesagt, das ist nicht „der Staat“, das sind politisch Handelnde, die einer Partei angehören.

In Österreich dürfen AsylwerberInnen derzeit nicht arbeiten. Wie steht die KPÖ dazu?

Wer eine Beschäftigung sucht, und vielleicht sogar eine findet, muss das Recht haben zu arbeiten. Für uns sind alle Menschen gleich – gleiche Rechte für alle Menschen und ein offensiver Antirassismus sind grundlegende Prinzipien für die KPÖ. Sozialminister Hundstorfer hat sich vor Kurzem wie auch zum Teil die Gewerkschaften gegen diese Forderung gestellt, eine solche Haltung geht ganz klar gegen die Menschenrechte.

Die große Mehrheit der Asylsuchenden in Österreich sind Männer*. Sind spezifische Bedürfnisse von weiblichen Flüchtenden Thema in Ihrer Partei?

Durchaus, wir haben auch einen eigenen Passus dazu im Frauenprogramm. Dagmar Schindler von der KPÖ Burgenland beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema. Ich halte das für ein sehr wichtiges Thema, wir müssen uns jedenfalls noch intensiver damit auseinandersetzen.

Kommen wir noch einmal auf die Haus- und Reproduktionsarbeit zurück, die nach wie vor überwiegend von Frauen erledigt wird. Inwieweit soll der Staat deren Organisation und Ausgestaltung regeln? Was soll „Privatsache“ bleiben?

Ich will keiner Frau, die ihre Kinder nicht in eine Betreuungsein­richtung geben möchte, etwas vorschreiben. Wofür wir eintreten, ist ein staatlich gesichertes Recht auf einen Betreuungsplatz. Man kann keiner Frau die Kinder zwangsweise entziehen, das ist absurd – diese Debatte ist auch unnötig zu führen. Aber der Staat muss Betreuungsein­richtungen und Pflegeeinrichtungen bereitstellen und sich auch Gedanken über neue Konzepte machen. Es ist klar eine gesellschaftliche Verantwortung, dass es Kindern gutgeht – dieser Gedanke muss dem Privatisierungswahn entgegengestellt werden. Auch das Bildungssystem muss neu organisiert werden, es liegen so viele kluge Konzepte – ob von NGOs oder einzelnen Wissenschaftle­rInnen – auf dem Tisch, die aber nicht umgesetzt werden.

Treten Sie für eine Ganztags- und Gesamtschule ein?

Ja, ganz klar, wir wollen eine Schule für alle 6– bis 15-Jährigen. Mit zehn kann man keine Richtungsentsche­idung für sein Leben treffen.

Wie sieht es mit dem familiären Zusammenleben aus – braucht es heute die Institution Ehe noch?

Die Abschaffung der Ehe haben wir in den 70er-Jahren gefordert – was wir nicht geschafft haben, schafft heute wohl der Neoliberalismus mit Flexibilisierung und neuen Arbeitsmodellen. Aus meiner Sicht hat es die Ehe als Absicherungssystem nie gebraucht, ich sehe bessere Alternativen, und wir treten auch klar für eine Gleichstellung aller Formen des Zusammenlebens ein.

Auch bezogen auf das Adoptionsrecht für Lesben und Schwule?

Natürlich, sämtliche Gesetze von Adoption bis zum Erbrecht müssen angepasst werden.

Aktuell stehen auch Fortpflanzungstechno­logien immer wieder in der Kritik – Stichwort „Social Freezing“. Bringen solche Technologien Frauen nicht auch mehr Freiheit?

Ich sehe das kritisch, bin aber kein Mensch, der für Verbote eintritt – außer wenn sie unbedingt notwendig sind. Ich glaube aber, es braucht eine viel grundsätzlichere Debatte, wie wir uns das Zusammenleben in einer Gesellschaft vorstellen. Es kann nicht ausschließlich die Karriere im Zentrum stehen und soziale Beziehungen jahrzehntelang hintangestellt werden. Die Arbeitswelt zielt immer mehr auf das Vereinnahmen des ganzen Menschen ab. Sollen wir auch unsere Mütter einfrieren, damit das Kind später noch eine Großmutter hat – das hat ein Kabarettist letztens treffend formuliert.

Abtreibung raus aus dem Strafrecht und auf Krankenschein – für die KPÖ eine wichtige Forderung.

Exakt, dafür treten wir schon immer ein, der Abtreibungsparagraf ist ein Klassenparagraf per se – jene, die es sich leisten können, konnten die Angelegenheit schon immer regeln. Und die Verankerung im Strafrecht bietet den radikalen Abtreibungsgeg­nerInnen die Argumentation­sgrundlage, weil hier immer noch der Schutz des Ungeborenen im Mittelpunkt steht.

Unter Frauenpolitike­rinnen, die sich für ein Recht auf Schwangerschaf­tsabbruch einsetzen, gibt es Bedenken, dass die Forderung nach der Streichung aus dem Strafgesetzbuch diesen Radikalen wieder Aufwind geben könnte.

Ich teile diese Befürchtung nicht, diese defensive Haltung ist falsch. Ich glaube in Österreich gibt es durchaus einen breiten Konsens für ein Recht auf Abtreibung. Natürlich haben wir auch hierzulande eine recht große Unterstützung für diese EU-weite Kampagne „One of us“ erlebt, allerdings hat die Kirche hier auch fleißig bei Gottesdiensten Unterschriften gesammelt. Eine defensive Haltung kann nie die richtige Strategie sein. Ministerien könnten doch zum Beispiel Aufklärungs- und Informationskam­pagnen initiieren – die Frauenbewegung hat dafür keine finanziellen Mittel und kommt auch in den Medien kaum vor. PolitikerInnen würden hier viele Möglichkeiten offenstehen, wenn es denn den Willen gibt.

Das „K“ im Parteinamen der KPÖ sorgt immer wieder für Debatten. Ist für Sie eine linke Partei ohne den Kommunismus im Titel denkbar?

Sicherlich, nur muss das dann ein neues politisches Subjekt sein, von reinen Umbenennungen halte ich nichts. Wenn wir dieselben Personen bleiben und sagen, mit dem K wollen wir nichts mehr zu tun haben, ist das reine Kosmetik. 1991 hat sich die KPÖ schon einmal gespalten, das SprecherInnen-Duo, das eine Umbenennung wollte, ist damals ausgestiegen. Eine Partei hat eine Geschichte und die hat bei uns zwei Gesichter. Einerseits ist es die problematische Geschichte in Zusammenhang mit dem Stalinismus, andererseits ist es auch der antifaschistische Widerstand und der Kampf für soziale Absicherung. Wir müssen uns kritisch mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen und uns nicht einfach umbenennen und sagen: Das waren die anderen. Das ist für mich kein Geschichtsbewus­stsein. "

Das gesamte Interview findet sich online unter anschlaege.at.

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