KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Mit Turbo in die Rezession.

"Geld.Macht.Schulden" – Schwerpunkt der Volksstimme-Ausgabe Februar 2012

Von Manfred Bauer (1.2.2012)

Nach den Vorstellungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel soll europaweit eine verfassungsmäßig verankerte Schuldenbremse für Zucht und Ordnung in den nationalen Budgets sorgen.

Griechenland, Spanien, Portugal und Italien dienten in jüngster Zeit als Experimentierfeld dafür, wie viel neoliberales Diktat und Disziplinierung sich die südliche EU-Peripherie von den Mächten Kerneuropas gefallen lässt. Vor allem mit der Immunisierung gegen den »griechischen Virus« (© Angela Merkel) gelang es Kerneuropa bislang, die südlichen Länder für die Vergesellschaftung der Schulden französischer und deutscher Banken-Fonds- und Versicherungen zu präparieren.

Aneignung fremden Mehrwerts

Gerade Griechenland erwies sich als vortreffliches Feldexperiment für die von der radikalen Marktwirtschaft geschaffenen Disparitäten und Widersprüche, die durch den Euro maßgeblich verschärft wurden. Denn die kapitalstarken Zentren – Deutschland, Frankreich, die Beneluxländer sowie Österreich – nützten vor allem seit der EURO-Einführung die ärmeren Regionen als Markt für den liberalisierten Export ihrer Waren. So lange jedenfalls, bis sie durch die ständige Wertabschöpfung die Reproduktionsfähig­keit dieser Regionen stranguliert und die Finanziers überstrapaziert hatten. Diese Aneignung fremder Mehrwertproduktion spiegelte sich in den jahrelangen Exportüberschüssen wider, die ein klares Indiz dafür sind, dass die reichen EU-Länder vom Beschäftigungs- und Wertetransfer bisher profitierten und mitnichten, wie rechtspopulistische PolitikerInnen wettern, die Zahlmeister der EU waren und sind. Die Kapitaltransfers aus Steuergeldern der europäischen Zentren in die südlichen Länder – euphemistisch Schutzschirm genannt -, dienten und dienen wiederum der stabilen Profitlage der dort engagierten Banken und ihrer privaten Shareholder.

Und die im Gefolge der europaweiten »Schuldenbremse« radikalisierten Sparprogramme, die den ohnehin bereits entleerten Peripherien aufgezwungen werden, haben zum Ziel, das neoliberale Regime in diesen Ländern zu vertiefen: Zumal, da in diesen Staaten zunehmend technokratische »ExpertInnen« an die Regierungsmacht gelangen, die der EU verbindliche Austeritätspro­gramme vorlegen müssen, um überhaupt Finanzmittel aus den europäischen oder internationalen Krisenfonds zu erhalten. Widrigenfalls sind sie von einem Sanktionsverfahren bedroht, zu dessen Verhinderung eine »qualifizierte Mehrheit der EU-Finanzminister« notwendig wäre. Bisher war es nämlich umgekehrt, musste doch die Einleitung eines Verfahrens durch eine »qualifizierte Mehrheit der EU-Finanzminister« erst erfolgen.

Institutionali­sierter Kahlschlag

Mit der von Deutschland propagierten »Schuldenbremse« und den damit verbundenen Sanktionen (d. h.: sollte ein um Konjunkturfaktoren bereinigtes Defizit von mehr als 0,5 Prozent des BIPS verzeichnet werden; Anm. des Autors), werden aber auch europaweit die ökonomischen und sozialen Verwerfungen institutionali­siert. Die Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der Drangsalierung der Schuldenstaaten wurde ebenfalls aufgewertet, zumal dem IWF zusätzliche Mittel von den europäischen nationalen Notenbanken zur Verfügung gestellt wurden. Gleichzeitig wurden Eurobonds verhindert, ebenso wie die Vergabe einer Bankenlizenz an den Europäischen Stabilitätsmecha­nismus (ESM). Mit einer solchen Lizenz wäre es immerhin möglich gewesen, die Anleihen südeuropäischer Staaten als Sicherheit bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für weitere Kredite zu hinterlegen.

Wie sich dieser ökonomische und soziale Kahlschlag im Zuge der Austeritätspolitik bereits jetzt niederschlägt, ist am Beispiel Griechenland dramatisch zu beobachten:

So beträgt die Arbeitslosenrate jetzt schon knapp 20 Prozent, bei der Jugendarbeitslo­sigkeit ist Griechenland mit einem Wert von 47 Prozent Spitzenreiter unter den EU-27. Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Arbeitslosengeld, danach ist keine Unterstützung mehr vorgesehen.

In der Hauptstadt Athen sei nach Angaben von Bürgermeister Giorgos Kaminis die Zahl der Obdachlosen um 20 Prozent gestiegen. In den Suppenküchen der Stadt sei die Nachfrage um 15 Prozent gewachsen. Kaminis fordert daher mehr Unterstützung vom Staat (Quelle: Tageszeitung »Ethnos«). Der Haushaltsplan indes sieht vor, die Sozialausgaben um weitere neun Prozent – das sind zwei Milliarden Euro (!) – zu kürzen.

Nach offiziellen Zahlen verloren im Vorjahr rund 320.000 Griechen ihren Arbeitsplatz. Die Gewerkschaften warnen davor, dass die Arbeitslosenquote demnächst die 30-Prozent Marke erreichen könne. Wegen der rigorosen Sparauflagen will die Regierung in Athen bis 2015 weitere 170.000 Beschäftig­te des öffentlichen Dienstes entlassen.

Durch die sich rasant ausbreitetende Armut sind auch die Umsätze des Einzelhandels gegenüber 2010 um 30 Prozent eingebrochen, was zu massiven Geschäftsschli­eßungen und zu weiteren Entlassungen führt. Löhne und Pensionen werden allenthalben gekürzt, die Rezession in Griechenland nimmt immer drastischere Formen an. Gleichzeitig beträgt das Defizit noch immer zehn Prozent. Ohne fortgesetzte Verschuldung, die einen Verzicht auf eine verfassungsmäßig diktierte »Schuldenbremse« zur Voraussetzung hätte, droht nicht nur Griechenland, sondern der gesamten Eurozone das Versinken in einer schweren Rezession.

Kollektive Dummheit

In einem Interview mit dem Standard vom 9. Jänner 2012 warnt der renommierte Ökonom Achim Truger, der als Finanzexperte am deutschen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) des Linksseins unverdächtig ist, vor politischer »Entmündigung«, »lächerlichen« Erwartungen und einer »tiefen Wirtschaftskrise« im Zuge der Installierung einer EU-weiten »Schuldenbremse«. Das der »Schuldenbremse« zugrunde gelegte Prinzip, »so schnell wie möglich, so hart wie möglich«, drohe nämlich den Euroraum in eine tiefe Rezession zu stürzen, gefolgt von jahrelanger Stagnation. Statt simultan in die Krise hineinzusparen, so Truger, müssten die EU-Staaten das Wachstum mit Investitionen stimulieren. WIFO-Ökonom Stephan Schulmeister brachte dieses Diktat einer »unsinnigen Schuldenbremse«, die etwa in Österreich monatelange Verhandlungen der Regierung mit der Opposition erforderlich macht, in einem Interview mit dem TV-Sender »Okto« treffend auf den Punkt: »Dass die Dummheit von 26 Regierungschefs kollektiv begangen wird, ändert nichts an der Dummheit.«

Truger kritisiert weiters, dass das Defizit als zentraler Indikator für ein Sparprogramm nach undurchsichtigen Verfahren berechnet werde, die auf statistischen Trends basierten und den Nachteil hätten, dass konjunkturbedingte Einbrüche sehr rasch als strukturell interpretiert würden. Nach zwei, drei Jahren Stagnation werde daher eine Politik, die auf die Konjunktur Rücksicht nehmen wolle, fast unmöglich gemacht. »Man begibt sich in die Hand eines statistischen Verfahrens und verliert jeden politischen Einfluss«, so Truger.

Die neuen neoliberalen Machzentren und ihre Profiteure

Den Reigen der neuen – sich im Gefolge der Schuldenkrise herausbildenden – Machtzentren in Europa eröffnete indessen Mario Draghi, der am ersten November 2011 an die Spitze der EZB wechselte. Mario Monti, der neue Regierungschef Italiens, ist als »Mann von Goldmann Sachs« von ähnlichem Kaliber. Sie umgeben sich mit der auktorialen und autokratischen Aura des »Technikers«, des »unabhängigen Experten« sowie des »Neutralen«, die sich allesamt nicht von Parteiengezänk leiten lassen, sondern sich aus den luftigen Höhen der »Expertenkompetenz« großzügig und paternalistisch über gewählte Regierungen und Bevölkerungsmeh­rheiten hinwegsetzen. Ihr »Fach« sei das des Bankers und Anwalts der großen Kapitalanleger.

In Frankreich und Deutschland agiert der Finanzmarkt nicht weniger effektiv, mit der Einschränkung, dass sie hier »Merkozy« (Merkel und Sarkozy) vor sich herschieben. Aber es ist kein Geheimnis, dass das deutsch-französische Duo sein Konzept für eine Änderung des Lissabon-Vertrags in enger Absprache mit dem EZB-Chef, der Deutschen Bank und der französischen BNP-Paribas durchgesetzt hat.

Europa wird mehr als jemals zuvor von den Banken regiert. Konnte man früher sagen, die erste Geige in der EU spielten die Staats- und Regierungschefs, so hat sich dies seit dem Lehman-Krach dramatisch geändert. Banken entsenden nicht nur Regierungschefs, sie schieben auch EU-Institutionen vor sich her: Die Kommission, das Europaparlament, die Eurogruppe – in der Politrhetorik heißt dies, sie »beziehen sie ein«; allein die Sprache verrät: Es handelt sich hier um einen Hofstaat der Banken und der Finanzmärkte. Dessen ungekrönter König ist die EZB, aber dieser König ist selber nur ein Lakai der (institutionellen) Kapitalanleger. Das ist der Sinn der »Unabhängigkeit« der EZB: Unabhängigkeit von der Politik, damit die Finanzwelt unter anderem über das Zuchtmittel »Schuldenbremse« direkten Zugriff auf die monetären und damit gesellschaftspo­litischen Entscheidungen erhält.

Schuldenbremse als Tarnwort und ihre Profiteure

Somit erweist sich die »Schuldenbremse« als ein Tarnwort für den fortgesetzten Abbau des Sozialstaates und als Demokratiebremse. Denn es ist kein Zufall, dass vor allem die Personalreduktionen in den öffentlichen Haushalten (z.B,. auch in Österreich) nahezu sämtliche Bereiche betreffen sollen, außer jenen der Exekutive. Die benötigt der in Bankenhand befindliche Staatsmonokapi­talismus nämlich, um den Widerstand gegen den Sozialabbau auf der Straße effizient zu bekämpfen. Zumal, da die Verursacher und Profiteure der »Krise« sowie die Profiteure der rezessiven Steuerpolitik ungeschoren davon kommen sollen. Die »Schuldenbremse« erweist sich also bei näherer Betrachtung als ein taugliches und fügsames Tarnwort für die Etablierung eines autoritären Regimes der Finanzoligarchie, welche die legitime Demokratie auszuhöhlen beabsichtigt. Somit sind die Vermögenden, die Reichen, die in den letzten Jahrzehnten fiskalpolitisch mehr und mehr entlastet wurden, letztlich auch die Profiteure der Staatsverschuldung. Über das Vehikel »Schuldenbremse« intendieren sie nichts anderes als über Zins- und Zinsesforderungen einen sozial verschlankten, nahezu bulimischen Staatshaushalt.

Von einer längst notwendigen und wirksamen Umverteilung von oben nach unten, um die Schieflastigkeit der Aufteilung von Produktivitätszuwäch­sen und Vermögen zu verändern, sind sie so weit entfernt, wie Bundeskanzler Werner Faymann vom gültigen Programm der SPÖ. Denn dies würde bedeuten, den Grundwiderspruch von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung durch die EigentümerInnen der Produktionsmittel endlich wahrzunehmen.

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