EU veröffentlicht Pläne für neoliberalen Umbau Europas
Von Attac (30.3.2013)
Nahezu unbemerkt hat die EU-Kommission am 21. März ihre umfassenden Pläne für einen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" sowie für eine Vorab-Koordinierung der Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der EU-Mitgliedsländer vorgestellt.
Mit den neuen Plänen der EU-Kommission soll der neoliberale Umbau
beschleunigt und vertraglich abgesichert werden. Ziel ist es, die
Kürzungspolitik in den südeuropäischen Staaten auf die gesamte Eurozone
auszudehnen. Zu Gunsten der EU-Kommission sollen die nationalstaatlichen
Parlamente an den Rand des politischen Prozesses gedrängt werden. Die
Kommission will möglichst alle Eurozonen-Staaten mit festen Verträgen zu einem
weiteren neoliberalen Umbau zubewegen trotz des sozialen Desasters der
Kürzungspolitik in Südeuropa.
In einem offenen Brief an die Nationalratsabgeordneten hatte Attac
bereits im Dezember 2012 seine Kritik an den autoritären Tendenzen und dem
Abbau sozialer Standards in der EU zum Ausdruck gebracht.
In einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union kritisiert das Europäische Attac-Netzwerk die
autoritären Tendenzen und den Abbau sozialer Standards in der EU:
Das Europäische Attac-Netzwerk ist sehr besorgt über den von Kanzlerin
Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgeschlagenen „Pakt für
Wettbewerbsfähigkeit“. Dieser Pakt würde einen weiteren Schritt des
neoliberalen und autoritären Umbaus der EU und insbesondere der Eurozone
darstellen. Soziale Standards und Arbeitnehmerrechte würden abgebaut und immer
mehr Entscheidungen in die Hände nicht demokratisch legitimierter Technokraten
der Europäischen Kommission gelegt werden.
Aktuell werden im Rahmen der Diskussionen um eine „Vertiefung der
Wirtschafts- und Währungsunion“ weitere Schritte geplant. Die diskutierten
Maßnahmen würden faktisch die dauerhafte Installierung einer demokratisch
extrem schwach legitimierten, neoliberalen und zentralisierten Regierung mit
großem politischen Einfluss bedeuten. Das Europäische Attac-Netzwerk ist
besonders über die folgenden Vorschläge besorgt:
- Ein neuer Typ von bilateralen Verträgen zwischen allen Staaten der Eurozone
und der EU: Mit diesen Verträgen würden sich die Staaten verpflichten, so
genannte „Strukturreformen“ zu realisieren und die Empfehlungen der
Europäischen Kommission umzusetzen, um ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ zu
erhöhen. Dieser Ansatz folgt der Memoranden-Politik, durch die über die Troika
u.a. in Griechenland, Portugal und Irland sehr weitreichende politische
Maßnahmen von außen vorgeschrieben werden.
- Ein gemeinsames Budget der Eurozone bzw. ein „Solidaritätsfond“: Ein
neues Budget soll geschaffen werden, um Anreize zur Beseitigung „struktureller
Schwächen“ zu schaffen. Von diesem Budget sollen vor allem jene Staaten
profitieren, die bereit sind, weitreichenden „Strukturreformen“
umzusetzen.
- Weitere Vorschläge, die im Europäischen Rat diskutiert werden,
beschäftigen sich mit einer noch strikteren Überwachung der nationalen
Haushaltspolitik. Die Europäische Kommission soll in die Lage versetzt werden,
nationale Haushaltspläne zu genehmigen bzw. abzuweisen.
- Wenn diese Maßnahmen umgesetzt werden, wird der Druck auf Löhne und
Sozialleistungen weiter erhöht. Während ein gemeinsames Budget der Eurozone
und neue Mechanismen der Überwachung nationaler Haushaltspolitik offenbar erst
mittelfristig auf die Tagesordnung kommen, werden die bilateralen Verträge als
„Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ insbesondere von der deutschen Regierung
intensiv vorangetrieben. Im Rahmen der EU-Gipfel im März und insbesondere im
Juni sollen hier große Schritte gemacht werden.
- Eine Erhöhung der „Wettbewerbsfähigkeit“ im Sinne des Paktes ist
gleichbedeutend mit Sozialabbau, Lohnrepression, einem Abbau des öffentlichen
Sektors, Deregulierung und Privatisierung. Es handelt sich beim „Pakt für
Wettbewerbsfähigkeit“ letztlich um eine Europäisierung der
Memoranden-Politik, wie sie bisher vor allem in Südeuropa durchgesetzt wird.
Angela Merkel sagte in Davos, dass die Verträge im Rahmen des Paktes u.a. die
folgenden Bereiche abdecken sollen: Forschung, Infrastruktur, Verwaltung und
Lohnkosten. Insbesondere der zu erwartende Druck auf Löhne und generell auf das
Lohnfindungssystem und Arbeitnehmerrechte stößt beim Europäischen
Attac-Netzwerk auf scharfe Kritik.
Zusätzlich zu den negativen sozialen Folgen bedeuten die genannten Pläne
zur „Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion“ eine weitere scharfe
Attacke auf die Demokratie. Die Verträge zielen darauf ab, die
wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielräume der nationalen Parlamente auf
ein Minimum zu reduzieren. Auch für das Eurozonen-Budget wurde bisher kein
glaubwürdiges Modell der demokratischen Kontrolle vorgeschlagen. Die
diskutierten Maßnahmen bedeuten daher einen Angriff, sowohl auf soziale Rechte
als auch auf die Demokratie.
Das Europäische Attac-Netzwerk lehnt diese Pläne daher entschieden ab. Wir
werden uns intensiv dafür einsetzen, dass sie nicht Realität werden. Anstelle
einer weitergehenden Vertiefung des autoritären, neoliberalen
Integrationsmodells fordern wir:
- eine direkte Finanzierung der Staaten, unabhängig von den Finanzmärkten
durch eine demokratisch kontrollierte Zentralbank;
- die Durchführung von Schuldenaudits und Schuldenschnitten, die dazu
führen, dass Banken und andere Finanzmarktakteure ihren Teil an den Kosten der
Krise selbst tragen;
- eine koordinierte Erhöhung der Besteuerung von Vermögen und Profiten sowie
ein koordiniertes Vorgehen gegen Steuerflucht und -hinterziehung;
- eine Schrumpfung der Finanzmärkte, bspw. durch ein Verbot von
Hochfrequenz-Handel, Leerverkäufen und außerbörslichem Derivatehandel sowie
eine Überführung des Bankensektors unter öffentliche Kontrolle;
- eine öffentliche und demokratische Finanzierung der Wirtschaft, die soziale
Rechte und hohe ökologische Standards garantiert;
- eine Politik die den Interessen der Menschen, nicht der Banken folgt;
- echte Demokratie jetzt: die Demokratisierung von Entscheidungsfindungen
auf allen Ebenen und eine Förderung transparenter, öffentlicher Debatten über
die Zukunft Europas.
Europäisches Attac-Netzwerk, März 2013
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http://ec.europa.eu/…ation_en.htm
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