SERVICE
Von Rudi Gabriel (21.5.2014)
In einem prägnanten Überblick über die vertragsmäßige Entwicklung der EU von der Union für Kohle und Stahl 1957 bis hin zu den jüngsten Vertragskonvoluten betonte Talos, dass es in all den Jahren zwar immer wieder Bemühungen gegeben hat, soziale Zielsetzungen in die jeweiligen Basispapiere einzubauen, dass aber letztlich die wirkmächtigen neoliberalen Eliten eine nachhaltige Balance zwischen wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten, zwischen wirtschaftlichen Freizügigkeiten und sozialen Zielen zu verhindern wussten.
Talos lieferte das evidente Zahlenmaterial bezüglich der gegenwärtigen EU-weiten katastrophalen Situation in den Bereichen Erwerbsarbeit- Arbeitswelt, Bildung, Armutsentwicklung und demokratischer Mitbestimmung nach den Jahren der Austeritätspolitiken 2008–2013. Im Bezug auf den Bereich demokratische Mitbestimmung hielt Talos klug, leidenschaftlich und kämpferisch ein flammendes Plädoyer dafür, den laufenden Verhandlungen zu TTIP Widerstand entgegen zu setzen.
Wenn es der EU nicht rasch gelinge, die soziale Dimension zu verbreitern und diesbezügliche Schritte zu implementieren, die Verfasstheit der europäischen Instrumente Parlament, Rat und Kommission so umzubauen, dass durch ein starkes und wirkmächtiges Parlament Gesetze gemacht werden, die dann Regierungsarbeit ermöglicht, welche den Menschen dient, wird die EU in jetzigen Form mit Sicherheit scheitern- so die These des Politwissenschafters Prof.Talos.
Talos fordert, in Anknüpfung an die von den Arbeiterkammern formulierten 12 Meilensteine eines Kurswechsels in Richtung eines sozialeren Europas, unter anderem einen Staatsschuldentilgungsfond, Sicherung der Staatsbudgets, damit die EU Staaten ihre ureigenen Aufgaben lösen können Aktive Arbeitsmarktpolitik, nachfrageorientierte Investitionen in Realwirtschaft; weiters wirksames einheitliches Vorgehen gegen Steuerhinterziehung, wirksame Besteuerung von Vermögenswerten, Verbreiterung der Einnahmen der Sozialversicherung von der Lohnsumme auf die gesamte Wertschöpfung und das Unterlassen von Tätigkeiten, die keine eigentlichen Staatsaufgaben sind – im besonderen Bankenrettungen.
Zur Rolle der europäischen Gewerkschaften analysiert Talos, dass Arbeitervertretungen auf Grund der nicht ausbalancierten Wertigkeiten von Wirtschafts- und Sozialinteressen in der Verfasstheit der gegenwärtigen EU strukurell benachteiligt sind. Gewerkschaftliche Aktivitäten auf EU Ebene können daher nur eingeschränkt wirksam werden, weil die Gewerkschaften formell nur wenig institutionell eingebunden sind und auf Lobby- Ebenen einen verschwindend kleinen Anteil ausmachen. Darüber hinaus bemängelt Talos die nur teilweise gelingende internationale Vernetzung der Gewerkschaften, divergierende Interessen und unkoordiniertes Auftreten.
Zuletzt wies Prof. Talos darauf hin, dass nationalstaatliche Politik und EU-Politik einfach nicht mehr zu trennen sind und es sehr wohl bedeutend ist, sich vermehrt auf mitgliedstaatlicher Ebene politisch zu engagieren, nicht zuletzt deshalb, weil eben die Regierungschefs und Fachminister der einzelnen EU Länder auf EU Ebene maßgeblich in die Entscheidungen eingebunden sind. Und da kann sehr wohl jeder selbst den heimischen Politikern die Frage stellen: Wieso habt ihr das alles, was uns jetzt benachteiligt, in Brüssel mitbeschlossen ?"