KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Direkte Demokratie ist kein Patentrezept

Von KPÖ-Bundesausschuss (11.10.2012)

Ein Positionspapier der KPÖ zum Thema direkte Demokratie

Die anhaltende kapitalistische Krise und ihre Auswirkungen zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Bestrebungen, die Politik der Umverteilung von unten nach oben fortzusetzen sowie einer Tendenz zu einer zunehmend autoritären Politik. Auf diese Weise soll die Macht einer kleinen Minderheit von Konzernen und MillionärInnen durch die Abwälzung der Krisenlasten durch Belastungspakete etc. auf die Lohnabhängigen, PensionistInnen, Prekarisierten etc. verbunden mit einem massiven Sozialabbau erhalten werden.

Um Widerstand gegen die unsoziale Politik des neoliberalen Kapitalismus zu verhindern setzt dabei die etablierte Politik immer deutlicher auch bislang als selbstverständlich geltende bürgerlich-demokratische Regeln außer Kraft. Deutlich wird dies mit dem Abbau demokratischer Rechte, der Debatte über ein Mehrheitswahlrecht, die mit Kosteneinsparungen argumentierte Verkleinerung von Parlamenten, die Ausgrenzung und Drangsalierung politischer Opposition (Beispiel TierschützerIn­nenprozess, Polizeiübergriff am 1. Mai 2009 in Linz) und eine immer stärkere Überwachung (Vorratsdaten­speicherung, ACTA etc.).

Ein krasses Beispiel der Entdemokratisierung ist der EU-Fiskalpakt. Neben seiner ökonomischen Wirkung bedeutet er nämlich de facto auch die Aushebelung der Budgetkompetenz der Parlamente. Damit wird deutlich, dass die etablierte Politik unter Berufung auf von ihr selbst unter neoliberalen Vorzeichen selbstgeschaffene Sachzwänge zunehmend nur mehr nach den Vorgaben von Banken, Ratingagenturen etc. agiert. Eine solche Politik hat ihre Gestaltungsfreiheit weitestgehend aufgegeben und sich faktisch selbst entmächtigt.

Bestätigt wird dies etwa durch die Einsetzung nichtgewählter Technokraten als Regierungschefs in Griechenland und Italien auf Weisung der Troika (EU, EZB, IWF). Oder auch durch die „Vorgaben“ wie „richtig“ zu wählen ist: Etwa wenn Parteien (wie vor den Wahlen in Portugal oder Griechenland) in die Pflicht genommen werden, Sanierungsprogramme auf Kosten der Bevölkerung und zugunsten der Banken durchzuführen.

Wachsende Legimitationspro­bleme

Seit Langem schon werden also neben weitgehender Entpolitisierung zunehmende Legitimationspro­bleme des politischen Systems deutlich. Dies drückt sich etwa in rückläufiger Wahlbeteiligung und zunehmender Austauschbarkeit der regierenden Parteien aus. Das zeigt sich auch in der zunehmenden Personalisierung der Politik durch die Medien. Die Austauschbarkeit der Parteien wird zugunsten der Propagierung von leicht austauschbaren Personen überspielt.

Wenn jetzt direkte Demokratie forciert wird, soll offensichtlich ein weiterer Legitimationsver­lust der etablierten Politik verhindert werden, anstatt eine offensichtlich falsche Politik zu ändern. Etwa indem Banken und Finanzmarkt unter Kontrolle gestellt werden und eine radikale Umverteilung von oben nach unten durch entsprechende Besteuerung der gigantischen Profite und Vermögen zugunsten der Allgemeinheit betrieben wird.

Ein Grundproblem direkter Demokratie liegt darin, dass sie unter bestimmten Umständen, in bestimmten Situationen und bei sensiblen Themen (Ausländerfein­dlichkeit, Anti-Islam-Hetze, Kindesmissbrauch, Todesstrafe etc.) leicht zur Manipulation durch Parteien und Medien missbraucht werden kann.

Ergänzung des Parlamentarismus

Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen haben ihren Sinn, sind aber keineswegs ein Allheilmittel gegen Entdemokratisi­erung. Sie können nur eine Ergänzung der parlamentarischen Demokratie sein, was im Übrigen auch in der zu diesem Thema vielzitierten Schweiz der Fall ist.

Aus der Sicht der KPÖ ist daher der Komplex „Direkte Demokratie“ nur als ein Teilaspekt des Themas „Demokratie allgemein“ zu betrachten. Das gilt insbesondere in Hinblick auf die vor allem von der FPÖ, aber aktuell auch von der ÖVP betriebene Propagierung direkter Demokratie als angebliche Lösung der Krise des politischen Systems.

Grundsätzlich sind Grund- Freiheits- und Menschenrechte keine Themen für direkte Demokratie und es darf nicht über Minderheitenrechte abgestimmt werden.

In Österreich hat es bisher nur zwei Volksabstimmungen (1978 Zwentendorf, 1994 EU-Beitritt) gegeben, wurde also diese verfassungsmäßige Möglichkeit kaum genutzt. Hingegen wurde über viele wichtige Sachthemen (etwa EU-Vertrag, Euro-Einführung, Verlängerung der Wahlperiode) eine solche Abstimmung verweigert. Auch die Erfahrung der bisher erfolgreichen 35 Volksbegehren zeugt von einer Missachtung durch Regierung und Parlament, da nur ganz wenige davon in irgendeiner Form gesetzesrelevant geworden sind.

Den Zugang erleichtern

Nach Meinung der KPÖ wäre es vor allem notwendig den Zugang zur direkten Demokratie zu erleichtern: Etwa indem statt 8.032 beim Amt zu leistenden Unterstützungser­klärungen für die Einleitung eines Volksbegehrens 2.600 analog für die Kandidatur bei einer Nationalratswahl oder Europaparlamen­tswahl genügen und diese auch per Liste oder Online aufgebracht werden können.

Ein Volksbegehren für eine Gesetzesinitiative soll bei Unterstützung von mindestens einem Prozent der Wahlberechtigten durch das Parlament behandelt werden. Dabei liegt es natürlich am Parlament dass die Anliegen der Unterstützer ernst genommen und nicht, wie das bislang der Fall war, schubladiert werden.

Die Forderung nach einer Volksbefragung sollte bei einer Unterstützung durch mindestens fünf Prozent der Wahlberechtigten aufgegriffen werden, wobei das Ergebnis einer solchen bekanntlich nur als Orientierung dient. Davon abgesehen sollte auch vom Parlament die bislang überhaupt nicht genützte Möglichkeit von Volksbefragungen zur Entscheidungsfin­dung angewendet werden.

Für eine Volksabstimmung per Volksbegehren halten wir als Quorum mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten für notwendig, wobei wir für die Volksabstimmung selbst eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent für notwendig halten um Minderheitsen­tscheidungen hintanzuhalten. Keineswegs dürfen Volksabstimmungen zur Ausschaltung des Parlaments führen. Vielmehr soll bei wesentlichen grundsätzlichen Entscheidungen (Beispiel EU-Verträge, Wahlrechtsände­rungen etc.) die Beschlussfassung des Parlaments durch eine Volksabstimmung sanktioniert werden. Das gilt insbesondere für Verfassungsgesetze.

In abgewandelter Form sollten diese Regelungen für Gesetzesiniti­ativen, Volksbefragungen und Volksabstimmungen auch für Länder und Gemeinden gelten.

Kontra „gesunder Hausverstand“

Direkte Demokratie setzt politische Verantwortung voraus. Daher sind wir sehr skeptisch, wenn dabei Argumente wie „gesunder Hausverstand“ oder gar „gesundes Volksempfinden“ ins Spiel kommen, wie sie von „Stammtischen“ und rechten Parteien gerne verwendet werden.

Unter direkter Demokratie verstehen wir vor allem die Entwicklung einer partizipativen Demokratie, vor allem auf der kommunalen Ebene durch BürgerInnenver­sammlungen in Stadtteilen und partizipative Budgetgestaltung. Dabei können wertvolle Anleihen bei den Erfahrungen in anderen Ländern (Brasilien, Spanien…) genommen werden.

Reform der Wahlrechte

Eine Weiterentwicklung direkter Demokratie darf nicht vom dringenden Reformbedarf der Wahlrechte ablenken: Etwa durch die Abschaffung von Grundmandatshürden und Sperrklauseln (4 oder 5 Prozent), die Vereinheitlichung der Wahlperioden mit vier Jahren, die Erleichterung der Kandidatur zum Nationalrat durch Wegfall der Verpflichtung bundesweit 2.600 Unterstützun­gserklärungen persönlich beim Amt leisten zu müssen bzw. dass Parlamentsparteien die Unterschrift von drei Abgeordneten genügt und dies analog auch für Landtagswahlen.

Wenn von Demokratie die Rede ist, ist auch darauf hinzuweisen, dass bei Nationalrats- und Landtagswahlen nur österreichische StaatsbürgerInnen, bei EU- und Gemeinderatswahlen zusätzlich EU-BürgerInnen wahlberechtigt sind. Hingegen sind hunderttausende MigrantInnen ohne diese Voraussetzungen vom Wahlrecht ausgeschlossen, auch wenn sie sich schon Jahre oder Jahrzehnte im Land aufhalten. Daher tritt die KPÖ für eine Residenzbürger­schaft ein, welche auch das Wahlrecht ab einer Aufenthaltsdauer von mindestens einem Jahr in Österreich mit einschließt.

Ein weiterer Aspekt ist die Reduzierung des teilweise schon extrem aufgeblähten Föderalismus als Hindernis für sinnvolle Reformen. Dazu ist die Abschaffung der neun Landesgesetzge­bungen zugunsten einer einheitlichen Bundesgesetzgebung und die Reduzierung der Länder auf eine Verwaltungsebene mit enormen Einsparungsmöglichke­iten (Bundesrat, politische Apparate, Parteienförderung) notwendig. Dies bedeutet nicht die Abschaffung der gewählten Landtage. Für notwendig halten wir auch die Demokratisierung der Bezirke durch Wahl der Bezirkshauptleute oder von Bezirksvertre­tungen, so wie das derzeit bereits in Wien und Graz der Fall ist.

Objektivierung der Parteienförderung

Im Zusammenhang mit der aus diversen Korruptionsskan­dalen resultierenden Debatte über mehr Transparenz halten wir auch eine grundlegende Reform der Parteienförderung für notwendig. Im Interesse einer lebendigen Demokratie sollten alle kandidierenden Parteien abhängig vom jeweiligen Wahlergebnis für die laufende Funktionsperiode von EU-Parlament, Nationalrat, Landtag bzw. Gemeinderat eine Förderung entsprechend ihrem Stimmenanteil erhalten, auch wenn sie kein Mandat erreichen.

Dabei soll die Parteienförderung an die Wahlbeteiligung gebunden werden und die Förderung auf Landes- bzw. Gemeindeebene darf gemessen an den WählerInnen nicht höher sein als jene auf Bundesebene. Analog den Parteien sollen auch für Volksbegehren öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Worüber nicht gesprochen wird…

Wenn von Demokratisierung die Rede ist, muss diese auch in Hinblick auf die bestimmende Rolle der Medien (die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen und nach den Profitinteressen der EigentümerInnen bzw. AktionärInnen agieren) für die Meinungsbildung und Herstellung der neoliberalen Hegemonie gesehen werden.

Die größten Demokratiedefizite gibt es aus der Sicht der KPÖ allerdings in der Wirtschaft, wo von Demokratie bekanntlich keine Rede sein kann, weil die Eigentümer bzw. Profitinteressen über existenzielle Fragen wie Arbeitsplätze, Betriebsschli­eßungen etc. entscheiden.

KPÖ-Bundesausschuss 4.10.2012

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