KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Über den Widerstand gegen Schwarz-Blau

(16.9.2000)

Referat von Walter Baier auf der KPÖ-Parteikonferenz am 16. September 2000

Ein Jahr seit der letzen Wahl, sieben Monate schwarzblaue Regierung, sieben Monate Widerstand – Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen: Soviel steht fest: Die schwarzblaue Koalition ist keine vorübergehende Erscheinung. Hinter ihr stehen mehr als der persönliche Ehrgeiz Wolfgang Schüssels und zwei Parteien. Hinter ihr stehen die vorherrschenden Kapitalinteressen, und wie nun auch klar ist, der Segen der Europäischen Union. Man liest im Weisenbericht, der jene Maßnahmen beendete, die man fälschlich „Sanktionen“ nannte:

„Die FPÖ ist eine rechtspopulistische Partei mit einer rechtsextremen Ausdrucksweise … Sie ergreift keine Maßnahmen gegen Mitglieder, die sich fremdenfeindlicher Äußerungen bedienen … Führende Mitglieder versuchen FP Kritiker zu kriminalisieren …“ Aber das führt dann zur paradoxen Schlußfolgerung: „Es ist unsere wohlerwogene Auffassung, daß die Regierung für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt!“

1. Über die Maßnahmen der EU-14

Manche, die sich im Februar weiß Gott was von der EU versprochen haben, haben zur Kenntnis nehmen müssen: Wer sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus und Rassismus auf Brüssel verlassen will, ist verlassen. Die KPÖ hat von allem Anfang an eine kritische Position zu den Maßnahmen der EU-Vierzehn eingenommen. In einer Erklärung des Bundesvorstandes vom März 2000 heißt es: „Die Maßnahmen sind ambivalent und heuchlerisch… Die Behandlung österreichischer Delegationen bei den EU-Ministerräten ist durchaus unterschiedlich. Wo es zur Sache geht, wie z.B. bei den Finanzministern ist sowieso "business as usual“ … Die Werte-Heuchelei wird etwa im Hinblick auf die Türkei sichtbar … Für das Anwachsen des Rassismus in der EU ist das verkörperte neoliberale Kapitalismusmodell verantwortlich, wie auch die Linke im Europaparlament erklärte." Was wir aber – trotz dieser deutlichen Kritik – nicht getan haben, ist uns mit der Regierung zu solidarisieren, uns sozusagen am „nationalen Schulterschluß“ zu beteiligen. Deshalb haben wir auch nicht wie Gusenbauer und Van der Bellen die Aufhebung der „Sanktionen“ verlangt.

Weil der Begriff „Sanktion“ für die symbolischen Gesten ziemlich inadäquat ist, und wir uns nicht an der allgemeinen Verblödung der Menschen beteiligen wollten.

Hieß es in dem Beschluß des Bundesvorstandes: Wir werden auch angesichts der EU-Maßnahmen jeden Eindruck einer Identifizierung mit der Regierung „gegen das Ausland“ vermeiden. Hier sind wir bei einem prinzipiellen Punkt. Wir können uns nicht auf den Standpunkt stellen: Wir haben jetzt die extreme Rechte in der Regierung, aber das ist eine rein nationale Angelegenheit. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist nämlich im Gegenteil ein internationaler Kam­pf:

Weil die Rechte ein internationales Netzwerk bildet und Jörg Haider immer mehr zu ihrer europäischen Integrationsfi­gur wird;

weil der Staatsrassismus international organisiert wird. und drittens weil: die Basis des Rassismus und des Rechtsextremismus die Herrschaft der transnationalen Konzerne, die Durchsetzung des neoliberalen Kapitalismus-Modells darstellt, und das ist kein nationaler, sondern ein europäischer und ein globaler Prozeß.

Das erfordert auch, daß wir unsere grundsätzliche Kritik an der EU nicht abschwächen, sondern zuspitzen; ihr eine neue Dimension, nämlich die der internationalen Auseinandersetzung hinzufügen. Wir halten weiter an der Option eines Austritts aus der Europäischen Union fest, auch wenn das derzeit keine kurzfristig zu realisierende Option ist. Übernächste Woche wird es zwar in Dänemark eine Volksabstimmung darüber geben, ob der Euro eingeführt werden soll oder nicht. In Österreich wird er nächstes Jahr eingeführt werden. Dann wird die Sozial- und Wirtschaftspolitik noch direkter von den Finanzmärkten und den autoritären Entscheidungen der Europäischen Zentralbank abhängig sein. Notwendig ist beiden entgegenzutreten:

Durch eine Tobin-Steuer, das heißt eine Steuer auf kurzfristige Kapitaltransfers. Auch das ist ein internationaler Kam­pf.

Die Europäische Zentralbank, das Hauptinstrument zur Durchsetzung der monetaristischen sozialreaktionären Währungspolitik muß einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden.

Wir treten für Arbeitzeitver­kürzungen ein, die am besten im internationalen Gleichschritt erkämpft werden.

Deshalb müssen sich die Linken, die Gewerkschaften, die Sozial- und Frauenbewegungen international vernetzen. Der Transnationali­sierung der Eliten muß der Internationalismus der Menschen entgegengesetzt werden. Das ist der Sinn der Euromarsch-Bewegung an der wir uns beteiligen, und das ist der Sinn der großen Demos nächstes Wochenende in Prag.

2. Auf dem Weg zum Schlanken Staat

Ich habe schon erwähnt, daß die heutige Regierung eigentlich die EU-konformste der letzten Jahre ist. Die Hilflosigkeit mit der die EU-Regierungen auf die Regierungsbete­iligung der FP reagiert haben und die Unfähigkeit der SPÖ, auch nur auf parlamentarischer Ebene eine Opposition darzustellen, haben dieselbe Ursache. Die FP praktiziert als Regierungspartei das gleiche Politikmuster wie über die eineinhalb Jahrzehnte als Oppositionspartei: Sie vertritt die neoliberalen wirtschafts- und sozialpolitischen Vorgaben der EU am brutalsten und kritisiert gleichzeitig deren sozialen Folgen. Das aktuelle Beispiel dazu ist die Budgetpolitik.

Zugunsten zusätzlicher 0,4 Prozent Defizitsenkung wurden für das Budget 2000 bereits am 1. Juli Steuer- und Abgabenerhöhungen im Ausmaß von 7 Mrd. Schilling wirksam, die im kommenden Jahr bereits zumindest 13 Mrd. Mehreinnahmen bringen werden. Es sind dies ausschließlichen Massensteuern, wie die zusätzliche Energieabgabe auf Strom, die motorbezogene Versicherungsste­uer, die Tabaksteuer, das Autobahnpickerl, die Paßgebühr u.a.. Darüber hinaus wurden heuer bereits die Rezept- und Spitalsgebühr erhöht. Ab nächstes Jahr ist bei der Inanspruchnahme einer Ambulanz ohne Arztüberweisung jeweils 250.-Schilling, im Jahr maximal 1000.- zu bezahlen. Öffentlich Bedienstete zahlen einen zusätzlich erhöhten Pensionssiche­rungsbeitrag.

Dem steht ein Programm zur Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten zugunsten der Unternehmer im Ausmaß von 15 Mrd. Schilling und weitere Unternehmerbegüns­tigungen gegenüber. Neben dieser reinen Umverteilungsaktion nach oben wurde die Politik gegenüber den Arbeitslosen verschärft. Und der jetzt vorliegende Bericht der Arbeitsgruppe, die sich im Auftrag der Regierung mit der „sozialen Treffsicherheit“ beschäftigt, zeigt an, in welche Richtung der Zug weiter fahren soll:

Unfallrenten sollen künftig besteuert werden, bei einvernehmlicher Lösung des Dienstverhältnisses sollen Arbeitslose vier Wochen auf die Unterstützung warten müssen, die Mitversicherung von Lebenspartnern wird abgeschafft, wenn keine Versorgungspflicht besteht und last not least: Studiengebühren sollen wieder eingeführt werden.

Einen gravierenden Angriff auf das bestehende soziale System hat schwarz-blau bereits im Bereich des Pensionssystems mit der Anhebung des gesetzlichen Pensionszugan­gsalters um eineinhalb Jahre gestartet. Darüber waren sich ÖVP und SPÖ bereits einig. Wir haben in einem umfangreichen Dossier den Nachweis erbracht, daß nicht das Pensionssystem in der Krise ist, auch nicht die demografischen Entwicklungen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit zwingen, sondern eine politische Weichenstellung zugunsten des neoliberalen sogenannten „Dreisäulenmodells“ erfolgt, das die FPÖ seit längerem propagiert.

Aus dem öffentlichen Umlagesystem soll ein privater Vorsorgemarkt entstehen, aus dem öffentlichen Bildungssystem ein Bildungsmarkt, dem Gesundheitssystem ein Gesundheitsmarkt. Dem privaten Kapital werden neue Verwertungsmöglichke­iten geschaffen, Staat und Unternehmer aus der Verpflichtung zur Mitfinanzierung der sozialen Sicherheit entlassen. Das einzig sichere daran ist die Verteilungswirkung nach oben und der soziale Darwinismus, der „Rassismus der Schönen, Tüchtigen und Anständigen“. Kaum waren diese Belastungen beschlossenen, verkündete Grasser nach einer Tagung der EU-Finanzminister, daß die Regierung binnen zweier Jahre ein Null-Defizit-Budget erreichen wolle. Seither gibt es keine Wirtschafts- und keine Sozialpolitik mehr sondern nur mehr eine Null-Defizitpolitik.

Nur mehr wenige trauen sich in der Öffentlichkeit überhaupt etwas zu sagen Der Budgetexperte des WIFO Gerhard Lehner wagte es noch am 9. September im „Wirtschaftblatt“, in dem er die Euro-Konvergenzkriterien „bis zu einem gewissen Grad als Willkürakt“ und jede politische Fixierung auf sie als „fragwürdig“ bezeichnete. Daß Staatsschulden ein „schlechteres Image“ hätten als jene der Unternehmen sei nicht plausibel. Genau das ist der Hauptinhalt des Null-Defizit-Mythos den die Regierung derzeit verbreitet und gegen den auch dem Grünen Wirtschaftspro­fessor Van der Bellen nichts einfällt. Im Konsens aller Parlamentsparteien wird der Staat zur „Österreich AG“ umdefiniert.

Um nicht falsch verstanden zu werden. Auch wir sind keine Anhänger der öffentlichen Verschuldung. Die wachsenden Budgetdefizite wurden notwendig, weil vermehrte Staatsausgaben nicht durch stärkere Besteuerung von Profiten, Kapital und großen Vermögen finanziert wurden. Dieses System nennt man Keynesianismus. Das Ergebnis war, mit dem Anwachsen der Staatsschuld wurde für das Finanzkapital eine stabile, fast risikolose und äußerst profitable Einkommens- und Akkumulationsquelle geschaffen. Bis zu einem Viertel des jährlich dem Bund verbleibenden Steueraufkommens, das selbst wieder zu mehr als 80 Prozent aus den Massensteuern stammt, ging in den Zinsendienst.

3. Wer zahlt die Steuern?

Wenn wir die Null-Defizit-Hysterie kritisieren fragen wir: Wer zahlt die Steuern und wer hat was davon? Das ergibt, daß die Nutznießer der Staatsverschuldung in der Vergangenheit auch wieder die Nutznießer der Budgetsanierung sein werden.

Das läßt sich an dem vom Finanzminister vorgelegten Budgetplan bis 2003 deutlich ablesen. So steigt die direkte zusätzliche Belastung der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen durch die ein- und ausgabenseitigen Maßnahmen der Regierung zwischen 2001 und 2003 von 32,1 Mrd. Schilling im kommenden Jahr auf 44,7 Mrd. Schilling im Jahr 2003, während die der Unternehmer von 14,6 Mrd. auf faktisch Null zurückgehen wird, dann nämlich, wenn die Lohnnebenkosten und die Körperschaftsteuer wie geplant gesenkt wird.

Die indirekten Belastungen sind dabei aber gar nicht berücksichtigt. Sie ergeben sich aus der Abschöpfung von zeitweiligen Überschüssen in einzelnen Töpfen der Sozialversicherung, durch die Ausgliederungen, Privatisierungen und die zusätzlichen Belastungen, der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Nicht zuletzt aber durch die sozialen Folgen des neuen Finanzausgleichs, der zugunsten des Null-Defizits aus den Ländern und Gemeinden 30 Mrd. Schilling herauspressen wird. Man geht nicht fehl, wenn man den Beitrag der ArbeiterInnen, Angestellten und PensionistInnen unter dem Titel „Sanierung“ mit Zahlen über 70 Milliarden ATS veranschlagt.

Wie demagogisch vorgegangen wird, zeigt die Diskussion um die Privatstiftungen. In ca. 1800 dieser Stiftungen sollen an die 600 Mrd. Schilling veranlagt sein. Das macht im Durchschnitt über 300 Millionen Schilling pro Stiftung. Es ist aber bekannt, daß es in Österreich zumindest 50 Milliardäre gibt, die samt und sonders „stiften“ gegangen sind.

Geht man davon aus, daß Stiftungskapital eine 8prozentige Rendite abwirft, so bedeutet das einen jährlichen steuerfreien Vermögenszuwachs von knapp 50 Mrd. Schilling. Die Besteuerung der Stiftungserträge, die die Regierung angekündigt hat, soll nun 2,2 Mrd. Schilling erbringen. Das sind nicht einmal 5 Prozent dieses jährlichen Vermögenszuwachses. Die Lohnsteuerbelastung der Arbeitseinkommen beträgt dagegen effektiv im Durchschnitt mit 17,7 Prozent also mehr als das Dreifache. Natürlich ist von der schwarz-blauen Regierung nichts anderes als eine symbolische Besteuerung der Reichsten in der Gesellschaft zu erwarten. Aber wie soll die SPÖ gegen diese Umverteilung opponieren? Die SPÖ hat diese Privilegien bekanntlich eingeführt. Und nicht nur das: Sie hat beispielsweise auch die Vermögenssteuer abgeschafft. Würden die geschätzten 600 Milliarden Schilling, die in Stiftungen angelegt sind, mit der 1prozentigen Vermögenssteuer belegt, so würde das mit 6 Milliarden Schilling etwa das dreifache der geplanten Stiftungszwis­chensteuer bringen.

Würde sie mit der 25prozentigen KEST besteuert, das ist der Steuersatz, der auf jedes Sparbüchel angewendet wird, so kämen immerhin 12.5 Milliarden Schilling herein. Und käme der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer zur Anwendung, so wären es 25 Milliarden Schilling. Damit läuft das Regierungsprogramm gesellschaftspo­litisch auf einen gewaltigen Schritt auf den in Richtung des von und der Industriellen­vereinigung geforderten „Schlanken Staat“ hinaus. Ist da erstaunlich, daß die Regierung Schüssel-Grasser bei der EU Anerkennung findet. Nicht erstaunlich ist, daß der SPÖ dazu keine Alternative einfällt, entsprechen diese Maßnahmen in allen Einzelheiten dem, was Tony Blair in Großbritannien oder Rotgrün in der BRD durchsetzen. Das ist der neoliberale Konsens, der in der gesamten EU herrscht. Das Beispiel zeigt auch, daß jede alternative Politik, sei es traditionelle oder sei es neue Sozialpolitik, sei es die Finanzierung der Hochschulen, sei es die Frauenpolitik oder anderes – eines müssen sie gemeinsam haben. Sie erfordern eine alternative Verteilungspolitik. Dabei müßten drei Punkte durchgesetzt werden:

Die Kapital- und Vermögensbeste­uerung ist auf das in der EU durchschnittliche Niveau anzuheben;

die Steuerprivilegien des Finanzkapitals wie im Stiftungsrecht müssen beseitigt werden;

eine Wertschöpfungsab­gabe ist zur nachhaltigen Sicherung des Sozialsystems erforderlich.

Heißt das nun, daß zwischen der jetzigen und jeder anderen Regierungskon­stellation auf der Basis des Neoliberalismus kein Unterschied besteht? Bürgerblockre­gierungen gab es nur in der 1. Republik, die Sozialdemokratie war seit 1945 mit der Ausnahme der vierjährigen VP-Allein-Regierung in allen Regierungen vertreten.

4. Der rechte Populismus

Der Abstieg der SPÖ zur Mittelpartei verlief parallel zur Durchsetzung neokonservativer, angebotsorien­tierter und monetaristischer Wirtschaftspolitik. Der neueste Tiefpunkt der neoliberalen Anpassung der SPÖ ist der Verkauf der Bank Austria durch die Wiener Sozialdemokraten. Mit einem Federstrich entledigte sie sich der Verantwortung für 60.000 Arbeit­splätze und entschlägt sich auch ihrer Eingriffsmöglichke­iten in der Wirtschaftspolitik. Damit ist klar, in welcher Kontinuität die jetzige Regierungspoli­tik steht.

De FPÖ hat stets die raschere Umsetzung neoliberaler Politik gefordert, als noch sozialpartner­schaftliche Rücksichtnahmen vorherrschten. Sie hat aber gleichzeitig von den sozialen Folgen dieser Politik profitiert, in dem Maß in dem sie umgesetzt wurde. Ihr rechter Populismus besteht darin, daß sie aus der Opposition heraus – soziales Unrecht, Privilegien, Obrigkeitssta­atlichkeit, eigentlich linke Themen – aufgegriffen hat, um sie in ihre reaktionäre, rechte, sexistische, minderheitenfe­indliche Argumentation einzubauen. Ihre Bedenkenlosigkeit stellt sie die modernste Politikkonzeption des Neoliberalismus dar. Der rechte Populismus zielt europaweit darauf, dem neoliberalen Kapitalismus eine neue Basis von Zustimmung sowohl von Modernisierun­gsgewinnern als von sozial Benachteiligten zu schaffen. Seine Gefährlichkeit besteht darin, daß er die soziale Frustration mit Aggressivität gegen Minderheiten – ethnische, sexuelle, sozial ausgegrenzte – auflädt. Und das verbindet sich in Österreich noch mit den ideellen und psychologischen Langzeitwirkungen des Faschismus. Das heißt auch, wir können dem rechten nicht mit einem linken Populismus kontern. Linker Populismus funktioniert nicht. Daher sind Fragen des Antirassismus oder des Kampfes gegen Minderheitenfe­indlichkeit keine Rand- oder Nebenthemen. Wir sind für die soziale, politische und rechtliche Gleichstellung aller in Österreich lebender Menschen, für das kommunale Wahlrecht, für die Öffnung der Gemeindebauten etc.

5. Außerparla­mentarische Bewegungen

Wenn aber auf parlamentarischer Ebene kein Widerstand gegen den neoliberalen Umbau zu erwarten ist, dann muß es heute vor allem um die Entwicklung außerparlamen­tarischen Widerstands gehen. Die vielfältige Bewegung gegen schwarzblau stellt ein wichtiges neues Phänomen der Innenpolitik dar. Diese Bewegung ist mehr als die Wiener Donnerstagsde­monstrationen. Nicht nur, weil bei Regierungsantritt in Salzburg, in Klagenfurt, in Graz, in Linz, in Bludenz und in anderen Städten demonstriert wurde. Zu dieser Bewegung gehören die großen Demos im November und im Februar. Dazu gehört auch das Pfeifkonzert gegen die SP- und VP-Politiker, die sich auf die Demos draufsetzen wollten, vor allem gehört dazu aber die große und breite Politisierung, die zahllosen Diskussionsforen und die Websites, also die zivilgesellschaf­tliche Entwicklung der letzten Monate.

Viele Aktivisten erkennen, daß SPÖ und Grüne ist keine Alternative zur derzeitigen Regierung darstellen. Aber die meisten erkennen noch keine andere Alternative. Und das ist nicht nur parteipolitisch zu verstehen, sondern vor allem inhaltlich. Daher ist die wichtigste Aufgabe der KPÖ an der Politisierung und Radikalisierung der Proteste zu arbeiten.

Inzwischen herrscht weitgehende, wenn auch nicht vollständige Einigkeit in der KPÖ darüber, daß wir uns an dieser Bewegung beteiligen sollen. Ich gehe nun nicht darauf ein, daß noch im November letzten Jahres in der KPÖ gefordert wurde, zur ersten großen Demonstration nicht (!) aufzurufen. Das nütze der SPÖ, hieß es.

Im Februar wurde verlangt, man solle unser Engagement gegen Schwarzblau aufs „Symbolische“ beschränken. Und noch vor ein paar Wochen hieß es, daß unsere sichtbare Teilnahme an den Donnerstagsde­monstrationen „nur mehr lächerlich“ sei.

Das Mißverständnis, das sich hier ausdrückt, ist nicht nur eines in der Einschätzung der innenpolitischen Lage, sondern vor allem eines der Funktionen kommunistischer Politik. Meiner Auffassung nach haben KommunistInnen dort zu sein wo Widerstand gegen das bestehende System geleistet wird. Aber richtig ist, wir können uns nicht aufs Dabeisein beschränken. Wir müssen mitdiskutieren, wir müssen politisieren. Darum sind die Diskussionsforen der Bewegung gegen Schwarzblau in den kommenden Wochen auch so wichtig.

Eine weitere seltsame These lautet: Diese neuen Bewegungen seien „kleinbürgerlich“. Wahr ist zwar, daß sich der Widerstand gegen schwarzblau außerhalb der traditionellen Linken und Arbeiterbewegung entwickelt hat, aber vermessen wäre es, dies zum alleinigen Kriterium ihrer Einschätzung zu machen.

Wenn man über „Arbeiterklasse“ spricht, muß man zur Kenntnis nehmen, daß es sich dabei um etwas anderes als noch vor 15 oder 20 Jahren handelt. Die Mehrheit der Menschen, die heute „die Arbeiterklasse“ bilden, arbeitet im Dienstleistun­gssektor. Da gibt es neben schlechten und schlechtbezahlten Jobs sehr anspruchsvolle Tätigkeiten, Umgang mit neuen Technologien hohe soziale Kompetenz, Bildungselemente, die in der heutigen Arbeiterklasse wirken. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß die Mehrheit der heutigen Arbeiterklasse weiblich ist, genau so wie die Mehrheit der herrschenden bürokratischen, politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten eben männlich ist. Für das Bild der heutigen Arbeiterklasse ist daher die hochqualifizierte Krankenschwester, die Computerexpertin, u.a. so typisch, wie vor 15 Jahren der Stahlwerker in der verstaatlichten Industrie es gewesen ist. So betrachtet ist Feminismus, also das politische Selbstbewußtsein der neuen Frauenbewegung, nicht irgendeine Ideologie jenseits der Klassen im luftleeren Raum, sondern zentraler Aspekt eines modernen, heutigen Arbeiter-Klassenbewußtseins. Und schließlich die Prekarisierung der Arbeitswelt, hunderttausende Teilzeitbeschäftig­te, darunter die Mehrheit Frauen. Neue Selbständige, atypische Arbeitsverhältnis­se, die immer mehr in klassische Produktionsbereiche vordringen. Prekarisierung ist nicht nur ein Problem, wie manche sagen, von „Problem- oder Scharniergruppen“, sondern die Prekarisierung betrifft die gesamte Klasse direkt und indirekt. 1,5 Millionen Menschen wechseln während eines Jahres ihre Beschäftigungsver­hältnisse, verfügen also über keinen Dauerarbeitsplatz. Hier entwickelt sich einerseits ein neues Feld der Vertretungspolitik aber auch eine neue politische Kultur. Wenn die Bewegung gegen Schwarzblau typisch ist, dann für eine auf diesem Hintergrund entstehende neue Protestkultur, das heißt eine demokratische Tendenz in der heutigen Gesellschaft.

Dann gibt es noch einen wichtige Aspekt: Geht man nur von den offiziellen Daten aus, so ergibt sich, daß ein Fünftel der abhängig Beschäftigten Immigrantinnen und Immigranten sind. Würde man die Angehörigen der zweiten und dritten Generation dazu rechnen, so wird sich dieser Anteil auf ein Drittel erhöhen. Heutige Arbeiterklassen-Politik muß also internationalis­tisch sein. Das kommt im spontanen Antirassismus, der in der heutigen Jugend wirkt, sehr deutlich zum Ausdruck Daher ist der Antirassismus nicht als eine Art humanistische Über-Ideologie jenseits der Klassen verstehen, sondern ist ebenso wie der Feminismus ein Aspekt eines modernen Klassenbewußtseins.

Das müssen wir nicht nur uns selbst, sondern vor allem auch in ÖGB und Arbeiterkammer klarmachen, deren Führungen glauben, mit der Beteiligung an der Demo am 19. Februar und dem Aktionstag im Juni ihre Schuldigkeit getan zu haben. Tatsächlich steht aber die Gewerkschaftsbe­wegung vor einer großen, fast könnte man sagen, geschichtlichen Herausforderung. Unsere Funktion kann dabei sein, das Verbindende zwischen traditioneller Arbeiterbewegung und neuen sozialen Bewegungen herauszuarbeiten.

Dabei können wir uns nicht darauf beschränken, den neuen sozialen Bewegungen zu erklären, „ohne Arbeiterbewegung geht nix“. Sondern es geht umgekehrt darum, in den traditionellen Strukturen und Organisationen klarzumachen, daß die neuen Bewegungen eine große Chance und Verantwortung darstellen. Wir brauchen dazu keine „euphorische Einschätzung“ der Bewegungen gegen Schwarzblau, sondern es geht darum einen Brückenschlag zwischen dieser und der traditionellen Arbeiterbewegung zustande zu bringen. Daran muß die KPÖ arbeiten. Die strategische Bedeutung eines solchen Brückenschlags könnte sogar über die Auseinanderset­zungen mit der jetzigen Regierung hinausreichen: Er wäre nämlich ein beträchtlicher Schritt auf dem Weg zu einer breiten, pluralistischen Allianz gegen den Neoliberalismus.

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