KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Neoliberales Business wie gehabt

Von KPÖ-Bundesvorstand (16.12.2008)

Stellungnahme der KPÖ zur Regierungsbildung

Als Ergebnis der Nationalratswahl vom 28. September 2008 und der nachfolgenden Regierungsver­handlungen wird die Koalition von SPÖ und ÖVP fortgesetzt. Sowohl das vereinbarte Regierungsprogramm für den Zeitraum von 2008 bis 2013 als auch die Ressortverteilung innerhalb der neuen Bundesregierung lassen erkennen, dass die vorzeitige Neuwahl im Grunde überflüssig war.

Die Bundesregierung bzw. SPÖ und ÖVP reagieren auf die Krise einerseits mit „Konjunkturpa­keten“, deren Wirksamkeit angesichts der zu erwartenden globalen Rezession zu bezweifeln ist, sowie mit der Bereitstellung gigantischer Milliardenbeträge für Banken, die im Verbund mit anderen jahrelang Casino-Geschäfte betrieben haben. Und andererseits mit der Übernahme menschenrechtsfe­indlicher Politikmuster vor allem in Migrationsfragen, offensichtlich in der Hoffnung, der rechtsextremen Konkurrenz, die sich die Krisenstimmungen zunutze macht, den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Was die Spatzen von den Dächern pfeifen, spielt für das neue Regierungsprogramm keine Rolle: Es war die Politik, die unter neoliberalen Losungen die Umverteilung des gesellschaftlich geschaffenen Reichtums von unten nach oben organisiert und ermöglicht hat. Erst die bizarre Konzentration des Reichtums auf Seiten der Konzerne und Milliardäre hat dem Finanzmarkt jene Summen zur Verfügung gestellt, deren Vernichtung jetzt zum zweiten Mal durch die Mehrheit der Bevölkerung bezahlt werden soll.

Die neoliberale Propaganda – „Mehr privat, weniger Staat“, die Anbetung der angeblich sich selbst regulierenden Kräfte des Marktes usw. – hat sich in den Augen des Großteils der Bevölkerung blamiert – nicht jedoch in den ökonomischen und gesellschaftlichen Strategien der politischen Klasse. Ein Beleg dafür ist das Programm der österreichischen Bundesregierung, das keinerlei nachhaltige Umverteilung von oben nach unten vorsieht, keine Idee zur nachhaltigen Bekämpfung der Krisenursachen enthält, sondern durch die Bereitstellung von 100 Milliarden Euro aus Steuermitteln genau jene Strukturen erhalten will, aus denen sich die Krise entwickelt hat. Seit Jahren bekannte Forderungen für Umverteilung und eine Abkehr von der neoliberalen Politik von Organisationen wie ATTAC, Armutsnetzwerk oder BEIGEWUM und auch der KPÖ wurden und werden ignoriert.

Personalaustausch

Das vorliegende Regierungsprogramm wird über weite Strecken überhaupt durch Leerformeln bestimmt (80 Punkte im Programm sind überhaupt mit einem Vorbehalt bezüglich der der Finanzierung ausgewiesen). So bleibt als Ergebnis der Regierungsbildung lediglich der Austausch des politischen Personals. Statt Gusenbauer und Molterer führen jetzt Faymann und Pröll die Regierung. In der ÖVP ist die Schüssel-Gruppe endgültig in die zweite Reihe verdrängt worden. Die Degradierung von SPÖ und ÖVP von Groß- zu Mittelparteien und der Wille zum Machterhalt, verbunden mit der Möglichkeit, Posten und Subventionen zu verteilen und die jeweilige Klientel zu bedienen, hält diese Koalition zusammen.

Die SPÖ akzeptiert wesentliche Vorgaben der ÖVP, diese hat weiterhin mit dem Innen-, Finanz- und Außenressort die wichtigsten Schlüsselminis­terien in ihrer Hand, und hat zusätzlich das politisch sensible Justizressort erhalten. Faymann hat die Gewerkschaften wieder an die Brust genommen, wie der Einzug mehrerer Gewerkschaftschefs auf einem SPÖ-Ticket in den Nationalrat und die Bestellung von Hundstorfer und Stöger zeigt. Mit dem Wirtschaftsbund-Mann Mitterlehner als Gegenüber ist somit eine starke sozialpartner­schaftliche Achse in der Regierung vertreten.

Ein Charakteristikum der neuen Regierung ist auch der Einfluss von Krone (Faymann) und Raiffeisen (Pröll) bzw. die starke Achse der Landeshauptmänner Häupl (Wien) und Pröll (NÖ). Damit verbunden ist auch eine stärkere mediale Absicherung der Koalition, auf SPÖ-Seite durch „Krone“ und „Österreich“, auf ÖVP-Seite über den Raiffeisen-Einfluss bei „Kurier“, „profil“ etc. und natürlich auch durch den Zugriff auf den ORF.

Grundsätzliches zur Regierungspolitik

Neoliberale Dogmen reduzieren die Politik zunehmend auf selbst geschaffene Sachzwänge. Nulldefizit, Maastricht-Kriterien und Stabilitätspakt gelten für SPÖ wie ÖVP gleichermaßen als Dogma. Die Finanzhoheit der EU und damit auch ihrer Mitgliedsstaaten wurde an die Europäische Zentralbank abgegeben, die dezidiert frei von politischen Weisungen ist, keineswegs aber von den Einflüsterungen der Konzerne. Die Folgewirkung dieser neoliberalen Budgetpolitik sind Tariferhöhungen mit dem Argument der Kostendeckung, die Kürzung von Sozialleistungen sowie die Ausgliederung und Privatisierung öffentlichen Eigentums. Der Spielraum für politische Entscheidungen wird immer geringer, wie auch das Programm der neuen Regierung beweist. Galt früher das Budget als die in Zahlen gegossene Politik, so wird heute Politik immer stärker auf das reduziert, was das Budget scheinbar zulässt.

Neoliberale Politik bewirkt die systematische Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von den Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Prekarisierten hin zum großen Kapital und den großen Vermögen. Die Lohnquote sinkt seit Ende der 70er Jahre international und auch in Österreich. Wichtige Sozialleistungen werden als unfinanzierbar erklärt. Eine Umverteilung durch höhere Steuern auf Kapital und Vermögen gilt hingegen als tabu.

Im Ergebnis dieser Politik nehmen Prekarisierung und Verarmung großer Teile der Bevölkerung zu. Über eine Million Menschen leben bereits an oder unter der Armutsgrenze, vielfach trotz Erwerbstätigkeit, betroffen sind vor allem Frauen und Alleinerziehe­rInnen. Das Stichwort „Reformen“ steht für weitere Verschlechterungen, der Begriff Reform verkommt noch stärker zur sozialpolitischen Drohung. Die Abwälzung der Finanzierung wichtiger Maßnahmen auf Länder und Gemeinden verstärkt den Finanzdruck auf diese Gebietskörper­schaften, eine gerechtere Verteilung der Mittel aus dem Finanzausgleich ist nicht in Sicht.

Einige Schlussfolgerungen

Die Grünen als parlamentarische Opposition bieten keine grundlegenden Alternativen zur neoliberalen Politik an. Es ist zu befürchten, dass im Ergebnis der Fortsetzung der bisherigen Regierungspolitik der Rechtsextremismus in Form von FPÖ und BZÖ weiter erstarkt und Österreich zu einem europäischen Modellfall für einen rechten „Ausweg“ aus der Krise wird.

Die KPÖ hat im Wahlkampf den Schwerpunkt auf Umverteilung, öffentliches Eigentum und gleiche Rechte gesetzt. Diese Anliegen sind nach der Wahl genauso aktuell wie davor: Höhere Steuern auf Kapital und Vermögen, ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde, eine Arbeitszeitver­kürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich, die Einführung einer Wertschöpfungsab­gabe, die Abschaffung der Selbstbehalte, der Erhalt und Ausbau des öffentlichen Eigentums, eine Energiegrundsiche­rung sowie die Anhebung von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe und Ausgleichszula­genrichtsatz (die KPÖ tritt längerfristig für ein allgemeines Grundeinkommen ein), die Rücknahme der Verschlechterungen im Pensionsrecht, ein demokratisches Wahlrecht, bei dem jede Stimme gleichviel wert ist, der Erhalt der österreichischen Neutralität, die Ablehnung jeder Form der Beteiligung an der Militarisierung der EU, verbunden mit einer Auflösung des Bundesheeres – das in Summe wäre ein wirksames „Konjunkturpaket“, geeignet, die Folgen der Finanz- und um sich greifenden Wirtschaftskrise von der Mehrheit der Bevölkerung abzuwenden.

Doch im selben Maß, wie es bei der gegenwärtigen Krise um weit mehr geht als um eine Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, sondern um eine Krise des neoliberalen Systems, sind Maßnahmen gefragt, die darüber hinausgehen. Die klarste und konsequenteste Lösung im Bezug auf die Finanzkrise ist die Vergesellschaftung des Banken- und Versicherungsbe­reichs, d. h. die Übernahme der Banken durch die öffentliche Hand, verbunden mit demokratischer Kontrolle und gesellschaftlich sinnvoller Zielsetzung der Bankaktivitäten. Darüber hinaus ist die Übertragung von Pensionsansprüchen an private Fonds zu verbieten und beides ist sowohl mit einer radikalen Umverteilungspo­litik auf Kosten von Kapital und Vermögen zu verbinden als auch mit der Realisierung demokratischer Alternativen in Wirtschaft, Politik und Kunst.

Die KPÖ hätte so wie in Deutschland Die Linke das 100-Milliarden-Finanzpaket im Nationalrat abgelehnt. Doch während sich in Deutschland eine gesellschaftspo­litische Opposition im Parlament zu Wort melden kann, bleiben in Österreich die auf das finanzkapitalis­tische System eingeschworenen Parteien unter sich, wie auch die einstimmige Annahme des Finanzpakets zur Rettung der Banken im Nationalrat gezeigt hat. Dies weist auf ein wesentliches Problem der sozial engagierten systemkritischen Kräfte in Österreich hin: sie haben im Grundsätzlichen keine parlamentarische Vertretung. Darauf hinzuwirken, wird sich die KPÖ in der folgenden Legislaturperiode bemühen. Das ist nicht die einzige, aber sicher eine wesentliche Schlussfolgerung aus der Lektüre des vorliegenden Regierungsprogramms und aus der Regierungserklärung Faymanns.

Anhang: Einschätzung wichtiger Politikfelder

Europa: Die Koalition bekennt sich „uneingeschränkt zum europäischen Einigungswerk“. Sie hält am gescheiterten EU-Vertrag, an den Maastricht-Kriterien und am Euro-Stabilitätspakt fest. Damit wird die von Regierung und Parlament Österreichs von jeher unterstützte und mitgetragene EU-konforme neoliberale Politik von Sozialabbau, Liberalisierung und Privatisierung fortgesetzt. Trotz der mittlerweile unübersehbaren negativen Auswirkungen der Liberalisierung auf für die Infrastruktur wichtige Bereiche wie Bahn, Post oder Energieversorgung ist es erklärtes Ziel der Koalition den „Liberalisierun­gsstand der einzelnen Mitgliedsstaaten auf ein einheitliches Niveau“ zu bringen, im Klartext die Liberalisierung zu beschleunigen. Verstärkte EU-Werbung in Gemeinden, Schulen usw. hat für die Regierung Vorrang vor einer Hinterfragung der Ursachen für wachsenden EU-Frust und als Konsequenz einer Änderung der Politik bzw. Entwicklung von Alternativen zur jetzigen EU. Demnach verpflichtet sich die Regierung zu einer „umfassenden und kontinuierlichen Informationsarbeit zur EU“.

Neutralität: Die Regierung setzt den mit der Neutralität unvereinbaren Kurs auf die Beteiligung Österreichs an der Militarisierung der EU fort. Dazu gehören die Beteiligung Österreichs an der NATO-Partnerschaft, das Festhalten am Ermächtigungsar­tikel 23f in der Bundesverfassung und die Beteiligung an Euroarmee und Battle Groups. Das Regierungsabkommen bekennt sich ausdrücklich zum „gesamten Spektrum der Petersberg-Aufgaben“ (Anspruch auf Militärinterven­tionen weltweit ohne Beschränkung auf Sanitäts- oder Hilfsdienste) und Head-Line-Goal 2010 (Kriegsführung auch ohne Rückgriff auf US- und NATO-Strukturen). Dies ist verbunden mit dem Anstreben von Führungsaufgaben durch Österreich bei solchen Einsätzen, wobei ein UNO-Mandat keine Voraussetzung für die Beteiligung an Einsätzen ist, sondern nur ein Verweis auf die UNO-Charta.

Wirtschaft: Das Kapitel Wirtschaft trägt unübersehbar die Handschrift der ÖVP und wird ergänzt durch die Forderung von Industriellen-Präsident Sorger nach 25 Prozent Lohnverzicht als Krisenopfer. Die Privatisierun­gspolitik wird fortgesetzt. Die AUA wurde praktisch an die deutsche Lufthansa verschenkt. Das Ergebnis des Post-Gipfels bedeutet nur Beschwichtigung und Aufschub, aber keine Absage an den Vorstandsplan nach Abbau von 9.000 Arbeitsplätzen und Schließung von tausend Postfilialen in Hinblick auf die völlige Liberalisierung der Postdienste ab 2011. Bei der ÖBB erfolgt eine Suche nach strategischen Partnern für den Güter- und Personenverkehr, was im Klartext auf eine Privatisierung der ÖBB zielt. Dazu ist auch eine Änderung des Dienstrechts der ÖBB für eine „betriebswirtschaf­tlich sinnvolle Personalpolitik“ vorgesehen.

Budget: Die Profiteure der Finanzkrise werden nicht zur Kasse gebeten. Die bisherigen Maßnahmen wie das Bankenpaket laufen letztlich darauf hinaus, dass die Lohnabhängigen über ihre Steuerleistung allfällige Haftungen und sonstige Maßnahmen finanzieren sollen. Trotz Aufweichung von Maastricht-Kriterien und Euro-Stabilitätspakt wird weiterhin ein ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus angestrebt, den eine Arbeitsgruppe bestehend aus Faymann, Pröll, zwei Landeshauptleuten sowie Aiginger (Wifo) und Felderer (IHS) konkretisieren soll. Berechtigt ist eine Hinterfragung der Wirkung der angekündigten Konjunkturpakete. Keine Maßnahmen sind gegen die Teuerung vorgesehen, wie etwa amtliche Preisregelung oder die Abschaffung Mehrwertsteuer auf Mieten. Wie schon im letzten Regierungsabkommen ist geplant „zur Abgeltung der Teuerung“ sämtliche Gebühren (z.B. Vignette) einer jährlichen Valorisierung zu unterziehen.

Steuern: Bei der vereinbarten Steuerreform steht einer mageren Entlastung für die kleineren Einkommensgruppen keinerlei Gegenfinanzierung durch höhere Steuern auf Kapital und Vermögen gegen, sodass sich die Lohnabhängigen die Reform letztlich durch Verschlechterungen in anderen Bereichen selber zahlen müssen. Hauptnutznießer sind die BezieherInnen hoher Einkommen, keine Verbesserung gibt es bei der Negativsteuer für Kleinsteinkommen. Dafür ist eine Begünstigung auch für Selbständige durch Erhöhung des Freibetrages von 10 auf 13 Prozent vorgesehen (was aber auch viele Scheinselbständige betrifft). Die Begünstigungen bei der Körperschaftssteuer auf die Gewinne der Kapitalgesellschaf­ten (Gruppenbeste­uerung, Steuersenkung) bleiben aufrecht. Die Entlastung des Kapitals (Abschaffung Vermögenssteuer, Kapitalverkeh­rssteuer und Bankenabgabe, Senkung Spitzensteuersatz, Einführung Privatstiftungen unter Lacina, Senkung Körperschaftsste­uer, Gruppenbesteuerung unter Grasser, Abschaffung Erbschaftssteuer unter Molterer) wird somit fortgesetzt.

Soziales: Durch die Ansagen für eine Entlastung des „Faktors Arbeit“, für eine bedarfsorientierten Mindestsicherung als Hartz IV auf österreichisch und einem Kombi-Lohnmodell steigt der Druck auf die Lohnabhängigen und die angesichts der immer stärker auf die Realwirtschaft durchschlagenden Finanzkrise steigenden Zahl von Arbeitslosen.

Pensionen: Die SPÖ hat sich mit den Grausamkeiten der schwarzblauen Pensionsreform von 2003 längst abgefunden. Trotz des offensichtlichen Scheiterns der Finanzierung der zweiten und dritten Säule der Pensionsfinan­zierung (Betriebspensionen und private Vorsorge) über den Kapitalmarkt erfolgt keine Umorientierung durch Rückführung dieser Bereiche auf das Umlagensystem, nur von einer verstärkten Auflagen für die Pensionskassen ist die Rede. Statt einer „Automatik“ soll ein Monitoring mit einschlägigen „ExpertInnen“ über Beitragshöhe und Pensionserhöhungen entscheiden. Vorgesehen sind auch eine Neuregelung der Altersteilzeit und der Hacklerregelung nach 2013.

Gesundheit: Geplant sind eine Finanzspritze für Krankenkassen, junktimiert mit „kostendämpfenden Maßnahmen“ zur Ausgabenreduzierung und ein „schrittweiser Abbau des Reinvermögens“ zum Defizitabbau. Das Grundproblem der Krankenkassen sind aber nicht die Ausgaben (der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ist seit Jahren konstant) sondern der durch stagnierende Einkommen und zunehmende Prekarisierung erodierenden Einnahmen. Nachhaltige Lösungen etwa durch Einführung einer Wertschöpfungsab­gabe oder Abschaffung der Selbstbehalte bzw. der Mehrwertsteuer auf Medikamente sind nicht vorgesehen, ebenso wenig eine Eindämmung der Macht der Pharmakonzerne und Gesundheitsin­dustrie. Sozialminister Hundstorfer hat sogar vorsichtigen Ansagen von Gesundheitsminister Stöger in Richtung Wertschöpfungsab­gabe mit Verweis auf das Koalitionsabkommen eine klare Absage erteilt.

Familien: Im Regierungsprogramm ist ein kostenloses, aber verpflichtendes letztes Kindergartenjahr vorgesehen, jedoch nur mit Vormittagsbetre­uung. Dabei ist auch die Finanzierung offen, weil der Bund den Ländern und Gemeinden die Finanzierung zuschieben will. Ebenso offen ist die Finanzierung eines einkommensabhängi­gen Kinderbetreuun­gsgeldes. Geplant ist auch ein „Papamonat“. Mit Ausnahme des für alle wirksamen erhöhten Kinderabsetzbe­trages nutzen auch die familienpolitischen Maßnahmen in der Steuerpolitik nur Personen mit hoher Steuerleistung. Die Erhöhung des Kinderfreibetrages kommt nur steuerpflichtigen Personen zugute, die Absetzbarkeit für Kinderbetreuung außer Haus nützt nur Personen mit hohem Einkommen.

Migration: Für die Regierung hat eindeutig Abschiebung („Effizienzste­igerung bei Außerlandesbrin­gungen“) Vorrang vor Integration. Schubhaft und Arbeitsverbot für AsylwerberInnen bleiben, die kritisierte und in zahlreichen EU-Ländern umstrittenen Charta-Abschiebungen sollen ausgeweitet werden. Offenbar unter dem Druck der auf fast 30 Prozent erstarkten Rechtsaußenparteien FPÖ und BZÖ setzen auch die Regierung Faymann-Pröll und insbesondere Innenministerin Fekter auf die Fortschreibung einer repressiven Asyl- und Migrationspolitik. Das von einschlägigen Organisationen geforderte Ressort für Integration gibt es nicht. Eine „Rot-Weiss-Rot-Card“ soll die Zuwandererquote ersetzen. Die Quoten für 2009 wurden mit 2.920 Schlüss­elkräften, 230 Privatiers und 4.905 Personen im Rahmen des Familiennachzuges festgelegt. Statt der Beschleunigung von Asylverfahren wird auf schnellere Asylverfahren und Abschiebungen von Straftätern orientiert, die Asylgewährung bewusst mit Gesetzesübertre­tungen vermengt und ignoriert, dass es – unabhängig ob jemand um Asyl ansucht oder österreichischer oder EU-Staatsbürger ist – ein klares Procedere gibt. Die Gewährung von Asyl entsprechend internationalen von Österreich unterzeichneten Abkommen darf jedoch nicht von einer Anzeige wegen Ladendiebstahls oder „Schwarzfahrens“ abhängig sein. Im Süden Österreichs ist ein drittes Erstaufnahmezentrum („Kompetenzzentrum für aufenthaltsbe­endende Maßnahmen“) geplant. Deutschkenntnisse müssen künftig schon im Ausland erworben werden um einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Vorgesehen sind auch Patenschaften für besonders gut integrierte Zuwanderer, was faktisch eine Abschiebung der Verantwortung des Staates an Privatpersonen und karitative Organisationen bedeutet.

Frauen: Frauenpolitik beschränkt sich im Regierungsprogramm auf einen jährlichen Bericht, obwohl die Defizite längst bekannt sind und konkrete Maßnahmen verlangen, wie etwa einen Mindestlohn zehn Euro. Die Lohnschere zwischen Männer- und Fraueneinkommen beträgt nach wie vor über 30 Prozent. Frauen stellen auch den größten Anteil an Teilzeitbeschäftig­ten und atypischen Beschäftigungsver­hältnissen. Das Kindergeld erweist sich indirekt immer stärker als eine „Ausstiegsprämie“ aus dem Vollerwerb für Frauen.

Bildung: Auch die Bildungspolitik wird lediglich fortgeschrieben. Die „Neue Mittelschule“ als Gesamtschule ist weiter nur ein Schulversuch und nicht flächendeckend. Angekündigt wurde eine Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr. Die Bezirksschulräte sollen durch Bildungsdirektionen ersetzt werden.

Hochschulen: Eine verpflichtende Studieneingan­gsphase ist als versteckte Zugangsbeschränkung für das Master- und Doktoratsstudium zu werten. Unter dem Deckmantel der Autonomie werden Universitäten verstärkt als Unternehmen mit marktwirtschaf­tlicher Führung betrachtet. Vorgesehen sind Standortoptimi­erungen bis zur Zusammenlegung von Universitäten. Die Stärkung der Leitungs- und Entscheidungsstruk­turen bedeutet noch mehr Macht für Rektorat und Unirat. Gleichzeitig erfolgt eine Verdrängung des Mittelbaus durch die Auflösung des Kuriensystems. Die Anpassung der Studienpläne an jene der Fachhochschulen stellt eine kurzsichtige Wirtschaftsori­entierung und weitere Verschulung der Universitäten dar. Spitzenqualifi­kation soll nur einer kleinen Elite zukommen. Eine Erhöhung bzw. Valorisierung der Stipendien ist nicht vorgesehen, Das Ziel zwei Prozent des BIP für tertiäre Bildung anzustreben ist im Regierungsprogramm ohne Jahresangabe, bisher galt dies bis 2020.

Sicherheit: Im Koalitionsabkommen ist eine Verschärfung Repression vorgesehen. Die monatelange U-Haft für Tierschützer ohne konkrete Anklagepunkte war offenbar ein Vorgeschmack darauf. Unklar ist wie „Terrorcamps“ und „Hassprediger“ definiert werden. Vorgesehen ist eine Aufstockung der Polizei um tausend Stellen, die Online-Durchsuchung und zwangsweise Bluttest bei Verdächtigen.

Justiz: Durch den Widerstand der ÖVP gibt es auch für die kommende Regierungsperiode keine Festlegung auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sondern nur eine Arbeitsgruppe dazu.

Wohnen: Einerseits ist in diesem Regierungsabkommen wie auch in den vorangegangenen von einem Grundbedürfnis der Menschen nach leistbarem und qualitativ hochwertigem Wohnen die Rede. Andererseits soll die „Vielfalt im Wohnbau“ gefördert werden, als wäre die Versorgung der Menschen das Motiv für das private Kapital zu investieren und nicht die Hoffnung auf Rendite. Der Maßnahmenkatalog spiegelt genau das wieder, es sollen private und gemeinnützige Bauträger gleichberechtigt gefördert werden. Die Renditemöglichke­iten privater Immobilienbesitzer durch das Fehlen transparenter für alle Wohnungstypen geltende Mietzinsobergren­zen, nahezu uneingeschränkte Befristungsmöglichke­iten und die hohen Maklergebühren sollen nicht eingeschränkt werden. Das Grundbedürfnis der Menschen wird zwar ausdrücklich festgehalten, aber sicher nicht durch diese Koalition befriedigt werden. Zumal die Rückzahlungsmöglichke­iten der Kautionen bei außerstreitigen Verfahren den MieterInnen herzlich wenig nützt, solange die Außerstreitver­fahren kostenpflichtig bleiben. Keinen Handlungsbedarf sieht die Koalition bei der Entkoppelung der Verwaltungskosten von der Indexanpassung, der Abschaffung der Vergebührung von Mietverträgen und für Initiativen gegen Wohnungsleerstand aus Spekulationsgründen. Die Bundesarbeitsge­meinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO) urgiert die Verankerung des Rechts auf Wohnen in der Bundesverfassung verbunden mit entsprechenden Maßnahmen.

Umwelt: Das Umweltkapitel gilt aus der Sicht von ÖkologInnen als besonders substanzlos. Für den Klimaschutz handelt es sich um das schlechteste Regierungsprogramm seit Langem, vor allem durch das Fehlen konkreter Zielvorgaben. Es gibt nur einen Verweis auf die EU-Vorgaben für minus 30 Prozent bis 2020, die klare Verfehlung des Kyoto-Ziel durch Österreich wird nicht einmal erwähnt. Weiterhin ist Umwelt ein Anhängsel Landwirtschaft statt eines eigenen Ministeriums für Umwelt und Energie. Auch ist Österreich säumig bei der Umsetzung von EU-Umweltrichtlinien zur Umwelt. Die Verfahrensvere­infachungen bei Infrastruktur­maßnahmen (Straßen, Bahn, Kraftwerke, Strom- und Gasleitungen) drängt die Bürgermitsprache zurück.

Landwirtschaft: Laut Faymann orientiert die Regierung auf ein „eigenständiges, selbstbewusstes europäisches Agrarmodell“. Die Aussage, Österreich soll „weiterhin selbstbestimmt entscheiden können, ob es der Verwendung gentechnisch veränderter Lebensmittel zustimmt oder nicht“ bedeutet keine grundsätzliche Absage an die Gentechnik.

Energie: Es gibt auch keine Schwerpunktsetzung auf erneuerbare Energie und weg von Öl und Gas. Während im vorigen Regierungsprogramm 45 Prozent erneuerbare Energie als Ziel galten, wird jetzt nicht einmal das EU-Ziel von 34 Prozent erwähnt. Die Anreizprogramme für thermische Sanierung sind viel zu niedrig. Kein Thema ist für die Regierung auch der Ausstieg aus Euratom-Vertrag, gefordert wird nur die Reform desselben, womit aber die österreichische Anti-Atompolitik unglaubwürdig bleibt. Die geplante Novelle der Systemnutzungsta­rifverordnung belastet die heimischen Ökostromerzeuger, nicht aber die ausländischen Atomstromprodu­zenten beim Import von Atomstrom nach Österreich.

Demokratie: Während eine Volksabstimmung zwar über einen EU-Beitritt der Türkei vorgesehen ist, wird eine solche über EU-Verträge blockiert. Statt den Artikel 7 des Staatsvertrages zu erfüllen gilt ein „Konsens“ in der Minderheitenpolitik mit rechtsextremen Kräften. Schlussendlich ist auch eine Ansage Faymanns in Richtung eines Mehrheitswahlrechts zu beachten, durch welche die Betreiber eines solchen Auftrieb erhalten.

Gemeinden: Durch die Steuerreform verlieren die Gemeinden 300 Millionen Euro Ertragsanteile, da der bis 2013 paktierte Finanzausgleich nicht geändert wird. Obwohl die Gemeinden (ohne Wien) 54 Prozent der öffentlichen Investitionen tätigen erhalten sie nur 11,6 Prozent der gemeinschaftlichen Bundesabgaben. Trotz der dramatischen Finanz- und Wirtschaftskrise wird der öffentliche Sparzwang (Maastricht-Kriterien, Euro-Stabilitätspakt) nicht aufgehoben, vielmehr sollen Länder und Gemeinden schon 2009 einen Budgetüberschuss von 0,1 Prozent des BIP erwirtschaften und diesen schrittweise auf 0,5 Prozent des BIP bis 2013 steigern. Durch die restriktiven Budgetauflagen wurden und werden die Gemeinden nicht nur zu massiven Tarif- und Gebührenerhöhungen, Fremdvergabe von Leistungen, Ausgliederungen und Privatisierungen kommunaler Leistungen genötigt sondern auch zu höchst riskanten spekulativen Veranlagungen am Kapitalmarkt mit hohen Verlusten als Folge der Finanzkrise verführt. Noch nicht absehbar sind zudem die Folgen der bis 2004 eingegangenen Cross-Border-Leasing-Verträge, von Fremdwährungskre­diten und der zunehmenden Zahl von Public-Private-Partnership-Projekten. Im Regierungsprogramm fehlt abermals ein ernster Ansatz für eine Staatsreform, die den immer anachronistischer werdenden Föderalismus beschränken, den höchst überflüssigen Bundesrat abschaffen und die von finanzieller Auszehrung geplagten Gemeinden aufwerten würde.

KPÖ-Bundesvorstand 6. 12. 2008

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