KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Politisches Referat: Zur Krise des "Projektes Europa"

Von Waltraud Fritz Klackl (1.3.2011)

Mein Bericht über die Tätigkeit der Europäischen Linken (EL) in Österreich bzw. über meine Tätigkeit in der EL wird kurz ausfallen. Nicht weil die KPÖ so wenig gemacht hätte, sondern aus anderen Gründen. Mitzuhelfen, dass Veranstaltungen der EL in Österreich stattfinden und dass bei bestimmten Anlässen,wie z.B. unserem VolksstimmeFest die EL präsent ist, umschreibt auch schon den größten Prozentsatz meiner Tätigkeit als Vertreterin der KPÖ im Vorstand der EL.

Darüber hinaus bin ich seit mehr als drei Jahren auch im Sekretariat des Vorstands der EL vertreten. Dort allerdings nicht als KPÖ Vertreterin, sondern, um an der Koordination der EL-Vorstandstätigkeit und deren politische Umsetzung mitzuarbeiten. Ich muß zugeben, dass diese Funktion einen Großteil meiner Tätigkeit ausmacht. Und dafür, dass das möglich ist, habe ich auch und vor allem der KPÖ zu danken:

Da gibt es keine Widersprüche, zwischen KPÖ und EL Interessen. Und die Partei erwartet auch nicht von mir, verdeckt bzw. insgeheim KPÖ Agenden im Rahmen des Sekretariats zu verfolgen. Dafür bin ich dankbar. Dafür bin ich auch stolz, weil meine Partei nicht eine Partei wie jede andere ist, weil dieses Verständnis unserer Partei von europäischer Kooperation richtungsweisend ist. Und außerdem bin ich sowieso stolz auf uns, weil all das, was es mir heute ermöglicht, mit GenossInnen aus vielen europäischen Parteien vertrauensvoll zusammen zu arbeiten aus Lernprozessen in der KPÖ stammt.

Seit dem letzten EL-Parteitag vergangenen Dezember, haben wir nun mit Tilmann Bürckstümmer einen jungen Genossen, der mit mir die KPÖ im Vorstand vertritt und der sich dort vorwiegend den Interessen der KPÖ widmen kann. Zusätzlich hat sich auch Adam Markus bereit erklärt, verstärkt in diversen EL Zusammenhängen mitzuarbeiten und Informations- und Koordinierungsau­fgaben zu übernehmen. Über die Aktivitäten unserer Genossinnen in EL Frauenzusammen­hängen wird ja noch anschließend gesprochen werden.

Ich möchte mich darauf konzentrieren, worüber ich denke, dass wir mehr diskutieren und einen intensiveren Austausch von Meinungen als bisher führen sollten.

Europa ist in der Krise, das ist mittlerweile ein Gemeinplatz geworden, Europa ist – außer in einer ökonomischen – in einer allgemeinen gesellschaftlichen, politischen und moralischen Krise.

Wenn ich hier im weiteren Europa sage, meine ich nicht in erster Linie die europäischen Staaten oder die EU, sondern das Projekt „Europa“. Ich glaube, dass das politische Projekt „Europa“in einer weit größeren Krise ist, als wir uns alle eingestehen wollen bzw, können.

Der europäische Integrationsprozeß war zu keiner Zeit seit 1945 stabil, zuerst – im Ergebnis des 2. Weltkriegs – nach zwei völlig verschiedenen Systemen hin ausgerichtet. Dann dominiert von der kapitalistischen unter der Hegemonie der EU stehenden Entwicklung. Immer deutlicher, trotz offensichtlichem Machtzuwachs wurden die schweren sozialen, humanitären und ökologischen Defizite dieser Integration. Die jetzige Krise hat die Grundlagen der europäischen Integration zutiefst erschüttert und stellt die Sozialsysteme bzw. den Sozialstaat in Frage.

Die entwickelte Demokratie und mit ihr die Errungenschaften der komplexen, widersprüchlichen europäischen historischen Entwicklung – ein Bogen der sich von der Aufklärung bis hin zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus in Europa spannt.

All diese Errungenschaften – und hier ist NICHT der Ort um zu betonen, welchen Preis die Menschen dafür bezahlt haben – all das ist in Frage gestellt oder bereits als historischer Ballast zur Seite geschoben worden.

Europa verkommt politisch zur Peripherie und selbst innereuropäisch verkommt der Integrationsprozeß zu einer Art Binnenkolonisation, wo mächtige EU Staaten, die weniger mächtigen bzw, weniger gut für den Markt gerüsteten kolonialisieren

Globalisierte Unternehmungen haben die europäische Arena bereits schrittweise verlassen, zuerst Richtung Osteuropa und dann für immer, der europäische Markt hat nur mehr marginale Attraktivität, was sind schon 300 Millionen – Kaufkraft sinkend – im Vergleich zu mehreren Milliarden in den sgn. Schwellenländern, die schon bald, sehr bald, keine mehr sind. Und nicht behaftet sind mit all den Einschränkungen, das das europäische Sozialmodell ihnen noch immer aufbürdet und das, was wir nicht unterschätzen sollten, noch immer weltweit Standards setzt. Sein Abbau betrifft nicht nur die europäische ArbeiterInnen­klasse.

All diese Entwicklungen machen es für die Europäische Linkspartei um so mehr notwendig, zum Projekt Europa eindeutig, eindeutiger als bisher Stellung zu beziehen und darüber zu diskutieren, welche politischen Optionen für linke, auf Überwindung des Kapitalismus orientierte Bewegungen derzeit vorhanden sind.

Die Auswirkungen der Krise sorgen dafür, dass sich die Menschen des Umfanges und den Dimensionen der Angriffe auf alles, was jemals einen Fortschritt dargestellt hat, wohl bewußt sind, die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis aber nicht mehr verkraften können. Wir alle können das, was derzeit gleichzeitig aber in unterschiedlichen Erscheinungsformen geschieht, zum Teil nicht mehr „verkraften“, es geht tatsächlich über unsere Kräfte.

Was wir dagegen tun könnten – ich komme später darauf zurück:

Wenn ich zuerst von Europa in der Krise gesprochen habe, so muß ich jetzt über die Linke (und ich beschränke mich hier nicht auf die EL), – über die Linke in der Dauerkrise reden.

Je mehr die Menschen eine handlungsfähige Linke, eine Linke links von Sozialdemokratie und Grünen, brauchen würden, desto mehr scheint die Linke wieder einmal mit sich selbst beschäftigt.

Und statt der eigenen Verfasstheit einmal schonungslos ins Auge zu blicken und dann auf den Grund zu gehen, müssen Gemeinplätze herhalten:

zB. dass die Menschen „politikmüde“ geworden seien – was soll das heißen? Sind sie müde, von zu viel Politik machen, wohl eher nicht

Sie sind wohl eher müde der PolitikerInnen, die entweder Gauner oder machtlos bzw. ohnmächtig sind –es rächt sich das Stellvertreter­handlen der europäischen Linken – einschließlich und in erster Linie der Sozialdemokratien

Und wenn ich hier gegen das Stellvertretertum Stellung nehmen, dann wende ich mich nicht gegen Repräsentation.

Die Menschen, alle, und besonders linke Menschen, haben das Recht anständig und konsequent repräsentiert zu werden – deswegen gehen sie auch wählen, sie haben das Recht, sich auch anderen Dingen des Lebens widmen zu können, als ständig auf der Straße ihre Interessen zu vertreten und das mit zunehmend größeren Risken und zunehmend weniger Aussichten auf Erfolg , weil sie von den gewählten RepräsentantInnen im Stich gelassen worden sind bzw. diese über keine ausreichenden Machtmittel mehr verfügen, den Volksfeinden Herr bzw. frau oder noch besser Mensch zu werden

Ich möchte hier Pierre Laurent, den neuen Präsidenten der EL zitieren. Er schreibt: Es besteht Anlaß zur Befürchtung, dass viele von denen, die von einem Bruch mit dem Kapitalismus nur gewinnen könnten, sich verloren und entmutigt fühlen und letztlich aufgeben.

Liegen solche Erscheinungen in unserer Mitverantwortung? – Selbstverständlich tun sie das. Und es liegt auch in unserer Mitverantwortung, wenn sich Menschen – durchaus pragmatisch und realistisch denkend, zum xten mal den Sozialdemokraten die Stimme bei Wahlen geben, obwohl sie vorher zum xten mal enttäuscht worden waren.

Auf ihrem letzten Parteitag hat die EL festgestellt: Nach den ersten 6 Jahren ihrer Existenz ist es an der Zeit, dass die EL in eine neue Phase eintritt.

Unsere bisherigen miteinander gemachten Erfahrungen, unsere Analysen lassen uns erkennen, dass wir in eine Phase konkreter europäischer politischer Zusammenarbeit eintreten und uns einer europäischen politischen Wirklichkeit gegenüber als Subjekt erweisen müssen.

Das mag jetzt alles etwas abstrakt klingen, daher ein Beispiel:

Eine der Diskussionen, die in der El zur Zeit geführt wird, betrifft scheinbar organisatorische Fragen: Die Diskussion um die Erweiterung und Vergrößerung der Partei.

Seit ihrer Gründung hat die EL neue Parteien als Mitglieder und Beobachterinnen angezogen, ja, in letzter Zeit können wir fast einen „Run auf die EL“ feststellen. Das könnte einem ausschließlich nur freuen und damit ihr diese Freude teilen könnt, darf ich mit euch die für mich erfreulichste Geschichte in diesem Zusammenhang teilen:

Wie ihr wißt war die finnische KP Beobachterin in der EL. Voriges Jahr hat sie sich entschlossen um Mitgliedsstatus anzusuchen. Gleichzeitig hat sich auch der finnische Linksbund, übrigens um ein Vielfaches größerund im Parlament vertreten, dazu entschlossen. Nun hätte das Aufnahmeverfahren in die EL vorgesehen, dass die finnische KP aufgrund ihres bisherigen Beobachterstatus früher Vollmitglied in der EL geworden wäre als der Linksbund. Aber die finnischen GenossInnen haben große politische Weisheit bewiesen. Sie sind gemeinsam Mitglied geworden und auch die EL hat diese Weisheit akzeptiert und hat das Aufnahmeprozedere in diesem Falle einfach beiseite geschoben, zugunsten einer größeren Weisheit. Und heuer werden diese beiden finnischen Parteien gemeinsam mit der Europäischen Linkspartei das erste Mal eine gemeinsam öffentliche Veranstaltung in Helsinki machen – über nachhaltige ökologisch und soziale Politik. Dass die FinnInnen regelmäßig bei Pisa so gut abschneiden, ist vielleicht doch kein Zufall, oder?

Es gibt aber auch andere Beispiele: Beispiele von Auseinanderset­zungen, gegenseitigem Blockieren, Vetodrohungen und auch Selsselklebereien, um Parteien sozusagen „auszutricksen“, das sind negative Erscheinungen, wie ich meine: Über die wir beginnen müssen miteinander zu reden, offen und ohne Tabus zwischen den Betroffenen.

Die 1. Voraussetzung dazu ist: Flexible Formen von Organisationen der Linken korrespondierend mit flexiblen Formen von Aktionenen zu entwickelen /wir gehören zur großen linken Bewegung aber nicht für immer zu einer einzigen Partei oder Gruppe

2. Voraussetzung: trotz strategisch unterschiedlicher Einschätzung im andern linken Mitbewerber nicht den Hauptgegner sehen, Also niemals die Perspektive verlieren.

Und warum behaupte ich, dass man sich über die Tendenz der Vergrößerung der EL nicht nur ausschließlich freuen kann?

Weil sich politische Stärke und Einfluß nicht nur in der Zahl der EL Parteien zeigt sondern auch im politischen Einfluß, in der Intensität der Zusammenarbeit, in der Aktionsfähigkeit und in der Ausstrahlung hin zu anderen politischen Kräften und Akteuren.

Wir reden hier über Zusammenarbeit und Aktionsfähigkeit. Wie umgehen mit mehreren linken Parteien in einem Land – eine, alle oder zum Teil in der EL, bis zu welchem Grad kann, soll oder aber muß die EL ihr Schicksal teilen, weil in die EL sowohl Fortschritte in der Zusammenarbeit als auch vermehrte Spannungen, Meinungsdiffe­renzen, Spaltungen hineingetragen werden? Ist hineingetragen überhaupt ein brauchbarer Begriff? Was, wenn eine Partei selbst intern gespalten ist?

Diese Fragen führen uns direkt zur Frage der Zukunft einer pluralen am revolutionären Transformation­sprozess orientierten Linken in Europa.

Oft liegt die Lösung des gordischen Knotens darin, dass er einfach durchtrennt wird und nicht versucht wird, Faden um Faden von etwas zu entwirren, was bereits zu einem unauflösbaren "Zrit, wie wir Oberösterreiche­rInnen dazu sagen, geworden ist.

Dazu ist ein neuer Ansatz nötig- ich könnte sagen ein Paradigmenwechsel: Wir müssen miteinander, vielleicht sogar auf Gedeih und Verderb praktische Politik machen, uns gemeinsam eine Aufgabe vornehmen und sie dann beginnen umzusetzen, Schritt für Schritt – in der Praxis.

Und an diesem Punkt steht die EL gerade. Deswegen sprechen wir vom Eintritt in eine neue Phase:

Weniger ideologisch, mehr pragmatisch vom Standpunkt politischer Effizienz: Konkurrenz Ja, Wettbewerb, ja: Aber :Wer bringt mehr Leute in Aktion, wer kann mehr Unterschriften sammeln, wer kann Kontakt zu neuen Organisationen und Bewegungen knüpfen! Das soll uns in Zukunft interessieren:

Eine politische Bewegung, eine politische Partei (schon gar keine linke) ist nicht dazu da, die objektive Wahrheit zu finden – das können wir, zwar nicht unbesorgt, aber getrost – den PhilosophInnen überlassen – ein schönes Hobby übrigens für alle von uns – sondern wir sind dazu da, mitzuhelfen die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und heute sind wir schon so weit gekommen, sagen zu müssen um das Überleben der Menschheit mit zu kämpfen.

Sozialismus oder Barbarei – dieser Luxemburg Satz war vor Jahren noch Streitthema unter uns Linken – heute pfeifen diese Tatsache schon die Spatzen von den Dächern.

Kommen wir zurück auf den Boden der Realität, der europäischen Realität zurück:

Was ist der nächste Schritt zur Rekonstruktion des Notwendigsten – der Aktion – zur Rückkehrt der Linken als Akteurinnen auf die politische Bühne Europas und zwar als stabile Akteurinnen – nicht nur als Momentaufnahme

Die Politik der kleinen Schritte als planbare Aktion – kommt mehr – erhebt sich der Koloß – und die jüngsten Ereignisse in Nordafrika und dem arabischen Raum zeigen uns, was alles möglich ist – wir sind vielleicht dafür nicht gerüstet aber wir können auch lernen – Aber planen können wir derzeit zumindest einen kleinen Schritt – einen kleinen gesamteuropäischen Schritt: Eine europäische BürgerInnenini­tiative.

Und die Botschaft lautet:

Ihr habt uns Milliarden, ja Billionen abverlangt, in cash, in Soziallabbau und Austerität – zur Sanierung des europäischen Finanzkapitals.

Nun aber fordern wir Bürgerinnnen von den Politikern einen ersten konkreten sozialen Schritt.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger: Das ist keine Revolution, das bringt das politische System noch nicht ins Wanken, das bringt die Verhältnisse schon gar nicht zum Tanzen.

Aber es bringt den europäischen linken Bewegungen eine gemeinsame Aufgabe, wenn sie sich diese denn auch zutrauen, es bringt eine Möglichkeit konkreter Aktion. Und es ist ein Aufruf zu mehr Mut, zu mehr Selbstvertrauen und zu mehr Aktivität.

Ein Heraus zu den Menschen und ein Hinein in den Dialog: In den unvermeidlichen, unerlässlichen und unentbehrlichen Dialog, unentbehrlich, weil er die Aktion vorbereitet, begleitet und verbreitert.

Es ist nur ein Beginn: Aber damit fängt alles an!

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